NR APDS
AU Radtke,O.A.; Wilkens,D.
TI BSE, CJK, GSS, TME, ...: Die Geschichte einer ungewöhnlichen Krankheit
QU Biokular 1999; : 7-12
IA http://www-public.rz.uni-duesseldorf.de/~wilkensd/Biokular.html
PT Review
AB Keine der seit langem in Naturwissenschaft und Medizin bekannten Spongiformen Enzephalopathien wie die Traberkrankheit bei Schafen und Ziegen, nicht einmal die menschlichen Analoga Kuru, Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) und Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS), hat je auch nur annähernd die Beachtung des Rinderwahnsinns (BSE) erlangt. In der Öffentlichkeit standen Angst um die Gesundheit sowie handfeste wirtschaftliche Interessen im Vordergrund; wissenschaftlich betrachtet war das Rätsel um einen ungewöhnlichen Krankheitserreger ohne Nukleinsäure als genetische Information eine Herausforderung. Wie bei vielen anderen Problemen ist es nach Überdauern des medialen Akutschubes auch um diese Krankheiten still geworden - vielleicht gefährlich still.
VT
Im Jahre 1759 wird in Deutschland die bei Schafen und - selten - bei Ziegen auftretende Traberkrankheit von Leopoldt detailliert beschrieben (Leopoldt, 1759); die älteste bekannte Beschreibung dieser Krankheit stammt aus dem Jahre 1732 (M'Gowan, 1914). Diese Erkrankung macht sich vor allem durch Bewegungsstörungen, Schüttellähmungen und Kratzen (daher der englische Name Scrapie) bemerkbar und führt immer zum Tode der Tiere. Neben diesen äußeren Merkmalen wurden im Jahre 1898 von Besnoit und Morel erstmals charakteristische Läsionen in den Gehirnen verendeter Tiere beschrieben (Besnoit und Morel, 1898). 1938 inokulierte man suspendiertes Gehirnmaterial von an der Traberkrankheit verendeten Schafen in gesunde Schafe, die daraufhin erkrankten (Cuille und Chelle, 1938). Damit stand fest, dass die Traberkrankheit eine Infektionskrankheit ist. Erstaunlich war die lange Inkubationszeit von 15 bis 22 Monaten!
Auch beim Menschen und anderen Tieren wurden Krankheiten mit ähnlichen Symptomen gefunden. Allen gemein sind die charakteristischen Läsionen mit ausgedehnten Protein-Ablagerungen im Gehirn der erkrankten Individuen: durch diese Läsionen nimmt das Gehirn die Gestalt eines Schwammes an; alle diese übertragbaren schwammförmigen Gehirnerkrankungen werden deshalb als "Transmissible Spongiforme Enzephalopathie" (TSE) bezeichnet.
Die Ausbildung der Transmissiblen Spongiformen Enzephalopathien wird bei einigen Formen durch genetische Dispositionen begünstigt, einige werden sogar davon hervorgerufen! Bereits 1931 wurde festgestellt, dass bestimmte hochgezüchtete Wollschaf-Rassen häufiger an der Traberkrankheit litten als Fleischschafe und Landrassen (Stang und Wirth, 1931). 1968 zeigte Dickinson, dass bei Schafen ein Gen die Dauer der Inkubationszeit beeinflußt ( Dickinson et al., 1968). Von diesem "Sip Gen" (scrapie incubation period) genannten Gen gibt es ein Allel, das eine relativ kurze Inkubationszeit bedingt, die aber immerhin Monate bis Jahre dauert, und es gibt ein Allel, das eine sehr lange Inkubationszeit bedingt, was unter Umständen sogar zur Immunität des Tieres während seiner natürlichen Lebensspanne führt.
Prionenkrankheiten beim Menschen
Beim Menschen werden aufgrund der abweichenden Symptomausprägung vier Prionen-Erkrankungungen unterschieden:
- Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK, Creutzfeld, 1920 Jakob, 1921)
- Gerstmann-Sträußler-Scheinker-Syndrom (GSS, Gerstmann et al., 1936)
- Kuru-Krankheit (Gajdusek und Zigas, 1957)
- Letale Familiäre Insomnie (FFI, fatal familial insomnia, Medori et al., 1992)
Die von Creutzfeld und Jakob unabhängig voneinander entdeckte Krankheit wurde zunächst "Spastische Pseudosklerose" genannt. Die Krankheit macht sich durch Symptome wie ängstliche halluzinatorische Erregungen, paranoide Wahnideen, langsame und unkoordinierte Bewegungen sowie eigenartige Wackel- und Zittererscheinungen bemerkbar. CJK tritt zumeist sporadisch auf, es gibt aber auch einige genetisch bedingte Fälle (Masters und Harris, 1979). Unbeabsichtigt wurde CJK durch medizinische Eingriffe auf andere Menschen übertragen: Infektionen durch kontaminierte chirurgische Instrumente, durch Transplantation infizierten Gewebes und durch Injektion des Wachstumshormons Somatotropin, das aus Hypophysen von Leichen, unter denen sich ein unentdeckter CJK-Fall befunden hat, gewonnen wurde, sind bekannt geworden (Duffy et al., 1974; Bernoulli et al., 1977; Kondo und Kroina, 1981; Will und Matthews, 1982; Davanipour et al., 1984). Pro Jahr wird zur Zeit etwa ein CJK-Fall auf 1.000.000 Einwohner registriert (Masters et al., 1978).
Bei den Symptomen des Gerstmann-Sträußler-Scheinker-Syndroms standen Koordinationsstörungen im Vordergrund; erst in der späteren klinischen Phase folgt - im Gegensatz zu CJK - Demenz. Das Gerstmann-Sträußler-Scheinker-Syndrom wird durch genetische Dispositionen hervorgerufen; bei allen am GSS erkrankten Personen fand man spezifische Mutationen auf dem Chromosom 20 (Brown, 1990). Experimentell konnte im Jahre 1981 GSS auf Labortiere übertragen werden, womit erstmals gezeigt wurde, dass eine Erbkrankheit infektiös sein kann! Weltweit sind bis heute 50 Familien von dieser Krankheit betroffen.
Der vergessene "Klassiker" unter den Prionosen tritt bei den Fore, einem Volk in Papua-Neuguinea auf und wird Kuru genannt. Kuru nahm zeitweise epidemische Ausmaße an: seit 1957 sollen ihr 2.600 Personen zum Opfer gefallen sein (Prusiner, 1995). Die australischen Anthropologen Glasse und Lindenbaum versuchten, einen genetisch-familiären Zusammenhang für diese Krankheit zu finden, was aber nicht gelang (Glasse und Lindenbaum, 1992). Allerdings beobachteten sie einen Ritus, bei dem zum Zwecke der Verehrung von Verstorbenen bestimmte Organteile - unter anderem auch das Hirn - präpariert oder sogar verspeist wurden.
Davon ausgehend wurde von C. Gajdusek die Hypothese entwickelt, dass die Kuru-Krankheit durch den oralen oder peroralen Infektionsweg entstanden ist (Gajdusek und Zigas, 1957). Durch den Ritus erkrankten immer mehr Individuen, vor allem Frauen und Kinder. Sie waren für die Zubereitung der Mahle zuständig und rieben sich auch mit Gewebemassen ein, so dass eine Infektion über die Schleimhäute erfolgen konnte. Missionare konnten den Stamm davon überzeugen, diesen Ritus aufzugeben: seit Beginn der neunziger Jahre treten kaum noch Kuru-Fälle auf.
Der amerikanische Veterinärpathologe B. Hadlow wies 1959 auf die Ähnlichkeiten zwischen Kuru und CJK hin und regte Übertragungsversuche mit Kuru an (Hadlow, 1959). 1966 wurde erstmals berichtet, dass ein Schimpanse - nach jahrelanger Inkubationszeit - an Kuru erkrankte; dasselbe gelang 1968 mit CJK (Gibbs und Amyx, 1980).
Die Letale Familiäre Insomnie wird erst seit 1992 als eigenständiges Krankheitsbild geführt, weil hier gegenüber CJK eine etwas abweichende Symptomausprägung zu beobachten ist und eine genetische Disposition die Krankheit verursacht (Medori et al., 1992).
Die Prionenkrankheiten der Tiere
Folgende TSE-Erkrankungen sind bei Tieren bekannt:
- Traberkrankheit (engl. scrapie, franz. la tremblante)
- Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE)
- Feline Spongiforme Enzephalopathie (FSE)
- Chronisch Zehrende Hirschkrankheit (CWD, chronic wasting disease)
- Transmissible Nerz-Enzephalopathie (TME, transmissible mink encephalopathy)
- Exotische Huftier-Enzephalopathie (EUE, exotic ungulate encephalopathy)
Die Traberkrankheit kann als die Musterkrankheit aller TSE-Erkrankungen bezeichnet werden. Sie zeichnet sich durch die komplexeste Epidemiologie aus; Übertragungen vom Muttertier auf das Lamm und von Tier zu Tier wurden beschrieben. Die Anfälligkeit der Tiere ist, wie bereits erwähnt, genetisch mitbedingt. Die Krankheit ist fast weltweit verbreitet, von Land zu Land bestehen jedoch große Unterschiede in Bezug auf die Häufigkeit (Hörnlimann et al., 1995). Die epidemiologische und wirtschaftliche Bedeutung war relativ gering, doch kommt den an Scrapie erkrankten Wiederkäuern eine Schlüsselstellung bei der Genese der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie BSE.
Wie bereits eingangs erwähnt ist seit Mitte der achtziger Jahre die vor allem in Großbritannien auftretende Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE) beim Rind von besonderer Bedeutung. Sie ist bis jetzt bei Tieren die einzige epidemisch auftretende TSE-Erkrankung. Grund für dieses epidemische Auftreten ist sehr wahrscheinlich die Verfütterung von Tiermehl, das unter anderem aus mit der Traberkrankheit infizierten Schafen hergestellt wurde.
Das Verfahren zur Herstellung dieses Tiermehls wurde Ende der siebziger Jahre umgestellt; bis dahin hatte man durch bestimmte Herstellungsverfahren den Erreger unwissentlich unschädlich gemacht. Da also mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die BSE-Epidemie über eine orale Infektion ausgelöst wurde, ist nicht auszuschließen, dass durch den Verzehr von verseuchtem Rindfleisch die Krankheit auf den Menschen übertragen werden kann. Berichte über einige CJK-Fälle in Großbritannien, die vor allem junge Menschen erfasste, nähren diesen Verdacht. Die betroffenen Tiere zeigen vor allem Ängstlichkeit, Kopfscheuheit, Muskelzittern, Schwanken, Niederstürzen und andere Symptome (Hörnlimann und Braun, 1994).
Die Feline Spongiforme Enzephalopathie wird seit 1990 diagnostiziert (Leggett et al., 1990). Die experimentelle Inkubationszeit ist sehr ähnlich derjenigen von BSE (Bruce et al., 1994). Aufgrund des zeitlichen Auftretens muß davon ausgegangen werden, dass hier die Speziesbarriere zwischen Rind und Katze übersprungen wurde. Von FSE befallen wurden neben Hauskatzen auch Wildkatzen in zoologischen Gärten, die allesamt - zumindest als Jungtier - in Großbritannien gehalten wurden. Sie wurden unter anderem auch mit rohen Schlachtabfällen gefüttert, so dass eine Ansteckung über das Futter wahrscheinlich sein dürfte.
Seit den achtziger Jahren wird aus Colorado und Wyoming (USA) von einigen scrapie-ähnlichen Krankheiten bei Tieren aus der Familie Cervidae berichtet, die man "chronic wasting disease" (CWD) nannte (Williams und Young, 1993). Betroffen sind der Großohrhirsch (Odocoileus hemionus) und der Rocky-Mountain-Rothirsch (Cervus elaphus nelsoni).
Die Eigenschaften des Erregers
Die Suche nach dem Erreger gestaltete und gestaltet sich sehr schwierig. Zunächst wurde ein Virus als Verursacher vermutet. Sehr ungewöhnlich ist aber die hohe Resistenz des infektiösen Materials gegenüber üblichen Desinfektionsmaßnahmen und Prozeduren, die für gewöhnlich Viren und auch andere Krankheitserreger unschädlich machen. Bestrahlungsexperimente mit infektiösem Material blieben ohne Wirkung auf die Infektiosität (Alper et al., 1966), so dass die Wissenschaftlerin T. Alper aus Großbritannien die Vermutung äußerte, dass sich der Erreger ohne Nukleinsäure vermehrt (Alper et al., 1967). Gibbson und Hunter schlugen 1967 erstmals ein Zellmembranprotein als Erreger der TSE vor (Gibbson und Hunter, 1967). Der Biochemiker Stanley B. Prusiner verfolgte diese These und stellte bei seinen Studien fest, dass durch Prozeduren, welche Proteine zerstören oder modifizieren, die Infektiosität erlischt, dass Nukleinsäure abbauende Behandlungen jedoch keinen Einfluß auf die Infektiosität haben (Prusiner et al., 1981).
Für das infektiöse Agens wurde deshalb von ihm das Kunstwort Prion kreiert (proteinaceous infectious particles), das also eigentlich Proin heißen müßte. In deutscher Sprache lässt sich das Wort zwanglos von "Proteinartiges infektiöses Agens ohne Nukleinsäure" ableiten (nach Hörnlimann, 1995). Die Vorstellung, dass solche Partikel sich identisch replizieren und eine Infektion hervorrufen können, mutete wie ein Verstoß gegen das zentrale Dogma der Molekulargenetik an (Radtke 1992) und brach Diskussionen vom Zaun, ob diese Erreger doch geringe und deshalb dem Nachweis entgangene Mengen von DNA oder RNA enthalten oder ob es ein Prion im engeren Sinne - ein nur aus Protein bestehendes infektiöses Partikel - wirklich gibt.
Durch physikalisch-chemische Analysen von hochinfektiösem Material an der HHU Düsseldorf konnte gezeigt werden, dass Nukleinsäuren keine entscheidende Funktion bei der Ausbildung der TSE übernehmen können (Meyer, 1990; Meyer et al., 1991; Kellings et al., 1991); eine infektiöse Einheit ist frei von Nukleinsäuren, deren Größe 50 Nukleotide überschreitet (Kellings, 1995).
Zahlreiche experimentelle Befunde zeigten hingegen, dass ein Protein untrennbar mit der Ausbildung von Transmissiblen Spongiformen Enzephalopathien verbunden ist (Hope et al., 1988; Prusiner, 1991; Weissmann, 1991). Bei der Aufreinigung des infektiösen Agens aus den Ablagerungen in Gehirnen infizierter Syrischer Goldhamster isolierte man ein 27-30 kDa schweres Protein, genannt PrP 27-30. Dieses bildet in vitro schwer lösliche Aggregate, die denen in den Ablagerungen infizierter Gehirne ähneln (Bolton et al., 1982; Prusiner et al. 1982; McKinley et al., 1983). Beim PrP 27-30 handelt es sich allerdings um ein Aufreinigungs-Artefakt, der durch die Anwendung von Proteinase K entstanden ist; ihm fehlen etwa 67 Aminosäuren des N-Terminus. Aber auch dieses verkürzte Prion-Protein ist infektiös. Durch die Sequenzierung von 15 N-terminalen Aminosäuren konnte die zugehörige mRNA identifiziert werden: sie stammte vom Syrischen Goldhamster! Das heißt also, dass der Wirt selbst das Gen für das infektiöse Prion-Protein besitzt. Damit wurde die Hypothese, dass das Protein durch eine virale Nukleinsäure erst als Folge einer Virusinfektion gebildet wird, entkräftet. Weitergehende Untersuchungen zeigten, dass das Gen sowohl in gesunden als auch in infizierten Hamstern in gleichem Maße exprimiert wird (Oesch et al., 1985). Also muß es zwei verschiedene Formen dieses Proteins geben, eine potentiell infektiöse Form (PrPsc, Prion Protein Scrapie-Isoform) und eine nichtinfektiöse Form (PrPc, Prion Protein Cellular). Wichtige Befunde zeigen, dass das Prion-Protein untrennbar mit dem Auftreten der Spongiformen Enzephalopathien verbunden ist. Entfernt man PrPc von der Zelloberfläche von scrapie-infizierten Neuroblastomzellen, so wird die Neubildung von PrPsc verhindert (Caughey und Raymond 1991, Borchelt et al. 1992). Bei sogenannten "Knock out-Mäusen" ist das PrP-Gen gentechnisch abgeschaltet. Diese Mäuse können also kein Prion-Protein herstellen, was eine lebenslange Immunität gegenüber Prionerkrankungen bewirkt. Sie zeigten keinerlei phänotypischen Befund, so dass nicht die natürliche Funktion des Prion-Proteins abgeleitet werden konnte (Büeler et al., 1992; Büeler et al., 1993).
Struktur und Infektiösität der Prione
Das Prion-Protein des in der Forschung am häufigsten verwendeten Syrischen Goldhamsters (PrP 23-231) besteht aus 209 Aminosäuren und wird posttranslational modifiziert. Das ursprüngliche Translationsprodukt besitzt sowohl am N- als auch am C-Terminus ein Signalpeptid, das abgespalten wird. Es gibt eine Disulfid-Brücke, und an zwei Asparaginseitenketten ist das Protein glykosyliert (Bolton et al., 1985; Endo et al., 1989). Am C-Terminus erfolgt die Anheftung eines Phosphatidylinositolglykolipids (GPI-Anker), mit dem das Protein an der äußeren Zellmembran verankert ist (Stahl et al., 1987; Safar et al., 1990).
Abb. 1: NMR-Struktur von Maus-PrP 121-231. Bändermodell der Struktur der Maus-Prion-Protein-Domäne PrP 121-231, welches die Position der drei Helices (gelb) und der zwei antiparallelen Faltblätter (türkis) zeigt. Zeichnung: Riek et al. (verändert).
Zwar gibt es eine NMR-Struktur von einem verkürzten Maus-PrP (AS 121-231), welches rekombinant aus E. coli gewonnen wurde (rPrP 121-231, Riek et al., 1996; Abb. 1), von PrPsc gibt es aber nur computergestützte Strukturmodelle. Jedoch kann man auch schon jetzt einige gravierende Unterschiede feststellen: PrPc befindet sich auf der Plasmamembran, wo es mit seinem GPI-Anker befestigt ist, während sich PrPsc im Zellinnern befindet. Vieles spricht dafür, dass PrPsc hauptsächlich in Lysosomen lokalisiert ist (Taraboulos et al., 1990a, Mc Kinley et al., 1991). Messungen des Circulardichroismus (CD) und Fourier-Transform-Infrarot-Spektroskopie (FTIR) mit hoch aufgereinigtem PrPc ergaben einen hohen Anteil von a-Helix, wohingegen PrPsc einen großen Anteil an ß-Faltblatt-Struktur aufweist (Pan et al., 1993; Caughey et al., 1991; Gasset et al., 1993). Die nichtinfektiöse Form unterscheidet sich von der infektiösen durch leichte Abbaubarkeit durch Proteasen und bessere Löslichkeit. Da chemisch keine Unterschiede zwischen beiden Proteinen festgestellt werden konnten, muß es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Konformationsisomere handeln.
Abb. 2: Eines der Modelle zur Entstehung von PrPsc aus PrPc. Das "normale" (zelluläre) Prion-Protein wird durch Vermittlung eines Proteinfaltungsenzyms (Chaperone) zunächst entfaltet und dann mit Hilfe eines infektiösen Prion-Proteins als Matrize in dasselbe verwandelt.
Als Erklärung für die Infektiösität der Prionen hat sich im wesentlichen die Prionen- oder protein-only-Hypothese durchgesetzt. Der genaue Weg zum infektösen Prion-Protein ist bis heute unbekannt; Hypothesen zu dessen Entstehung gibt es reichlich (Abb. 2 u. Wilkens 1995), die meisten lassen sich jedoch schon wegen der metabolischen Gegebenheiten des PrP in der Zelle widerlegen (Wilkens 1996). Die Prionenhypothese ist von Stanley Prusiner geprägt, der nach dem Max-Planck-Forschungspreis, dem Paul-Ehrlich-Preis und der Robert-Koch-Medaille auch den Nobelpreis für Medizin eingesackt hat und geht von einem aus 254 Aminosäuren (Rind) bestehenden zellulären Protein (PrPc) unbekannter Funktion in den Zellen des ZNS aus, das eine Konformationsumkehr von einer a-Helix in ein ß-Faltblatt durchmachen kann und dadurch zum Prion (PrPsc) wird (Serafimov 1997). Dieses bildet amyloidartige Ablagerungen und wird nicht durch proteinabbauende Enzyme angegriffen (Proteaseresistenz).
Die sehr seltene spontane Konformationsumkehr erklärt die wenigen Fälle etwa von Scrapie oder CJK, die vor dem Ausbruch von BSE registriert wurden. Die Vermehrungsfähigkeit von PrPsc beruht auf ihrer Fähigkeit, die Konformationsumkehr von PrPc zu PrPsc zu katalysieren und eine Kaskade mit Dominoeffekt auszulösen. In diesem Zusammenhang wird erst die Gefahr einer Aufnahme von Prionproteinen über die Nahrung oder Injektion interessant.
Die Pathogenität des abnormen Proteins ist in der Störung und Beeinträchtigung des Nervengewebes begründet; die Proteaseresistenz begünstigt zwar die Anhäufung großer Mengen, ist aber für die Infektiösität wohl ohne Bedeutung (Hill 1999). Inwiefern der Funktionsausfall des natürlichen PrPc zur Pathogenese beiträgt, ist aufgrund der fehlenden Kenntnis von dessen Aufgabe kaum zu beantworten. Es dürfte sich um eine Funktion handeln, die nur bei bestimmten, relativ seltenen Situationen zutage tritt; das Prion-Protein wird deshalb auch als sogenanntes "Unfallprotein" bezeichnet (Wilkens 1995). Bis heute weiß man wenig mehr darüber als Mitte der 90er, als sich das Interesse an Prionen aufgrund der BSE-Welle verstärkt hatte, doch soll es sich um ein kupferbindendes Protein handeln, das am Schutz vor oxidativem Stress oder an synaptischen Interaktionen beiteiligt ist (Windl 1999). Ein neuer Aspekt, dem vielleicht als nächstes mehr Bedeutung geschenkt werden muss, ist die Allelie des Proteins: So kommt am Codon 129 entweder Valin oder Methionin vor (Ridley & Baker 1996, Hope 1999). Wenn die Faltung in eine bestimmte Konformation aber so riguros über normal oder entartet entscheidet, ist die Aminosäuresequenz des Proteins und damit die genetische Konstellation von entscheidender Bedeutung. Damit könnten ebenso die verschiedenen Pathogenitäten bei der Übertragung auf andere Spezies sowie das Problem der unterschiedlichen Stämme erklärt werden.
Obwohl es für die Prion-Hypothese inzwischen einen Nobelpreis gegeben hat (Serafimov 1997), lebt die gegenerische Position noch in der Literatur unter dem Begriff der "Slow-Virus-Erkrankungen" weiter - und schließlich werden noch viele Arbeiten über Spongiforme Enzephalopathien in virologischen Journalen publiziert.
(c) BiOkular 1999
Literaturverzeichnis
Alper, T., D. A. Haig und M. C. Clarke: The exceptionally small size of the scrapie agent. BIOCHEM. BIOPHYS. RES. COMMUN., 1966, 22, 278-284.
Alper, T., W. A. Cramp, D. A. Haig und M. C. Clarke: Does the agent of scrapie replicate without nucleic acid? NATURE, 1967, 214, 764-766.
Bernouilli, C. et al.: Danger of accidental person to person transmission of Creutzfeldt-Jakob di-sease by surgery. LANCET, 1977, I, 478-479.
Besnoit, C. und C. Morel: Note sur les lésions nerveuses de la tremblante du mouton. REV. VÉT. (TOULOUSE), 1898, 23, 397-400.
Bolton D. C., M. P. McKinley und S. B. Prusiner: Identification of a prion protein that purifies with the scrapie prion. SCIENCE, 1982, 218, 1309-1311.
Bolton, D. C., R. K. Meyer und S. B. Prusiner: Scrapie PrP 27-30 is a sialoglycoprotein. J. VIROL., 1985, 53, 596-606.
Borchelt, D. R., A. Taraboulos und S. B. Prusiner: Evidence for synthesis of scrapie prion proteins in the endocytic pathway. J. BIOL. CHEM., 1992, 267, 16188-16199.
Bruce, M. E. et al.: Agent strain variation in BSE and scrapie. In: TRANSMISSIBLE SPONGIFORM ENCEPHALOPATHIES, 189-204, European Comission, Document VI/4131/94-EN 1994.
Büeler, H. et al.: Mice devoid of PrP are resistant to scrapie. CELL, 1993, 73, 1339-1347.
Büeler, H. et al.: Normal development and behaviour of mice lacking the neuronal cell-surface PrP protein. NATURE, 1992, 356, 577-582.
Carp, R. I. et al.: Scrapie stain-specific interactions with endogenous murine leukaemia virus. JOURNAL OF GENERAL VIROLOGY, 1999, 80, 5-10.
Caughey, B. und G. J. Raymond: The scrapie associated form of PrP is made from a cell surface precursor that is both protease- and phospholipase-sensitive. J. BIOL. CHEM., 1991, 266, 18217-18223.
Creutzfeld, H. G.: über eine eigenartige herdförmige Erkrankung des Zentralnervensystems. Z. GESAMTE NEUROL. PSYCHATRIE, 1920, 57, 1-18.
Cuillé, J. und P. L. Chelle: La tremblante du mouton est bien inoculable. C. R. ACAD. SCI. (PARIS), 1938, 206, 78-79.
Davanipour, Z. et al.: Possible modes of transmission of Creutzfeldt-Jakob disease. N. ENGL. J. MED., 1984, 311, 1582-1583.
Dickinson, A. G. et al.: Some factors controlling the incidence of scrapie in Cheviot sheep injected with a Cheviot-passaged scrapie agent. J. COMP. PATHOL., 1968, 78, 313-321.
Duffy, P. et al.: Possible person to person transmission of Creutzfeldt-Jakob disease. N. ENGL. J. MED., 1974, 290, 692-693.
Endo, T., D. Groth und S. B. Prusiner: Diversity of oligosaccharide structures linked to asparagines of the scrapie prion protein. BIOCHEMISTRY, 1989, 28, 8380-8388.
Gajdusek, D. C. und V. Zigas: Degenerative disease of the central nervous system in New Guinea - the endemic occurrence of "kuru" in the native population. N. ENGL. J. MED., 1957, 257, 974-978.
Gasset, M. et al.: Perturbation of the secondary structure of the scrapie prion protein under conditions associated with changes in infectivity. PROC. NATL. ACAD. SCI. USA, 1993, 90, 1-5.
Gerstmann, J., E. Sträußler und I. Scheinker: über eine eigenartige hereditär-familiäre Erkrankung des Zentralnervensystems und zugleich ein Beitrag zur Frage des vorzeitigen lokalen Alterns. Z. NEUROL., 1936, 154, 736-76.
Gibbs, C. J. und H. L. Amyx: Oral transmission of Kuru, Creutzfeldt-Jakob Disease, and Scrapie to nonhumen primates. J. INFECT.DIS., 1980, 142, 205-208.
Gibbson, R. A. und G. D. Hunter: Nature of the scrapie agent. NATURE, 1967, 215, 1041-1043
Glasse, R. und S. Lindenbaum: Fieldwork in the South Fore: the process of ethnographic inquiry. In: PRION DISEASES OF HUMAN AND ANIMALS, 77-91, Ellis Horwood Verlag, London, 1992.
Hadlow, W. J.: Scrapie and Kuru. LANCET, 1959, 2, 289-290.
Hill, A. F.; Antoniou, M.; Collinge, J.: Protease-resistent prion protein produced in vitro lacks detectable infectivity. JOURNAL OF GENERAL VIROLOGY, 1999, 80, 11-14.
Hobom, B.: Neu auftauchende Viren. BIOMAX, 1997, 3, 1-4.
Hope, J. et al.: Molecular pathology of scrapie-associated fibril protein (PrP) in mouse brain affected by ME7 strain of scrapie. EUR. J. BIOCHEM., 1988, 172, 271-277.
Hope, J. et al.: Molecular analysis of ovine prion protein identifies similarities between BSE and an experimental isolate of natural scrapie, CH1641. JOURNAL OF GENERAL VIROLOGY, 1999, 80, 1-4.
Hörnlimann, B. und U. Braun: Bovine spongiforme encephalopathy (BSE): Clinical signs in Swiss BSE cases. In: TRANSMISSIBLE SPONGIFORM ENCEPHALOPATHIES, 289-299, European Comission, Document VI/4131/94-EN 1994.
Hörnlimann, B., D. Heim und C. Griot: Evaluation of BSE risk faktors among European countries. In: PROCEEDINGS OF THE VITH INTERNATIONAL WORKSHOP ON BSE. Serono Symposia, Kingsmill, USA, 1995.
Jakob, A.: Über eigenartige Erkrankungen des Zentralnervensystems mit bemerkenswertem anatomischen Befunde (spastische Pseudosklerose-Encephalomyelopathie mit disseminierten Degenerationsherden). Z. GESAMTE NEUROL. PSYCHATRIE, 1921, 64, 147-228.
Kellings, K. et al.: Further analysis of nucleic acid in purified scrapie prion preparations by improved return refocussing gel electrophoresis (RRGE). J. GEN. VIROL., 1991, 73, 1025-1029.
Kellings, K.: Analysis of residual nucleic acids in scrapie prions with differing degrees of aggregation. DISSERTATION, HEINRICH-HEINE-UNIVERSITÄT DÜSSELDORF, 1995.
Kondo, K. und Y. Kroina: A case control study of Creutzfeldt-Jakob disease: association with physical injuries. ANN. NEUROL., 1981, 11, 377-381.
Leggett, M. M., J. Dukes und H. M. Pirie: A spongiform encephalopathy in a cat. VET. REC., 1990, 127, 586-588.
Leopoldt, J. G. : NÜTZLICHE UND AUF DIE ERFAHRUNG GEGRÜNDETE EINLEITUNG ZUR LANDWIRTSCHAFT, 1759, 5, 344-360.
M'Gowan, J. P.: INVESTIGATION INTO THE DISEASE OF SHEEP CALLED "SCRAPIE". Blackwood, Edinburgh, 1914.
Masters, C. L. und J. O. Harris: Creutzfeldt-Jakob Diseases: Patterns of worldwide occurrence and the significance of familial and sporadic clustering. ANN. NEUROL., 1979, 5, 177-188.
McKinley, M. P., S. B. Prusiner und D. C. Bolton: A protease-resistant protein is a structural component of the scrapie prion. CELL, 1983, 35, 57-62.
McKinley, M. P. et al.: Ultrastructural localization of scrapie prion proteins in cytoplasmic vesicles of infected cultured cells. LAB. INVEST. 1991, 65, 622-630.
Medori, R. et al.: Fatal familial insomnia, a prion disease with a mutation at codon 178 of the prion protein gene. N. ENGL. J. MED., 1992, 326, 444-449.
Meyer, N. et al.: Search for a putative scrapie genome in purified prion fractions eveals a paucity of nucleic acid. J. GEN. VIROL., 1991, 72, 37-49.
Meyer, N.: Enthält der Erreger der Scrapie-Krankheit Nukleinsäuren? Eine physikalisch-chemische Analyse. DISSERTATION, HEINRICH-HEINE-UNIVERSITÄT DÜSSELDORF, 1990.
Oesch, B. et al.: A cellular gene encodes scrapie PrP 27-30 protein. CELL, 1985, 40, 735-746.
Pan, K.-M. et al.: Conversion of a-helices into b-sheets features in the formation of the scrapie prion proteins. PROC. NATL. ACAD. SCI. USA, 1993, 90, 10962-10966.
Prusiner, S. B. et al.: Thiocyanate and hydroxyl ions inactivate the scrapie agent. PROC. NATL. ACAD. SCI. USA, 1981, 78, 4606-4610.
Prusiner, S. B. et al.: Further purification and characterization of scrapie prions. BIOCHEMISTRY, 1982, 21, 6942-6950.
Prusiner, S. B.: Molecular biology of prion diseases. SCIENCE, 1991, 252, 1515-1522.
Prusiner, S. B.: The prion diseases. SCIENTIFIC AMERICAN, 1995, 2, 48-57.
Radtke, O. A.: Verbrecherische Proteine - Ein neues Syndikat von Infektionserregern ? BIOKULAR, 1992, 4, 22-24.
Ridley, R. M.; Baker, H. F.: Variation on a theme of Creutzfeldt-Jakob disease: implications of new cases with a young age at onset. JOURNAL OF GENERAL VIROLOGY, 1996, 77, 2895 - 2904.
Riek, R. et al.: NMR structure of the mouse prion protein domain PrP(121-231). NATURE, 1996, 382, 180-182.
Safar, J. et al.: Molecular mass, biochemical composition, and physicochemical behavior of the infectious form of the scrapie precursor protein monomer. PROC. NATL. ACAD. SCI. USA, 1990, 87, 6373-6377.
Serafimov, O: Prionenhypothese mit Nobelpreis für Medizin gekrönt. CLB - Chemie in Labor und Biotechnik, 1997, 12, 530.
Stahl, N. et al.: Scrapie prion protein contains a phosphatidylinositol glycolipid. CELL, 1987, 51, 229-240.
Stang, V. und D. Wirth: TIERHEILKUNDE UND TIERZUCHT. EINE ENZYKLOPÄDIE DER PRAKTISCHEN NUTZTIERKUNDE. Band 9, 807-808, Urban und Schwarzenberg Verlag, 1931.
Taraboulos, A., D. Serban und S. B. Prusiner: Scrapie prion proteins accumulate in the cytoplasm of persistently infected cultured cells. J. CELL BIOL., 1990, 110, 2117-2132.
Warrell, D. A.: INFEKTIONSKRANKHEITEN. Kap. 2.16: übertragbare Slow-Viren / Kuru VCH Verlagsgesellschaft mbH Weinheim
Weissmann, C.: A "unified theory" of prion propagation. NATURE, 1991, 352, 679-683.
Wilkens, D.: Das Geheimnis der Prionen - Wie gefährlich sind Proteine als Krankheitserreger? BIOKULAR, 1995, 12, 7-12.
Wilkens, D.: Präparation und molekulare Charakterisierung von gentechnisch hergestelltem Prion-Protein. DIPLOMARBEIT, HEINRICH-HEINE-UNIVERSITÄT DÜSSELDORF, 1996.
Will, R. G. und W. B. Matthews: Evidence for case-to-case transmission of Creutzfeldt-Jakob-disease. J. NEUROL. NEUROSURG. PSYCHATRY, 1982, 45, 235-238.
Williams, E. S. und S. Young: Neuropathology of chronic wasting disease of mule deer (Odocoileus hemionus) and elk (Cervus elaphus nelsoni). VET. PATHOL., 1993, 30, 36-45.
Windl, O. et al.: Construction and characterization of murine neuroblastoma cell clones allowing inducible and high expression of the prion protein. JOURNAL OF GENERAL VIROLOGY, 1999, 80, 15-21.
Würgler, F. E.: Rinderwahnsinn häufiger als erwartet. NATURW. RUNDSCHAU, 1993, 5, 196. Würgler, F. E.: Prionen - Neue Befunde. NATURW. RUNDSCHAU, 1993, 9, 358.
SP deutsch
PO Deutschland