Acta Neurochirurgica 1994 (Suppl) 60: 456-458

Dr. Ingrid Schütt-Abraham, 24.11.2001

Gliederung


Bibliographische Angaben

van den Brink, W.A.; Santos, B.O.; Marmarou, A.; Avezaat, C.J.J. - Quantitative Analysis of Blood-Brain Barrier Damage in Two Models of Experimental Head Injury in the Rat - Acta Neurochirurgica 1994 (Suppl) 60: 456-458

Meine Zusammenfassung des Artikels

Material und Methoden
An Ratten wurden zwei unterschiedliche Verfahren zur Setzung eines Schädeltraumas hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke untersucht. Diese Verfahren waren:

Das Ausmass der Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke wurde anhand des Übertritts mit radioaktivem Jod-125 markierten Rinderalbumins aus dem Blut in das Gehirngewebe ermittelt (RISA).

Folgende Versuchsgruppen wurden gebildet:

Die Kontrolltiere unterlagen der gleichen Behandlung wie die Versuchstiere, jedoch unterblieb bei ihnen das Setzen des Schädeltraumas.

Reste der im Blut befindlichen Markersubstanz wurden durch Perfusion mit Salzlösung der in tiefer Barbiturat- Anaesthesie befindlichen Tiere vor deren Toetung ausgewaschen und die Arachnoidea bei Entnahme der Gehirne sorgfältig entfernt, um eine Kontamination durch Markerspuren in den häufig gefundenen Subarachnoidal blutungen zu vermeiden. Die Gehirne wurden in gefrorenem Zustand in 5 oberhalb und 2 unterhalb des Tentoriums gelegene rostro- caudale Segmente geschnitten. Die Berechnung der Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke erfolgte anhand des Permeabilitätsindex, indem der Markergehalt pro g Gehirngewebe durch den Markergehalt pro g Blut geteilt und mit 1000 multipliziert wurde.

Ergebnisse
Beide Traumatisierungsverfahren führten bei 50% der Tiere zum Tode und waren insofern vergleichbar. Der kumulative Permeabilitätsindex war bei allen behandelten Tieren an allen untersuchten Hirnpräparaten durchgehend höher als bei den Kontrolltieren.

Beim geschlossenen Schädeltrauma zeigte sich die höchste Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke im Bereich des Hirnstamms und des Cerebellums, während beim Flüssigkeits-Perkussions-Modell die unmittelbar unter der wasserbestrahlten Dura gelegenenen Hirnteile die höchste Permeabilitätsveränderung aufwiesen.

15 Stunden nach dem Trauma waren im Flüssigkeits-Perkussions-Modell deutlich größere Veränderungen erkennbar als bei geschlossenem Schädeltrauma.

Tabelle: Permeabilitätsindices

Schnitt
Nummer
4h
nach GST
Kontrolle
4h
nach GST
Versuch
15h
nach GST
Kontrolle
15h
nach GST
Versuch
15h
nach FPM
Kontrolle
15h
nach FPM
Versuch
2h
nach GST
Kontrolle
2h
nach GST
Versuch
1 1.59 (0.45) 2.36 (0.50) 1.39 (1.36) 2.01 (0.41) 1.88 (0.74) 3.77 (0.76) 2.88 (1.48) 4.61 (0.83)
2 1.34 (0.36) 2.90 (0.97) 0.88 (0.48) 1.42 (0.46) 1.42 (0.38) 5.46 (2.90) 2.84 (1.23) 4.42 (0.90)
3 1.50 (0.56) 3.42 (1.63) 0.77 (0.36) 1.53 (0.31) 1.36 (0.65) 10.52 (4.87) 3.60 (1.02) 4.32 (0.64)
4 1.50 (0.78) 4.47 (1.88) 0.73 (0.29) 1.81 (0.58) 1.25 (0.86) 14.73 (2.58) 3.42 (1.04) 4.71 (0.69)
5 1.66 (0.64) 7.04 (2.96) 0.99 (0.33) 2.21 (0.78) 1.32 (0.20) 11.97 (2.09) 3.57 (0.83) 4.78 (0.51)
Stamm 1.89 (0.76) 10.34 (4.99) 1.37 (0.63) 2.96 (0.87) 1.27 (0.10) 5.89 (0.65) 2.62 (1.11) 5.63 (1.48)
Cerebellum 1.48 (0.76) 14.50 (12.35) 1.21 (0.39) 2.44 (0.50) 0.67 (0.07) 6.50 (0.77) 3.12 (1.14) 5.17 (0.82)
(Gehirn-CPM/g geteilt durch Blut-CPM/g für die experimentelle Gruppe)

Diskussion und Schlussfolgerungen

Die Untersuchungsergebnisse belegen, dass beim geschlossenen Schädeltrauma die schwere Gehirnerschütterung als alleinige Ursache der Permeabilitätsänderungen der Blut-Hirn-Schranke anzusehen ist. Demgegenüber kommt es beim Flüssigkeits-Perkussions-Modell darüber hinaus zu einem dramatischen Anstieg des arteriellen Blutdrucks, der seinerseits die Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke erhöht. In beiden Traumatisierungsmodellen wird zudem erkennbar, dass die Permeabilitätsänderungen in den Bereichen am deutlichsten ausfallen, in denen auch die stärksten Schädigungen der Gehirnsubstanz zu erwarten sind.

Die 15 Stunden nach geschlossenem Schädeltrauma (Gruppe 2) im Vergleich zum 4-Stunden-Wert (Gruppe 1) bereits deutlich niedrigeren Werte weisen auf eine Rückresorption des Markerproteins aus dem Gehirngewebe nach erneutem Schluss der Blut-Hirn-Schranke hin.
2 Stunden nach dem Trauma ist diese jedoch noch offen, wie die Ergebnisse der Gruppe 3 belegen.
Die zu Hirnödemen führenden Einwanderungen von Blutproteinen ins Gehirngewebe werden durch den zusätzlichen Blutdruckanstieg nach Flüssigkeits-Perkussions-Trauma verstärkt, wie die Ergebnisse der Gruppe 4 zeigen.

Anmerkungen der Rezensentin

Die Untersuchungen belegen, dass es trotz Ausbleibens eines anhaltenden Anstiegs des arteriellen Blutdrucks nach geschlossenem Schädeltrauma zu einer Permeabilitätserhöhung der Blut-Hirn-Schranke kommt, in deren Folge ein Austausch größerer Proteine zwischen Liquor cerebrospinalis und Blut möglich ist. Mit einer solchen Erhöhung der Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke muss daher prinzipiell auch nach der stumpfen Schuss-Schlag-Betäubung von Schlachttieren gerechnet werden.

Die für die Beurteilung des BSE -Risikos bei der Schlachtung entscheidende Frage, ob eine nennenswerte Permeabilitätserhöhung bereits innerhalb des Zeitraums zwischen Betäubung und Entblutung der Tiere, d.h. innerhalb der ersten Minuten nach der nicht-penetrierenden Bolzenschussbetäubung zu erwarten ist , lässt sich anhand der vorliegenden Untersuchungsergebnisse allerdings nicht klären, da die frühesten Untersuchungen an Rattengehirnen erst zwei Stunden nach dem Trauma erfolgten.

Copyright Dr. Ingrid Schütt-Abraham


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