Wissenschaftliche Recherchen und Informationsmanagement sind wichtig

Wer ernsthaft und selbständig wissenschaftlich arbeiten oder zumindest richtig und rechtzeitig auf neue Entwicklungen bestimmter Forschungsrichtungen reagieren will, muß ständig möglichst viele Veröffentlichungen zum jeweiligen Thema auswerten. Nur so können Wiederholungsforschungen vermieden, genaue Vorstellungen über den Forschungsgegenstand gewonnen und die richtigen weiterführenden Fragen gestellt werden.

Wegen der auf vielen Forschungsgebieten enorm großen und ständig steigenden Zahl von Publikationen, verteilen sich diese auf immer mehr Fachzeitschriften und unzählige Computer im Internet. Nur die stark verbesserte Zugänglichkeit wissenschaftlicher Datenbanken, die technische und organisatorische Modernisierung wissenschaftlicher Bibliotheken, sowie ausgefeilte Suchprogramme im Internet kompensieren die dadurch bedingt stark zunehmende Verstreuung thematisch zusammengehörender Informationen. Das althergebrachte Blättern in einer relativ kleinen Anzahl bekannter Journale ist längst zu aufwendig, unsystematisch und unvollständig. Effektives Sammeln veröffentlichter Informationen ist heute auf vielen Feldern der Forschung nur noch durch gezielte Datenbankabfragen und Internet-Recherchen möglich. Jeder so gefundene Text oder Datensatz repräsentiert jeweils eine wissenschaftliche Veröffentlichung. Unabhängig von ihren verschiedenen Quellen sollten alle in ein einheitliches Format gebracht und in einer gemeinsamen thematisch spezialisierten Datenbank gespeichert werden.

Aus allen wesentlichen Artikeln müssen die reinen Fakten, frei oder zumindest deutlich getrennt von Interpretationen und Spekulationen herausgelesen und in zusätzliche Inhaltsfelder der jeweiligen Datensätze geschrieben werden. Dazu gehören auch möglichst genaue Abschätzungen ihrer Zuverlässigkeit. Oft lassen sich durch alternative Darstellungen, raffiniertere Auswertungsmethoden, oder einfach durch größeres Hintergrundwissen mehr Informationen aus den Daten gewinnen, als es die Autorinnen und Autoren ahnen konnten.

Die gesammelten Fakten können äußerst komplexe logische Geflechte aus Begriffen und ihren Beziehungen bilden, die es möglichst übersichtlich und gut abfragbar darzustellen gilt. Da es dem normalen menschlichen Gehirn unmöglich ist, alle nötigen Informationen und die Standorte ihrer Quellen zu speichern und zu verarbeiten, ist ein systematisches Informationsmanagement erforderlich. Hierfür sind die früher verwendeten Karteikartensysteme zu arbeitsaufwendig und aufgrund ihrer starren Sortierkriterien zu unflexibel. Nur die elektronische Datenverarbeitung ermöglicht die erforderliche Massentextverarbeitung und unabhängig von der jeweiligen Fragestellung einen schnellen Zugriff auf die Daten. Für die Speicherung und schnelles Abfragen der Informationen eignen sich Information-Retrievel-Programme, Hypertext und Expertensysteme. In dieser Form lassen sich große Informationsgeflechte allerdings schlecht transportieren oder weitergeben und sind nur am Computer abfragbar.

Eine simple, aber alltagstaugliche Alternative ist die Darstellung in einfachen, ausdruckbaren Texten. Selbstverständlich lassen sich Geflechte durch gewöhnliche Texte nicht ohne Wiederholungen repräsentieren. Sie müssen an jedem Ende einer Verknüpfung die Beziehung zum jeweils anderen Begriff beschreiben. Um ein ausuferndes Springen zwischen allen jeweils beteiligten Stichworten zu vermeiden, sollten ungeachtet der dadurch bedingten Redundanz jedem Thema oder Begriff alle zu ihm gefundenen Informationen zugeordnet werden. So entsteht automatisch ein Übersichtsartikel oder eine Art Lexikon der gefundenen Informationen.

Schon das Zusammenbringen aller zu einem Stichwort verfügbaren Informationen liefert eine wertvolle Gegenüberstellung von Fakten aus verschiedenen Veröffentlichungen, die verglichen und zu einem stimmigen Bild verknüpft werden müssen. Mit zunehmender Strukturierung des Übersichtsartikels bzw. Vollständigkeit des Lexikons, gleicht die Zusammenfassung übereinstimmender Informationen aus mehreren Arbeiten die systembedingten Wiederholungen immer besser aus. Es fallen aber auch scheinbare und tatsächliche Widerspüche auf, und oft liefert das Gesamtbild ganz neue Erkenntnisse. Dadurch werden auch neue Fragen aufgeworfen und die Originalarbeiten müssen immer wieder mit erweitertem Hintergrund und neuen Sichtweisen gelesen werden.

Dann führen die möglichst aus drei Buchstaben bestehenden Datensatznumern hinter jeder noch so kleinen Informationseinheit zu den entsprechenden Datensätzen, die neben sämtlichen den Artikeln entnommenen Fakten die methodisch-technischen Details entweder bereits enthalten oder zumindest die Standorte der Photokopien verraten und damit die entsprechende Ergänzung der Datensätze erlauben. So werden die Informationen der Datenbank und des Reviews oder Lexikons immer detaillierter. Gleichzeitig lassen sich auf diese Weise jederzeit die Verläßlichkeit und die Vergleichbarkeit der Daten sowie die aus ihnen abgeleiteten Schlußfolgerungen und Vorstellungen kontrollieren. Zeitweise zurückgestellte Ideen können leicht wieder aufgenommen und die Kommunikation mit Personen außerhalb der engeren Arbeitsgruppe kann jederzeit mit passenden Literaturzitaten unterstützt werden.

Einer der wichtigsten Vorteile dieses Review-Datenbank-Aktenordner-Systems besteht darin, als eine Art "kollektives Gedächtnis" das von jedem Teilnehmer erarbeitete und im Idealfall das gesamte für die Arbeit einer Gruppe erforderliche Hintergrundwissen zu repräsentieren. Dies schützt das Wissen als wichtigstes Kapital wissenschaftlicher Arbeitsgruppen, wenn diese einzelne Mitglieder verlieren. Zudem erleichert es enorm die Einarbeitung von Neuzugängen selbst in komplexeste Zusammenhänge.

Wissenschaftliche Recherchen erfordern höchst qualifizierte Spezialisten

Das möglichst vollständige Aufspüren relevanter Informationen bei gleichzeitigem Ausschluß unpassender Veröffentlichungen, erfordert nicht unbedingt großes Wissen über die Fragestellung. Ohne exzellentes technisches Know How über diverse Informationsquellen und deren jeweilige Abfragetechniken, bleiben jedoch die Ergebnisse unbefriedigend und zu leicht gehen dabei sehr viel Zeit und Geld verloren. Man überläßt diese Arbeit daher am besten professionellen Informationsvermittlern bzw. Informations Brokern, deren permanente Übung einfach nicht zu ersetzen ist und deren üblicherweise kostenpflichtigen Zugänge zu Datenbankanbietern wesentlich umfangreichere und differenziertere Recherchen erlauben, als die kostenlos in Bibliotheken und dem Internet zugänglichen Versionen.

Die Bewertung der Glaubwürdigkeit publizierter Daten und methodisch bedingter Fehlerspannen ist nur Experten möglich, die aufgrund eines entsprechenden Studiums und eigener praktischer Erfahrung die methodischen Teile der Artikel in allen Einzelheiten verstehen. Zusätzlich bedarf es aber auch großer Disziplin und einer äußerst kritischen Grundhaltung, als Fakten nur wirklich bewiesene Daten im Zusammenhang mit den genauen Umständen ihrer Erhebung zu akzeptieren. Zu leicht folgt man scheinbar selbstverständlichen Schlußfolgerungen der Autoren oder läßt sich durch unvollständige, verschleiernde oder irreführende Formulierungen täuschen.

Mindestens ebenso zeitaufwendig und anspruchsvoll wie das Sammeln der reinen Fakten, sind das thematische Sortieren und Einordnen der Fakten in möglichst viele verschiedene Zusammenhänge, das Auflösen scheinbarer Widersprüche, die korrekte Interpretation aller Einzelheiten und ihre Zusammenfassung zu einem widerspruchsfreien Gesamtmodell. Die richtige Einschätzung der Bedeutung neuer Erkenntnisse kann sehr wertvoll sein, aber nicht erkannte Fehlinterpretationen können enorme Verluste verursachen. Größte Sorgfalt und Vorsicht sind deshalb bei dieser mühsamen Arbeit dringend geboten.

Die Zusammenfassung wissenschaftlicher Publikationen fällt natürlich am leichtesten, wenn man dabei die speziell dafür entwickelten Fachbegriffe übernimmt. Da aber die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen in vielen Fällen die selben Worte mit sehr unterschiedlichen Bedeutungen verknüpft haben, erfordert die Verständigung mit fachfremden Personen eine Beschränkung auf den für alle Beteiligten verständlichen Grundwortschatz. Es gibt keinen Grund, Menschen ohne die eigene wissenschaftliche Ausbildung mit Überheblichkeit zu begegnen. Es ist aber erforderlich, fehlendes fachspezifisches Wissen durch respektvolle zusätzliche Erklärungen auszugleichen. Die allgemeinverständliche Vermittlung wissenschaftlicher Rechercheergebnisse erfordert daher auch didaktische oder journalistische Fähigkeiten.

Rationalisierung und Qualitätssicherung durch externe Dienstleister

Für kleinere Firmen mit relativ geringem Recherchebedarf wäre die Festeinstellung derart qualifizierter Teams für Informationsvermittlung und wissenschaftliche Literaturarbeit natürlich wirtschaftlich kaum sinnvoll. Selbst wenn bestimmte Forschungsgebiete permanent bearbeitet werden sollen, lastet der hierfür erforderliche Arbeitsaufwand solche Einheiten selten aus.

Weil sich die Befähigung für diese schwierige und verantwortungsvolle Arbeit nicht aus Zeugnissen ablesen läßt und natürlich niemand sämtliche Fragestellungen wirklich kompetent bearbeiten kann, ist die Beauftragung externer, für die jeweiligen Probleme besonders geeigneter Recherchefirmen oder Freiberufler auch wesentlich sicherer als die Bindung an eventuell ungeeignete Angestellte. Die Vergabe besonders wichtiger Rechercheaufträge an gleich mehrere Anbieter innerhalb und außerhalb der auf gesichertes Wissen angewiesenen Firma, kann die Qualität und die Verläßlichkeit der Ergebnisse preiswert weiter steigern.

Freiberufliche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können bei Bedarf wiederum eng mit Fachleuten für die reine Datenbankabfrage und Übersetzungsdienste, sowie mit Hilfskräften für das Kopieren oder Scannen der Artikel in verschiedenen Bibliotheken kooperieren. Hierzu ist dank preiswerter moderner Kommunikationstechnik nicht einmal ein gemeinsames Büro an einem Ort erforderlich. Virtuelle Büros und unabhängige Netzwerke für Informationsdienstleistungen können schnell und problemlos für jeden einzelnen Auftrag die jeweils besten verfügbaren Fachkräfte unabhängig von deren Wohnorten zusammenführen.

© Roland Heynkes, Aachen 1999

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