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AU Mack,H.
TI Betrifft: Interview von Umweltministerin Klaudia Martini mit Stephan Nolden für die WELT
QU Antwortschreiben vom 4.1.96 auf mein Fax vom 30.7.95
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Mit einiger Verspätung schreibt mir Herr Dr. Mack zu meinen Fragen vom Juli 95:
Frage: Aus welcher Quelle hat die Ministerin die Informationen über das erst 1992 geborene BSE-Rind in der Grafschaft Cumbria und die Geschichte seiner Herde?
Antwort: Die britische Botschaft teilte mit Schreiben vom 9.6.95 dem Bundesministerium für Gesundheit mit, dass am 8.6.95 erstmals bei einem im Februar 1992 in Cumbria, Großbritannien, geborenes Rind BSE festgestellt wurde. In der Herde wurden 26 weitere Fälle festgestellt, wobei 7 Tiere nach dem Verfütterungsverbot von Tiermehl an Wiederkäuer im Jahre 1988 geboren wurden. Der Bundesminister für Gesundheit teilte dies den obersten Landesveterinärbehörden unverzüglich mit. Inzwischen wurden weitere Erkrankungsfälle von Rindern des Geburtsjahrganges 1992 bekannt. Darüber hinaus teilte die britische Botschaft, Bonn, im Oktober 1995 mit, dass auch ein Rind, das im Juni 1993 geboren wurde, an BSE erkrankt ist. Ungewöhnlich war an diesem Fall auch das Erkrankungsalter mit 25 Monaten. Die Annahme der EU-Kommision und der Bundesregierung, dass die Übertragung von BSE-Erregern über Tiere, die nicht älter als zweieinhalb Jahre sind, ausgeschlossen werden könne, ist somit nicht mehr zu halten, zumal bis zum Oktober 1995 bereits 58 weitere unter zweieinhalb Jahre alte Tiere an BSE erkrankt sind.
Frage: Wo kann die Entwicklung der Fallzahlen von BSE bei Rindern des Geburtsjahrganges 1991 in offiziellen oder wissenschaftlichen Publikationen nachgelesen werden?
Antwort: Zur Entwicklung der Fallzahlen von BSE im einzelnen wird auf den beiliegenden Auszug aus dem BSE-Report Großbritannien; Stand November 1995 verwiesen. (Der Auszug enthält keine Angaben über Geburtsjahre.)
Frage: Können Sie angeben, welche Temperaturen und Erhitzungsdauern in britischen bzw. in deutschen Tierkörperverwertungsanlagen angewendet werden?
Antwort: In Deutschland sind bei der Tierkörperbeseitigung das Tierkörperbeseitigungsgesetz vom 2. September 1975, BGBl.I S.2313 und die Verordnung über Tierkörperbeseitigungsanstalten und Sammelstellen vom 1. September 1976, BGBl. I S.2587 in der derzeit geltenden Fassung, und insbesondere deren § 5 Abs. 1 zu beachten. Danach sind "Tierkörper, Tierkörperteile und Erzeugnisse mit thermischen Verfahren, bei denen Wärme indirekt zugeführt wird, zu behandeln. Sie sind bis zum Verfall der Weichteile zu erhitzen und anschließend mindestens 20 Minuten lang bei einer Temperatur von mindestens 133° und einem Druck von 3 Bar heißzuhalten. Das Material ist während des ganzen Vorganges ständig umzurühren. Die Dauer des Heißhaltens, die Höhe der Temperatur und des Dampfdruckes sind fortlaufend zuverlässig nachweisbar zu messen." Die Richtlinie 90/667/EWG zum Erlaß veterinärrechtlicher Vorschriften für die Beseitigung, Verarbeitung und Vermarktung tierischer Abfälle und zum Schutz von Futtermitteln tierischen Ursprungs, auch aus Fisch, gegen Krankheitserreger sowie zur Änderung der Richtlicnie 90/425/EWG vom 27. November 1990 läßt darüber hinaus weitere Tierkörperbeseitigungsverfahren zu. Hiervon wurde nach unserer Kenntnis im Vereinigten Königreich von Großbritannien Gebrauch gemacht. Welche Temperaturen und Erhitzungsdauern im Vereinigten Königreich zur Anwendung kamen, sind uns im einzelnen nicht bekannt.
Frage: Frau Martini vermutet einen Zusammenhang zwischen der Selbstversorgungsrate bei der Futtermittelproduktion und der im Vergleich zur Schweiz deutlich günstigeren BSE-Entwicklung in Deutschland. Dieser Zusammenhang dürfte allerdings nur bestehen, wenn auch in Deutschland Tierkörpermehle für die Produktion von Rinderfutter verwendet würde. Nach Aussage des nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministeriums soll dies jedoch in Deutschland nie der Fall gewesen sein. Wissen Sie genau, ob in Deutschland Tiermehle in der Futtermittelproduktion für Rinder eingesetzt wurden und werden?
Antwort: In Deutschland war es seit jeher unüblich, Tiermehle in Futtermittel für Wiederkäuer einzumischen. Nach uns vorliegenden Kenntnissen wurden hingegen in der Schweiz offensichtlich Tiermehlimporte für die Herstellung von Wiederkäuerfutter benötigt. Insofern können die Ihnen vorliegenden Aussagen des nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministeriums bestätigt werden.
Frage: Von wem stammt die Schätzung eines maternalen Übertragungsrisikos von 5% und worauf bezieht sich die Prozentangabe? Ist damit die Wahrscheinlichkeit einer Übertragbarkeit an sich oder die Häufigkeit einer Übertragung gemeint, deren Möglichkeit in diesem Fall bereits bewiesen sein müßte?
Antwort: Anläßlich einer Informationsreise von Vertretern der Bundesregierung, des Deutschen Bundestages und der Bundesländer am 20./21. März nach Großbritannien wurden die Teilnehmer deutlich darauf hingewiesen, dass englische Wissenschaftler die maternale Übertragung nicht ausschließen wollten, dass sie sogar von einer Rate von 5% ausgehen. Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit haben diese Annahme wiederholt bestätigt.
Frage: Gibt es eine schriftliche Zusammenfassung der von Ministerin Martini angesprochenen diesjährigen Beratungstagung der Weltgesundheitsorganisation zum Thema übertragbare spongiforme Enzephalopathien?
Antwort: Zur Tagung der Weltgesundheitsorganisation zum Thema "übertragbare Songiforme Enzephalopathien" liegt hier nur die Aussage eines Ländervertreters, der an der Tagung teilgenommen hat, vor. Ein offizieller Tagungsbericht steht nicht zur Verfügung. Abschließend bleibt jedoch festzustellen, dass auch in der medizinischen Fachwelt die aktuellen Meldungen über das bei jüngeren Personen in Großbritannien gehäuft beobachtete Auftreten von übertragbaren Spongiformen Enzephalopathien mit Sorge zur Kenntnis genommen wird.
Ich hoffe Ihre Fragen zufriedenstellend beantwortet zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen Dr. Hugo Mack
AD Dr. Hugo Mack, Ministerium für Umwelt und Forsten, Postfach 3160, 55021 Mainz, Kaiser-Friedrich-Str. 7, 55116 Mainz, Tel.: 06131/164423, Fax: 06131/164608
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