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AU Ziebolz,B.
TI Analytik / Mehr Sicherheit bei Rindfleisch / Der neue Prionics-Check LIA für die vollautomatische BSE-Testung
QU Fleischwirtschaft 2001 Sep 17; 81(9): 20-1
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Die Geschichte des Rinderwahnsinns beginnt kurz vor Weihnachten 1984. Die Kuh Nummer 133 auf der Pitsham-Farm im englischen Sussex randalierte im Stall, trat aus und demolierte die Melkanlage. Der Tierarzt, eilig herbeigerufen durch den besorgten Bauern, registrierte neben den Verhaltensstörungen eine abnormale Magerkeit und einen stark durchgebogenen Rücken. Zu einer klaren Diagnose kam er nicht. Kuh 133 blieb nicht die einzige Kuh mit diesen Symptomen auf der Pitsham-Farm, der Tierarzt registrierte in den folgenden Tagen weitere kranke Tiere. Nummer 133 konnte zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr alleine stehen; sie starb am 11. Februar 1985, weitere fünf Kühe der Farm verendeten in den nächsten zwei Monaten.
Obwohl Kuh 133 als erstes Opfer des Rinderwahns BSE gilt, ist sie wahrscheinlich aber nur die erste, die ein Tierarzt näher untersuchte. Vermutungen zufolge grassierte die Rinderkrankheit schon seit den siebziger Jahren unerkannt unter britischen Rindern.
BSE, Bovine Spongiforme Encephalitis, auch Rinderwahnsinn, nennen die Experten die 1985 erstmals beobachtete Krankheit. Sie führt durch schwammartige Durchlöcherung des Rinderhirns zu anormalem Verhalten wie extremer Schreckhaftigkeit, Bewegungsstörungen und Lähmungen. Eine Heilungsmöglichkeit gibt es bis heute nicht, am Ende der Krankheit steht unweigerlich der Tod der befallenen Tiere. Seit 1985 die Kuh 133 verendete, sind weltweit mehr als 200000 Stück Rinder betroffen, 96 davon in Deutschland (Stand 8. 8. 2001).
Der Oberbegriff für die Krankheiten mit BSE-ähnlichen Symptomen ist Transmissible Spongiforme Enzephalopathie (TSE). Verschiedene Tierarten können von TSE-Erkrankungen befallen werden. Der TSE-"Klassiker" - bereits 1732 in England (1759 in Deutschland) erstmals beobachtet - ist Scrapie bei Schafen und Ziegen (engl. to scrape = sich kratzen). Bei anderen in menschlicher Obhut gehaltenen Tieren wie bestimmten Antilopenarten, Nerzen oder sogar Hauskatzen wurden schon ähnliche Krankheitsbilder festgestellt. Für die Verbreitung von TSE auch über Artgrenzen hinweg wird die Verfütterung von Tierkörpermehlen aus Kadavern von Schafen oder Rindern verantwortlich gemacht, die mit infektiösem, die TSE-Erkrankung auslösendem Material verunreinigt waren. Solche Tierkörpermehle wurden als proteinreicher Futterzusatz in Mastbetrieben eingesetzt. Für diese Theorie spricht, dass nach dem Fütterungsverbot für Tiermehl an Wiederkäuer im Vereinigten Königreich die Zahl der BSE-Fälle bei Rindern dort drastisch zurückgegangen ist. Heute ist die Tiermehlfütterung in der ganzen Europäischen Union verboten - wenn auch nur befristet.
Allerdings muss es noch andere Ursachen für die Entstehung bzw. Verbreitung solcher Erkrankungen geben: Bestimmte Hirscharten in den USA weisen eine besondere Form der TSE auf, die sowohl bei frei lebenden als auch in Gefangenschaft gehaltenen Tieren festgestellt wurde. Tiermehl als Quelle der Krankheit kann in diesen Fällen wohl ausgeschlossen werden.
Die Auslöser der TSE-Erkrankungen sollen laut Stanley Prusiner, dem Nobelpreisträger für Medizin 1997, bestimmte Proteine (Eiweiße) sein. Diese so genannten Prionen, die bei Infektion mit BSE ihre Form verändern, bewirken einen langsamen Verfall des Zentralnervensystems. Die Inkubationszeit (Zeitraum zwischen Infektion und Ausbrechen der Krankheit) beträgt beim Rind zwischen 20 Monaten und 15 Jahren, beim Schaf drei bis vier Jahre. Die Erkrankungen führen unweigerlich zum Tod.
Prionen werden hauptsächlich im Zentralnervensystem und in den Lymphorganen jedes Menschen und jedes (Säuge-)Tieres gebildet. Ihre Funktion ist bis heute unbekannt. Bei TSE verändern einzelne dieser Eiweißmoleküle ihre Faltung, das heißt die dreidimensionale Anordnung ihrer Einzelbestandteile. Kommen sie dann mit "gesunden" Prionen in Berührung, ändern auch diese ihre Faltung - diese Kettenreaktion führt letztlich zur Erkrankung. Die Ursache der Faltungsveränderung ist derzeit Gegenstand der Forschung.
Prionen sind sehr unangenehme Krankheitserreger: Sie sind extrem widerstandsfähig gegen Hitze (100 ° machen ihnen wenig aus) und Chemikalien (Desinfektionsmittel zeigen kaum Wirkung). Darüber hinaus sind sie biologisch schwer abbaubar und überleben in der Erde über viele Jahre.
Gefährdung des Menschen nicht auszuschließen
An TSE erkranken aber nicht nur Tiere, auch der Mensch kann offenbar davon betroffen sein. So trat im Jahr 1995 in Großbritannien erstmals bei Teenagern eine neuartige, tödliche Form der Creutzfeldt-Jakob Krankheit (CJD) auf, die als neue Variante (vCJD) bezeichnet wird. Dies war deshalb ungewöhnlich, da CJD bis zu diesem Zeitpunkt nahezu ausschließlich als eine tödlich verlaufende Krankheit von Menschen im Alter von 50 bis 75 Jahren bekannt war. Schnell vermutete man einen Zusammenhang zwischen BSE und vCJD , da die schwammartigen Veränderungen des Gehirns völlig gleichartig waren. Infektionsversuche mit Tieren erhärteten diesen Verdacht. Heute nimmt man an, dass die neue vCJD durch den Verzehr BSE-belasteten Fleisches ausgelöst wird. In einem Dorf in Leicestershire kam es erst vor kurzem zu einem besonders spektakulären Fall, als innerhalb eines Jahres fünf vCJD-Patienten starben, deren einzige Gemeinsamkeit ihre Vorliebe für Rindfleisch war.
Wie viele Fälle der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (vCJD) künftig durch BSE ausgelöst werden könnten, darüber gehen die Prognosen weit auseinander. Hochrechnungen gehen in Großbritannien auf Grund der BSE-Krankheit von 70 bis 136000 vCJD-Fällen aus, tatsächlich gab es dort bislang 102 Fälle. In Frankreich traten bis heute drei vCJD-Fälle auf. Irland, Ungarn und Hongkong verzeichneten jeweils einen Fall, wobei der Patient in Hongkong offenbar mehrere Jahre in Großbritannien gelebt hatte. In Deutschland rechnen Experten mit bis zu 15 vCJD-Fällen durch BSE.
Ob diese Schätzungen nun eintreten oder nicht - die Auswirkungen der Rinderkrankheit für die Gesellschaft sind unübersehbar. Das Auftreten von BSE hat unser Ernährungsverhalten so schnell verändert wie kein anderes Ereignis in den letzten zwanzig Jahren. Doch mittlerweile haben sich die Wogen etwas geglättet. Der Rückgang des Rindfleischverkaufs, der im März/April 2001 noch etwa 80 Prozent betrug, lag im Juli nur noch bei etwa 20 Prozent. Die Entwicklung ist klassisch, vergleicht man sie mit anderen Lebensmittelskandalen der Vergangenheit: Der Verbraucher reagiert in der Regel erst unsicher oder verärgert, und schränkt dann den Kauf bzw. den Konsum der betroffenen Lebensmittel vorübergehend stark ein. Junge, gut informierte Konsumenten reagieren dabei relativ schnell, ältere mit Verzögerung.
Die Schutzmaßnahmen der Bundesregierung haben sicher dazu beigetragen, dass sich die Wogen wieder geglättet haben. Eine wichtige Vorschrift in diesem Zusammenhang ist, dass das Fleisch aller geschlachteten Rinder, die mindestens 24 Monate alt sind, auf BSE getestet werden muss.
BSE-Test wurde weiterentwickelt
Auch die pharmazeutische Industrie hat sich dieser Problematik angenommen und verschiedene Testsysteme entwickelt und bereitgestellt. Bei den derzeit erhältlichen BSE-Schnelltests gibt es immer wieder Weiterentwicklungen und Verbesserungen. Sicherheit auch für die BSE-Massentestung verspricht der Prionics(R)-Check LIA (Luminescence Immunoassay), ein neuer Test, den die Firma Roche Diagnostics, Mannheim, künftig in den wichtigsten Märkten der Welt anbieten wird. Sein Prinzip ist einfach: Zunächst wird die zu untersuchende Probe - dabei handelt es sich um Gewebe aus einer genau definierten Region des Rinderhirns - homogenisiert und verflüssigt. Durch eine enzymatische Behandlung werden körpereigene, nicht-krankheitsspezifische Prionen-Proteine (PrPc) abgebaut. Die Probe wird anschließend mit einem Antikörper/Enzymkomplex versetzt. Wenn BSE-Prionen (PrPsc) in der Probe vorhanden sind, bindet der Antikörper spezifisch daran. Dann wird die Probe in ein miniaturisiertes Reaktionsgefäß gegeben, das wiederum mit Prionen-spezifischen Antikörpern beschichtet ist. Der Prionen/Enzym-Verband "dockt" an diesen Fangantikörpern an, der Rest der Probe wird anschließend durch einen Waschschritt entfernt. Das Enzym setzt ein hinzugegebenes Lumineszenzsubstrat um. Dabei entsteht ein Lichtsignal, das gemessen werden kann.
Die enzymatischen Behandlung ist bei anderen Tests oft ein problematischer Schritt, weil dabei ein Großteil des krankheitsspezifischen Prionen-Proteins zerstört werden kann. Um es effizient nachweisen zu können, muss es dann erst wieder konzentriert werden. Der Prionics-Reagenzien-Mix schränkt diese Zerstörung stark ein. Damit entfällt der Konzentrierungschritt, und der Nachweis kann mit nur fünf Testschritten direkt am verflüssigten Gewebe durchgeführt werden.
Dieser weiterentwickelte Test zeigt hohe Zuverlässigkeit, auch mit suboptimalem oder sogar teilweise zersetztem Probenmaterial. Studien haben bewiesen, dass der Test auf Anhieb zuverlässige Ergebnisse liefert und damit Wiederholungstests überflüssig macht. Bei Bedarf kann man das Ergebnis durch ein anschließendes Western blotting mit dem Prionics(R)-Check Western bestätigen.
Die tägliche Durchführung von mehreren hundert Analysen ist - selbst mit der teilautomatisierten Version des Prionics(R)-Check LIA - mit nur einer Laborfachkraft möglich. Der große Vorteil des Testes liegt aber darin, dass er von der Homogenisierung bis zur Detektion vollautomatisierbar ist und sich dadurch für ein Massenscreening sehr gut eignet. Prionics(R)-Check LIA ist also zugeschnitten auf die effiziente Abarbeitung hoher Probenzahlen.
AD Burkhard Ziebolz, Science Communications, Roche Diagnostics, Sandhofer Str. 116, D-68305 Mannheim, Deutschland
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