NR ARXO

AU Wiesen,H.

TI Bericht des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei des Landes Schleswig-Holstein zu den Vorfällen am Schlachthof Bad Bramstedt seit dem 20. Juli 1994 an den Agrarausschuß des Schleswig-Holsteinischen Landtages

QU Landtag in Kiel, 5.10.94

IN Neben zahlreichen Beispielen für massive Verstöße gegen geltendes Recht bezüglich mangelnder Hygiene, geschönter Begutachtung von Fleischqualitäten sowie der Inverkehrbringung für die menschliche Gesundheit bedenklichen Fleisches enthält der Bericht folgendes zum Thema BSE:
In Bad Bramstedt wurden und werden gesunde und kranke Rinder in den selben Räumlichkeiten und mit den selben Gerätschaften geschlachtet. Da BSE-sichere Desinfektionen in einem Schlachthof praktisch unmöglich sind, ist eine Kontamination gesunden Fleisches durch BSE-Erreger sehr wahrscheinlich, falls mit BSE-infizierte Tiere geschlachtet werden. Wegen der extrem langen Inkubationszeiten ist es außerdem in den meisten Fällen beim besten Willen unmöglich, BSE-Infektionen und BSE-Erkrankungen in frühen Stadien festzustellen. Selbst bei Einhaltung aller Vorschriften und Vorsichtsmaßnahmen können daher Schlachthöfe keinen wesentlichen Schutz vor BSE bieten. Eine strikte Trennung von Schlachtungen und Mahlzeiten ist allerdings für den Gesundheitsschutz des Schlachthofpersonals unbedingte Voraussetzung.
Weil die Inkubationszeit der BSE umgekehrt proportional zum Logarithmus der aufgenommenen Erregermenge ist, kann als maximale Inkubationszeit nur die maximale Lebensdauer einer Rinderrasse angegeben werden. Die Festlegung auf 15 Jahre ist daher nicht sinnvoll.
Die Darstellung des Ministers, sämtliche BSE-Untersuchungen hätten negative Befunde ergeben, ist objektiv falsch und kommt politisch einer bewußten Irreführung des Ausschusses gleich. Die Berichte von Prof. Dr. Pohlenz weisen mehrfach darauf hin, dass die Aussagefähigkeit der Untersuchungen durch den Zustand des Untersuchungsmaterials beeinträchtigt wurde. Die Gehirne waren durch den Bolzenschuß beziehungsweise fortgeschrittene Verwesung stark beschädigt. Entsprechend schreibt Prof. Dr. Pohlenz ausdrücklich nicht, die Untersuchungsergebnisse seien bezüglich des BSE-Verdachtes negativ. Vielmehr konnte er trotz verschiedener Auffälligkeiten keine eindeutigen Hinweise auf BSE nachweisen. Dies bedeutet, dass der BSE-Verdacht weder bestätigt, noch ausgeräumt werden konnte. Letzteres ist ohnehin mit den Mitteln der Histopathologie gar nicht möglich, weil sichtbare Schäden im Hirngewebe erst im Endstadium der BSE-Erkrankung und auch nicht immer erkennbar werden. Histopathologische Befunde können also grundsätzlich nicht eindeutig BSE-negativ sein. Selbst die um Größenordnungen sensitiveren immunologischen und tierexperimentellen Nachweismethoden mit Antikörpertests und intrazerebralen Injektionen bei Nagern bieten hier keine absolute Sicherheit. Die Arbeitsgruppe BSE des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes hat mehfach darauf hingewiesen. Der Minister hat demnach die pathologischen Befunde im Ergebnis und in ihrer Aussagefähigkeit völlig falsch und in grober Weise verharmlosend wiedergegeben.
Besonders unverständlich ist die Darstellung des Ministers, der BSE-Verdacht eines Tierarztes könne durch die Nachuntersuchung eines einfachen Amtstierarztes eindeutig ausgeschlossen werden. Schon garnicht kann dies durch Nachfragen beim Tierbesitzer geschehen. Hierauf spezialisierte Molekularbiologen benötigen dazu einen Monate bis Jahre dauernden Übertragungsversuch mit mehreren Mäusen oder Hamstern. Die Eindeutigkeit mit der hier der BSE-Verdacht zurückgewiesen wird, läßt auf eine ausgeprägte Leichtfertigkeit des Ministers angesichts seiner offensichtlichen Unkundigkeit in Sachen BSE schließen.
Befremdlich ist auch die Tatsache, dass Minister Wiesen die Vorwürfe dreier Tierärzte vor ihrer Überprüfung durch in der Sache nicht betroffene Sachverständige öffentlich als unberechtigt zurückwies. Es ist sachlich kaum nachvollziehbar, warum er sich ungeprüft auf die Seite des angegriffenen Fleischhygieneamtes und des ebenfalls aufsichtspflichtigen und damit beteiligten Landrates stellte. Durch seine verantwortungslose Vorverurteilung der Tierärzte als Lügner, zwang er die Veterinäre seines eigenen Ministeriums, im Falle des Zutreffens der Vorwürfe ihren Vorgesetzten zu widerlegen. Das Verhalten des Ministers war also geeignet, das Untersuchungsergebnis zu manipulieren. Außerdem signalisierte er allen anderen auf Schlachthöfen in Schleswig-Holstein beschäftigten Tierärzten, dass sie von ihm keinerlei Unterstützung erwarten könnten, falls sie ebenfalls auf Mißstände hinweisen sollten. Durch seine inzwischen sachlich widerlegte Presseerklärung vom 25.7.94 hat Minister Wiesen die Glaubwürdigkeit seiner Landesregierung und der gesamten Lebensmittelüberwachung in Schleswig-Holstein untergraben.
Nach §9 des Tierseuchengesetzes besteht bei Verdacht auf BSE Anzeigepflicht beim Amtstierarzt.

AD Hans Wiesen, Minister für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei des Landes Schleswig-Holstein

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