Dokumentation: "Die Wälder des Nordens"

Roland Heynkes, 20.1.2020

Südlich der Arktis wächst ein gigantisch großer, aufgrund von Trockenheit, Nährstoffarmut und Kälte von bis zu -70°C aber nur sehr langsam wachsender Schneewald, der von der sibirischen Taiga über Skandinavien bis Kanada und Alaska reicht. Man nennt diesen nördlichen Waldgürtel borealen Wald und sein Einfluss auf das Weltklima ist sogar noch größer als der Einfluss der gesamten Tropenwälder. Allein die russische Taiga erstreckt sich über 1,2 Milliarden Hektar. Das ist so groß wie ganz Kanada und die halbe EU. Die Taiga bedeckt fast ein Zehntel der globalen Landfläche. Und obwohl die Taiga sehr weit von uns entfernt ist, beeinflusst sie mit den nördlichen Weltmeeren und dem globalen Klima auch uns. Der nördliche (boreale) Wald kühlt das Klima, weil er doppelt soviel Kohlenstoff wie alle tropischen Regenwälder zusammen bindet und weil er Kohlenwasserstoffe in die Luft abgibt, die sich zu Teilchen verbinden, an denen Wasserdampf kondensiert. Dadurch entstehen über den Wäldern besonders dichte Wolken und dichtere Wolken sind heller. Weißere Wolken reflektieren mehr Sonnenlicht zurück in den Weltraum.

Im borealen Wald wachsen vor allem Nadelbäume, weil sie weniger Wasser verdunsten und Kälte besser ertragen als Laubbäume. Aber auch ihre Wachstumsperiode dauert nur 3-4 Monate pro Jahr, weil nur in diesen wärmsten Monaten die Pflanzensäfte fließen können. Die häufigste Laubbaumart im borealen Wald ist die Espe oder Zitterpappel. Die Tiere in diesen Wäldern schützen sich mit besondern dickem und dichtem Pelz. Die Haare der Eisbären isolieren besonders gut und leiten zusätzlich das Sonnenlicht auf die Haut, weil sie hohl sind. Zur Kältanpassung der Tiere gehört auch, dass sie deutlich größer als ihre weiter südlich lebenden Artgenossen. Denn das reduziert die Oberfläche im Verhältnis zur Masse eines Körpers.

Zur natürlichen Entwicklung dieser Wälder gehören aber auch Waldbrände. Denn boreale Wälder großenteils sehr trocken und mit der Zeit sammelt sich in diesen Wäldern sehr viel brennbares Material an, das früher oder später von Blitzen entzündet wird und zumindest teilweise abbrennt. Die Pflanzen dieser Wälder haben sich auf unterschiedliche Weise an die Waldbrände angepasst und nicht wenige Pflanzen brauchen die Waldbrände sogar zum Überleben. Viele Pflanzen schützen sich vor Waldbrände, aber einige Pflanzen fördern Waldbrände anscheined gezielt. In zu kurzen Abständen auftretende Waldbrände können allerdings boreale Wälder dauerhaft vernichten und in Grasland verwandeln. Und der Klimawandel verstärkt die Brandneigung.

Waldbrände können sehr unterschiedlich große Schäden anrichten. Einfache Oberflächenfeuer verbrennen nur Gras und Totholz, ohne großen, langfristigen Schaden anzurichten. Manchmal brennen sich Oberflächenfeuer aber auch nach unten tief ins Moos. Dadurch können monatelang oder sogar Jahre brennende Grundfeuer entstehen, die große Mengen Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre bringen. Die gefürchtetsten Feuer entstehen, wenn das Feuer nicht am Boden bleibt, sondern auch die Baumkronen erfasst. Kronenbrände werden extrem heiß und können sich rasend schnell ausbreiten. In Kanada entstehen jedes Jahr Tausende Brände, von denen aber die meisten von selber ausgehen. Nur etwa 3% sind Kronenbrände, aber sie verursachen 97% der Schäden. Im Extremfall steigt der Rauch hoch in die Atmosphäre und bildet dunkle Wolken, welche das Klima aufheizen und mit trockenen Blitzen neue Feuer entzünden. Sie können sich zu kaum noch löschbaren Megafeuern vereinigen. Sibirische Waldbrände sind meistens Oberflächenfeuer, die weniger Schaden anrichten. Sie reduzieren sogar das Risiko größerer Feuer, indem sie das brennbare Unterholz verbrennen. Die in Kanada häufigen Kronenbrände bringen doppelt soviel Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre.

Noch Monate nach einem Waldbrand sieht der Wald für ungeübte Betrachter wie endgültig vernichtet aus. Wurde auch der brennbare Waldboden verbrannt, sieht man das tote Wurzelwerk der Bäume und wie sie miteinander verbunden waren. Aber normalerweise beginnt er schon nach kurzer Zeit neu zu entstehen. Bei Waldbränden sterben Pappeln und Birken oberirdisch ab. Ihre Wurzeln überleben aber und aus ihnen wachsen neue Bäume. Vor allem aber sprießen zunächst Kräuter, die von der nährstoffreichen Asche und davon profitieren, dass ihnen nach dem Brand zunächst keine Bäume mehr das Licht streitig machen. Später folgen Sträucher, die noch später von Bäumen überwuchert werden. So entsteht im Laufe von Jahren wieder ein Wald, aber jede Phase hat ihre eigenen Spezies. Solange die Brände nicht zu groß und heiß werden, tragen sie also zu einer größeren Artenvielfalt bei. Kiefern und Fichten konkurrieren schon als Sämlinge um Licht und Nährstoffe. Anfangs wachsen die Kiefern etwas schneller, aber nach Jahrzehnte werden sie von den Fichten überholt und bekommen nicht mehr genug Licht. Die Schwarzfichte braucht nicht viel Licht und entwickelt sich auch im Schatten größerer Bäume gut. So ändert sich im Laufe der Zeit auch die Zusammensetzung der Baumarten, während ein Wald reift. Kurz nach einem Feuer kämpft jeder Baum noch für sich allein, aber 15 Jahre nach einem Großbrand verweben sich Bäume und Unterholz miteinander. Sie kooperieren und konkurrieren.

Moose und Flechten sind besonders anspruchslos. Sie wachsen sogar auf blankem Gestein. Moose wachsen einfach immer weiter nach oben, während die unteren Pflanzenteile langsam absterben und später zu Torf werden. Dabei wird die Mossschicht immer dicker und bildet zunächst fruchtbaren Waldboden. Sie wird aber auch sauerer und verlangsamt dadurch schließlich das Wachstum des gesamten Waldes. Die Moosschicht bindet aber auch sehr viel Kohlenstoff.

Obwohl in ihr Millonen Menschen leben, wirkt die Taiga aufgrund ihrer Größe unbewohnt. Das Land ist karg, felsig oder sumpfig und auch die Kälte verhindert eine dichtere menschliche Bevölkerung. Einerseits schützt das den Wald vor noch größerer Übernutzung und Zerstörung, aber es erschwert auch das Löschen der Waldbrände. Und wenn die Feuer überhand nehmen, leiden die Menschen unter verqualmter Luft und ihre Siedlungen können abbrennen. Im subarktischen Kanada leben die Cree-Indiander teilweise noch in und von der Natur als Jäger und Fischer. Sie kennen auch zahlreiche heilende Wirkungen von Pflanzen. Aber nicht nur sie spüren die gesund erhaltende Kraft der Natur und insbesondere der Wälder.

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Roland Heynkes, CC BY-NC-SA 4.0

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