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AU Seehofer,H.
TI Seehofer begrüßt Entscheidung der Europäischen Kommission zu BSE
QU Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit Nr. 67 vom 25.7.95
IN
Am 9.6.95 wurde das Bundesgesundheitsministerium durch die Britische Botschaft in Bonn darüber informiert, dass am Vortag erstmals ein nach dem 1.1.1992 geborenes Rind an BSE erkrankt war. Damit waren Zweifel an der Wirksamkeit des Verbotes der Verfütterung von möglicherweise BSE-Erreger enthaltenden Futtermitteln in Großbritannien aufgekommen. Der wissenschaftliche Veterinärausschuß hat am 23.6.95 einstimmig Empfehlungen zu diesem ersten BSE-Fall aus dem Geburtsjahrgang 1992 abgegeben. (Wie lauten die?) Auf Grundlage dieser Empfehlungen hat die Europäische Kommission Änderungsvorschläge unterbreitet, die ausschließlich Verschärfungen und Ergänzungen der geltenden Gemeinschaftsvorschriften enthalten. Ihnen haben am 3.7.95 alle Mitgliedstaaten der EU im Ständigen Veterinärausschuß zugestimmt. (Warum entscheiden Veterinäre allein über Belange der menschlichen Gesundheit? Das geltende EU-Recht zur Massentierhaltung und zum Tierferntransport zeigt, wie verroht viele von denen sind.)
Die Europäische Kommission hat am 18.7.95 Verschärfungen der Gemeinschaftsvorschriften zum Schutz gegen die Rinderkrankheit BSE beschlossen. Bundesminister Horst Seehofer begrüßt diese Entscheidung: "Die Europäische Kommission entspricht damit ihrer Zusage, die Entwicklung von BSE sorgfältig zu beobachten und beim Vorliegen neuer Erkenntnisse umgehend zu reagieren. Sie hat die vom Wissenschaftlichen Veterinärausschuß vorgeschlagenen weiteren Maßnahmen durch eine Neuregelung für Drittlandstaaten verschärft."
Die nun beschlossenen Verschärfungen tragen dem (neuen BSE-Fall) Rechnung: Großbritannien wird verpflichtet, Futtermittel für Rinder amtlich auf die verbotene Zumischung von Wiederkäuereiweiß zu untersuchen. (Wieso geschah das bisher nicht?) Dadurch wird die Überwachung der Einhaltung der britischen Schutzmaßnahmen insbesondere angesichts der nicht immer ausreichenden Behandlungsverfahren bei der Tiermehlproduktion erheblich verbessert. Da nach Einschätzung des Veterinärausschusses das Fortbestehen der BSE-Erkrankungen in Großbritannien auf der Verfütterung BSE-erregerhaltiger Futtermittel beruht, kommt dieser Regelung eine besondere Bedeutung zu. (Wie kommt der Ausschuß zu dieser Auffassung? Es gibt alternative Erklärungen wie die maternale Übertragung und die horizontale Übertragung zwischen gemeinsam gehaltenen Tieren. Bei Scrapie wurde beides nachgewiesen und BSE soll schließlich aus Scrapie entstanden sein. Wenn BSE aber auch auf nach 1991 geborene Rinder übertragen wird, dann kann nur ein generelles Importverbot den Gesundheitsschutz in Deutschland gewährleisten.) Die bisherigen Ausnahmen vom Importverbot für britisches Rindfleisch werden weiter eingeschränkt. Zukünftig darf Großbritannien Fleisch von Rindern nur noch dann ohne weitere Anforderungen in die anderen Mitgliedstaaten ausführen, wenn die Rinder zum Zeitpunkt der Schlachtung nicht älter als 2,5 Jahre waren. (Dies hat mit einer Sicherheit vor infizierten Tieren nichts zu tun. Hier wird lediglich der Ausbruch der Krankheit durch rechtzeitiges Schlachten verhindert.) Großbritannien wird außerdem verpflichtet, das Alter der Rinder, deren Fleisch für EU-Mitgliedstaaten bestimmt ist, im Schlachtbetrieb systematisch zu kontrollieren. (Was heißt systematisch? Sind hiermit vielleicht nur Stichproben gemeint und wieso verlassen wir uns auf britische Kontrollen? Immerhin halten die Briten deutsche Vorbehalte bezüglich BSE für neurotisch und bisher scheinen sie sich auch nicht an ihr eigenes Verfütterungsverbot gehalten zu haben.) Die bestehenden Schutzmaßnahmen werden ferner durch Regelungen ergänzt, die die Ausfuhr in Drittstaaten mit anschließender Wiedereinfuhr von Fleisch und Wurstwaren, die nicht den Anforderungen dieser Entscheidung entsprechen, ausschließen. Hiermit wird eine bislang im Gemeinschaftsrecht enthaltene Lücke bei Umwegeinfuhren geschlossen und die Umgehung der BSE-Schutzmaßnahmen erschwert. (Wie sehen diese Regelungen aus? Wie soll dies kontrolliert werden. Die einzige sinnvolle Regelung wäre eine vollständige Vernichtung jeder Rinder- oder Schafherde bei Auftreten eines BSE- oder Scrapie-Falles, dem Vorgehen gegenüber der Schweinepest entsprechend.).
Unabhängig davon bleibt es bei den auf Betreiben der deutschen Bundesregierung auf EU-Ebene durchgesetzten Schutzmaßnahmen:1) Fleisch von an BSE-erkrankten Rindern ist genußuntauglich. Solche Tiere müssen unter strikter Beachtung der Seuchenhygiene beseitigt werden. 2) Bestimmte Organe und Innereien von Rindern (wie Gehirn, Rückenmark, Thymusdrüse, Mandeln, Milz und Gedärme) dürfen überhaupt nicht verwendet werden. 3) Lebende Rinder dürfen aus Großbritannien nur dann verbracht werden, wenn sie weniger als sechs Monate alt sind; sie müssen vor Vollendung des 6. Lebensmonats geschlachtet werden. 4) Frisches, nicht entbeintes Fleisch von Tieren jeden Alters darf verbracht werden, wenn in allen Herden, in denen die Tiere jemeils gestanden haben, sechs Jahre lang keine BSE festgestellt worden ist. 5) Entbeintes Fleisch älterer Tiere darf nur verbracht werden, wenn es sich um Fleischteilstücke (schieres Muskelfleisch) handelt, bei denen die anhängenden Gewebe, einschließlich sichtbarem Nerven- und Lymphgewebe, entfernt worden sind. (Was bedeutet ältere Tiere?) 6) Die Verfütterung von Tiermehl mit Wiederkäuereiweiß an Wiederkäuer ist generell verboten. 7) Die Beobachtung der Risikoentwicklung zu BSE bleibt eine ständige Aufgabe, um neue Erkenntnisse berücksichtigen zu können. (Jede Verschärfung bestehnder Regelungen beweist retrospektiv deren Unzulänglichkeit.)
Die Verschärfung der BSE-Schutzmaßnahmen wird jetzt schnellstmöglich in deutsches Recht umgesetzt werden. (Interessanter ist die Frage, wann und wie die Verschärfung in Großbritannien umgesetzt wird.) Dazu wird der Bundesgesundheitsminister erneut eine Dringlichkeitsverordnung erlassen.
Seehofer: "Damit wird der Verbraucherschutz auch nach dem Außerkrafttreten der geltenden BSE-Verordnung am 5. August 95 gewährleistet. Eine Regelungslücke nach dem 5. August wird es nicht geben. Für die Forderung des Bundesrates, im nationalen Alleingang das Verbringen britischen Rindfleisches nach Deutschland gänzlich zu verbieten, gibt es weder sachliche Gründe, noch eine rechtliche Möglichkeit. (Die Übertragung von BSE auf Affen, die Erkrankung mehr als 3 Jahre nach dem Verfütterungsverbot geborener Rinder und die Unmöglichkeit, Nerven und Lymphgefäße aus Muskeln zu entfernen, sollten als sachliche Gründe eigentlich ausreichen. Wenn die EU den Gesundheitsschutz in Deutschland rechtlich unmöglich macht, dann muß das EU-Recht dringend reformiert werden. Dazu wäre Deutschland als mächtigstes Mitglied der EU zweifellos in der Lage.) Die Regelungskompetenz für Maßnahmen zum Schutz vor BSE liegt in diesem voll harmonisierten Bereich allein bei der Europäischen Union. Abgesehen davon, dass nach geltendem Recht die EU-Entscheidungen zwingend umzusetzen sind, sind gemeinschaftsweite Regelungen die einzige Möglichkeit, einen umfassenden Verbraucherschutzes sicherzustellen. Nur sie können gewährleisten, dass über andere EU-Staaten ausschließlich Fleisch nach Deutschland kommt, das den Importbeschränkungen entspricht. Der vom Bundesrat immer wieder geforderte nationale Alleingang wäre also nicht nur rechtswidrig, sondern würde den Verbraucherschutz verschlechtern statt verbessern. In einem Europa der offenen Grenzen ist es eine gefährliche Illusion, zu glauben, dass in der Europäischen Union gehandelte Fleischsendungen am Bestimmungsort lückenlos überwacht werden könnten. Das Schwergewicht der Überwachung muß auf Kontrollen im Herkunftsland liegen. (Diese Argumentation ist richtig und zeigt gleichzeitig, warum die EU schädlich für den deutschen Gesundheitsschutz ist. Es ist eine gefährliche Illusion, zu glauben, dass sich Briten oder Niederländer für die Gesundheit der Deutschen interessieren. Außerdem sind gemeinsame Regelungen nur in einer Wertegemeinschaft mit sehr ähnlichen Vorstellungen über Verbraucherschutz sinnvoll. Vorschriften können einen fehlenden Konsens nicht ersetzen.) Die britischen Fleischlieferungen nach Deutschland haben im ersten Quartal 1995 ganze 39 Tonnen betragen, das sind rund 0,01% des in Deutschland selbst erzeugten Fleisches. (Wieviel Prozent der in Deutschland verbrauchten Blutkonserven waren AIDS-verseucht und wie denken die Infizierten über diesen sicherlich sehr geringen Anteil. Wievielen tödlichen Dosen würden denn die 39 Tonnen entsprechen, wenn sie infiziert wären? Wieviel Tonnen Fleisch wurden aus den Rindern produziert, welche legal und leider auch in erheblichem Umfang illegal aus Großbritannien nach Deutschland exportiert wurden?)"
Seehofer wirft den Ländern vor, ihre Durchführungskompetenzen für den Verbraucherschutz nicht auszuschöpfen und schon vor dem Verfütterungsverbot aus England importierte Rinder nicht zu beseitigen. Er finde es bemerkenswert, dass die Schutzbestimmungen verschärft wurden, obwohl sich kein anderes Land dafür interessiere.
Das Bundesministerium für Gesundheit wird auch künftig jede neue Erkenntnis über BSE unverzüglich durch die Europäische Kommission und ihre Gremien überprüfen und bewerten lassen, um den jeweils höchstmöglichen Gesundheitsschutz des Verbrauchers gewährleisten zu können. (Das ist der blanke Zynismus. Der Gesundheitsschutz darf nicht vom kleinsten gemeinsamen Nenner vom wissenschaftlichen Veterinärausschuß als erwiesen angesehener Erkenntnisse abhängen und auch nicht in Abwägung mit irgendwelchen wirtschaftlichen Interessen festgelegt werden. Wer Schutzbestimmungen verschärfen muß, hat vorher versagt und unverantwortlich gehandelt. Da der Bundesgesundheitsminister für unsere Gesundheit an vorderster Stelle verantwortlich ist, müßte er in einem solchen Fall eigentlich zurücktreten und sich bei der Bevölkerung entschuldigen.)
AD Bundesministerium für Gesundheit, Pressereferat, 53108 Bonn, Tel. 0228/941/1300-1306, Fax: 0228/941/4916 oder /4995
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