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AU anonym
TI Beim Schlachten kommt Hirnmasse ins Blut
QU Ärzte Zeitung, 25.10.1999
IA http://www.aerztezeitung.de/de/htm/net/bse/193a0404.htm
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Beim Schlachten kommt Hirnmasse ins Blut - Tierärzte haben Rinder nach Bolzenschuß untersucht / "Durchaus möglich", dass Prionen im Körper verstreut werden
Bristol (ast/cod). Bevor Rindern auf dem Schlachthof die Halsadern aufgeschnitten werden, schießen Schlachter den Tieren einen Bolzen durch die Stirn ins Gehirn. Britische Tierärzte haben entdeckt, dass dabei Hirnmasse in den Blutkreislauf der Rinder kommt. Sind die Tiere BSE-infiziert, können infektiöse Prionen mit dem Blut in den Tierkörper geschwemmt werden - vielleicht bis ins Fleisch.
Dr. Halik Anil von der Universität Bristol hat seine Ergebnisse im "Veterinary Record" (16, 1999, 460) vorgestellt. Anil und sein Team haben verschiedene Bolzenschußgeräte geprüft, unter anderem die beiden in Großbritannien und Deutschland meist benutzten. Beim älteren schleudert eine Pulverexplosion den elf Zentimeter langen Bolzen voran, bei dem moderneren treibt ihn Druckluft an. Bei beiden Geräten wird der Bolzen durch die Stirn der Tiere und das Gehirn bis in die Medulla oblongata gedrückt.
In Großbritannien arbeiten nach Angabe von Anil heute noch etwa 70 Prozent der Schlachthöfe mit dem älteren Verfahren. In Deutschland seien es etwa 75 Prozent schätzt Peter Overmann, Lebensmitteltechniker bei der Norddeutschen Fleischzentrale in Lüneburg.
Die britischen Tierärzte schossen 15 Rindern mit dem Druckluftverfahren, 16 mit der klassischen Pulvervariante einen Bolzen ins Hirn. Dann nahmen sie aus der Jugularvene Blut und prüften es mikroskopisch und mit einem ELISA auf Hirngewebe. Bei vier der Tiere aus der ersten und einem aus der zweiten Gruppe fanden die Forscher dabei Hirnmasse und zwar bereits in Proben, die 30 Sekunden nach dem Bolzenschuß entnommen worden waren.
Bedeuten die Ergebnisse, dass sich Hirnzellen - und bei BSE-infizierten Rindern auch infektiöse Prionen - nach dem Schuß, bis die Rinder ausgeblutet sind, mit dem Blut im ganzen Tier verteilen? "Durchaus möglich", meint Dr. Richard Bauch, Tierarzt bei der Norddeutschen Fleischzentrale. Etwa 30 Sekunden nach dem Bolzenschuß werden Rindern die großen Halsadern durchtrennt, damit sie ausbluten. "Hirngewebe, das bis dahin die Schnittstelle in Richtung Herz passiert hat, wird vermutlich einmal den Körperkreislauf durchlaufen", erläutert Professor Johein Harmeyer von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Es dauere eine Minute, bis das Blut einmal den Rinderkörper durchkreist habe.
Anil warnte davor, übereilt Schlüsse zum BSE-Übertragungsrisiko zu ziehen. "Meine Ergebnisse lassen es allerdings fraglich erscheinen, ob es reicht, Hirn, Rückenmark und andere Risikoorgane zu entfernen, um Menschen vor der Übertragung zu schützen." Daß BSE-infizierte Rinder in die Nahrungskette kommen, ist in Schweizer Studien belegt worden.
IN Der Lebensmitteltechniker bei der Norddeutschen Fleischzentrale in Lüneburg Peter Overmann, soll den Anteil konventioneller Bolzenschußapparate in deutschen Schlachthöfen auf 70% schätzen. Professor Johein Harmeyer von der Tierärztlichen Hochschule Hannover wird mit der Erklärung zitiert, dass vom Bolzenschuß bis zum Eröffnen der großen Halsadern etwa 30 Sekunden vergehen und daß es bei Rindern 1 Minute dauert, bis das Blut einmal durch den Körper gekreist ist. Hirnmaterial hat daher genügend Zeit, den gesamten Rinderkörper zu kontaminieren.
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