NR AYFK

AU Troeger,K.

TI Schlachten / Schwachstelle Bolzenschuss / Alternative zum Einsatz von Rückenmark-Zerstörer gesucht

QU Fleischwirtschaft 2000 Mar 16; 80(3): 18

PT article

VT Bestimmte Rinder-Schlachttechniken begünstigen nach Erkenntnissen britischer Wissenschaftler die Verbreitung der Rinderkrankheit BSE. Bereits 1996, in der Hoch-Zeit der BSE-Krise, wiesen entsprechende Meldungen der Texas A&M University und der britischen Medizinzeitschrift "The Lancet" darauf hin, dass mit BSE infizierte Nervenzellen in Blutgefäßen und Lungen von Schlachtrindern gefunden wurden. Ein bedenklicher Befund, da sich der Erreger der Bovinen Spongiformen Encephalopathie vor allem im Nervengewebe und insbesondere im Hirn betroffener Tiere anreichert.
Nachdem im Herbst vergangenen Jahres das Wissenschaftsmagazin "New Scientist" unter Berufung auf eine Studie der Universität von Bristol entsprechend berichtete, steht insbesondere die Betäubungstechnik mit einer Luftdruckpistole in Verdacht, Gehirnzellen ins Blut und die Lunge zu katapultieren. Das Wissenschaftlerteam unter der Leitung des Veterinärmediziners Haluk Anil stützte sich bei seiner Untersuchung im Wesentlichen auf die Verwendung einer Luftdruckpistole, die in den USA und in einigen europäischen Schlachthäusern verwendet wird. Die Forscher entdeckten in vier von fünfzehn untersuchten Schlachtrindern Hirnzellen in den Blutgefäßen. Die Brisanz dieser Ergebnisse unterstrich ein Artikel in der Ärzte Zeitung vom 25. Oktober 1999 in dem zwei deutsche Tierärzte meinten, dass Gehirnzellen in der Zeit bis zum Entbluten einmal den Körperkreislauf durchlaufen.
Dass diese Problematik in Fachkreisen bekannt ist, bestätigte Prof. Dr. Klaus Troeger, Leiter der Instituts für Technologie für Fleischforschung in Kulmbach. Wie er gegenüber der Fleischwirtschaft mitteilte, ist die Bolzenschussbetäubung mit hohlem Bolzen zum Einpressen von Druckluft nach dem Schuss zur Zerstörung des Gehirns eine Alternative zur manuelle Rückenmarkzerstörung und dient zur Ruhigstellung des Tieres. Ein entsprechendes amerikanisches Gerät wurde in Kulmbach erprobt (vgl. BAFF-Jahresbericht 1997, Seite 37). Da es für diese Betäubungstechnik in Deutschland keine Gerätezulassung durch die Berufsgenossenschaft gibt, geht Troeger davon aus, dass sie hier auch in keinem Schlachtbetrieb eingesetzt wird.
Ziel der Untersuchungen der Kulmbacher Arbeitsgruppe Woltersdorf, Hofmann, Augustiniok und Geissler war es, herauszufinden, ob die Verwendung von Pressluft effektiv zur Reflexlosigkeit führt und ob es eventuelle anderweitige Bedenken gegen dieses Verfahren gibt. Nach der in Deutschland üblichen Anwendung des Bolzenschussgeräts sind Rinder zwar betäubt, aber nicht reflexlos. Mögliche unkontrollierte Reflexe bedeuten eine starke Gefährdung des Schlachtpersonals. Deshalb ist nach der Unfallverhütungsvorschrift VBG 17 (Fleischerei-Berufsgenossenschaft Mainz "Schlachthöfe und Schlachthäuser" vom 1. März 1993) zwingend vorgeschrieben, dass nach dem Betäuben von Großvieh durch Einsatz des "Rückenmarkzerstörers" sicher gestellt wird, dass keine Reflexbewegungen des Schlachttieres mehr möglich sind. Der Einsatz von Metall- oder Kunststoffstäbe, die durch den Schusskanal in den Schädel bis in das Rückgrat des Tieres eingeführt werden, um das Rückenmark zu zerstören, wird zum einen aus hygienischer Sicht kritisiert und zum anderen auf Grund des Zeitaufwands in der Großschlachtung als Handicap betrachtet.
So wurde als Alternative versucht, durch Einblasen von Pressluft den gleichen Effekt einer Rückenmarkzerstörung zuerreichen. Dies kann zum Beispiel durch den Ansatz einer Pressluft-Pistole in den Schusskanal oder durch gleichzeitiges Einblasen von Pressluft während des Einsatzes eines pneumatischen Bolzenschuss-Gerätes geschehen, wie es in den USA verwendet wird. In Deutschland ist ein solches Verfahren berufsgenossenschaftlich nicht zugelassen.
Die Kulmbacher Versuche zeigten, dass nach kurzzeitiger Anwendung von Pressluft die Wirkung vergleichbar mit der des konventionellen Rückenmarkzerstörers war. Forcierte Pressluft-Injektion führte zur sofortigen Reflexlosigkeit. Trotz Erhaltung der Herztätigkeit waren die Baucheingeweide (hauptsächlich Milz und Leber) hochgradig mit Blut gefüllt. Auch die Gefäße der Muskulatur zeigten außergewöhnliche Blutfülle, was zur Beanstandung wegen mangelhafter Ausblutung führen kann. Ähnlich dramatische Ergebnisse fanden die Wissenschaftler in Bezug auf die Ausblutung bei der Anwendung des pneumatischen Schussgerätes mit gleichzeitiger Pressluftinjektion. Dieses Verfahren führte zwar zur sofortigen, absoluten Reflexlosigkeit, aber auch zum sofortigen Herz-Stillstand. Die Anwendung höherer Pressluft-Drücke führte zu massivsten Blutungen in den Bauchraum und in die Muskulatur und somit zur teilweise Unbrauchbarkeit des Fleisches. Bei der analytischen Feststellung des Ausblutungsgrades war kein Einfluss der Schlachttechnologie erkennbar. Dieser Befund steht nach Ansicht der Kulmbacher nicht unbedingt im Gegensatz zu der visuellen Beobachtung, da bei der Analyse nicht nur die oberflächlichste Schicht, sondern größere und damit tiefere Teile der Muskeln untersucht wurden.
AD Institut für Technologie der Bundesanstalt für Fleischforschung, Kulmbach.

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