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TI Wissenschaftler sehen Schuld für BSE-Krise bei britischer Regierung

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PT Agenturmeldung

VT London (dpa) - Immer mehr britische Wissenschaftler machen die frühere konservative Regierung für das große Ausmaß der BSE-Krise und die daraus entstandenen Gefahren für Menschen verantwortlich. Angst vor Kompensations-Zahlungen für kranke Rinder, Machtkämpfe in Ministerien und Verzögerungstaktik hätten zu der Epidemie geführt, bilanzieren die Forscher.
Ein strenges Durchgreifen etwa bei dem Verbot verseuchter Futtermittel für Kühe hätte nicht in die Politik der Konservativen gepaßt, die so wenig Regulierung wie möglich anstrebten, kritisieren Experten bei der unabhängigen, von der Labour-Regierung eingesetzten richterlichen Untersuchung der BSE-Krise in diesen Tagen in London. Dabei hatten Wissenschaftler bereits 1988 vor einem zu sorglosen Umgang mit der Seuche gewarnt: Damals stellten sie fest, dass die Körper von an Rinderwahn erkrankten Kühen weiter für die Produktion von Lebensmitteln für Menschen und Futter für Tiere verwendet wurden. "Wir waren entsetzt, dass nur der Kopf entfernt, der Rest der Kuh aber weiterverarbeitet wurde", erinnert sich der Vorsitzende des ersten für die Regierung beratenden Komitees, Sir Richard Southwood. Kurze Zeit später sei die Zwangs-Schlachtung kranker Tiere eingeführt worden - jedoch erst zwei Jahre nachdem Tierärzte der Regierung die Existenz von BSE erstmals zugegeben hatten. Zwar sei auch die Verwendung Futter aus verseuchtem Tiermehl verboten worden. Das Landwirtschaftsministerium hätte dies jedoch erst ab 1993 streng kontrolliert. "Dadurch wurde die Epidemie um beinahe fünf Jahre verlängert", ist Southwood sicher.
Einer der ersten Kritiker der Regierung, der Mikrobiologe Richard Lacey, macht deshalb unter anderem das Landwirtschaftsministerium für die Verschleppung verantwortlich. Dort habe man "Geheimniskrämerei" betrieben, sei nicht offen mit notwendigen Maßnahmen umgegangen. Besorgnis von Wissenschaftlern wie die Vermutung, dass BSE von Muttertieren auf Kälber übertragen werden könne, sei von offizieller Seite einfach übergangen worden. Diese Übertragung ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen.
Bewegende Szenen spielten sich bei der Anhörung unter Vorsitz von Richter Sir Nicholas Phillips ab, als ein Vater den körperlichen und geistigen Verfall seiner an der neuen Form der Creutzfeldt-Jakob- Krankheit (nvCJD) erkrankten Tochter beschrieb.
Die Hinweise mehren sich, dass der Verzehr von BSE-verseuchtem Fleisch die neue Variante aulöst. Da Clare Tomkins seit 1985 Vegetarierin ist, gehen Forscher davon aus, dass die heute 24jährige die Krankheit zwölf Jahre oder länger vor dem Ausbruch 1996 in sich trug. Sie ist erblindet, ans Bett gefesselt und und wird rund um die Uhr betreut. Bisher sind 23 Menschen in Großbritannien an nvCJD gestorben.
Der Richter hatte Tomkins Aussage bewußt an den Anfang der BSE- Untersuchung gestellt, um die Bedeutung der Tierepidemie für Menschen zu betonen. Der 60jährige leitet die in Umfang und Offenheit einmalige Untersuchung über die Ursachen der Seuche und die Ereignisse bis zum März 1996, als die damalige Tory-Regierung eine Verbindung zwischen BSE und der nvCJD beim Menschen zugegeben hatte. Mehr als 300 Minister, Staatssekretäre und Beamte und über 100 Wissenschaftler sollen gehört werden. Zeugenaussagen, Hintergründe und Statistiken werden zeitgleich im Internet veröffentlicht. Mitte nächsten Jahres soll das dreiköpfige Komitee einen Bericht vorlegen.

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