EMBO Reports 2004 Jan; 5(1): 110-115

Roland Heynkes, 23.5.2004

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Biacabe,A.-G.; Laplanche,J.-L.; Ryder,S.; Baron,T.G. - Distinct molecular phenotypes in bovine prion diseases - EMBO Reports 2004 Jan; 5(1): 110-115

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Bisher hatte sich der BSE-Erregerstamm bei etlichen Übertragungsexperimenten auch über verschiedene Speziesbarrieren hinweg als außerordentlich stabil in seinen Eigenschaften erwiesen und nicht zuletzt dadurch die Identifizierung von BSE als Infektionsquelle bei der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ermöglicht [ACTR,ABXI,AFJO]. Die biochemische Signatur von BSE ähnelt stark dem, was man in mutmaßlich BSE-infizierten Katzen [ACTR] und Menschen [ACTR], sowie in experimentell mit BSE infizierten Mäusen [ACTR,ABXI,AGWA,ABAC], Schafen [AFJN,AFMZ,ABAD,ALCG] und Makaken [ACTR] fand. Insbesondere war in allen Fällen das nach der limitierten Behandlung mit Proteinase K verbliebene Fragment des Prionproteins ungewöhnlich klein.

Die Uniformität und Stabilität des BSE-Stammes wurde aber nie durch die Untersuchung einer großen Anzahl von BSE-Rindern experimentell abgesichert. Im Gegenteil haben Asante et al. [AAUB] gezeigt, daß die Stammeigenschaften des klassischen BSE-Erregers nicht so stabil wie bis dahin vermutet sind. Bei menschliches Prionprotein mit Methionin an Position 129 exprimierenden, gentechnisch veränderten Mäusen, fand man nach Infektionen mit BSE anschließend nicht nur die von der neuen CJK-Variante und vielen Übertragungsexperimenten auf verschiedene Tierarten bekannte Erregerstamm-Signatur. Eine BSE-infizierte Maus konnte stattdessen auch einen Erregerstamm in sich vermehren, der eher wie eine der klassischen CJK-Varianten (Typ 2) aussieht, welche nur sporadisch auftritt und bisher nicht mit BSE in Verbindung gebracht wurde. [AAUB]

Im Rahmen einer Pilot-Studie wurde im August 2000 damit begonnen, in drei besonders betroffenen französischen Regionen Hirnproben von allen verendeten, eingeschläferten und notgeschlachteten Rinder zu sammeln [ANFG]. Die Proben wurden BSE-Schnelltests unterzogen und positiv reagierende Proben wurden per Immunhistochemie und Western blot mit vorgeschalteter PrPsc-Konzentrierung überprüft. Für letzteren reicherte man aus einer definierten Menge Hirnstamm das gegenüber limitierter Behandlung mit der Proteinase K relativ resistente PrPres an. Dieses Vorgehen bedeutet natürlich, daß man sehr geringe Chancen hatte, BSE-Varianten mit dem norwegischen Scrapie-Typ vergleichbar Protease-sensitivem PrPsc [APFF] zu finden. Außerdem kann man mit einer auf den Hirnstamm beschränkten Probennahme selbstverständlich nur BSE-Varianten finden, bei denen auch dort PrPsc in ausreichender Konzentration abgelagert wird.

Inzwischen fanden die Autoren 3 BSE-Fälle mit einem deutlich abweichenden molekularen Phänotyp: eine 15 Jahre alte Holstein-Kuh, eine 10 Jahre alte Mischlingskuh sowie eine 8 Jahre alte Charolais-Kuh. Vor der Testung endete das 10 jährige Tier in einem Schlachthof, die beiden anderen in einer Tierkörperbeseitungsanstalt. Es wurden aber bei keinem der drei Fälle BSE-verdächtige Symptome beobachtet. Alle drei wiesen im Hirnstamm nur relativ geringe PrPres-Konzentrationen auf. Da Western blots keinen Abbau-Schmier erkennen lassen, enthielten die Hirnstämme dieser Tiere vermutlich einfach ungewöhnlich wenig PrPsc. Es könnte aber auch sein, daß es eine geringere Resistenz gegenüber der Proteinase K besitzt.

Im Western blot erwies sich bei diesen drei Tieren die Molekularmasse der nicht glykosilierten Form des Prionproteins verglichen mit normalen BSE-Fällen als um 0,7–1,3 kDa größer. Der an die Aminosäuren 97-112 des Rinder-Prionproteins bindende monoklonale Antikörper P4 markiert das PrPsc normaler BSE-Fälle nur sehr schwach. Auch in dieser Studie wurde dies bei 55 typischen BSE-Fällen in Frankreich bestätigt. Aber die drei abweichenden Fälle wurden durch diesen Antikörper stark markiert, weil offenbar sein PrPsc am Aminoterminus ungewöhnlich lang ist. Es glich in dieser Hinsicht dem PrPres eines experimentell durch intrazerebrale Inokulation mit Scrapie infizierten Rindes, welches aber ein anderes Glykosilierungsmuster aufwies. Beim PrPres normaler BSE-Fälle ist ein besonders großer Teil an beiden Glykosilierungsstellen glykosiliert. Auch in dieser Hinsicht waren die drei alternativen Fälle anders. Während bei normalen BSE-Fällen 60-70% des PrPres diglykosiliert und nur rund 26% monoglykosiliert sind, waren bei den drei alternativen Fällen 45-50% diglykosiliert und 32-35% monoglykosiliert.

Bei zwei der drei neuartigen BSE-Fälle wurde die kodierende Region des Prionproteins sequenziert, aber man fand die üblichen 6 Oktapeptide und keinerlei Abweichungen von der publizierten Normalsequenz [AERX] und den Sequenzen von 5 der 55 normalen BSE-Fälle.

Genau wie die atypischen italienischen BSE-Fälle waren auch die französischen relativ alt. Es könnte sein, daß sich diese Variante einfach durch eine längere mittlere Inkubationszeit auszeichnet und auch deshalb seltener entdeckt wird. Es ist aber auch gut möglich, daß diese Tiere nicht bereits als Kälber infiziert wurden. Auch die Quelle der Infektion muß nicht unbedingt die selbe, also Tiermehl oder Tierfett sein. Vielleicht hat ja die über viele Jahre in erheblichen Mengen auch auf Weiden verteilte BSE-Infektiosität [SSC1,ANDH,ANVS,AQEJ] irgendwelche anderen Tierarten infiziert, die nun als alternative Infektionsquelle für Rinder dienen. TSE-Infektiosität wird zwar im Boden abgebaut [AOXH], aber das geschieht doch langsam genug [ABVM], um eine Aufnahme der Infektiosität durch Insekten [AJOK] und Milben [AMQV,ACFW] zu erlauben. Diese könnten direkt von Rindern, oder aber von Nagen gefressen werden, die dadurch infiziert werden könnten. Denkbar ist auch, daß die Infektiosität gelegentlich durch Ektoparasiten übertragen werden könnte [ANYO]. Es kann aber auch sein, daß der BSE-Erreger einfach dazu neigt, gelegentlich in einen alternativen Phänotyp zu springen, wie das die Arbeit von Asante et al. nahelegt [AAUB]. Unterschiedliche Metall-Ionen-Konzentrationen – wie von Wadsworth et al. [AMDO] beobachtet – konnten die Autoren aber als Ursache für die beobachteten Unterschiede ausschließen.

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AAUB . Asante,E.A.; Linehan,J.M.; Desbruslais,M.; Joiner,S.; Gowland,I.; Wood,A.L.; Welch,J.; Hill,A.F.; Lloyd,S.E.; Wadsworth,J.D.; Collinge,J. - BSE prions propagate as either variant CJD-like or sporadic CJD-like prion strains in transgenic mice expressing human prion protein - EMBO Journal 2002 Dec 1; 21(23): 6358-66

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