Science 1967 Mar; 3(3): 75-9

Roland Heynkes, 27.3.2002

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Pattison,I.H. - Scrapie - Science 1967 Mar; 3(3): 75-9

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Bereits 1938 berichteten die Franzosen J.Cuillé und P.-L.Chelle, daß der Scrapie-Erreger den antibakteriellen Filter Chamberland L3 passiert hatte [ANBQ]. Der Erreger konnte also nicht größer als ein Virus sein und wurde seitdem als Virus bezeichnet. Aber insbesondere unter Verweis auf die Wirkungslosigkeit wiederholter Gefrier-und-Auftauzyklen, die schon in den 40er Jahren von D.R.Wilson im Moredun Institut in Edinburgh festgestellte Unempfindlichkeit gegenüber 30 Min. bei 100°C, die für ihn zunächst unglaubliche Formalin-Resistenz [ANBO], die Unempfindlichkeit gegenüber 23-tägigen Inkubationen bei 37°C in 2% Phenol oder 5% Chloroform, sowie die Resistenz gegenüber anderen organischen Lösungsmitteln wie Ether und Chloroform/Methanol, gegen Ribonukleasen und Desoxyribonukleasen und besonders gegenüber Bestrahlung [AAFU], bezeichnet Pattison einige Eigenschaften des Scrapie-Erregers als so bizarr, daß die Bereitschaft, an einen lebenden Erreger zu glauben, bis zum äußersten strapaziert werde. Sollte es dennoch ein Virus sein, dann könnte es angesichts seiner Dialysierbarkeit durch nur rund 2,4 µm große Poren [ANBN] und seiner außerordentlichen Strahlungsresistenz [AAFU] höchstens halb so groß, wie das kleinste bekannte Virus sein. Er schreibt, daß man 10 Jahre lang in mehreren Labors intensiv, aber vergeblich versucht habe, ein Scrapie-Virus in Zellkulturen zu vermehren, daß man ebenso erfolglos bei der Suche nach gegen ein Scrapie-Virus gerichteten Antikörpern war und daß man auch elektronenmikroskopisch kein Scrapie-Virus finden konnte. Pattison konnte schon seit Jahren nicht mehr an ein Scrapie-Virus glauben, aber erst ein Artikel über ein die allergische Enzephalomyelitis auslösendes basisches Protein brachte ihn wegen dessen mit Scrapie vergleichbarer Resistenz gegenüber vielen Sterilisationsmaßnahmen auf die Idee, Scrapie könne eventuell durch ein Protein ausgelöst werden [AJHH]. Dazu paßt für ihn auch die Tatsache, daß die symmetrischen Schädigungsmuster und die seltsame Wirkung mit einer Vermehrung der Astrozyten bei gleichzeitiger Vakuolenbildung in Nervenzellen und der extrazellulären Grundsubstanz, eher wie Vergiftungserscheinungen aussehen. Bemerkenswert findet er auch seine Beobachtung, daß aus Scrapie-Hirnen in Kultur genommene Nervenzellen sich wie Krebszellen noch teilen und wachsen.

Pattison sah die Ähnlichkeit von Scrapie und Kuru, nannte aber nicht die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) als ebenfalls nahe verwandt. Er konnte sich einen Nutzen der Scrapie-Forschung für das Verständnis langsam fortschreitender, Hirn-degenerativer Krankheiten vorstellen, erwähnte aber auch hier nicht die CJK, sondern Multiple Sklerose. Erstaunlicherweise behauptet der Autor auch, bei Scrapie komme es in ganz seltenen Fällen zu Erholungen.

Nach vielen Versuchen im frühen 20. Jahrhundert hatten erst die Franzosen J.Cuillé und P.-L.Chelle Erfolg mit dem Versuch, gesunde Schafe experimentell mit Scrapie zu infizieren. Sie berichteten 1936 [ANBS] über eine bei 2 von 9 Schafen erfolgreiche Übertragung mit einer Rückenmarksemulsion, welche in oder auf die Augen gebracht wurde. Entscheidend für den Erfolg war offenbar, daß die Franzosen länger als andere abgewartet hatten. Die Tiere erkrankten nämlich erst nach 14 bzw. 22 Monaten. Leider liefert Pattison keine bibliographischen Angaben zu diesem und anderen erwähnten Artikeln, sodaß ich hinsichtlich der Quellen etwas raten muß. Danach waren viele experimentelle Scrapie-Übertragungen erfolgreich und der Autor faßt deren Ergebnisse so zusammen, daß die Inkubationszeiten zwischen 4 Monaten und 4 Jahren lagen und daß je nach Experiment nur 5-30% der inokulierten Schafe erkrankten.

Leider schon 1935 stellten W.S.Gordon und seine Kollegen im Moredun Institut 3 Chargen eines experimentellen Impfstoffes gegen die in Schottland Louping ill und in Deutschland Springkrankheit genannte, von Zecken übertragene, virale, schottische Schafenzephalitis her. Dazu infizierten sie Schafe mit der Krankheit, homogenisierten die Gehirne der erkrankten Tiere und töteten das Virus durch Beimischung von Formalin ab. Der Impfstoff war wirksam und blieb bei 2 Chargen mit insgesamt 30.000 geimpften Tieren ohne ernste Komplikationen. Aber unter den für die Produktion der zweiten Charge verwendeten Schafshirnen stammten 8 von gesunden Jährlingen, deren Mütter später an Scrapie erkrankten. Das Formalin tötete zwar das Louping-ill-Virus, nicht aber die sicher noch in relativ geringen Konzentrationen, aber eben offenbar bereits in den Gehirnen der noch gesunden Schafe vorhandenen Scrapie-Erreger. In den folgenden Jahren starben 7% der mit dem so hergestellten Scrapie-verseuchten Impfstoff behandelten 18.000 Schafe an Scrapie.

Bereits 1939 berichteten J.Cuillé und P.-L.Chelle über eine erfolgreiche Übertragung von Schaf-Scrapie auf 2 von 2 inokulierten Ziegen, wobei die Inkubationszeiten allerdings mindestens 26 Monate betragen hatten. Diese Arbeit blieb unbeachtet und man verwendete noch weitere 15 Jahre nur Schafe für Scrapie-Übertragungen, obwohl die Erfolgsquote bei diesen sehr gering war. Erst 1959 versuchte Pattison wieder eine Scrapie-Übertragung auf Ziegen und zu seiner Überraschung erkrankten 12 von 12 inokulierten Ziegen nach 15-24 Monaten. Im Gegensatz zu den Schafen scheint es bei Ziegen keine vollständig Scrapie-resistenten Rassen zu geben, obwohl die Inkubationszeiten beträchtlich variieren können. Deshalb wurden in der Folgezeit sehr viele Ziegen eingesetzt, weil die Experimente mit ihnen zuverlässiger waren und daher mit weniger Tieren auskamen.

Die 1959 von Pattison mit Schaf-Scrapie infizierten 12 Ziegen entwickelten nicht alle den selben Erreger von Ziegen-Scrapie, sondern man erhielt einen über viele Ziegen-Passagen stabilen Drowsy-Typ, sowie einen ebenfalls stabilen Scratching-Typ. Der Drowsy-Erregerstamm machte die Tiere apathisch, während der Scratching-Erregerstamm die Tiere im Gegenteil mit Juckreiz quälte und übererregbar machte.

1960 inokulierte ebenfalls in Compton R.L.Chandler 3 verschiedene Mausstämme mit den beiden neuen Stämmen von Ziegen-Scrapie. Der Drowsy-Erregerstamm resultierte bei einem Mäusestamm schon nach 7 Monaten zu Scrapie, der Scratching-Erregerstamm erst nach 12 Monaten. Nach vielen wegen zu kurzer Versuchsdauer erfolglosen Experimenten war dies die erste erfolgreiche Übertragung von Scrapie auf Mäuse.

Bereits im Jahre 1967 beschreibt Pattison, daß mit Kanada, den USA, Australien, Neuseeland und Südafrika ausgerechnet den Briten besonders nahestehende Länder die Einfuhr britischer Schafe verboten hatten.

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AAFU . Alper,T.; Haig,D.A.; Clarke,M.C. - The exceptionally small size of the scrapie agent - Biochemical and Biophysical Research Communications 1966 Feb 3; 22(3): 278-84

ANBQ . Cuillé,J.; Chelle,P.-L. - La tremblante du mouton est elle determinee par un virus filterable? - Comptes rendus hebdomadaire des séances de l'Academie de Sciences, Paris 1938; 206: 1687-8

ANBS . Cuillé,J.; Chelle,P.-L. - Pathologie animale - La maladie dite tremblante du mouton est elle inoculable? - Comptes rendus hebdomadaire des séances de l'Academie de Sciences, Paris 1936; 203: 1552-4

AJHH . Pattison,I.H.; Jones,K.M. - The possible nature of the transmissible agent of scrapie - Veterinary Record 1967 Jan 7; 80(1): 2-9

ANBO . Pattison,I.H. - Resistance of the Scrapie agent to Formalin - Journal of Comparative Pathology 1965; 75: 159-64

ANBN . Pattison,I.H.; Sansom,B.F. - Dialysis of the Scrapie Agent - Research in Veterinary Science 1964; 5: 340

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