NR AYFL

AU Unglaub,W.

TI Tiermehl / Seuchenhygiene ist oberstes Gebot / Der ELISA-Test packt BSE an der Wurzel, aber nur, wenn er richtig angewendet wird

QU Fleischwirtschaft 1999 Mar 16; 79(3): 45-6

PT article

AB In Ergänzung zur Berichterstattung über das Tiermehlkolloquium in Kulmbach in der Februar-Ausgabe der Fleischwirtschaft, warnt Dr. Wolfgang Unglaub davor, mit weitgefaßten Grenzbereichen für den ELISA-Erhitzungstest Unzulänglichkeiten im restlichen Produktionsprozeß - wie etwa ungenügende Vorzerkleinerung des Rohmaterials oder Defizite "älterer" Anlagen - abdecken zu wollen, da so eine Gefährdung der Tier- und Menschengesundheit in Kauf genommen würde. Dies wäre darüber hinaus ein Bärendienst an der ohnehin gefährdeten Vermarktungsfähigkeit des Tiermehls und ähnlicher Bio-Recycling-Produkte.

VT Den industriell entwickelten und gefertigten Tierarten- ELISA gegen gekochtes Fleisch aus der Lebensmittelkontrolle hat Dr. Klaus Hofmann für den Nachweis ausreichender Erhitzung bei der Tiermehlherstellung zugänglich gemacht und vorläufige Bewertungsgrenzpflöcke eingeschlagen. Dies ist ein Verdienst um die Produkthygiene in der Tiermehlherstellung, das ausdrücklich anerkannt wird. Weitergehende Untersuchungen - nicht allein in Aulendorf - ergaben, daß seine Grenzbereiche in der Ergebnisbewertung vorläufigen Charakter hatten und daß bei sorgfältiger, rechtskonformer großtechnischer Herstellung von Tiermehlen wesentlich geringere R-Werte erreicht werden. Somit ist der Grenzbereich enger zu ziehen (R < 2,0 = ausreichend erhitzt; R 2,01 bis 2,50 = Warnzone; R > 2,50 = nicht ausreichend erhitzt). Diese Untersuchungen wurden u. a. an einer TBA in zwei Sterilisatoren (je 15 cbm) mit beheizten Rührern durchgeführt, und zwar mit Thermologgern im Füllgut über jeweils zwölf bis 14 Kochungen im Rahmen der laufenden Produktion. Von einigen Kochungen wurde direkt nach der exakt 20minütigen Autoklavierung Fleischbrei entnommen und im ELISA getestet. Der "Modell"-Versuch darf also nicht als Diminutiv-Form im Gegensatz zu großtechnischer Produktion verwendet werden. Bezüglich der "Übererhitzung" ist zu sagen, daß nach dem - auch für Dr. Hofmann - einzig zugänglichen Maßstab, nämlich dem anlagenseitigen PT-100-Fühler, 133 bis 134 Grad Celsius gehalten wurden. Diese Ergebnisse wurden im Vorgriff auf die Veröffentlichung in Kulmbach vorgetragen und wurden in einem offiziellen Schreiben an Prof. Dr. Karl-Otto Honikel (Kulmbach) nachdrücklich betont. Zwischenzeitlich erfolgte die Berichterstattung an die DG XXIV der Kommission. Selbstverständlich wird zu den Kochungen in Baden-Württemberg und also auch zum Ausgangsmaterial für die oben erwähnte Untersuchung die vorgeschriebene Teilchengröße des Rohmaterials eingehalten. Dies ist, neben der sonstigen Funktionstüchtigkeit der Anlage, unabdingbare Voraussetzung für die korrekte Verwendung des Testes als Erhitzungskontrolle und muß Standard sein, sonst wäre jeder Versuch, am Produkt die rechtskonforme Erhitzung prüfen zu wollen, hinfällig und sinnlos. Insofern ist es bedauerlich, daß in dem Bericht die verunglückte Formulierung von Professor Weber "unrealistisch" aufgegriffen wurde. Dieser hat nämlich durchaus Zweifel an der korrekten Stückgröße des Rohmaterials aus dem das von ihm geprüfte Tiermehl gewonnen wurde. Auch ist der Hinweis von ihm, daß er dann einige TBAen in Nordbayern hätte schließen müssen, kein besonders sachliches Argument, zumal da er wohl Defizite festgestellt, und behoben hat und somit zu "realistischen" R-Werten gekommen ist. Ein Beharren könnte allenfalls dazu führen, daß sich die EU zur langfristigen Kontrolle dieser Anlagen veranlaßt sieht. In der lehrreichen und interessanten Diskussion in Kulmbach hat sich gezeigt, daß diese Überprüfungsmöglichkeit am Produkt dazu geführt hat, a)die technische Kontrolle des Prozesses zu verbessern und b)z. T. anlagenbedingte Schwachpunkte oder Besonderheiten zu ermitteln, besser zu verstehen, gegebenenfalls abzustellen, beziehunsgweise ihnen gerecht zu werden, um dann, wie die Befragung der meisten Vortragenden zu den R-Werten nach Korrektur von Defiziten ergab, c) R-Werte deutlich unter 2,0 zu erhalten. So hat es sich auch bei der Veranstaltung gezeigt, daß es durchaus physikalisch und meßtechnisch verständlich ist, warum kontinuierliche Anlagen mit höheren Temperaturen fahren müssen (ohne das Produkt zu gefährden) um 133 Grad Celsius im gesamten Füllgut sicherzustellen; dagegen im diskontinuierlichen Autoklavenverfahren in der Regel 133 Grad Celsius im Füllgut überschritten werden, wenn der Anlagen PT-100 Fühler diese Temperatur korrekt anzeigt. In summa: Es sollte der Eindruck vermieden werden, daß durch den Bericht über eine sehr gelungene, offene und lehrreiche Veranstaltung überholte Anfangserkenntnisse oder unzulässige Interpretationsausweitungen zementiert werden sollen. Mit den - auch in der Zweckforschung - unerläßlichen Verifizierungs-/Falsifizierungsbemühungen hätte das alles nichts mehr zu tun. Für Instrumentalisierungen aber ist das Thema zu wichtig. Wir reden von Seuchenhygiene und nicht von einem x-beliebigen Qualitätsmerkmal wie z. B. dem Wassergehalt in der Weißwurst. Deswegen werden am STUA-Aulendorf, zuständig für die diesbezügliche Produktkontrolle der TBAen in Baden-Württemberg und für die Drittlandeinfuhren solcher Produkte in die EU die oben angeführten Grenzbereiche konsequent angewendet - mit Erfolg, denn an der Grenzkontrollstelle Lörrach werden nur mehr Mehle mit R-Werten unter 2 vorgestellt. Die Tiermehle aus baden-württembergischer Produktion ergeben seit Jahren R-Werte von 1 bis 1,3 bei hoher sonstiger Produktqualität. Deswegen ist es auch wünschenswert, daß die EU die Herstellungsbedingungen noch etwas besser präzisiert. Bei der Übernahme der deutschen Sterilisationsbedingungen war selbstverständlich die "nasse" Sterilisation impliziert. Die Unterlassung der ausdrücklichen Anführung der Feuchtigkeitsbedingungen hat jedoch zu Ausweichtechnologien geführt, die zwar dem Buchstaben gerecht werden könnten, nicht aber der Sache. Nicht fehlen sollte hierbei der Einbau von Bypässen mit Entnahmeventilen zur Materialentnahme an verschiedenen Punkten der Herstellungsstraße. Sehr zweckmäßig wäre es auch, den R-Wert-Grenzbereich für das Produkt festzulegen, innerhalb dessen Tiermehl völlig unbeanstandet in Verkehr sein darf oder bemängelt werden (Warnzone) beziehungsweise beanstandet werden muß. Unter gar keinen Umständen ist es denkbar, daß nicht ausreichend erhitzte Ware unter anderer Bezeichnung - etwa als Vorprodukt - die Grenzen der einzelnen Mitgliedstaaten überschreitet oder gar aus Drittländern einfuhrfähig wird. Dies wäre die seuchenhygienische Bankrotterklärung schlechthin.

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