Roland Heynkes, 12. September 2000
Eine umfassende BSE-Risikoforschung muß unbedingt auch die relevanten Entscheidungen, Gesetze und Verordnungen der EU, des Bundes und der Länder identifizieren und analysieren. Leider ist dies für Biologen ebenso schwierig, wie für jeden anderen juristischen Laien. Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, daß man in der Regel keine vollständigen Gesetzestexte findet. Stattdessen strotzen die Texte nur so von Verweisen auf andere Texte, die durch den vorliegenden Text konkretisiert oder geändert wurden oder ihrerseits diesen Text ändern. Statt verständlicher Beschreibungen der aktuellen Regelung findet man meistens nur Aufzählungen von Wörtern oder gar Satzzeichen, die in älteren Texten gelöscht, ausgetauscht oder eingefügt werden. Will man eigentlich nur ein konkretes Gesetz nachlesen, sitzt man schnell vor einem unübersehbaren Stapel von Texten, die sich alle irgendwie aufeinander beziehen. Hinzu kommen noch im allgemeinen Sprachgebrauch unübliche Formulierungen und sogar sprachliche Fehler, die das Verständnis erschweren.
Ich kann daher trotz intensiven Bemühens nicht garantieren, die rechtliche Lage in allen Feinheiten und vollständig korrekt erfaßt zu haben. Trotzdem mußte ich es versuchen, da es leider keine allgemeinverständliche Darstellung der aktuellen Rechtslage von offizieller Seite gibt. Diese Darstellung aus naturwissenschaftlicher Sicht ist deshalb als Diskussionsgrundlage zu verstehen und ich würde es sehr begrüßen, möglichst bald von juristisch mit den angesprochenen Rechtsakten vertrauten Experten auf Ungenauigkeiten, Auslassungen oder gar Fehler aufmerksam gemacht zu werden. Ideal wäre es natürlich, wenn die Verantwortlichen im Bundeslandwirtschaftsministerium zu einer eigenen Gesamtdarstellung angeregt würden.
In ihrer Fassung vom 21.5.1997 untersagte die deutsche Verordnung über die hygienischen Anforderungen und amtlichen Untersuchungen beim Verkehr mit Fleisch (Fleischhygiene-Verordnung, Bundesgesetzblatt I ab Seite 1138) in der Anlage 1, Kapitel I (Schlachttieruntersuchungen), Absatz 5.1 die Erteilung einer Schlachterlaubnis bei Tieren mit Verdacht auf Milzbrand, Rauschbrand, Tollwut, Rotz, Tetanus, Botulismus, ansteckende Blutarmut der Einhufer, Rinderpest, oder Maltafiber, nicht jedoch bei Verdacht auf BSE. Gemäß Absatz 5a konnte, mußte aber nicht die Schlachterlaubnis versagt werden, wenn bei untersuchten Tieren andere auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten festgestellt wurden oder Verdacht darauf bestand. Allerdings durften laut Absatz 6 Tiere mit Störungen des Allgemeinbefindens oder Erscheinungen einer Krankheit nur geschlachtet werden, wenn gemäß Absatz 8 die Schlachtung räumlich getrennt von den übrigen Schlachtungen vorgenommen wurde.
Die nach der Schlachtung folgende Fleischuntersuchung hat für die Sicherheit hinsichtlich BSE und Traberkrankheit eigentlich keine Bedeutung, weil diese so nicht festgestellt werden können. Allerdings könnte das Anschneiden von Lunge und Lymphknoten zu einer Kontamination des Fleisches führen.
Am 19. Juli 1999 beschloß der zuständige EU-Ministerrat mit seiner Entscheidung 99/534/EG (Amtsblatt Nr. L 204 vom 04/08/1999 S. 0037-0042) eine Verschärfung der Maßnahmen zum Schutz gegen die übertragbaren spongiformen Enzephalopathien bei der Verarbeitung bestimmter tierischer Abfälle.
Im Prinzip sollten spätestens vom 1. Juli 1999 an alle im Sinne der Richtlinie 90/667/EWG als gefährlich oder wenig gefährlich eingeschätzten Abfälle von Säugetieren, zu Brocken von maximal 5 cm Durchmesser zerkleinert und danach mindestens 20 Minuten lang bei Temperaturen oberhalb von 133°C unter einer gesättigten Dampfatmosphäre mit mindestens 3 bar Druck sterilisiert werden. "Gesättigter Dampf" bedeutet, daß stets noch ein Rest flüssigen Wassers als Vedunstungsreserve übrig bleiben muß. Auf diese Dampfdrucksterilisation darf nur verzichtet werden, wenn die selben Bedingungen in einem folgenden Verarbeitungsprozeß erreicht werden, oder wenn das anschließend gewonnene Eiweißmaterial durch Vergraben, Verbrennung, oder eine ähnliche wirksame Methode unschädlich beseitigt wird.
Die Dampfdrucksterilisation ist das einzige im großtechnischen Maßstab anwendbare Verfahren, welches im Experiment die Infektiosität von Scrapie- oder BSE-infizierten Tieren befriedigend reduzierte. Allerdings reduziert dieses Verfahren auch deutlich die Qualität der so behandelten tierischen Gewebe. Für die Futtermittelproduktion ist das unerheblich, weil hierfür im Wesentlichen die Aminosäuren gebraucht werden und diese bleiben bei schonender Trocknung intakt. Aber viele Produkte der chemischen und der Pharmaindustrie ließen sich aus so vorbehandelten Rohstoffen zumindest nicht mehr in konkurrenzfähiger Qualität herstellen. Daher wurden zum Schutz dieser europäischen Industriezweige Ausnahmen von der BSE-sicheren Sterilisation zugelassen.
Außerdem hält man offenbar übertragbare spongiforme Enzephalopathien nur bei landwirtschaftlichen Nutztieren für gefährlich. Dabei hat man wohl übersehen, daß immer mehr Tierarten praktisch nur noch in Zoos existieren oder zumindest auf einen genetischen Austausch mit den dort lebenden Exemplaren dringend angewiesen sind. Scrapie- oder BSE-Epidemien in solchen Zoopopulationen könnten daher unersetzliche Tierarten ausrotten. Sehr seltsam mutet auch an, daß man die Gesundheit der von ihren Besitzern so sehr geliebten Haustiere anscheinend für nicht so wichtig hält.
Ausgenommen von der obligatorischen Dampfdrucksterilisation wurden:
Bis zum 1. Juli 2000 wurden von der Pflicht zur Dampfdrucksterilisation ebenfalls ausgenommen:
k. gefährliche Abfälle von Wiederkäuern für die Herstellung von ausgelassenen Fetten, ausgenommen bei dieser Herstellung anfallende GriebenAusgenommen von der Pflicht zur Dampfdrucksterilisation und der Entfernung unlöslicher Verunreinigungen wurden darüber hinaus alle Wiederkäuerabfälle, aus denen ausgelassene Fette hergestellt werden, die ihrerseits nach einer der folgenden Methoden weiterverarbeitet werden:
Seit dem 1.7.2000 darf endlich kein Fleischknochenmehl mehr ohne Dampfdrucksterilisation aus für den menschlichen Verzehr ausgeweideten Schlachttierkörpern hergestellt werden. Die bei der Herstellung von Seife, Glycerin, Fettsäuren und Estern verwendete Kombination hochkonzentrierter Lauge und Hitze dürfte zur vollständigen Inkativierung ausreichen. Tierfett darf seit dem 1.7.2000 nur noch aus Nichtwiederkäuern sowie aus nicht erkennbar kranken Wiederkäuern ohne Dampfdrucksterilisation produziert werden.
Das bedeutet aber auch, daß symptomfrei BSE-infizierte Rinder immer noch ohne ausreichende Sterilisation zu Futter für Heim-, Zoo-, Zirkus- oder Pelztieren, Jagdhunden sowie Maden verarbeitet werden dürfen. BSE-Erreger aus nicht offensichtlich kranken Rindern können außerdem weiterhin ohne ausreichende Sterilisation in die Produktion von Gelatine, Arzneimitteln, Tierfett und allen anderen Erzeugnissen gelangen, die weder der menschlichen oder tierischen Ernährung, noch als Düngemittel dienen. Schließlich dürfen auch Blut und Milch unerkannt geschlachteter BSE-Kühe ohne Dampfdrucksterilisation zu was auch immer verarbeitet werden.
Wenigstens müssen aber ab dem 1. Januar 2001 alle ausgelassenen Fette aus Wiederkäuerabfällen so gereinigt werden, daß der Rest an unlöslichen Unreinheiten insgesamt 0,15 % nach Gewicht nicht überschreitet. Dennoch garantieren die erlaubten Prozesse zur Herstellung von Tierfett und Gelatine keine vollständige Inaktivierung von BSE- und Scrapie-Erregern.
Die Verordnung zur Änderung der Viehverkehrsverordnung und anderer tierseuchenrechtlicher Vorschriften in ihrer Fassung vom 18. April 2000 (ausgegeben zu Bonn am 25. April 2000 im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2000 Teil I Nr. 17, ab Seite 531) soll die EU-Entscheidung 99/534/EG (Entscheidung L204 Seite 37) in deutsches Recht umsetzen.
Sie ändert in Artikel 1 die Viehverkehrsverordnung, die man in ihrer vollständigen Neufassung in der selben Ausgabe des Bundesgesetzblattes ab Seite 547 findet.
Die Verordnung zum Schutz gegen die Verschleppung von Tierseuchen im Viehverkehr (Viehverkehrsverordnung) in ihrer Fassung vom 18. April 2000 (ausgegeben zu Bonn am 25. April 2000 im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2000 Teil I Nr. 17, ab Seite 547) verbietet in Abschnitt 10a / Paragraph 24a / Absatz 2 das Verfüttern proteinhaltiger Erzeugnisse aus Säugetiergewebe an Wiederkäuer. Von diesem Verbot ausgenommen sind allerdings:
sowie Mischfuttermittel, die außer diesen Einzelfuttermitteln keine anderen proteinhaltigen Erzeugnisse aus Säugetiergewebe enthalten.
In den Artikeln 6a und 6b wird die Futtermittelherstellungs-Verordnung geändert. Die Hersteller und die von ihnen erzeugten Einzelfuttermittel müssen den Bestimmungen des Anhangs II Kapitel II bzw. III der Richtlinie 90/667/EWG in der jeweils geltenden Fassung entsprechen, sofern nicht die Produzenten ausschließlich Fischmehl herstellen.
Grundsätzlich verbietet das seit dem 24. Juni 1998 gültige Futtermittelgesetz (ausgegeben zu Bonn am 22. Juli 1998 im Bundesgesetzblatt Jahrgang 1998 Teil I Nr. 45, ab Seite 1851) die Herstellung, das in Verkehr bringen und die Verfütterung von Futtermitteln, die bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Verfütterung die Gesundheit von Tieren schädigen sowie Qualität und Unbedenklichkeit von aus Nutztieren gewonnenen Erzeugnissen beeinträchtigen könnten.
Artikel 6b legt außerdem fest, daß Futtermittel aus Grieben und Knochen nach Paragraph 5 Absatz 1 der Tierkörperbeseitigungsanstalten-Verordnung hergestellt werden müssen, sofern sie nicht ausschließlich für Heimtierfutter produziert werden. Aus Wiederkäuern hergestellte ausgelassene Fette müssen so gereinigt werden, daß die unlöslichen Verunreinigungen 0,15% des Gesamtgewichtes nicht überschreiten. Diese Bedingungen müssen allerdings nicht eingehalten werden, wenn aus Wiederkäuern hergestellte ausgelassene Fette mit einem Verfahren behandelt werden, das mindestens die oben genannten Kriterien im Anhang II der Entscheidung 99/534/EG in der jeweils gültigen Fassung erfüllt.
In Artikel 10a auf Seite 544 wird die Tierkörperbeseitigungsanstalten-Verordnung vom 1. September 1976 (BGBl. I S. 2587) (zuletzt geändert durch die Verordnung vom 17. Dezember 1997 laut BGBl. I S. 3136) geändert. Gemäß Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 und Satz 3 müssen die tierischen Abfälle mindestens 20 Minuten lang ununterbrochen bei einer Temperatur von mindestens 133°C und einem mit gesättigtem Dampf erzeugten Druck von mindestens 3 bar unter ständigem Durchmischen heiß gehalten werden.
Dies gilt jedoch nicht für:
Hinsichtlich der Kontrolle der neuen Regelungen ist auch noch die Verordnung über Probenahmeverfahren und Analysemethoden für die amtliche Futtermittelüberwachung (Futtermittel-Probenahme- und -Analyse-Verordnung) vom 15. März 2000, (ausgegeben zu Bonn am 22. März 2000 im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2000 Teil I Nr. 10, ab Seite 227) zu beachten.
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