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BSE-Sicherheit von Milch

Roland Heynkes, 29.5.2001 (zuletzt aktualisiert am 12.12.2001)

Gliederung

  Zusammenfassung
  Fehlgeschlagene Versuche, BSE durch intrazerebrale Inokulation von Milch zu übertragen
  Pattison und Millson 1961
  Hadlow, Kennedy, Race und Eklund 1980
  Hadlow, Kennedy und Race 1982
  Hourrigan (de Camp) 1990
  Fraser und Foster 1993
  Taylor (Edinburgh), Ferguson und Bostock (Compton), sowie Dawson (New Haw) 1995
  Fehlgeschlagene Versuche, BSE durch Verfüttern von Milch und Eutergewebe auf Mäuse zu übertragen
  Einleitung
  Barlow und Middleton 1990-1993 mit CRH-Mäusen
  Barlow und Middleton 1990-1993 mit C57B1-Mäusen
  Taylor, Ferguson, Bostock und Dawson 1995
  Mindestens 1 Monat gesäugte Nachkommen von BSE-Kühen erkrankten nicht.
  Die Weybridge-Kohortenstudie
  Wird BSE selber, oder nur die Empfänglichkeit für BSE-Infektionen vererbt?
  Noch soll kein Kind einer Kuru- oder CJK-kranken Mutter erkrankt sein.
  Infektiosität in einem Milchdrüsen-Lymphknoten
  CJK-infektiöse Kolostralmilch?
  Scrapie-Übertragung durch Samen oder Embryonen?
  Neue Experimente
  Literaturliste
  Danksagung

Zusammenfassung

Angesichts der seit November 2000 auch bei deutschen Milchkühen nachgewiesenen BSE-Infektionen stellt sich heute auch für deutsche Kuhmilch die gesundheitspolitisch und agrarwirtschaftlich wichtige Frage der BSE-Sicherheit. Dieses Gutachten beschreibt und bewertet im Detail das hierzu vorhandene Datenmaterial. Dabei wird deutlich, daß die bisher durchgeführten experimentellen und epidemiologischen Untersuchungen aufgrund verschiedener methodischer Unzulänglichkeiten keine wirklich befriedigende BSE-Sicherheit von Milch garantieren können. Die bisher von verschiedenen Seiten abgegebenen Sicherheitserklärungen beruhten offensichtlich auf zu oberflächlichen Betrachtungen der Daten und werden im Folgenden widerlegt.

Immerhin war aber im bisher empfindlichsten Experiment zum Nachweis von BSE-Infektiosität in der Milch, die Milch scrapieinfizierter Ziegen mindestens 100.000-fach weniger infektiös als die infektiösesten Bereiche des Gehirnes [AEZR]. In einem anderen Experiment erwies sich auch das Gehirn einer BSE-kranken Kuh als mindestens 100.000-fach infektiöser als deren Milch [ALNN]. Die Milch muß danach nicht wesentlich weniger infektiös sein, als die Rückenmarksflüssigkeit scrapiekranker Ziegen [AEZR]. Möglicherweise ist die Milch BSE-kranker Kühe auch völlig frei von Infektiosität, aber es gab eben bisher keine Experimente, die dies auch nur annähernd hätten nachweisen können. Selbstverständlich läßt sich die Infektiosität von BSE für den Menschen nicht experimentell ermitteln. Das SSC empfahl deshalb, sicherheitshalber mit dem schlimmsten Fall einer nicht existierenden Speziesbarriere, einer bis hinunter zu den kleinsten Dosen linearen Dosis-Wirkungs-Beziehung und einer additiven Wirkung wiederholter Infektivitätsaufnahmen zu rechnen. Aber selbst wenn man wesentlich optimistischer in Ermangelung besserer Daten die Infektiosität von BSE für den Menschen einfach mit der Infektiosität von BSE für Mäuse vergleicht, kann man auf der Grundlage der Mausexperimente nur sagen, daß man beim Genuß von einem halben Liter Milch einer BSE-kranken Kuh eine Überlebenschance von mindestens 50% hätte [ALNN].

Man kann nur hoffen, daß die weiter unten angesprochenen neuen Experimente bald mehr Klarheit bringen werden.

Fehlgeschlagene Versuche, BSE durch intrazerebrale Inokulation von Milch zu übertragen

Pattison und Millson 1961

In der 50 km westlich von London gelegenen Field Station Compton bei Newbury in der Grafschaft Berkshire inokulierten Mitarbeiter des Institute for Research on Animal Disease (Agricultural Research Council) zwei 3 Monate alte Ziegen intrazerebral mit je 1 ml steril entnommener Milch einer scrapie-infizierten Ziege. Innerhalb eines Beobachtungszeitraumes von mindestens 29 Monaten erkrankten diese Ziegen nicht an Scrapie. Zwei intrazerebral mit jeweils 1 ml Urin und zwei mit jeweils 1 ml Speichel einer scrapie-infizierten Ziege inokulierte Ziegen blieben allerdings auch gesund und auch mit Blut gelang den Autoren keine Übertragung von Scrapie. [ANBI,ANBJ].

Es gibt jedoch einen Bericht über eine erfolgreiche Übertragung der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auf Mäuse mit Urin [ALLU]. Eine andere Arbeit wies im Urin zwar keine Infektiosität, aber immerhin Protease-resistentes Prionprotein nach [AKSU]. Der Nachweis von Scrapie-Infektiosität in Speichel gelang zwar noch nicht, aber in Gaumenmandeln [AEZS,AEZR,AEZP], Nasenschleimhaut [AEZS,AEZR,AEZP] und Speicheldrüsen [ANBJ,AEZS] von Schaf [AEZP] und Ziege [ANBJ,AEZS,AEZR] wurde sie bereits mehrfach nachgewiesen und daher ist es sehr unwahrscheinlich, daß Speichel tatsächlich frei von Infektiosität sein kann. Es gibt viele Berichte über erfolgreiche Übertragungen von Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und Nager-Scrapie durch Blut, aber im September 2000 wurde auch über die erfolgreiche Übertragung von BSE-induziertem Scrapie von einem Schaf auf ein anderes Schaf berichtet [AFPS]. Die Beispiele Urin, Speichel und Blut sprechen also dafür, daß das Übertragungsexperiment von Pattison und Millson auch ohne eine Speziesbarriere einfach nicht empfindlich genug war, um geringe Infektiositäten nachzuweisen. Ein naheliegender Grund hierfür mag der mit nur 2 Empfängertieren äußerst geringe Umfang des Experimentes sein.

Hadlow, Kennedy, Race und Eklund 1980

Von der 1/10 verdünnten Milch dreier natürlich mit Scrapie infizierter Ziegen aus einem Versuchsgehege in Mission (Texas, USA) wurden in den zum National Institute of Allergy and Infectious Diseases (National Institutes of Health) gehörenden Rocky Mountain Laboratories in Hamilton (Montana, USA) pro Ziege 10 Swiss-Mäusen jeweils 30 µl ins Gehirn injiziert. Außerdem wurden von homogenisiertem und 1/10 verdünntem Milchdrüsengewebe dieser 3 Ziegen pro Ziege 10 Mäusen jeweils 30 µl ins Gehirn injiziert. Keine dieser 60 Mäuse erkrankte während eines zweijährigen Beobachtungszeitraumes an Scrapie. Andererseits ermittelte man im selben Experiment Infektiositäten zwischen 16.706 Maus-i.c.-LD50/mg im Mittelhirn und 0,17 Maus-i.c.-LD50-Einheiten pro mg in der Lunge. Weil die Milch noch weniger infektiös als die Lunge war und weil die Infektiosität der Lunge bereits im Bereich der Nachweisgrenze lag, muß die Milch mindestens 100.000-fach weniger infektiös als die infektiösesten Bereiche des Gehirnes oder mindestens 3.600-fach weniger infektiös als das obere Rückenmark gewesen sein. Die Milch muß aber nach den Ergebnissen dieses Experimentes nicht wesentlich weniger infektiös sein, als die Rückenmarksflüssigkeit der scrapiekranken Ziegen. [AEZR]

Hadlow, Kennedy und Race 1982

In einem Versuchsgehege in Mission (Texas, USA) wurde eine Herde von Suffolk-Schafen gehalten, in der sich Scrapie natürlich ausbreitete. Dort wurde Kolostrum eines später an Scrapie erkrankten Muttertieres gesammelt und in den zum National Institute of Allergy and Infectious Diseases (National Institutes of Health) gehörenden Rocky Mountain Laboratories in Hamilton (Montana, USA) wurden je 30 µl davon direkt in die Gehirne (intrazerebral) von 10 weiblichen 21-23 Tage alten Swiss-Mäusen injiziert. Die Mäuse wurden 24 Monate lang beobachtet, aber keine erkrankte in diesem Beobachtungszeitraum. [AEZP] Auch dieses Experiment war sehr klein, aber das Hauptproblem lag in der Speziesbarriere zwischen Schaf und Maus.

Hourrigan (de Camp) 1990

Bei angeblich direkt in Mission (Texas, USA) von Dr. Marguerite de Camp mit Swiss-White-Mäusen durchgeführten Übertragungsexperimenten sollen 6 Swiss-White-Mäuse mit Milch und 3 Swiss-White-Mäuse mit Kolostrum scrapiekranker Schafe intrazerebral inokuliert worden sein, ohne daß diese erkrankten. Methodische Details liefert der Autor leider nicht, aber das Übertragungsexperiment war offenbar nicht sehr sensitiv, denn es erkrankten auch nur 4 von 14 mit Eierstock- und 4 von 13 mit Gebärmuttergewebe inokulierten Mäusen. [AFPP]

Die viel zu oberflächliche Darstellung dieses Experimentes erlaubt es auch nicht, das hier beschriebene von den durch Hadlow et al. publizierten zu unterscheiden oder eine Identität festzustellen. [AEZR,AEZP].

Fraser und Foster 1993

In der Abteilung für Neuropathogenese des Institutes für Tiergesundheit in Edinburgh wurde ein 1/10 verdünntes Homogenat vom Euter einer an BSE erkrankten Kuh, 24 RIII-Mäusen intrazerebral (20 µl) und zusätzlich intraperitoneal (100 µl) injiziert und während eines Beobachtungszeitraumes von mindestens 650 Tagen erkrankte keine der Empfängermäuse an BSE [ANCG]. Aber im selben Experiment fand man auch keine Infektiosität in Ileum und Knochenmark [ANCG], obwohl sich zumindest das Ileum sogar im Mausbioassay als eindeutig infektiös erwies [AMJJ,AMJG]. Nicht ganz so eindeutig, aber doch immerhin in einem Mausbioassay der noch nicht abgeschlossenen Pathogenesestudie erwies sich auch Knochenmark eines oral mit BSE infizierten Rindes als infektiös [AMJF] Dies zeigt, daß dieses Experiment von Fraser und Foster einfach nicht sensitiv genug war, um eventuell in Eutergewebe enthaltene Infektiosität nachzuweisen. Und tatsächlich soll die Nachweisgrenze des von Fraser und Foster durchgefährten Experimentes mit kombinierter intrazerebraler und intraperitonealer Inokulation auf immerhin 101.4 LD50/g berechnet worden sein [AMJF].

Taylor (Edinburgh), Ferguson und Bostock (Compton), sowie Dawson (New Haw) 1995

Mit Milch von 6 klinisch an BSE erkrankten, tragenden Kühen in verschiedenen Phasen der Laktation wurden junge RIII/FaDk-Mäuse inokuliert (jeweils 20 µl intrazerebral und 100 µl intraperitoneal). Von diesen Mäusen blieben 25 nur 300-450 Tage, 43 immerhin 451-600 Tage und 88 sogar 601-702 Tage gesund. TSE-typische Symptome wurden nicht beobachtet. [ALNN]

Das Injizieren direkt ins Gehirn ist zwar weniger wirklichkeitsnah als die Verfütterung, dafür aber wesentlich geeigneter für den Nachweis geringer Erregermengen. Ein Titrationsexperiment mit RIII-Mäusen und hochinfektösem Hirnhomogenat einer BSE-kranken Kuh zeigte allerdings, daß man bei intrazerebraler Inokulation von 20 µl bereits ab einer Verdünnung um den Faktor 1000 mit Inkubationszeiten um die 450 Tage rechnen muß [AEEK]. Daher konnte man bei den 25 nur 300-450 Tage nach der intrazerebralen Inokulation von Milch beobachteten RIII-Mäusen überhaupt keine Erkrankungen erwarten. Also verbleiben noch 131 mit jeweils 20 µl intrazerebral inokulierte RIII-Mäuse, die lange genug lebten, um trotz einer um 3 Größenordnungen geringeren Infektiosität des injizierten Materials zu erkranken.

Aber neben der Inkubationszeit wirkt sich eine geringere Infektiosität ja vor allem auf den Anteil der erkrankten Mäuse aus. In besagtem Titrationsexperiment wurden auf jeder Verdünnungsstufe 12 RIII-Mäuse eingesetzt und ab einer 10.000-fachen Verdünnung erkrankten nur noch einzelne Tiere [AEEK]. Bei 131 Mäusen könnte also Milch ein 1/100.000 der Infektiosität von Gehirn BSE-kranker Rinder haben, ohne das man dies in diesem Experiment bemerkt hätte.

Das Titrations-Experiment, welches bei einem Verdünnungsfaktor von 1/100.000 in RIII-Mäusen keine BSE-Infektiosität mehr nachweisen konnte, ermittelte für das eingesetzte Hirngewebe eine Ausgangsinfektiosität von mindestens 105,1 i.c.-Maus-LD50-Einheiten pro Gramm Rinderhirn. Hochgerechnet auf ein Kilogramm wären das 108,1 oder 1,259 x 108 i.c.-Maus-LD50-Einheiten pro Kilogramm Rinderhirn. Entspräche die Infektiosität von Milch nur einem 1/100.000 dieses Wertes, dann enthielte 1 Liter Milch immer noch 1,259 x 103 oder 1259 i.c.-Maus-LD50-Einheiten. Auch wenn man berücksichtigt, daß die Infektiosität bei oraler Aufnahme durch RIII-Mäuse etwa um den Faktor 700 geringer ist [ALMQ], kommt man immer noch auf 1259/700=1,799 i.c.-Maus-LD50-Einheiten pro Liter oder 1 i.c.-Maus-LD50-Einheit in 0,556 Litern bei oraler Aufnahme. Dieses empfindlichste aller bisher durchgeführten Experimente zur BSE-Sicherheit von Milch zeigt also lediglich, daß 10 Liter Milch einer BSE-infizierten Kuh höchstens etwa (10/0,556)/2 = 9 Mäuse töten würden, wenn man diese Milch an eine ausreichend große Anzahl von Mäusen verfüttern würde. Wieviele Mäuse bräuchte man wohl, um 10 Liter Milch aufzuschlecken? Man bräuchte aber eine um etliche Größenordnungen größere Zahl von Versuchstieren, um in einen für Menschen befriedigenden Sicherheitsbereich vorzudringen.

Diese einfache Kalkulation macht drei Dinge deutlich:

  1. Die bisher experimentell nachgewiesene BSE-Sicherheit von Milch ist völlig unzureichend. Selbst wenn Gehirn 1 Million mal infektiöser als Milch sein sollte, wäre eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 50% nach dem Genuß von 5,6 Litern Milch einer BSE-kranken Kuh nicht wirklich beruhigend.
  2. Es wären gigantisch dimensionierte Maustests erforderlich, um auch nur annähernd den menschlichen Milchkonsum zu repräsentieren. Eine für Menschen relevante BSE-Sicherheit von Milch läßt sich daher mit Maus-Verfütterungsexperimenten überhaupt nicht nachweisen.
  3. Trotz einer etwa um den Faktor 700 höheren Empfindlichkeit müßte auch ein weiteres Experiment mit intrazerebraler Inokulation von Milch in Mausgehirne um mehrere Größenordnungen mehr Empfängermäuse als die bisher durchgeführten Experimente einsetzen.

Fehlgeschlagene Versuche, BSE durch Verfüttern von Milch und Eutergewebe auf Mäuse zu übertragen

Einleitung

Es gab zwei Versuche, die BSE-Infektiosität von Milch durch Verfütterung an Mäuse zu ermitteln. Beiden gemeinsam ist eine relativ geringe Sensitivität aufgrund der Speziesbarriere zwischen Rind und Maus. Eine ähnliche Speziesbarriere besteht zwar auch zwischen Rind und Mensch, aber sowohl die Zahl der Empfängermäuse, als auch die eingesetzten Milchmengen sind natürlich Welten von den in der EU von Menschen konsumierten Milchmengen entfernt.

Dabei ist zu beachten, daß von Mäusen getrunkene 300 ml Milch mit von einem Menschen getrunkenen 300 ml Milch vergleichbar sind und nicht etwa im Verhältnis der Körpergewichte von Mensch und Maus hochgerechnet werden dürfen. Taylor und Kollegen weisen selbst darauf hin, daß die infektiöse Dosis wahrscheinlich nicht von der Masse des Empfängers abhängt [ALNN]. Dies ist offensichtlich korrekt, denn je 300 mg BSE-Hirnhomogenat töteten 12 von 15 RIII-Mäusen [ALMQ], während die Verfütterung der vergleichbaren Menge von je 500 mg eines aus den Hirnen von 4 BSE-Kühen erzeugten Hirnhomogenates nach einer Inkubationszeit von 734 Tagen 1 von 6 Schafen und nach Inkubationszeiten von 941 bzw. 1501 Tagen zwei von drei Ziegen tötete [AEDA]. Das um Größenordnungen größere Gewicht des Schafes oder der Ziege hat also offensichtlich keinen wesentlichen Einfluß auf die Größe der infektiösen Dosis und deshalb macht seine Größe allein den Menschen nicht BSE-resistenter. Dies war auch nicht anders zu erwarten, weil sich ja das infektiöse Agens im Organismus vermehrt.

Abgesehen davon ist die Zusammensetzung der Kuhmilch insbesondere hinsichtlich ihres Zellgehaltes nicht konstant und daher muß die Milch BSE-infizierter Kühe nicht an jedem Tag gleich infektiös sein. An wenigen Tagen der Laktation weniger Kühe entnommene Proben können daher nicht wirklich als repräsentativ betrachtet werden. Daher schließen die Resultate dieser Experimente nicht aus, daß die Milch BSE-kranker Kühe zeitweise wesentlich infektiöser als die bisher untersuchte ist.

Betrachtet man also diese Experimente nicht nur oberflächlich und rein gefühlsmäßig, sondern mit dem Bemühen um eine quantitative Bewertung, so können die Ergebnisse überhaupt nicht beruhigen.

Barlow und Middleton 1990-1993 mit CRH-Mäusen

Durch Verfüttern bzw. im Trinkwasser erhielten 9 CRH-Mäuse jeweils durchschnittlich 144 g Eutergewebe plus 20,2 ml Kuhmilch von an BSE erkrankten Rindern. Innerhalb des Beobachtungszeitraumes von allerdings nicht mehr als 689 Tagen erkrankte keine dieser Mäuse. Darin unterschieden sie sich aber nicht von 8 mit durchschnittlich 12,9 g Lymphknoten, sowie 8 mit durchschnittlich 13,4 g Plazenta gefütterten CRH-Mäusen. Da selbst 8 mit durchschnittlich 6,25 g Gehirnhomogenat plus 4,52 ml Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit gefütterte CRH-Mäuse binnen 678 Tagen nicht erkrankten, erwiesen sich die CRH-Mäuse als offensichtlich viel zu BSE-resistent für den Nachweis von BSE-Infektivität in oral aufgenommenem Material. [ANCB,ANCC,AIIK]

Barlow und Middleton 1990-1993 mit C57B1-Mäusen

Durch Verfüttern bzw. im Trinkwasser erhielten 10 C57B1-Mäuse jeweils durchschnittlich 128,9 g Eutergewebe plus 14,6 ml Kuhmilch. Innerhalb des Beobachtungszeitraumes von allerdings nicht mehr als 571 Tagen erkrankte keine dieser Mäuse. Darin unterschieden sie sich aber nicht von 10 mit durchschnittlich 29,7 g Lymphknoten aus dem Euterbereich, 20 mit durchschnittlich 42,6 g Milz, 10 mit durchschnittlich 13,7 g Lymphknoten, sowie 10 mit durchschnittlich 26 g Plazenta gefütterten C57B1-Mäusen. Als infiziert erwiesen sich lediglich 7 von 9 C57B1-Mäusen, von denen jede mit durchschnittlich 9,1 g Gehirnhomogenat plus 4,5 ml Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit gefüttert worden war. [ANCB,ANCC,AIIK]

Das Bioassay-System mit C57B1-Mäusen war zwar viel besser als das mit CRH-Mäusen, aber immer noch derart wenig sensitiv, daß nicht einmal alle mit BSE-Hirnen gefütterten Mäuse erkrankten. Es ist daher nicht verwunderlich, daß keine der nur 10 mit Eutergewebe und Kuhmilch gefütterten C57B1-Mäuse erkrankte. Letztlich kann man also aus diesem Experiment nur den nicht wirklich beruhigenden Schluß ziehen, daß 128,9 g Eutergewebe plus 14,6 ml Milch der für dieses Experiment verwendeten BSE-Kühe um mindestens eine knappe Größenordnung weniger infektiös als 9,1 g Gehirnhomogenat plus 4,5 ml Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit dieser Tiere waren. Falls Milch und Eutergewebe etwa gleich infektiös sein sollten, dann hätte ihre BSE-Infektiosität bei den 4 hier untersuchten Kühen um mindestens 2 Größenordnungen unter der Infektiosität des Hirngewebes gelegen. Selbstverständlich reicht dieser Sicherheitsabstand nicht aus, um Milch BSE-infizierter Kühe als sicher zu bezeichnen. [ANCC,AIIK]

Taylor, Ferguson, Bostock und Dawson 1995

Junge RIII/FaDk-Mäuse wurden mit durchschnittlich je 300 ml Milch von 6 klinisch an BSE erkrankten, tragenden Kühen in verschiedenen Phasen der Laktation gefüttert. Von diesen Mäusen blieben 22 nur 300-450 Tage, 25 immerhin 451-600 Tage und 72 sogar 601-702 Tage gesund. [ALNN]

Ein halbes Jahrzehnt nach der hier beschriebenen Arbeit fütterte Taylor in einem vergleichbaren Experiment 15 RIII-Mäuse mit jeweils 300 mg BSE-infektiösen Hirnhomogenates [ALMQ]. Daraus resultierend erkrankten 12 der 15 Mäuse und die längste Inkubationszeit betrug 547 Tage [ALMQ]. Leider machen die Autoren dieses späteren Artikels keine Angaben über die Inkubationszeiten der übrigen erkrankten Mäuse [ALMQ]. Aber in dem ebenfalls vergleichbaren Verfütterungsexperiment von Barlow und Middleton erkrankten 5 von 7 mit durchschnittlich je 9,1 g Gehirnhomogenat plus 4,5 ml Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit gefütterten C57B1-Mäusen 435-504 Tage nach Beginn der Fütterung [ANCB,ANCC]. Weil sich zumindest nach intrazerebraler Inokulation die beiden Mausstämme nur hinsichtlich der Inkubationszeiten, nicht aber hinsichtlich der Infizierbarkeit und der Variabilität der Inkubationszeiten unterscheiden [AEEK], dürften sich die Inkubationszeiten der 12 mit je 300 mg BSE-infektiösen Hirnhomogenates gefütterten RIII-Mäuse [ALMQ] zwischen 460 und 547 Tagen bewegt haben. Bei den nach oraler Inokulation maximal 450 Tage lang beobachteten 22 RIII-Mäusen wäre also wahrscheinlich nicht einmal dann eine Erkrankung aufgetreten, wenn sie mit 300 ml Hirnhomogenat gefüttert worden wären. Deshalb dürfen diese 22 Tiere überhaupt nicht in die Kalkulation der BSE-Sicherheit von Milch einbezogen werden.

Man konnte aber auch bei den restlichen 97 oral inokulierten RIII-Mäusen keine oder höchstens sehr wenige Erkrankungen erwarten, wenn schon je 300 mg eines 10%igen Hirnhomogenates einer BSE-Kuh nur 12 von 15 RIII-Mäusen infizierten [ALMQ]. Umgerechnet auf die 97 entspräche das 78 infizierten Mäusen und schon bei einer um nur 2 Größenordnungen geringeren Infektiosität wäre man unter der Nachweisgrenze. Das ganze Teilexperiment mit der Verfütterung von je 300 ml Milch sagt also lediglich aus, daß das unverdünnte Gehirn BSE-kranker Kühe mindestens 1000-fach infektiöser als die Milch solcher Tiere ist.

Mindestens 1 Monat gesäugte Nachkommen von BSE-Kühen erkrankten nicht

Mit Hilfe der britischen epidemiologischen BSE-Datenbank konnten bis zum August 1996 in Mutter- oder Ammenkuhherden mit bekannten Stammbäumen nur 132 auswertbare Nachkommen an BSE erkrankter Kühe ermittelt werden, die mindestens einen Monat lang von der eigenen Mutter gesäugt und mindestens 20 Monate alt wurden [AMMT]. Die folgende Tabelle stellt dar, wie alt diese Tiere ohne erkennbare BSE-Erkrankung wurden und wieviele Monate zwischen der Geburt dieser Tiere und der BSE-Erkrankung ihrer Mütter lagen.

Alter
[Monate]
Monate zwischen Geburt und Erkrankung der Mutter Nachkommen
0-2 3-5 6-8 9-11 12-23 24- Summe lebend
20-23 0 0 0 4 3 3 10 2
24-35 1 6 1 1 12 1 22 10
36-47 5 2 2 1 7 5 22 15
48-59 1 3 2 1 6 9 22 13
60-71 0 4 1 1 7 12 25 20
72-83 1 1 0 0 4 8 14 10
84-95 0 1 0 0 2 8 11 9
96-107 0 0 0 0 1 2 3 2
108-119 0 0 0 0 0 2 2 1
120-131 0 0 0 0 0 1 1 1
Summe 8 17 6 8 42 51 132 83
Die 1. Spalte gibt an, wie alt die Nachkommen wurden. Dabei zählen die in Spalte 8 zusammengefaßten Spalten 2-7 die zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits toten, die Spalte 9 hingegen die noch lebenden Tiere.

Nun wird natürlich kein vernünftiger Mensch behaupten, ein im Alter von 20 Monaten ohne erkennbare BSE-Symptome geschlachtetes Rind sei offensichtlich nicht BSE-infiziert gewesen und daher könne die Milch seiner Mutter nicht infektiös gewesen sein. Stattdessen muß für jedes Tier auf der Grundlage der Statistik britischer Herden mit nicht zugekauften BSE-Fällen die Wahrscheinlichkeit berechnet werden, mit der es im Falle einer BSE-Infektion in seinem Alter bereits erkrankt wäre. Ich verwende hierfür die folgenden aus der britischen BSE-Statistik für das Sterbejahr 1996 abgeleiteten Faktoren: 0,0000 (2 Jahre), 0,0166 (3 Jahre), 0,1278 (4 Jahre), 0,2765 (5 Jahre), 0,4649 (6 Jahre), 0,6259 (7 Jahre), 0,7725 (8 Jahre), 0,8700 (9 Jahre), 0,9292 (10 Jahre), 0,9610 (11 Jahre) [AMMT]. Diese Statistik ist deshalb mit den hypothetischen Fällen maternaler Übertragung vergleichbar, weil offensichtlich die meisten BSE-Rinder kurz nach der Geburt infiziert wurden [ANDI]. Erkennbar ist dies daran, daß erstens BSE bei 4-6 Jahre alten Rindern erheblich häufiger als bei jüngeren oder älteren Tieren auftrat und daß zweitens die Wirkung des ersten britischen Tiermehlverfütterungsverbotes in der Statistik nur bei den danach oder kurz vorher geborenen Tieren erkennbar ist.

Multipliziert man die Fallzahlen der ersten Tabelle mit den Faktoren für die altersabhängige Erkrankungswahrscheinlichkeit, dann erhält man folgende Tabelle:

Alter
(Monate)
Monate zwischen Geburt und Erkrankung der Mutter
0-2 3-5 6-8 9-11 12-23 24-
20-23 0 0 0 0 0 0
24-35 0,0166 0,0996 0,0166 0,0166 0,1992 0,0166
36-47 0,6390 0,2556 0,2556 0,1278 0,8946 0,6390
48-59 0,2765 0,8295 0,5530 0,2765 1,6590 2,4885
60-71 0 1,8596 0,4649 0,4649 3,2543 5,5788
72-83 0,6259 0,6259 0 0 2,5036 5,0072
84-95 0 0,7725 0 0 1,5450 6,1800
96-107 0 0 0 0 0,8700 1,7400
108-119 0 0 0 0 0 1,8584
120-131 0 0 0 0 0 0,9610
Summen 1,5580 4,4427 1,2901 0,8858 10,9257 24,4695

Die Summe der Summen in der letzten Zeile obiger Tabelle ergibt 43,57. Wären alle Rinder der Studie während ihrer ersten Lebenswochen infiziert worden, dann würde man also unter den 132 beobachteten Rindern gut 43 BSE-Fälle erwarten. Wir wissen aber, daß es keine maternale BSE-Übertragung in dieser Größenordnung von 100% gibt.

Obwohl die Daten bei genauer Betrachtung gar nicht für eine maternale BSE-Übertragung [AJZJ], sondern viel eher für vererbte Unterschiede hinsichtlich der Empfänglichkeit für BSE-Infektionen sprechen, interpretierten Wilesmith et al. die Ergebnisse der Weybridge-Kohortenstudie als einen Hinweis auf eine maternale Übertragung in der Größenordnung von 10% [AMMU]. Unabhängig von dieser Kontroverse hinsichtlich der korrekten Interpretation der Daten spricht diese Studie in keinem Fall gegen eine maternale BSE-Übertragung durch Milch, da die in der Weybridge-Kohortenstudie beobachteten Tiere gar nicht gesäugt wurden [AMMU].

Sollte es eine maternale Übertragung von BSE in einer Größenordnung von 10% tatsächlich geben und wäre sie wirklich unabhängig von der Zeitspanne zwischen der Geburt eines Kalbes und der Erkrankung der Mutter, dann müsste man in dieser Studie 4-5 BSE-Fälle erwarten. Genau in diesem Sinne kalkulieren Wilesmith und Ryan einfach unabhängig von der Zeitspanne zwischen der Geburt eines Kalbes und der Erkrankung seiner Mutter mit einer maternalen Übertragungswahrscheinlichkeit von 10%. Die Weybridge-Kohortenstudie [AMMU] und die Computersimulationen zur Anpassung mathematischer Modelle an die epidemiologischen Daten sprechen aber eher dafür, dass die Wahrscheinlichkeit maternale Übertragungen von BSE mit dem zeitlichen Abstand zwischen der Geburt eines Kalbes und der Erkrankung der Mutter abnimmt. In der Weybridge-Kohortenstudie [AMMU] waren fast alle Kälber maximal 6 Monate vor der Erkrankung der Mutter geboren und der größte zeitliche Abstand überhaupt betrug nur 13 Monate. Einen Hinweis auf maternale Übertragung von BSE mehr als 2 Jahre vor der Erkrankung des Muttertieres gibt es daher berhaupt nicht. Rechnet man dementsprechend die mindestens 2 Jahre vor der Erkrankung der Mutter geborenen Kälber heraus, dann kann man in der Verfolgung gesäugter Kälber nur noch knapp 2 BSE-Fälle erwarten. Das man die nicht gefunden hat, kann also nicht wirklich als überzeugender Beweis gegen die Infektiosität von Milch gewertet werden.

Für die in dieser Studie untersuchten 132 gesäugten Nachkommen von BSE-Kühen soll die folgende Tabelle übersichtlich zeigen, wieviele BSE-Fälle unter den Nachkommen der BSE-Kühe zu erwarten gewesen wären, wenn die Häufigkeit maternaler Übertragungen von BSE bei 10, 5 oder 2% lägen. Dafür stehen die Reihen der Tabelle, wobei in diesem Fall unter maternaler Übertragung eine Übertragung vor, während oder kurz nach der Geburt oder durch eventuell infektiöse Milch zu verstehen ist. Auch bei infektiöser Milch wäre ja nicht mit einer 100%igen Erkrankungsrate zu rechnen gewesen. Die Spalten hinter den Prozentzahlen stehen für drei Szenarien oder Fälle, nach denen eine maternale Übertragung von BSE 1. völlig unabhängig vom Zeitpunkt der Geburt innerhalb der Inkubationszeit sein, 2. frühestens 2 Jahre vor der Erkrankung der Mutter geschehen oder 3. frühestens 1 Jahr vor der Erkrankung der Mutter möglich sein könnte.

  Fall 1 Fall 2 Fall 3
100% 43,57 19,10 8,18
10% 4,36 1,91 0,82
5% 2,18 0,96 0,41
2% 0,87 0,38 0,16

Selbst wenn eine maternale Übertragung von BSE (einschließlich Übertragungen durch infektiöse Milch) mehr als 2 Jahre vor der Erkrankung bereits genauso wahrscheinlich wie am Ende der Inkubationszeit wäre, dürfte man also in dieser Untersuchung bei BSE-Übertragungsraten von immerhin 2% noch keine Erkrankung erwarten. Sollten Gebärmutter und Milch BSE-infizierter Kühe erst frühestens 2 Jahre vor Ausbruch der Krankheit infektiös sein, dann hätte man in dieser Untersuchung selbst bei einer maternalen Übertragungsrate von 5% keine Erkrankung erwarten dürfen. Wenn gar Gebärmutter und Milch BSE-infizierter Kühe erst 1 Jahr vor Ausbruch der Krankheit infektiös würden, dann hätte man selbst bei einer BSE-Übertragungsrate von 10% in dieser Studie keine Erkrankung erwarten können. Insgesamt kann es also nicht als überzeugender Beweis gegen die Infektiosität von Milch gewertet werden, dass man in dieser Studie keine BSE-Fälle unter den 132 mindestens 1 Monat gesäugten Nachkommen BSE-infizierter Kühe fand.

die Weybridge-Kohortenstudie

Die Weybridge-Kohortenstudie hat keinen Beweis für irgend eine maternale BSE-Übertragung erbracht. Sie spricht viel eher für eine Vererbung unterschiedlicher Empfänglichkeiten, weil nach dem Verfütterungsverbot die BSE-Häufigkeit bei den Nachkommen BSE-infizierter Kühe genauso zurück ging, wie bei den Nachkommen von später nicht erkrankten Kühen und weil die Inkubationszeiten bei den Nachkommen BSE-kranker Kühe eher länger als kürzer waren. Daher können zumindest in diesem Experiment Kälber höchstens in statistisch nicht erfaßbarem Umfang über die Milch BSE-kranker Kühe infiziert worden sein. Allerdings war dies auch kaum anders zu erwarten, weil die meisten Tiere dieser Studie von Milchkühen geboren wurden und daher lediglich 1-2 Tage lang Kolostrum und keine Milch erhalten hatten. [AMMU]

Wird BSE selber, oder nur die Empfänglichkeit für BSE-Infektionen vererbt?

Eine Analyse der Stammbäume von 75 der ersten bekannten britischen BSE-Fälle über bis zu 9 Generationen zeigte, daß BSE mit größter Wahrscheinlichkeit keine Erbkrankheit ist, daß diese Daten jedoch eine Vererbung der Empfänglichkeit für BSE-Infektionen von Vater und Mutter an ihre Nachkommen nicht ausschließen [ANDA].

Noch soll kein Kind einer Kuru- oder CJK-kranken Mutter erkrankt sein.

Unter Berufung auf eine reichlich veraltete Darstellung von Michael Alpers aus dem Jahre 1987 [ANCH] berichten Rosalind M. Ridley und Harry F. Baker, kein nach 1959 geborenes Kind einer an Kuru erkrankten Mutter habe selbst Kuru entwickelt [AJZJ]. Dies waren allerdings Beobachtungszeiträume von weniger als 29 Jahren mit einer nicht genannten, aber wahrscheinlich kleinen Zahl solcher Nachkommen.

Das SSC glaubt zu wissen, daß immer noch kein von einer Kuru- oder CJK-kranken Mutter gestilltes Kind erkrankt sei [ANCL]. Belege oder Referenzen liefert das SSC für diese Behauptung jedoch nicht. Es ist aber kaum zu glauben, daß die Kinder von Kuru- und CJK-Patientinnen wirklich so lückenlos unter Beobachtung stehen. Wahrscheinlich ist die Zahl der tatsächlich über einen ausreichend langen Zeitraum überwachten Fälle so klein, daß sich daraus überhaupt keine Schlußfolgerungen ziehen lassen. Erwähnt wird vom SSC nur ein einziger Fall, in dem das Kind einer CJK-Patientin immerhin 30 Jahre alt wurde. Aber selbst dieses Kind kann natürlich noch in 20 oder 30 Jahren an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit sterben.

Infektiosität in einem Milchdrüsen-Lymphknoten

Ein Lymphknoten an den Milchdrüsen war bei zwei Schafen infektiös [AEZP].

CJK-infektiöse Kolostralmilch?

4 Tage nach einem Kaiserschnitt in der 30. Schwangerschaftswoche gewonnene Kolostralmilch einer 38-jährigen Japanerin wurde 20 BALB/c-Mäusen in die Gehirne injiziert. 2 der 20 Mäuse erkrankten und zeigten nach Darstellung der Autoren histopathologisch erkennbare schwammförmige Degenerationen und Astrogliosen. Durch Injektion von Hirnmaterial der erkrankten Mäuse in die Gehirne weiterer Mäuse wiesen die Autoren auch die Übertragbarkeit der Krankheit nach. Das Kind dieser Frau wurde nicht gestillt und erreichte bisher gesund mindestens das 6. Lebensjahr. [ALJP]

Das beunruhigende Resultat dieses Experimentes wurde bei vielen Stellungnahmen zur BSE-Sicherheit von Milch einfach verschwiegen. Andere zweifeln es an, ohne ihre Zweifel mit nachprüfbaren Fakten zu belegen. So beruft sich der wissenschaftliche Lenkungsausschuß der EU in seiner Stellungnahme zur BSE-Sicherheit von Milch auf einen leider nicht publizierten und nicht einmal in Teilen wörtlich zitierten Brief von Prof. K Yamanouchi an Ray Bradley vom Februar 1997, wonach eine japanische Behörde bei weiteren histopathologischen bzw. immunhistochemischen Untersuchungen an fixierten Gehirnschnitten der primär mit Kolostrum inokulierten und danach erkrankten Mäuse weder schwammförmige Degenerationen, noch proteaseresistentes Prionprotein gefunden worden seien [ANCL]. Das ist sehr seltsam, denn die Autoren der Studie hatten eindeutig über schwammförmige Degenerationen und Astrogliosen berichtet. Warum also hat die japanische Behörde keinen klärenden Bericht über eine mutmaßliche Fälschung oder zumindest über eine Fehlinterpretation durch Tamai et al. publiziert und warum wurde dieser Artikel nicht offiziell zurückgezogen, wenn seine Daten wirklich falsch sind?

Außerdem soll die japanische Behörde sehr wohl schwammförmige Degenerationen und proteaseresistentes Prionprotein in Hirnschnitten der Mäuse gefunden haben, denen Hirnmaterial der primär mit Kolostrum inokulierten Mäuse injiziert wurde [ANCL]. Da stellt sich doch die Frage, wie die angeblich nicht infizierten Mäuse selbst infektiös sein konnten.

Ganz merkwürdig ist auch, daß sowohl diese japanische Behörde, als auch das SSC die Resultate von Tamai et al. anzweifeln, nur weil man nach einer primären Übertragung über eine Speziesbarriere hinweg keine typischen Löcher und amyloide Plaques gefunden haben soll [ANCL]. Ganz abgesehen von den gegenteiligen Angaben von Tamai et al. hatten doch bereits Clark 1981, Fraser et al. 1992 und Lasmézas et al. 1997 gezeigt, daß auch nach der Übertragung von Scrapie auf Rinder [AFPP] oder BSE auf Mäuse [AEEK,AHBH] nicht immer Löcher und immunologisch nachweisbares proteaseresistentes Prionprotein gefunden werden. Ähnlich verursacht der SSBP/1-Scrapiestamm bei Schafen teilweise nur minimale degenerative Veränderungen, sodaß eine eindeutige neuropathologische Diagnose kaum möglich ist [ADIO,AEDB].

Schließlich ist bei allen Versuchen zur Übertragung von CJK oder BSE auf Mäuse zu beachten, daß verschiedene Mausstämme sehr unterschiedlich empfänglich für bestimmte Erregerstämme sein können [ANCB, ANCC, ALMQ]. Erfolglose Versuche zur Wiederholung eines Übertragungsexperimentes beweisen daher nicht unbedingt dessen Unglaubwürdigkeit.

Scrapie-Übertragung durch Samen oder Embryonen?

Die Embryo-Transferstudie von Foster et al. [AEDB, AECX] sollte zeigen, ob scrapieinfizierte Schafe bereits in den ersten Tagen ihre Nachkommen infizieren. Die Publikation der ersten Teilergebnisse im Jahre 1992 schien dies zu belegen [AEDB], aber nach einer 1996 publizierten Erweiterung des Experimentes um Negativkontrollen war diese Interpretation nicht mehr haltbar [AECX]. Die biologischen Nachkommen nicht infizierter Mütter erkrankten nämlich ebenso häufig wie die biologischen Nachkommen infizierter Mütter. Bei allen Unzulänglichkeiten des experimentellen Designs zeigt aber dieses Embryo-Transferexperiment von Foster und Kollegen, daß es bei Scrapie entweder selbst nicht erkrankende Überträgerinnen, oder aber auch andere Übertragungswege als die Aufnahme infektiöser Plazenten gibt. Außerdem zeigt dieses Experiment, daß eine maternale Übertragung bis zum 6. Tag der Embryonalentwicklung sehr unwahrscheinlich ist. Milch kommt allerdings in diesem Experiment nur dann als einer von mehreren denkbaren Übertragungswegen in Betracht, wenn es bei Schafen tatsächlich scrapieresistente Scrapie-Überträgerinnen gibt.

In einem anderen Embryotransferexperiment erkrankten nicht einmal alle experimentell infizierten Schafe und nur 2 von 20 als Positivkontrollen gedachte Nachkommen Scrapie-infizierter Schafe [AECB]. Von den durch Embryotransfer erzeugten Nachkommen erkrankte keines, sodaß auch in diesem Experiment kein Hinweis auf maternale Übertragung zu erkennen ist [AECB].

neue Experimente

Bei einem vermutlich inzwischen begonnenen Experiment soll mit einem der validierten BSE-Tests versucht werden, in zuvor aufkonzentrierter Milch experimentell infizierter Kühe proteaseresistentes Prionprotein zu finden [SEA]. Das SEAC stellt hierzu aber auch fest, daß eine intrazerebrale Inokulation von Milch BSE-kranker Kühe direkt in die Hirne von Kälbern (oder Mäusen) günstiger wäre und empfahl deshalb solche Bioassays [SEA]. Ohne eine Speziesbarriere und unter Umgehung des Verdauungstraktes verspräche ein solches Übertragungsexperiment eine wesentlich höhere Sensitivität als alle bisher durchgeführten Untersuchungen.

Auch das SSC ist sich der begrenzten Aussagekraft der bisher durchgeführten Studien, sowie der Existenz von Leukozyten in Milch bewußt und machte deutlich, daß eine präzise Abschätzung der von Milch und Kolostrum ausgehenden BSE-Risiken ohne entsprechende Untersuchungen mit intrazerebralen Inokulationen in Tiere der jeweils selben Tierart nicht möglich ist [ANCL]. Deshalb rät das SSC vom Genuß von Kolostrum, Milch und Milchprodukten BSE-verdächtiger Tiere ab und fordert aussagefähigere Übertragungsexperimente [ANCL]. Dem SSC waren aber bis Ende März 2001 keine Pläne für hochsensitive Experimente bekannt, bei denen Milch BSE-kranker Kühe in die Gehirne von Kälbern injiziert werden sollten [ANCL]. Es soll lediglich im Auftrag der Food Standards Agency in der Milch experimentell infizierter Kühe nach proteaseresistentem Prionprotein gesucht werden [ANCL].

Ein Forschungsverbund um

will durch biochemische und/oder immunochemische Methoden eine Erregerkonzentrierung erreichen, die einen etwa 1000-fach sensitiveren PrPsc-Nachweis in Körperflüssigkeiten wie Milch, Blut und Fleischtropfsaft des Rindes erlauben sollen.

Außerdem soll nach einer Auskunft von Nora Hunter vom 14.3.2001 ein nicht näher beschriebenes Experiment laufen, bei dem einige scrapieempfängliche Lämmer von Hand aufgezogen werden [ANCL].

Literaturliste

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Danksagung

Ich danke Frau Dr. Schütt-Abraham für eine anregende Diskussion meiner Arbeit und dem NRW-Landwirtschaftsministerium für eine finanzielle Unterstützung.

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