Dokumentation: Abgeholzt - Wie Europas letzte Urwälder verfeuert werden

Roland Heynkes, 18.10.2019

Gliederung

zum Text Vorbemerkung
zum Text Deutschland und die EU verbrauchen zuviel Holz
zum Text Rumänien
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Vorbemerkung nach oben

In den letzten Jahrzehnten wurden unsere Luft und Flüsse sauberer und es entstanden neue Nationalparks zum Schutz der Natur. Die dafür notwendigen Maßnahmen waren vielfältig und teuer. Gleichzeitig haben aber der Straßenverkehr sowie die durch Bebauung versiegelten Flächen stark zugenommen und die gesteigerte Effizienz der Motoren wird überkompensiert durch höhere Massen und Geschwindigkeiten der Autos. Neue technische Entwicklungen wie Personal Computer, das World Wide Web und Smartphones bieten enorme Chancen, verbrauchen aber auch gewaltige Mengen Energie. Und neue Gebrauchsgegenstände wie Plastiktüten oder Trinkbecher sind zwar bequem, aber alles andere als umweltverträglich.

Deutschland und die EU verbrauchen zuviel Holz nach oben

In Deutschland sollen pro Stunde 300.000 Pappbecher benutzt und nach einmaligem Gebrauch zu Müll werden. Jährlich sollen wir Deutschen durchschnittlich 250 kg Papier verbrauchen. Auch jede Menge Billigmöbel werden schon nach wenigen Jahren zu Müll. Wer es sich leisten kann, verfeuert mit bestem ökologischen Gewissen Holzscheite im Kamin und verpestet mit dem Rauch voller Schadstoffe die Luft. Und immer mehr Holzpellets werden als vermeintlich klimaneutraler Brennstoff direkt verfeuert. Aber die Holzpellts werden heute nur noch zum kleinen Teil aus Sägespäen und anderen Holzabfällen hergestellt. Meistens werden sie direkt aus ganzen Bäumen produziert, weil die beispielsweise in Kanada extrem billig verkauft werden. Das alles hat zu einem seit Jahren zunehmenden Holzverbrauch geführt. In Deutschland merkt man davon noch wenig, aber für unseren übermäßigen Holzverbrauch werden in den Tropen, Kanada sowie in Nord- und Osteuropa sogar die letzten Urwälder hemmungslos und oft illegal abgeholzt. Dabei gelten schon jetzt nur noch 5% der europäischen Wälder als Urwälder. Aber in noch sehr waldreichen Ländern wie Brasilien, Kanada, Schweden, Finnland, Rumänien oder Ukraine ist das Bewußtsein für den wahren Wert der Wälder mehrheitlich noch unterentwickelt. Hinzu kommt das Problem der Korruption, die immer wieder zur Abholzung eigentlich geschützter Wälder führt. Besonders schlimm ist, dass beispielsweise in den Karpaten der illegale Holzdiebstahl mit Hilfe korrupter Forstangestellter auch noch so zerstörerisch passiert, dass der Wald sich von den Schäden kaum erholen kann. So wurden in den Karpaten mitten in von der EU ausgezeichneten Natura-2000-Schutzgebieten für besonders bedrohte Arten wie dem rumänischen Nationalpark Domogled ganze Berghänge gerodet und damit der Erosion ungeschützt ausgeliefert. Nun wird der ehemalige Waldboden bei jedem Sturm und jedem Regen fortgeweht und weggespült.

Während wir Deutschen uns aufgrund unserer traditionell nachhaltigen Forstwirtschaft und einer stabilen Waldfläche höchstens um die Gesundheit unserer Bäume sorgen, verkaufen deutsche Baumärkte Holz meistens ohne Herkunftnachweis. Auf den Packungen mit Kaminholz steht nur, es komme aus der EU oder aus Europa. Verbraucher haben daher keine Chance, durch ihre Kaufentscheidung Urwälder zu schützen. Nur Speziallabore wie das in der Großforschungsanlage Jülich können mittels Isotopen-Analyse feststellen, woher ein Holz wirklich kommt. Dort stellte man beispielsweise fest, dass ein angeblich aus der Ukraine stammendes Holz in Wirklichkeit aus Rumänien kam. Wenn aber schon die Herkunftangabe nicht stimmt, dann kann man sich auch nicht darauf verlassen, dass in deutschen Baumärkten verkauftes Holz nicht aus illegal ausgeplünderten letzten Urwäldern stammt.

Rumänien nach oben

Urwälder würden nicht abgeholzt, wenn es keine große Nachfrage nach dem Rohstoff Holz gäbe. Aber die gibt es, weil in und ausländische Unternehmen große holzverarbeitende Betriebe in die Nähe der Wälder gebaut haben. Damit sie möglichst immer voll ausgelastet sind, müssen sie ständig mit großen Mengen Holz beliefert werden. Allein die in Rumänien Holz zu Brettern, Kanthölzern, Leimholz und Tischlerplatten, Sägespäne zu Holzpellets und Rinde zu Biomasse für die Stromgewinnung in firmeneigenen Kraftwerken verarbeitenden Fabriken des österreichischen Unternehmens Schweighofer benötigen jährlich 4 Millionen Kubikmeter Nadelholz. Längst übersteigt vielerorts der Bedarf die Menge des nachwachsenden Holzes. Das österreichische Unternehmen Kronospan ist der nach eigenen Angaben größte Spanplatten-Produzent, kann aber inzwischen wegen des Holzmangels seine Fabriken nicht mehr auslasten und erleidet dadurch erhebliche wirtschaftliche Verluste. Allein eine 40-tägige Produktionspause in einem Werk kostete das Unternehmen Millionen Euro. Koste was es wolle müssen daher Kronospan und seine Konkurrenten für Nachschub sorgen. Das lässt die Preise stark ansteigen und bringt das Konzept des nachwachsenden Rohstoffes an seine Grenzen. Aber die Holzindustrie importiert deswegen einfach billigeres Holz aus anderen Ländern und Kontinenten. Doch die Ökobilanz verschlechtert sich zunehmend durh weite Transportwege und insbesondere durch das Verheizen importierten Holzes verlagern wir das Problem der nicht nachhaltigen Übernutzung der Wälder nur in andere Länder. Kronospan wird aber nach Aussage eines Fahrers auch mit großen alten Buchenstämmen beliefert, die illegal mitten im Nationalpark Domogled gefällt wurden. Und Kronospan beliefert auch Möbelfrabriken von Ikea in Rumänien.

Ein Manager von Kronospan sagte aus, dass der im Nationalpark beobachtete LKW mit illegalem Holz nicht an Kronospan geliefert habe. Aber ein Umweltschützer erklärte das mit mehrfachem Umladen von illegalen Holzlieferungen zum Zweck der Spurenverwischung. Und der Manager gibt zu, dass Kronospan natürlich auch von kriminellen Lieferanten betrogen werden kann. Offiziell lehnt Kronospan illegale Holzlieferungen ab, aber so große Holzverarbeiter ziehen Holz wie Magnete an und ihre Nachfrage ist die Grundlage für die Geschäfte krimineller Holzdiebe. Immerhin scheinen sich inzwischen zunehmend Rumänen gegen den Raubbau an ihrer Umwelt zu wehren. Vielleicht wird den Holzfirmen langsam klar, dass auch ihr Rohstoff keineswegs unerschöpflich ist. Und er ist viel zu wertvoll, um ihn einfach zu verbrennen. Viel besser für das Klima ist es, dass im Holz gebundene CO2 für lange Zeit in Möbeln zu speichern. Aber auch für Möbel darf man nicht mehr Holz ernten, als die eigenen Wälder dauerhaft nachliefern können. Ansonsten ist es Raubbau, auch das zusätzliche Holz aus anderen Ländern stammt.

Selbst in rumänischen Nationalparks fällen korrupte Forstarbeiter mit Billigung von Forstbehörden alte Rotbuchen und wenn überhaupt, ersetzen sie diese ausgerechnet durch bekanntermaßen wenig geeignete Fichten. Dabei wandeln sie ökologisch wertvolle Urwälder in Fichtenforste, bis das Gebiet ökologisch derart wertlos geworden ist, dass es seinen Status als Schutgebiet und Nationalpark verliert. Dann können die Forstleute noch hemmungsloser ihren nicht nachhaltigen Raubbau betreiben. Aber schon jetzt werden jährlich über 100.000 Kubikmeter Bäume allein aus dem Nationalpark Domogled abtransportiert. Es ist eine ökologische Katastrophe, die aber nur passiert, zuviele Menschen im relativ reichen Westeuropa glauben, erhöhter Holzverbrauch sei gelebter Klimaschutz und würde die Welt retten.

Immerhin haben rumänische Umweltschützer durchgesetzt, dass man sich durch eine Regierungs-App jeden gerade stattfindenden legalen Holztransport anzeigen lassen kann. Schweighofer hat nach den Protesten der Umweltschützer das staatliche durch ein eigenes System zur Überwachung der Holztransporte eingerichtet und scheint Holzlieferungen nun strenger zu kontrollieren. Die illegalen Holztransporte fahren trotzdem und die gelegentlich verhängten Strafen sind offensichtlich nicht wirklich abschreckend. Auch Schweighofer kann nicht wirklich kontrollieren, ob das angelieferte Holz legal oder illegal geschlagen wurde. Viel zu undurchsichtig sind die Lieferketten und Firmengeflechte mit Sub- und Subsubunternehmen. Aber laut rumänischer Staatsanwaltschaft sollen vier Schweighofer-Manager an illegalen Holzlieferungen beteiligt gewesen sein. Wahrscheinlich sahen sie sich aufgrund der Überkapazitäten von Schweighofer in Rumänien dazu gezwungen. Die EU nimmt das Problem der Abholzung der letzten europäischen Urwälder nicht ernst. Gerade mal zwei Mitarbeiter sollen die Einhaltung des Handelsverbotes für illegal geschlagenes Holz in der gesamten EU überprüfen. Strafen haben sie bisher nicht verhängt. Das ist Ländersache, solange es die Länder nicht so provokativ übertreiben wie die rechte polnische Regierung mit der Abholzung des letzten Tiefland-Urwaldes Europas im Bialowieza-Nationalpark.

Während in Rumänien der von Unternehmen in großem Maßstab und sogar in Schutzgebieten rücksichtslos durchgeführte Holzdiebstahl ungehindert weitergeht, werden auf Feuerholz im Winter angewiesene arme Rumänen hart bestraft, wenn man sie mit etwas Holz aus dem Wald erwischt. Aber der Unmut in der Bevölkerung über den jahrelangen Raubbau sowie die infolgedessen stark gestiegenen Holzpreise wächst. Und die Umweltinitiative "Neuer Weg" hat die Holzfirma Schweighofer und staatliche Behörden angezeigt. Die mitgliederstarke Kampagne einer rumänischen Internetaktivistin hat mit zahlreichen Anrufen der Baumarktkette Hornbach 2017 die Zusage abgerungen, in ihren rumänischen Baumärkten keine Schweighofer-Bretter mehr zu verkaufen. 9 Monate später verkaufte Hornbach trotzdem noch jede Menge Holz von Schweighofer. Auf Anfrage behauptet Hornbach znächst, nur noch nachhaltig gewonnenes Holz zu verkaufen. Aber das kann Hornbach gar nicht kontrollieren. Später behauptete Hornbach, nur noch Restbestände von Schweighofer zu verkaufen. Die Lieferverträge seien gekündigt.

Schweden nach oben

Aber auch die schwedischen Regierungen sind überaus großzügig gegenüber der Holzindustrie und legt keinen gesteigerten Wert auf Nachhaltigkeit. Seit den 50er Jahren wurden dort 60% der natürlichen Wälder abgeholzt und durch Monokulturen ersetzt. Als einer der letzten EU-Staaten erlaubt Schweden immer noch die ökologisch besonders schädlichen großflächigen Kahlschläge. Für die Manager des staatlichen Forstbetriebes zählt nur die Wirtschaftlichkeit und nicht der ökologische Schaden der Kahlschläge. Das staatliche schwedische Forstunternehmen Sveaskog besteht darauf, möglichst viel Holz aus dem Wald zu holen, weil das effizienter sei. Und dabei werden meistens Fakten geschaffen, bevor Umweltschützer eine Chance haben, den ökologischen Wert eines Gebietes zu ermitteln und die gesammelten Daten an die zuständigen Behörden zu übermitteln. Aufgeforstet wird auf den Kahlschlägen erst Jahre später und meistens mit Fichten-Monokulturen. Aktuell ist Schweden zu etwa 60% bewaldet, aber das liegt wohl eher an der geringen Bevölkerungsdichte als an Umweltbewusstsein. Denn die schwedische Holzindustrie hat bereits fast den ganzen Wald in ökologisch nahezu wertlose Monokulturen umgewandelt. Noch gibt es auch in Schweden praktisch unberührte Urwälder, aber um die streiten sich Umweltschützer und Forstbehörden. Die staatliche Holzindustrie will die alten Stämme zu Geld machen und Umweltschutz spielt dabei offensichtlich keine Rolle. Nur 4% der schwedischen Wälder stehen unter Naturschutz. Offensichtlich interessieren sich Manager der Holzindustrie nicht für die Qualität eines Waldes, sondern nur für dessen Größe. Sie betonen, dass es heute in Schweden doppelt soviel Wald gebe wie vor hundert Jahren. Um so unverständlicher ist es, dass sie unbedingt auch noch die letzten schwedischen Urwälder abholzen wollen. Die schwedische Greenpeace-Aktivistin Lina Burnelius hingegen erklärt, dass Menschen nur Bäume, aber keinen Wald pflanzen können. Und wie können wir es wagen, von Entwicklungs- und Schwellenländern den Schutz ihrer Urwälder zu verlangen, wenn selbst staatliche Forstbehörden und Forstunternehmen in wohlhabenden EU-Ländern ihre allerletzten Urwälder rücksichtslos vernichten?

Schweden steigert besonders die Produktion von Zellstoff, aus dem Papier, Pappe und Taschentücher hergestellt werden. Im Sommer 2018 verdoppelte eine Fabrik die Produktion. Sie schält die Stämme und zerkleinert dann die oberen Teile der Stämme. Aus diesem Material und aus Sägespänen wird der Zellstoff heraus gekocht. Die dickeren Teile der Baumstämme werden zu Bauholz verarbeitet. Allein diese Fabrik braucht bei voller Auslastung 4,5 Millionen Kubikmeter Holz aus 15 Millionen Bäumen und produziert daraus 1 Million Tonnen Zellstoff. Leider erwähnt die Dokumentation nicht den Zeitraum, in welchem diese gigantische Menge Holz verarbeitet wird, aber vermutlich handelt es sich um den Jahrebedarf. Etwa 20% der Produktion dieser schwedischen Fabrik gehen nach Deutschland, wo aus dem Zellstoff Paketkartons, Kaffeebecher und Papiertaschentücher gemacht werden.

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meine kritischen Zusammenfassungen von Fernsehdokumentationen

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Roland Heynkes, CC BY-NC-SA 4.0

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