Unsystematische Anfänge einer statistischen Auswertung der deutschen BSE-Fälle

Roland Heynkes, 7.7.2009

Gliederung

zum Text Im Gegensatz zu den britischen BSE-Fällen folgt die Entdeckung der deutschen BSE-Fälle (noch) keinem klaren jahreszeitlichen Rythmus.
zum Text Im krassen Gegensatz zu den britischen BSE-Fällen läßt die Sortierung der deutschen BSE-Fälle nach Geburtsmonaten (noch) keinen klaren jahreszeitlichen Rythmus erkennen.
zum Text Es deuten sich zwei Infektionsmaxima Anfang 1996 und Anfang 1999 an.
zum Text Erste Versuche (Stand 14.5.2002) zur Auswertung der deutschen BSE-Statistik

Im Gegensatz zu den britischen BSE-Fällen folgt die Entdeckung der deutschen BSE-Fälle (noch) keinem klaren jahreszeitlichen Rythmus. nach oben

Der einzige Monat mit zweistelligen BSE-Fallzahlen in drei aufeinander folgenden Jahren ist der September. Zweistellig waren die deutschen BSE-Fallzahlen in 7 Monaten des Jahres 2001, 5 Monaten des Jahres 2002, aber nur 1 Monat des Jahres 2003. Im Jahr 2004 allerdings lagen die BSE-Fallzahlen von Februar bis Juni deutlich über denen des Vorjahres. Sollte es auch in Deutschland einen jahreszeitlichen Rhythmus geben, dann wird dieser bis zur Unkenntlichkeit überlagert durch das Infektionsmaximum vom November 1995 bis zum Juni 1996.

Im krassen Gegensatz zu den britischen BSE-Fällen läßt die Sortierung der deutschen BSE-Fälle nach Geburtsmonaten (noch) keinen klaren jahreszeitlichen Rythmus erkennen. nach oben

Diese Tabelle zeigt, daß es BSE-infizierte Rinder in Deutschland mindestens seit 1985 gibt. Ein deutliches Infektionsmaximum sieht man vom November 1995 bis zum Juni 1996, aber auch der Februar 1999 ragt heraus.

Bei vor 1994 geborenen Rindern wurde in Deutschland nur selten BSE festgestellt. Das bedeutet aber nicht, daß damals tatsächlich weniger Tiere infiziert wurden als 1996. Schließlich begann man erst im Dezember 2000 im großen Stil mit den BSE-Tests. Deshalb könnte es gut sein, daß noch größere Infektionsmaxima schlicht unbemerkt blieben. Eine Extrapolation ist aber nicht möglich, weil insbesondere die regional differenzierende Betrachtung der Infektionsmaxima eine große Sprunghaftigkeit zeigt.

Es deuten sich zwei Infektionsmaxima Anfang 1996 und Anfang 1999 an. nach oben

Die Kurven der Jahre 2001 und 2002 zeigen das deutliche Infektionsmaximum um den Beginn des Jahres 1996. Im Jahr 2003 fand man kaum noch BSE-Rinder, die zur Zeit dieses ersten uns bekannten Infektionsmaximums geboren wurden. Man erkennt im Jahr 2003 überhaupt kein Maximum. Im Jahr 2004 zeichnet sich jedoch ein neues Infektionsmaximum ab. Zumindest scheinen im Jahr 1999 mehr Kälber infiziert worden zu sein, als im Jahr 1998.

Jahr 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Summen
2001           2         2
2000         10 8 5 1 2 1 27
1999       13 18 12 9 3     55
1998   2 8 8 10 5 1       34
1997   5 10 13 13 1         42
1996 4 68 44 12 9 3       1 141
1995 2 39 32 8 2 1 1       85
1994 1 8 5   2           16
1993     3               3
1992   1 1               2
1991   1     1           2
1990   1 1               2
1989                     0
1988                     0
1987     1               1
Summen 7 125 105 54 65 32 16 4 2 2 412

 

Erste Versuche (Stand 14.5.2002) zur Auswertung der deutschen BSE-Statistik nach oben

Bundesland BSE-Fälle Summen Anteil an getesteten
Schlachtrindern 1
Fälle pro Anzahl bayr.
Schlachtrindertests 2
Milchkühe pro BSE-Fall 3
2000 2001 2002
Baden-Württemberg 0 12 3 15 17,3037% 25 28.667
Bayern 5 59 15 79 29,0707% 79 18.089
Berlin 0 0 0 0 0,0066% (0)  
Brandenburg 0 3 1 4 1,4811% 79 47.750
Bremen 0 0 0 0 2,3042% (0)  
Hamburg 0 0 0 0 0,1090% (0)  
Hessen 0 3 0 3 1,2376% 70 52.667
Mecklenburg-Vorpommern 0 2 1 3 3,9949% 22 62.000
Niedersachsen 1 17 12 30 11,8019% 74 25.433
Nordrhein-Westfalen 0 2 0 2 15,9150% 4 192.500
Rheinland-Pfalz 0 4 3 7 2,8523% 71 18.429
Saarland 0 1 0 1 0,1214% (239) (15.000)
Sachsen 0 4 2 6 0,9723% 179 35.667
Sachsen-Anhalt 0 4 1 5 0,5057% 287 29.600
Schleswig-Holstein 1 12 7 20 10,0053% 58 18.750
Thüringen 0 2 0 2 2,3184% 25 67.500
insgesamt 7 125 45 177 100,00%    

Roland Heynkes, 14. Mai 2002

Zusätzliche Informationen

Beschreibungen verschiedener Rinderrassen wie Fleckvieh, Braunvieh und Schwarzbunte finden sich bei der bayrischen Landesanstalt für Betriebswirtschaft und Agrarstruktur.

1) Erläuterung der Spalte "Anteil an getesteten Schlachtrindern"
Um die BSE-Fallzahlen der verschiedenen Bundesländer richtig vergleichen zu können, muß man sie in Relation zu den Zahlen der dort lebenden Rinder sehen. Entscheidend sind dabei aber nicht die männlichen, die ganz jungen und die ganz alten Rinder, sondern vor allem die 3-7 Jahre alten Kühe in Milchwirtschaft und Mutterkuhhaltung. Diese Zahlen liegen mir nicht vor, aber die auf einer bayrischen Internetseite ablesbaren Zahlen der Schlachtungen mit anschließendem BSE-Test stehen in einem engen Zusammenhang zu den in verschiedenen Bundesländern sehr unterschiedlichen Rinderzahlen. Während sich die absoluten Testzahlen ständig ändern, bleiben die Anteile der Bundesländer an der Gesamttestzahl nahezu unverändert. Deshalb habe ich in dieser Tabelle einfach für jedes Bundesland die Zahl der Tests während der ersten 42 Kalenderwochen dividiert durch die Summe aller Testzahlen für diesen Zeitraum.

2) Erläuterung der Spalte "Fälle pro Anzahl bayr. Schlachtrindertests"
In dieser Spalte der Tabelle berechne ich, wieviele BSE-Fälle ein Bundesland vermutlich ungefähr hätte, wenn es so viele Rinder wie Bayern getestet hätte. Dazu dividiere ich einfach den Anteil der bayrischen an allen deutschen Tests durch den Anteil des betreffenden Bundeslandes an allen deutschen Tests und erhalte so ungefähr das Verhältnis zwischen der Zahl der bayrischen und der Zahl der getesteten Schlachtrinder im fraglichen Bundesland. Multipliziere ich nun diesen Quotienten mit der Zahl der tatsächlich in einem Bundesland gefundenen BSE-Fälle, so erhalte ich die geschätzte Zahl der BSE-Fälle, die dieses Bundesland hätte, wenn es so viel wie Bayern getestet hätte. Für die Zahl der BSE-Tests als Bezugsgröße spricht:

  1. Die wegen ihrer Schlachtung mit weniger als 24 Monaten praktisch nie von BSE betroffenen Kälber, Mastbullen und Färsen tauchen in den Zahlen amtlicher BSE-Schnelltests im Rahmen der Fleischuntersuchung nicht auf. Deshalb ist die Zahl der BSE-Tests relativ unempfindlich gegenüber Unterschieden in den Alterspyramiden weit außerhalb der mittleren BSE-Inkubationszeit.
  2. Der in verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Rückgang der Milchkuhzahl wird durch die Zahl der BSE-Tests automatisch richtig berücksichtigt.
  3. Die Zahl der BSE-Tests erfaßt Kühe in Milchbetrieben ebenso wie in Mutterkuhhaltung und ist daher unempfindlich gegenüber Unterschieden zwischen den Bundesländern hinsichtlich der Anteile verschiedener Nutzungsformen. Wenn Kälber in Mutterkuhherden auch in Deutschland seltener infiziert werden, dann gibt es eben in Bundesländern mit einem hohen Mutterkuhanteil relativ seltener BSE.

Die Zahl der BSE-Tests als Bezugsgröße bringt aber auch Probleme mit sich:

  1. Das Verhältnis zwischen der Zahl der BSE-Fälle und der Zahl der Tests wird nach oben verfälscht, wenn ein Bundesland einen großen Teil seiner Rinder in anderen Bundesländern schlachten läßt. Dann gehen sie nämlich in die Testzahlen dieser anderen Bundesländer ein, während die BSE-Fälle dem Land der letzten Haltung zugerechnet werden. Dies scheint in einigen ostdeutschen Bundesländern der Fall zu sein.
  2. Das Marktentlastungsprogramm der EU hat in verschiedenen Bundesländern in unterschiedlichem Maße zur Vernichtung von insbesondere älterer Kühen geführt und diese Kühe fehlen natürlich in der Zahl der BSE-Tests bei Schlachttieren. Bei Bundesländern wie Brandenburg, die im Rahmen dieses EU-Programmes sehr viele Kühe vernichtet haben, wird natürlich durch diese künstliche Reduktion der Schlachttiertests das BSE-Risiko der einzelnen Kühe überschätzt.
  3. Zu einer Überschätzung der BSE-Häufigkeit kommt es auch, wenn die Zahl der amtlichen BSE-Tests bei Schlachttieren durch die Kohortentötung oder besonders die anfängliche Herdentötung stark reduziert wurde. Dies war besonders in Bayern wegen der vielen BSE-Fälle, aber auch in Ostdeutschland wegen der extrem großen Herden der Fall.

3) Erläuterung der Spalte "Milchkühe pro BSE-Fall"
Es muß in Deutschland nicht unbedingt genauso sein, aber in England waren Milchkühe sehr viel stärker als Mutterkühe von BSE betroffen. Männliche Rinder und bereits als Kälber oder Färsen geschlachtete weibliche Rinder spielten in der BSE-Statistik praktisch überhaupt keine Rolle. Deshalb ist auch die Zahl der Milchkühe ein relativ gutes Maß, auf das man die Zahl der BSE-Fälle eines Bundeslandes beziehen kann. Problematisch ist dabei,

  1. daß unterschiedliche Alterspyramiden in den Milchkuhbeständen die Verhältnisse zwischen den Bundesländern verzerren könnten, weil eigentlich nicht die Gesamtzahl der Milchkühe, sondern die Zahl der 4-6 Jahre alten Milchkühe entscheidend ist und weil verschiedene Jahrgänge wahrscheinlich unterschiedlich stark betroffen sind.
  2. daß sich die Zahl der Milchkühe in verschiedenen Bundesländern unterschiedlich entwickelt,
  3. daß in Deutschland möglicherweise im Gegensatz zu England Kühe in Mutterkuhhaltung nicht viel weniger häufig als Milchkühe betroffen sein könnten.

Hinzu kommt noch unabhängig von der Bezugsgröße das große Problem, daß von den meisten BSE-Tieren nur der Ort der letzten Haltung, nicht aber der eigentlich entscheidende Geburtsort bekannt gegeben wird.

Erst im Verhältnis zur Größe der Risikogruppe werden die BSE-Fallzahlen der Bundesländer wirklich vergleichbar und es zeigt sich, daß das BSE-Risiko einzelner Rinder in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein fast ebenso hoch wie in Bayern ist. Hinzu kommt noch, daß die Zahl der BSE-Fälle in Bayern und besonders Baden-Württemberg ab- und in Schleswig-Holstein und besonders Niedersachsen zuzunehmen scheint. Die für Berlin, Bremen, Hamburg und das Saarland ermittelten Werte sind wegen noch sehr kleiner Testzahlen derart unzuverlässig, daß man sie nicht glauben sollte. Aber Nordrhein-Westfalen ist bemerkenswert wenig von BSE betroffen.

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