NR AODO

AU anonym

AK Arbeitsgruppe BSE des Bundesgesundheitsamtes

TI Die bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) des Rindes und ähnliche Erkrankungen bei Mensch und Tier

QU Arbeitsgruppe BSE des Bundesgesundheitsamtes, Stand Mitte Mai 1994

PT Stellungnahme

IN Leider ohne Zitate und damit kaum nachvollziehbar, werden die Ansichten der Arbeitsgruppe BSE des Bundesgesundheitsamtes dargelegt. Grundsätzlich sieht man dort die Möglichkeit einer Gefährdung des Menschen und weiteren Handlungsbedarf. Die Gefahrenabschätzung zieht aber die Bedeutung einer Verbreitung des infektiösen Agens in der Bevölkerung nicht in Betracht und nennt keine der für einzelne Bürger relevanten Schutzmöglichkeiten.
Die ersten vereinzelten Fälle der neuen Rinderkrankheit BSE wurden bereits 1985 beobachtet und 1986 als BSE beschrieben. Im Gegensatz zu anderen Arbeitsgruppen kennen die Autoren keine Therapiemöglichkeit. Ohne auf diese Eigenschaften einzugehen, meinen die Autoren, dass die vermutete Übertragung der Krankheit von Scrapie-Schafen auf Rinder mit einer Änderung der biologischen Eigenschaften des Erregers verbunden gewesen sei. Sie berichten, dass bis Mai 1994 in England 125000, in der Republik Irland 78, in Frankreich 6, in Portugal 3, in Dänemark 1, in Deutschland 2 und in der Schweiz 63 Rinder erkrankten. Aus England exportierte Rinder erkrankten auch in Kanada, Oman und den Falklandinseln. Ohne dies beweisen zu können, vermuten die Autoren, dass das Auftreten BSE-artiger Krankheiten bei 50 englischen Katzen und Zootieren auf BSE-verseuchte Nahrung zurückzuführen sei. Experimentell gelang offenbar die Übertragung von BSE auf Mäuse, Schafe und Ziegen durch Verfüttern von nur 0,5 g infektiösen Rinderhirns. Ohne sich selbst ausdrücklich dahinter zu stellen, erklären die Autoren: "Die Summe dieser Befunde ist die Grundlage für die Hypothese, dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, dass auch der Mensch über die Nahrungsaufnahme durch TSE-Erreger infizierbar sein könnte." Völlig unverständlicherweise behaupten die Autoren, der natürliche Infektionsursprung der den Krankheitsformen der Tiere vergleichbaren Erkrankung des Menschen (CJD und ihrer verschiedenen familiären Formen) sei bis heute ungeklärt. Erstens sind das Gerstmann-Sträussler-Syndrom und die fatale familiäre Schlaflosigkeit keine Formen der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und zweitens werden die familären Formen nicht durch Infektionen, sondern allein durch Mutationen verursacht. Trotz des AIDS-Skandales halten die Autoren die Aussage einer britischen Kommision für "im Prinzip weiterhin gültig", dass nach damaliger (1989) Erkenntnislage BSE für die menschliche Gesundheit keine Folgen haben werde.
Diese Haltung, bis zum Beweis des Gegenteils von der Ungefährlichkeit von BSE auszugehen, ist angesichts der durchaus eingestandenen äußerst ernsthaften Folgen einer Fehleinschätzung ungeheuerlich. Wer nicht wenigstens prinzipiell alles über eine Gefahr weiß, darf keine Entwarnung aussprechen.
Ebenso abenteuerlich ist die unbelegte Behauptung der Arbeitsgruppe, die Erkrankung zweier Farmer in England sei "nach bisherigen Erkenntnissen mit aller Wahrscheinlichkeit nicht auf eine BSE-Infektion zurückzuführen". Obwohl nach der irrigen Ansicht der Autoren BSE am noch nicht erkrankten Rind nicht diagnostiziert werden kann, führen sie als englische Sicherheitsmaßnahme kommentarlos das Verbot der Verwendung der Milch von BSE-Kühen an.
Die Arbeitsgruppe nimmt sich trotz ihrer besonderen Verantwortung für die Gesundheit der Deutschen die Freiheit, die international weitgehend anerkannte Prion-Hypothese zu ignorieren und schlicht von einer Virushypothese auszugehen. Obwohl dies schon sehr lange bekannt ist, verschweigt die Arbeitsgruppe, dass der Erreger im Gegensatz zu Viren resistent gegen UV-Licht und Ultraschall ist und sich offensichtlich wie Bakterien mit der Kinetik einer Verdopplung vermehrt. Äußerst einseitig erwähnen die Autoren auch nicht die vielen gewichtigen Hinweise auf das Prionprotein als Überträger. Offenbar wegen dieser ideologisch anmutenden Festlegung auf die Virus-Hypothese behaupten die Autoren einfach ohne Beleg, der Erreger vermehre sich in den Zellen. Sie erklären, dass der Erreger von anfang an im Blut sei, jedoch erst nach Jahren bis Jahrzehnten über Nervenbahnen ins Gehirn gelange. Ohne irgendeine Erklärung behaupten sie, die Vermehrung der Viren im Gehirn verursache die Verklumpung eines Nervenzelleiweißes, die wiederum den Untergang der betroffenen Nervenzellen bewirke.
Die Vermeidung des Begriffes Prionprotein wirkt schon lächerlich und die Bezeichnung Nervenzelleiweiß ist zudem falsch. Auch die genaue Festlegung der Inkubationszeit beim Menschen auf 5-35 Jahre ist unwissenschaftlich und falsch. Erschreckend ist auch, dass man im Bundesgesundheitsamt anscheinend in völliger Unkenntnis zahlreicher Publikationen die Prionkrankheiten fälschlich als unbehandelbar bezeichnet. Direkt dumm ist die Behauptung, die Infektion lasse sich nicht vor dem Einsetzen klinischer Symptome nachweisen. Schließlich können mit dem von Anfang an infektiösen Blut Versuchstiere wie Hamster oder Mäuse infiziert werden. Die Autoren teilen mit, dass der Erreger in Gehirn, Rückenmark, Milz, Lymphknoten, Darm, Tonsillen und Thymus in hohen Konzentrationen, in Milch und Muskulatur dagegen nicht gefunden worden sei. Ohne den eigentlich erforderlichen Hinweis auf die Nachweisgrenze erklären sie auch, dass in weniger als 10 Monate alten Schafen bisher kein Erreger nachgewiesen wurde.
In unverständlicher und nach dem starken Engagement für die Virustheorie sehr auffälliger Zurückhaltung schreiben die Autoren, "Nach allgemeiner Auffassung erscheint daher der Verzehr derjeniger Geweben, in denen bislang niemals Erreger nachgewiesen werden konnte, als unbedenklich." Anstatt selbst eindeutig Position zu beziehen, schieben sie die Bedenken als vorsichtig gekennzeichnter Wissenschaftler gegen diese verantwortungslose Behauptung vor.
Bei der Aufzählung der Schutzmaßnahmen in Deutschland, England und der EU fällt auf, dass das deutsche Importverbot für britische Tiermehle erst 10 Monate nach dem Verfütterungsverbot in England kam. Die Aufzählung klärt in vielen Fällen nicht über den Inhalt der Verordnungen auf, aber es wird deutlich, dass diese halbherzig sind und dem jeweiligen internationalen Informationsstand zum Gefährdungspotential nicht entsprechen. Ohne Belege und ohne eine alternative Erklärung für die auch ohne Verfütterung infizierter Tiermehle immer noch in großer Zahl erfolgenden Neuinfektionen behaupten die Autoren, bei BSE erfolge keine Ansteckung von Tier zu Tier und 20 minütiges Autoklavieren bei 133° reiche zur Inaktivierung des Erregers aus. Immerhin hält das BGA ein generelles EU-weites Verfütterungsverbot von Tierkörpermehlen an Wiederkäuer für erforderlich, weil sich deren Herkunft aufgrund fehlender Grenzkontrollen nicht mehr feststellen lasse. Phantastisch mutet die Begründung des ehemaligen BGA für seine Empfehlung an, den Import von Fleisch aus BSE-Herden zu verbieten. Man gibt der Öffentlichkeit und Verbraucherverbänden mit der Kritik recht, dass sich Nerven und Lymphgewebe nicht vollständig aus Fleisch entfernen lassen und empfiehlt das Importverbot nicht zum Zwecke des Gesundheitsschutzes, sondern als Maßnahme gegen die Verunsicherung. Obwohl alle erforderlichen Informationen bereits lange vorher bekannt waren, sah sich das BGA erst nach der Auswertung des von ihm am 2.12.93 veranstalteten Symposiums zur Empfehlung weitergehender Schutzmaßnahmen veranlaßt. Auch dies zeigt deutlich, dass man im ehemaligen BGA auch nach dem AIDS-Skandal das Prinzip der Vorsichtigkeit bis zum Beweis der Ungefährlichkeit immer noch nicht mit der nötigen Vehemenz verfolgt.

OR Prion-Krankheiten 1

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