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AU Middel,A.; Leersch,H.J.
TI Zweifel am deutschen Saubermann-Image - Der Bundesrat berät über ein Einfuhrverbot von Rindfleisch
QU Die Welt; Samstag, 11. November 2000
IA http://www.welt.de/daten/2000/11/10/1110eu201702.htx
PT Zeitungsartikel
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Geduldig hörte sich EU-Verbraucherkommissar David Byrne gestern in Paris die Klagen der deutschen Gesundheitsministerin Andrea Fischer an. Einige EU-Länder hielten sich nicht an die Kennzeichnungsvorschriften für britisches Rindfleisch, darum erwäge die Bundesregierung ein Einfuhrverbot von Rindfleisch aus solchen Ländern, lautet das Monitum der deutschen Gesundheitsministerin.
In Paris präsentiert sich die deutsche Ministerin als Bannerträgerin im Dienste der Verbraucher. Endlich jemand, der die Sorgen vor möglicherweise mit BSE infiziertem Rindfleisch ernst nimmt. Und die den unfähigen Europäern zeigt, wo es langgeht. Frau Fischer als Frontfrau im Kampf gegen den Rinderwahn, so lautet die Botschaft für das heimische Publikum. Was die Ministerin verschweigt: Alles das, was sie fordert, wird in der EU in sechs Wochen ohnehin Wirklichkeit. Spätestens zum 1. Januar müssen alle Länder die Kennzeichnungspflicht einführen.
Darum stoßen Frau Fischers Auftritte der vergangenen Tage bei Kommissar Byrne auf wenig Verständnis. "Die Debatte in Deutschland entfernt sich immer mehr von den Fakten", moniert seine Sprecherin. Denn all das, was heute in der EU an vorbeugenden Maßnahmen in Sachen BSE Gültigkeit hat und nach Meinung von Frau Fischer wohl nicht ausreicht, ist letztlich von den EU-Landwirtschaftsministern beschlossen worden. Und Karl-Heinz Funke, der deutsche Vertreter in diesem Gremium, habe sich nicht durch besonderen Eifer hervorgetan, merkt man in Brüssel an. Bislang gilt als Mindeststandard, dass auf den Rindfleischetiketten der Schlacht- und Zerlegebetrieb vermerkt sein muss. Britisches Rindfleisch muss darüber hinaus noch besonders kenntlich gemacht werden. Einen europaweiten Herkunftsnachweis des Rindfleischs wird es erst im Jahr 2003 geben, dem hat auch der deutsche Landwirtschaftsminister zugestimmt. Und auch bei der Vorschrift zur Entfernung von so genanntem BSE-Risiko-Material wie Milz, Hirn oder Rückenmark habe Deutschland lange Zeit die Zustimmung verweigert.
Als Vorkämpfer in Sachen Sicherheit vor BSE sei die deutsche Regierung in Brüssel bislang nicht aufgefallen, betont man in der Kommission. Auch die Behauptung deutscher Landwirtschafts- und Gesundheitsminister, Deutschland sei BSE-frei, ist nach Auffassung der Kommission keinesfalls belegt. Erst wenn die von der EU geplanten BSE-Tests auch in Deutschland durchgeführt werden, sei eine klare Aussage möglich. Bislang wird Deutschland vom wissenschaftlichen Lenkungsausschuss der EU allenfalls als "Niedrig-Risiko-Land" eingestuft und befindet sich damit in guter Gesellschaft mit Frankreich. Die bisherigen BSE-Probetests in Deutschland, die auf Initiative der nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerin Bärbel Höhn durchgeführt wurden, lassen Zweifel am deutschen Saubermann-Image aufkommen. Die meisten der knapp 5000 Tests wurden an zu jungen Rindern vorgenommen, erst im Alter von mehr als zwei Jahren sind die BSE-Erreger nachweisbar. Und außerdem, so heißt es in Brüssel, sei mehr als ein Drittel der Proben bereits verrottet in den Prüflabors angekommen.
Dennoch drängen vor allem die CDU-regierten Bundesländer im Bundesrat zu einem Importstopp und erwecken so den Anschein, als sei der Verzehr von heimischem Rindfleisch sicher. "Uns fehlt nur eine Stimme", sagt der hessische Bundesratsstaatssekretär Johannes Beermann (CDU). Fischers Parteifreundin Höhn unterstützt den Antrag der Unionsländer, in dem ein sofortiges Importverbot gefordert wird.
Für die Union ist der Fall klar: "Was hier abläuft, ist eine Zumutung für den Verbraucher", sagt der bayerische CSU-Bundesratsminister Reinhold Bocklet, dessen Staatsregierung einen sofortigen Importstopp fordert. Genauso argumentiert das Land Hessen. Bedenken, das Verbot verstoße gegen europäisches Recht, hat Beermann nicht: Die britische Regierung habe über BSE nicht die Wahrheit gesagt, weil sich herausgestellt habe, dass ein nach 1996 geborenes Rind an der Seuche erkrankt sei. Damit sei die Voraussetzung für die Aufhebung des deutschen Importverbotes weggefallen.
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AD Andreas Middel und Hans-Jürgen Leersch
SP englisch