NR ASNE
AU Schütt-Abraham,I.
TI Die wesentlichen Anforderungen der Verordnung aus Sicht des Bundesinstitutes für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) im Hinblick auf das Verbot des Rückenmarkzerstörers
QU Vortrag zum Verbot des Rückenmarkszerstörers auf der Veranstaltung der Fleischerei-Berufsgenossenschaft in Reinhardsbrunn am 7. September 2000
PT Vortrag
VT
Aufgrund der Entscheidung 2000/418/EG der Kommission vom 29. Juni 2000 darf ab dem 01.Januar 2001 innerhalb der Europäischen Gemeinschaft bei Rindern, Schafen und Ziegen, die der Lebensmittelgewinnung dienen, das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) nicht mehr durch einen Rückenmarkszerstörer zerstört werden. Das Verbot wurde mit einer entsprechenden Änderung der Fleischhygiene-Verordnung vom 29. Juni 2000 in nationales Recht umgesetzt. Damit gilt:
Ab 1. Januar 2001 ist der Einsatz des Rückenmarkszerstörers bei der Schlachtung von Rindern, Schafen und Ziegen verboten!
Warum?
Nach derzeitigem Kenntnisstand sind der Erreger der neuartigen Variante der Creutzfeld-Jacob-Erkrankung des Menschen und der BSE-Erreger identisch. Der BSE-Erreger wird durch küchentechnische Zubereitung (Braten, Kochen, Dünsten) nicht abgetötet. Damit wird eine Übertragung der Erkrankung durch Rindfleischerzeugnisse auf den Menschen möglich. Die Inkubationszeit, d.h. die Zeit zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit, beträgt beim Rind mehrere Jahre. Bereits vor dem Auftreten von Krankheitserscheinungen weisen Gehirn und Rückenmark infizierter Rinder hohe Konzentrationen des BSE-Erregers auf. Wenige Gramm eines solchen Gehirns genügen, um die Krankheit auf andere Rinder zu übertragen. Gehirn und Rückenmark von Rindern wurden daher neben dem Hüftdarm, einem ebenfalls erregerreichen Darmabschnitt, zum spezifischen Risikomaterial erklärt und unterliegen besonderen Entsorgungsvorschriften.
Untersuchungen ergaben, dass mit der Verschleppung von Gewebe des zentralen Nervensystems (ZNS) über den Blutkreislauf in andere Körperteile gerechnet werden muss, wenn Gehirn und Rückenmark und die sie versorgenden Blutgefäße bei der Schlachtung verletzt werden. Das Risiko einer solchen Verschleppung nimmt zu, je umfangreicher die Gewebszerstörungen sind. So wurde in Untersuchungen an Rindern, die bei der Schlachtung mit einem druckluftinjizierenden Bolzenschussgerät betäubt wurden, mehrfach, bei Rindern, bei denen nach der Betäubung mit dem Bolzenschussapparat ein Rückenmarkszerstörer eingesetzt wurde, in einem Fall ZNS-Gewebe in der Drosselvene, den Herzkammern und/oder der Lunge nachgewiesen. Bei Menschen, die aufgrund einer Kopfverletzung zu Tode kamen, konnte sogar in Fällen, in denen die das Gehirn umgebende Hirnhaut unversehrt blieb, ZNS-Gewebe in der Lunge nachgewiesen werden. Dies bedeutet, dass eine Verschleppung von Hirngewebe selbst bei der - in Deutschland derzeit nicht zugelassenen - stumpfen Schuss-Schlag-Betäubung grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann, auch, wenn dies beim Rind bislang nicht nachgewiesen ist.
Eine Gefährdung des Menschen durch verschlepptes Zentralnervengewebe ist immer dann anzunehmen, wenn damit gerechnet werden muss, dass BSE-infizierte Rinder unerkannt zur Schlachtung gelangen. Da keiner der Mitgliedstaaten der EG als frei von BSE eingestuft wurde, war der Einsatz des Rückenmarkszerstörers zwangsläufig auch in Deutschland zu verbieten. Die Reflexlosigkeit der Rinder zum gefahrlosen Anschlingen, Aufziehen und Entbluten ist deshalb auf andere Weise, z.B. durch Elektroimmobilisation, sicherzustellen.
Entscheidung der Kommission vom 29. Juni 2000 zur Regelung der Verwendung von bestimmtem Tiermaterial angesichts des Risikos der Übertragung von TSE-Erregern und zur Änderung der Entscheidung 94/474/EG (2000/418/EG), Amtsblatt der EG L 158, S. 76
Fünfte Verordnung zur Änderung von Vorschriften zum Schutz der Verbraucher vor der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie vom 29. Juni 2000, Bundesgesetzblatt I, S. 997
AD Dr. Ingrid Schütt-Abraham, Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, Berlin
SP deutsch
PO Deutschland