Anforderungen des Tierschutzes an elektrische Taubenabwehrsysteme

Ingrid Schütt-Abraham, April 2002

Elektrische Taubenvergrämungssysteme dienen dem Fernhalten oder Verscheuchen von Tauben von deren bevorzugten Absitz- oder Nistplätzen. Hierdurch lassen sich Gebäude vor Verschmutzung und Beschädigung durch Taubenkot schützen, aber auch Hygieneprobleme vermeiden, die in bestimmten Bereichen durch Taubenansammlungen hervorgerufen werden können. Elektrische Taubenvergrämungssysteme bestehen prinzipiell aus zwei vollständig gegeneinander isolierten elektrischen Leitern, zwischen denen eine Spannungsdifferenz herrscht. Bei gleichzeitiger Berührung beider Leiter durch den Taubenfuß wird der Stromkreis geschlossen und die Taube erhält einen kurzen, aber schmerzhaften elektrischen Schlag, der sie vertreibt.

§ 13 Abs. (1) des Tierschutzgesetzes verbietet, zum Fangen, Fernhalten oder Verscheuchen von Wirbeltieren Vorrichtungen oder Stoffe zu verwenden, wenn damit die Gefahr vermeidbarer Schmerzen, Leiden oder Schäden für Wirbeltiere verbunden ist. Hiervon sind nur Vorrichtungen oder Stoffe ausgenommen, die aufgrund anderer Rechtsvorschriften zugelassen sind, z.B. Stoffe, die nach § 18 Abs. (2) des Infektionsschutzgesetzes zur Bekämpfung von Wirbeltieren vom BgVV zugelassen sind.

Für elektrische Taubenvergrämungssysteme gibt es derzeit kein Zulassungsverfahren und infolgedessen auch keine zugelassenen Vorrichtungen. Somit muss im Einzelfall geprüft werden, ob das jeweilige System bei bestimmungsgemäßer Ausbringung den Anforderungen des Tierschutzes genügt und weder bei Tauben noch bei anderen Wirbeltieren zu vermeidbaren Schmerzen, Leiden oder Schäden führt.

Elektrische Taubenvergrämungssysteme sind bisher weder in ihrer Wirkung auf Tauben noch ihren Auswirkungen auf andere Wirbeltiere hinreichend untersucht. Daher ist es derzeit nicht möglich, konkrete tierschutzrechtliche Vorgaben hinsichtlich der technischen Parameter (Spannung, Stromstärke, Stromfrequenz, Stromform) solcher Taubenabwehrsysteme zu machen. Aus Sicht des Tierschutzes sind jedoch folgende grundsätzliche Anforderungen zu stellen:

Um den gewünschten Vergrämungseffekt zu bewirken, müssen die applizierten Stromstöße von den Tauben deutlich wahrgenommen werden und eine Schreckraktion auslösen. Ein kurzer, geringer Schmerz, der den Tauben dabei über die bloße Schreckwirkung hinaus zugefügt werden kann, ist dabei nicht zu vermeiden und aus diesem Grund hinzunehmen. Nicht vertretbar ist es jedoch, Ströme einzusetzen, die bei Tieren, die mit dem Abwehrsystem in Berührung kommen, anhaltende Schmerzen auslösen, Verletzungen oder gar Verbrennungen hervorrufen oder bei aufsitzenden Vögeln zu Verkrampfungen der Füße führen, welche ihnen ein Loslassen und Wegfliegen unmöglich machen. Elektrische Taubenvergrämungssysteme arbeiten daher wie elektrische Weidezaungeräte mit Einzelimpulsen oder Impulspaketen, die bei hohen Spannungen von bis zu einigen Tausend Volt und einer extrem kurzen Impulsdauer nur geringe Strommengen abgeben, wobei die Spitzenstromstärken nach Firmenangaben 20 mA nicht überschreiten. Die Impulse sollten in ausreichendem Abstand voneinander gesetzt werden, um den Tieren nach dem Erhalt eines elektrischen Schlages die Flucht zu ermöglichen, bevor der nächste Schlag ausgelöst wird.

Die Systeme sollten in jedem Fall so konstruiert sein, dass lediglich eine Durchströmung der Füße, nicht aber des Körpers erfolgt, da auch einzelne Stromimpulse u.U. Herzkammerflimmern auslösen können, wenn sie in die sog. vulnerable Phase des Herzzyklus fallen. Diese Gefahr erscheint bei der Zieltierart Taube zwar gering, kann aber bei Kleinvögeln und Kleinsäugern nicht von vornherein ausgeschlossen werden, insbesondere, wenn die Möglichkeit besteht, dass diese aufgrund der Gerätekonstruktion mit ihrem Körper zwischen die elektrischen Leiter geraten könnten.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Übergangswiderstand zwischen dem elektrischen Leiter und dem Taubenfuß, der die maximal erreichbare Stärke des elektrischen Impulses im Tier begrenzt, keine konstante Größe ist, sondern von verschiedenen veränderlichen Faktoren beeinflusst wird. Einer dieser Faktoren ist der Verhornungsgrad der Fußhaut, der bei jungen Tauben in der Regel deutlich geringer ist als bei Alttauben, weshalb Jungtiere unter vergleichbaren Bedingungen weit stärkeren Stromschlägen ausgesetzt sein können. Der Übergangswiderstand kann jedoch auch bei Alttauben aufgrund von Fußverletzungen erheblich verringert sein.

Ein weiterer Faktor, der in diesem Zusammenhang beachtet werden muss, ist die Feuchtigkeit. So kann witterungsbedingt der Übergangswiderstand bei nassen Taubenfüßen und/oder nassem Leiter ebenfalls deutlich herabgesetzt sein. Elektrische Taubenvergrämungssysteme sollten daher aus Tierschutzgründen mit einer Vorrichtung ausgerüstet sein, die verhindert, dass die zum Erreichen des Vergrämungseffektes erforderliche Impulsstärke wesentlich überschritten werden kann. Ein Wasserfilm zwischen den beiden Leitern könnte zudem einen Leckstrom verursachen, der nicht nur die Wirkung des Taubenabwehrsystems beeinträchtigt, sondern zu unerwünschten Durchströmungen anderer Bereiche führen kann. Elektrische Taubenabwehrsysteme sollten daher so konstruiert sein, dass auch bei Nässe keine nennenswerten Kriechströme auftreten.

Die Systeme müssen zudem so entworfen, gebaut und ausgebracht sein, dass sich Tauben, aber auch Kleinvögel und Wirbeltiere nach Empfangen eines Stromschlags unverzüglich und ungehindert entfernen können und sich weder an den Bauteilen verletzen oder in ihnen verfangen können. Insbesondere muss sichergestellt sein, dass sich kleinere Tiere nicht zwischen den Leitern einklemmen können und dann über einen längeren Zeitraum hinweg den Stromschlägen hilflos ausgeliefert sind.

Damit der gewünschte Lerneffekt eintreten kann, müssen die Tauben die Systeme optisch erkennen und mit dem elektrischen Schlag in Verbindung bringen können. Diese Erkennung sollte ihnen bereits im Anflug aus der Luft möglich sein, um die Tiere nicht erst nach erfolgtem Absitzen zu verscheuchen, sondern zu erreichen, dass sie gar nicht erst landen.

Zitierte Rechtstexte

  • Infektionsschutzgesetz

  • Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG), veröffentlicht als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften Seuchenrechtsneuordnungsgesetz - SeuchRNeuG) vom 20. Juli 2000
    Bundesgesetzblatt Jahrgang 2000 Teil I Nr. 33, ausgegeben zu Bonn am 25. Juli 2000, Seite 1045

  • Tierschutzgesetz

  • Bekanntmachung der Neufassung des Tierschutzgesetzes vom 25. Mai 1998
    Bundesgesetzblatt Jahrgang 1998 Teil I Nr. 30, ausgegeben zu Bonn am 29. Mai 1998, Seite 1105

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