Das Gesetz über das Verbot des Verfütterns, des innergemeinschaftlichen Verbringens und der Ausfuhr bestimmter Futtermittel

Roland Heynkes, 23. Dezember 2000

Gliederung

Die Bestimmungen des Gesetzes in verständlichem Deutsch
Das Gesetz ist in einigen Punkten unklar bzw. mangelhaft.
wissenschaftliche Argumente für konsequente Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Prionkrankheiten bei Tieren
Literaturliste

Die Bestimmungen des Gesetzes in verständlichem Deutsch

Das Gesetz über das Verbot des Verfütterns, des innergemeinschaftlichen Verbringens und der Ausfuhr bestimmter Futtermittel wurde am 30. November 2000 vom Bundestag beschlossen und schon am 1. Dezember 2000 vom Bundesrat abgesegnet sowie vom Bundespräsidenten unterschrieben und veröffentlicht im Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2000 Teil I Nr. 52, ab Seite 1635.

Das Gesetz verbietet das Verfüttern von proteinhaltigen Erzeugnissen und Fetten, welche aus warmblütigen Landtieren oder Fischen hergestellt wurden, an Nutztiere im Sinne des Paragraphen 2b Abs. 1 Nr. 7 des Futtermittelgesetzes (ausgegeben zu Bonn am 22. Juli 1998 im Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1998 Teil I Nr. 45, Seite 1851). Nutztiere in diesem Sinne sind Exemplare von Tierarten, die üblicherweise zum Zwecke der Gewinnung tierischer Erzeugnisse gehalten werden, aber auch Pferde. Das Verfütterungsverbot soll nun aber nur für Nutztiere gelten, die zur Gewinnung von Lebensmitteln bestimmt sind. Demnach wären neben Pelztieren und Schlangen für die Serumgewinnung auch Pferde vom Verfütterungsverbot ausgenommen.

Ausgenommen vom Verfütterungsverbot sind aber auch Milch und Milcherzeugnisse und aus Fischen gewonnene proteinhaltige Erzeugnisse und Fette für die Verfütterung an Fische. Außerdem dürfen Tierhalter nicht für Wiederkäuer bestimmte Futtermittel aufbrauchen, sofern sie sich am Tag der Verkündung des Gesetzes bereits in ihrem Besitz befanden und zur Sicherstellung der Ernährung der nicht wiederkäuenden Tiere erforderlich sind.

Unverändert gültig läßt das neue Verfütterungsverbot den Paragraphen 24a Absatz 1 der Viehverkehrsordnung (ausgegeben zu Bonn am 25. April 2000 im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2000 Teil I Nr. 17, ab Seite 553), nach dem das Verfüttern von Speiseabfällen an Klauentiere generell verboten ist, jedoch von den zuständigen Behörden ausnahmsweise für Schweine erlaubt werden kann. Voraussetzung für eine solche Zulassung soll allerdings sein, daß vor dem Verfüttern in ausreichend von Betrieben mit Klauentierhaltung entfernten Anlagen Tierseuchenerreger durch von zuständigen Behörden zugelassene Erhitzungsverfahren abgetötet werden und der Verfütterung keine Belange der Tierseuchenbekämpfung entgegen stehen.

Die in Deutschland künftig nicht mehr für die Verfütterung zugelassenen Materialien sollen aber auch nicht mehr exportiert werden dürfen.

Der Paragraph 24a Absatz 2 der Viehverkehrsordnung (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2000 Teil I Nr. 17, Seite 553) wird aufgehoben und der Hinweis auf diesen Paragraphen im Paragraphen 25 Absatz 2 Nr. 14 (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2000 Teil I Nr. 17, Seite 557) wird gestrichen, weil das Verfütterungsverbot nun umfassender durch das neue Gesetz geregelt wird.

Das Gesetz ist in einigen Punkten unklar bzw. mangelhaft

Ein Hauptgrund für die Ausweitung des Verfütterungsverbotes auf Schweine, Geflügel und Fische war die Gefahr der versehentlichen oder absichtlichen Vermischung von Rinderfutter mit Tiermehl bzw. Fleischknochenmehl enthaltenden Futtermitteln für andere Tierarten. Deshalb ist es unverständlich, daß das Verfütterungsverbot nicht auch Pferde umfaßt. Welchen Sinn sollte es machen, Tiermehl in Fischfutter, nicht jedoch in Pferdefutter zu verbieten. Es ist daher zu vermuten, daß das Gesetz in diesem Punkt versehentlich so formuliert wurde.

Man kann verstehen, daß man die Verfütterung von Schlachtabfällen an Pelztiere und Schlangen für akzeptabel hält. Anders ist es aber mit Zoo-, Zirkus- und Heimtieren. Zootiere können unersetzliche Genreserven aussterbender Tierarten darstellen, gut ausgebildete Zirkustiere stellen genau wie Blindenhunde einen enormen wirtschaftlichen Wert dar und der Verlust eines geliebten Haustieres kann gerade auf Kinder und einsame alte Menschen traumatisch wirken.

Es macht auch wenig Sinn, die direkte Verfütterung tierischer Abfälle, nicht aber deren Herstellung und die Verwendung als Dünger für die Weiden und Felder zu verbieten. Es bleibt zu klären, ob dies versehentlich oder absichtlich geschah. Dieser Mangel soll aber anscheinend im kommenden Jahr korrigiert werden.

Zu kritisieren ist außerdem, das die Aktivitäten zum Schutz der Bevölkerung vor BSE weiterhin vom Landwirtschaftsministerium geleitet werden sollen. Dort hat man lange genug Untätigkeit und Unfähigkeit demonstriert und vor allem ist der dort für BSE zuständige Staatssekretär Dr. Wille weiterhin nicht gewillt, eine offene wissenschaftliche Diskussion über die Fakten und deren korrekte Interpretation zuzulassen. Er weigert sich beharrlich, die Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen und will sich nur von selbst ausgewählten Experten beraten lassen. Seine wahre Zielsetzung hat er schon wieder gezeigt, als er mit einer Eilverordnung versuchte, nachträglich noch die Fütterung von Kälbern mit für den menschlichen Verzehr zugelassenen Fetten wie Schmalz und Talg zu erlauben. Er tat dies unter dem durchsichtigen Vorwand, die Kälber müßten ansonsten verhungern. Da jeder weiß, daß sich Kälber durchaus auch von Milch ernähren können und daß hierdurch das Problem des europäischen Milchüberangebotes entschärft würde, gilt das Interesse des Bundeslandwirtschaftsministeriums offensichtlich weiterhin in erster Linie der möglichst kostengünstigen Entsorgung von Schlachtabfällen.

Katastrophal im Hinblick auf die Bewahrung bäuerlicher Existenzen und den Verbraucherschutz war die Fehlleistung des Bundeslandwirtschaftsministeriums im Hinblick auf die Durchsetzung des Verbotes der Verfütterung von Tiermehl und Fleischknochenmehl an Wiederkäuer. Obwohl dem Bundeslandwirtschaftsministerium aus verschiedenen Bundesländern Verunreinigungen von Wiederkäuerfutter durch Schlachtabfallprodukte gemeldet wurden und obwohl der wissenschaftliche Lenkungsausschuß der EU bereits im September 1998 und noch einmal im Oktober 2000 ausdrücklich vor dem Problem Kreuzkontamination gewarnt hatte, hat man die Bedeutung dieser Verstöße gegen Sinn und Geist des Gesetzes für die BSE-Sicherheit nicht erkannt oder erkennen wollen. Man hat die Untersuchungsergebnisse aber auch nicht bekannt gemacht und damit Wissenschaftlern und dem Bundesgesundheitsministerium die Chance genommen, eigene Risikobewertungen vorzunehmen. Ganz im Gegenteil hat der im Bundeslandwirtschaftsministerium zuständige Prof. Zwingmann sogar noch im Dezember 2000 in Anwesenheit zahlreicher Bundestagsabgeordneter, Fachleute aus den Landeslandwirtschaftsministerien und Direktoren von Bundesforschungsanstalten vehement geleugnet, daß eine Kontamination von Wiederkäuerfutter mit Tier- oder Fleischknochenmehl in der deutschen Futtermittelindustrie überhaupt denkbar sei. Staatssekretär Dr. Wille saß dabei direkt neben Prof. Zwingmann und stellte dessen Lügen nicht richtig. Nun mußte Dr. Wille am 23.12.2000 in einem Fernsehinterview zugeben, spätestens seit dem 9.10.2000 aufgrund einer EU-Inspektion von erheblichen und bereits seit 1994 auch in Deutschland verbotenen Tiermehlbeimengungen zu deutschem Rinderfutter gewußt zu haben. Eine derart dreiste Desinformationspolitik disqualifiziert selbstverständlich Dr. Wille und Prof. Zwingmann für leitende Stellungen im künftigen BSE-Risikomanagement.

Anstatt aber wenigstens jetzt endlich die wissenschaftliche Bewertung von BSE-Risiken in Deutschland an ein für alle Experten offenes und von politischen Weisungen unabhängiges Wissenschaftlergremium zu übergeben, wurden in den Arbeitskreis BSE und die diesen beratenden wissenschaftlichen Arbeitsgruppen wieder nur die Leiter von Instituten mit staatlichen Überwachungsaufgaben berufen. Unabhängige Experten wurden wieder einmal ausgeschlossen und damit auch die Argumente und Kenntnisse der wenigen deutschen Fachleute, die seit Jahren speziell BSE-Übertragungsrisiken erforschen.

wissenschaftliche Argumente für konsequente Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Prionkrankheiten bei Tieren

Die britische Arbeitsgruppe Taylor publizierte 1995 eine Studie, welche die Effektivitäten von 12 Tiermehlproduktionsvefahren im Hinblick auf die Inaktivierung von BSE-Infektiosität verglich [FUL]. Nur beim in Deutschland schon seit Jahrzehnten für die Tiermehlproduktion üblichen und seit Juli diesen Jahres auch für die Sterilisation normaler Schlachtabfälle vorgeschriebene Verfahren mit 133°C bei 3 bar Druck über mindestens 20 Minuten, konnte die Studie keine Restinfektiosität mehr nachweisen. Die Autoren wiesen jedoch in der Diskussion ihrer Daten darauf hin, daß sie aufgrund der relativ geringen Empfindlichkeit ihres Testverfahrens bereits ab einer Reduktion der Ausgangsinfektiosität um den Faktor 100 keine Restinfektiosität mehr nachweisen konnten. Sie erklären daher ausdrücklich, daß ihre Studie selbst für das deutsche Dampfdrucksterilisationsverfahren nicht die Fähigkeit zur totalen Inaktivierung des BSE-Erregers nachweisen konnte. Wer die Taylor-Studie selbst nicht gelesen hatte, konnte seit dem Frühjahr 1998 auch in einer Stellungnahme des wissenschaftlichen Lenkungsausschusses nachlesen, daß auch das deutsche Verfahren zur Tiermehlherstellung kein vollständig sicheres Produkt garantiert.

Eine Simulation des inzwischen auch in den beiden niederländischen Tiermehlfabriken verwendeten 133°C-Dampfdrucksterilisationsverfahrens im Labormaßstab, zeigte Reduktionen von BSE- und Scrapie-Infektiosität um 2-3 Größenordnungen [JHQ]. Das aus BSE-infektiösem Rohmaterial hergestellte Tiermehl erwies sich aber dennoch als tödlich für einige der damit infizierten Mäuse [JHQ]. Wir müssen daher damit rechnen, daß selbst korrekt nach deutschem Recht produziertes Tiermehl und Fleischknochenmehl noch BSE-Infektiosität aufweisen würde, wenn es aus BSE-infizierten Rindern produziert würde. Ein bisher kaum beachtetes Problem in diesem Zusammenhang sind auch die Abwässer von Schlachthöfen und Betrieben zur Tierkörperverwertung. Hier besteht dringender Bedarf an einer wissenschaftlichen Risikobewertung.

Gerade hat uns der Fall der nach unauffälliger Veterinäruntersuchung in Itzehoe normal geschlachteten BSE-Kuh vor Augen geführt, daß auch für den menschlichen Verzehr für tauglich befundene deutsche Rinder BSE haben können. Ohne den BSE-Schnelltest wären das Fleisch dieses Tieres in den Handel und seine Schlachtabfälle in Form von Fleischknochenmehl in das Futter von Schweinen, Gefügel und Zuchtfischen gelangt. Wäre diese BSE-Kuh aber wie die meisten deutschen Schlachtrinder bereits nach anderthalb bis 2 Jahren geschlachtet worden, dann hätte man ihre BSE-Infektion mit keinem heute existierenden BSE-Test nachweisen können. Unsicher ist daher nicht nur Tiermehl, sondern auch Fleischknochenmehl.

Aufgrund der Entscheidung der EU-Komission 94/381/EC war das Verfüttern von Säugetierprotein an Wiederkäuer schon seit 1994 verboten. Zwar weichte die Entscheidung der EU-Komission 95/60/EC aufgrund einer Empfehlung des wissenschaftlichen Veterinärausschusses von 12. Dezember 1994 dieses Verbot 1995 auf, aber wenigstens die Verfütterung von Tiermehl und Fleischknochenmehl an Rinder blieb verboten. Aber Rinderfutter konnte während der Mischfutterproduktion, des Transportes, oder auf dem Bauernhof durch noch an Metallwänden haftendes Fleischknochenmehl oder mit Fleischknochenmehl produziertes Schweinefutter verunreinigt werden. Die erst nach dem ersten deutschen BSE-Fall öffentlich zugegebenen Nachweise von Tiermehl in deutschem Rinderfutter machen deutlich, wie real diese Gefahr war. Aber auch gründliche Untersuchungen in der Schweiz und Großbritannien haben gezeigt, daß die sogenannte Kreuzkontamination ein ernstes Problem darstellt [AFOP]. Im September 1998 bezeichnete der wissenschaftliche Lenkungsausschuß der EU solche Kreuzkontaminationen wegen der Neigung von Fleischknochenmehlpartikeln zur Haftung an Metallwänden und wegen der in Europa üblichen Produktion von Futtermitteln für Rinder und Schweine in den selben Produktionsstätten als unvermeidlich. Die dem wissenschaftliche Lenkungsausschuß der EU vorliegenden Daten zeigten, daß 4 Produktionszyklen ohne Fleischknochenmehl erforderlich wären, um danach eine kontaminationsfreie Produktion von Rinderfutter zu gewährleisten. Wegen der Nachweisgrenzen für Tiermehl in Rinderfutter sowie wegen der Möglichkeit einer Verunreinigung rein pflanzlicher Futtermittel mit toten Nagetieren und Gewöllen, können Futtermittelkontrollen sowohl falsch negative, als auch falsch negativ Untersuchungsergebnisse produzieren. Dies macht auch die Kontrolle eines selektiven Tiermehlverbotes nur für Rinderfutter praktisch unmöglich. Zumindest diese offizielle Stellungnahme seitens der Eu mußte allen für diesen Komplex verantwortlichen Personen im Bundeslandwirtschaftsministerium bekannt sein. Fatalerweise hat Prof. Zwingmann vom Bundeslandwirtschaftsministerium diese für deutsche Rindermäster existenzbedrohende Gefahr der Verunreinigung von Rinderfutter mit Tiermehl oder Fleischknochenmehl noch am 22. November 2000 bei der Expertenanhörung im Bundesgesundheitsministerium vehement geleugnet, obwohl zu diesem Zeitpunkt entsprechende Untersuchungsergebnisse aus Bayern längst vorlagen.

BSE-Infektiosität im Schweinefutter ist aber nicht nur wegen der Möglichkeit einer Vermischung mit Wiederkäuerfutter problematisch. Immerhin ist BSE bereits experimentell auf ein Schwein übertragen worden [ANHT]. Zwar blieb eine Handvoll Schweine nach der Verfütterung von nur 12 kg Rinderhirn 6 Jahre lang gesund [GLC1,XYZ], doch dies ist kein Beweis für eine Resistenz von Schweinen gegen die Verfütterung von BSE-Infektiosität. Immerhin gelang es bisher auch nicht, mit Tiermehl im Experiment Rinder zu infizieren. Es hätte nur eines von zig Millionen deutschen Schweinen erfolgreich mit BSE oder Scrapie infiziert werden müssen, und schon hätte sich durch das Verfüttern von Produkten aus Schweineschlachtabfällen an Schweine ein spezifischer Schweineerreger in der gesamten deutschen Schweinepopulation verbreitet. Vielleicht ist dies längst geschehen. Man würde nämlich eine derartige Epidemie unter Schweinen kaum bemerken, weil Schweine erstens in der Regel nur 5-7 Monate alt werden und weil Schweine zweitens ohnehin oft neurotisch sind und plötzlich sterben.

Aber nicht nur BSE- oder Scrapie-infizierte Schweine könnten Menschen infizieren. Auch wenn Hühner und Forellen die Säugetierprione sehr wahrscheinlich nicht in sich vermehren können, muß man doch mit einer Speicherung der Erreger im Körper dieser Tiere rechnen. Man hat entsprechendes sogar schon bei Milben [AMQV,JHZ] und Fliegenmaden [JCN] nachgewiesen.

Außer als Tiermehl oder Fleischknochenmehl werden Tierkadaver auch in Form von Blutprodukten, Tierfett, Gelatine, Eiweißbruchstücken, und Dicalciumphosphat aus entfetteten Knochen an landwirtschaftliche Nutztiere verfüttert und nur Tiermehl und Fleischknochenmehl sind für Wiederkäuerfutter verboten [XXX]. Es gibt bis heute keine Beweise dafür, das diese Produkte BSE und die Traberkrankheit nicht übertragen können und zumindest bei den Blutprodukten ist eine Infektiosität wegen fehlender Sterilisation sogar wahrscheinlich. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die tödliche Infektion eines Schafes mit dem Blut eines über die Nahrung mit BSE infizierten Schafes [AFPS]. Auch die BSE-Sicherheit von Rindertalg wurde schon im September 1997 vom wissenschaftlichen Lenkungsausschuß der EU in Zweifel gezogen. Schon damals wurde empfohlen, selbst in Ländern mit geringem BSE-Risiko keine BSE-Risikogewebe für die Talgproduktion zu verwenden und den Rindertalg für mindestens 20 Minuten auf 133°C zu erhitzen. In diesem Zusammenhang ist es aber vor allem wichtig zu wissen, daß auch nach dem Endes diesen Jahres in Kraft tretenden Verbot des Rückenmarkzerstörers durch die Entscheidung der Kommission 2000/418/EG, allein durch den Bolzenschuß zerstörtes Hirngewebe ins Blut und innere Organe gelangen kann [YAAB].

Aus diesen Gründen muß der Kanibalismus bei allen landwirtschaftlichen Nutztieren vollständig beendet werden. Nicht vergessen darf man aber auch die Problematik der Verfütterung möglicherweise infektiöser Schlachtabfälle an vom Aussterben bedrohte Zootiere. Man hat bereits eine erschreckende Rate von BSE-Infektionen bei Lemuren in französischen Zoos gefunden [ABMF] und auch unter Raubkatzen hat es bereits einige tödliche BSE-Infektionen gegeben [GLC2].

Angesichts der lange bekannten BSE-Infektionen bei Hauskatzen [BPP] sollte man auch nicht vernachlässigen, wie traumatisch der Verlust eines geliebten Haustieres gerade auf Kinder und einsame alte Menschen wirkt. Der Verlust jedes einzelnen Blindenhundes würde schon rein wirtschaftlich einen gewaltigen Schaden bedeuten. Auch Zirkustiere sind alles andere als wertlos. Von gut ausgebildeten Tieren können berufliche Existenzen von Dompteuren abhängen. Die gemäß EU-Ministerratsentscheidung 99/534/EG noch erlaubte Verfütterung nicht dampfdrucksterilisierter Schlachtabfälle an Heim-, Zirkus- und Zootiere muß daher aufhören.

Ein wichtiger Punkt mit dringendem Klärungsbedarf ist auch die Frage, inwieweit aus oder mit Hilfe von Produkten aus landwirtschaftlichen Nutztieren Impfstoffe, Hormone oder Medikamente gewonnen werden, die besonders bei Anwendung bei jeweils den selben Tierarten Prionkrankheiten übertragen könnten.

Nun kann man natürlich fragen, warum man denn durch ein totales Verfütterungsverbot für Schlachtabfälle letzte Risiken für die Übertragung von BSE auf Tiere verhindern soll, während man selbstverständlich kein Verbot für die Produktion von Fleisch für die menschliche Nahrung ausspricht. Hierfür gibt es jedoch gute Gründe. Erstens ist der Mensch wegen der Speziesbarriere weitaus weniger anfällig für BSE-Infektionen als das Rind. Zweitens würde durch das Verfüttern von BSE-Infektiosität an Rinder ein Kreislauf in Gang gesetzt oder gehalten, durch den sich BSE-Infektiosität vermehren und auf die gesamte deutsche Rinderherde ausbreiten könnte. In Verbindung mit dem Import hunderter Tonnen britischen Tiermehls [AFOP] und zehntausender Rinder und Schafe aus Ländern mit vielen BSE- bzw. Scrapie-Fällen stellt ein solcher Erregerkreislauf als Amplifikationsmechanismus ein hohes Risiko dar. Beim Menschen ist auch dieses Problem geringer.

Auch wenn strikte Maßnahmen eine Ausbreitung von Infektiosität innerhalb des deutschen Tierbestandes unterbinden, sollte natürlich gleichzeitig möglichst wenig Infektiosität importiert werden. Dabei ist aber nicht nur an Rinder aus stärker von BSE betroffenen Ländern, sondern vor allem auch an Schafe aus Ländern mit großen Scrapieproblemen zu denken. Und wenn auch bisher keine bestätigten Berichte über BSE und Scrapie aus osteuropäischen Ländern vorliegen, so kann dies angesichts massiver Importe von möglicherweise infektiösem Tiermehl und laut Berichten in den Medien sogar in unbekanntem Ausmaß vorgekommenem Schmuggel britischer Rinder kaum beruhigen. Hier wäre eine Analyse der Handelsströme und Schutzmaßnahmen von Nicht-EU-Ländern durch den wissenschaftlichen Lenkungsausschuß mit dem Ziel einer geographischen Risikobewertung sehr nützlich.

Schon diese kurze und allein auf den Infektionsschutz von Tieren konzentrierte Beschreibung vorhandener Sicherheitsprobleme veranschaulicht die Komplexität des BSE-Problems. Diese Komplexität und die große Zahl sehr unterschiedlicher Fachbereiche macht es extrem schwierig für kleine Expertengruppen, alle relevanten Faktoren zu erkennen und richtig zu bewerten. Deshalb ist es zur Vermeidung künftiger Fehlentwicklungen dringend erforderlich, die Kommunikationsstrukturen innerhalb der Prionforschung zu verbessern. Aber auch die Beratung der Politik durch die Wissenschaft sollte nicht mehr durch willkürliche oder zufällige Auswahl weniger Berater, sondern durch das Abfragen von Konsensbildungen durch eine für alle Experten offene Konferenz geschehen. Eine detaillierte Beschreibung bestehender Kommunikationsprobleme sowie Vorschläge zu deren Behebung liegen bereits vor.

Literaturliste

ABMF . Bons,N.; Mestre-Frances,N.; Belli,P.; Cathala,F.; Gajdusek,D.C.; Brown,P. - Natural and experimental oral infection of nonhuman primates by bovine spongiform encephalopathy agents - Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 1999 March 30; 96(7): 4046-51

JHZ . Carp,R.I.; Meeker,H.C.; Rubenstein,R.; Sigurdarson,S.; Papini,M.; Kascsak,R.J.; Kozlowski,P.B.; Wisniewski,H.M. - Characteristics of scrapie isolates derived from hay mites - Journal of Neurovirology 2000 Apr; 6(2): 137-44

ANHT . Dawson,M.; Wells,G.A.; Parker,B.N.; Scott,A.C. - Primary parenteral transmission of bovine spongiform encephalopathy to the pig - The Veterinary Record 1990 Sep 29; 127(13): 338

XYZ . Food Standards Agency - Review of BSE-controls (December 2000) - http://www.bsereview.org.uk/data/report.htm

AFOP(1) . Hörnlimann,B.; Guidon,D.; Griot,C. - Risikoeinschätzung für die Einschleppung von BSE - Deutsche tierärztliche Wochenschrift. DTW 1994; 101(7): 295-8 AFOP(2)

AFPS . Houston,F.; Foster,J.D.; Chong,A.; Hunter,N.; Bostock,C.J. - Transmission of BSE by blood transfusion in sheep - Lancet 2000 Sep 16; 356(9234): 999-1000

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JHQ . Schreuder,B.E.; Geertsma,R.E.; van Keulen,L.J.; van Asten,J.A.; Enthoven,P.; Oberthur,R.C.; de Koeijer,A.A.; Osterhaus,A.D. - Studies on the efficacy of hyperbaric rendering procedures in inactivating bovine spongiform encephalopathy (BSE) and scrapie agents - Veterinary Record 1998 May 2; 142(18): 474-80

FUL . Taylor,D.M.; Woodgate,S.L.; Atkinson,M.J. - Inactivation of the bovine spongiform encephalopathy agent by rendering procedures - The Veterinary Record 1995; 137(N24): 605-10

XXX . Verordnung zur Änderung der Viehverkehrsverordnung und anderer tierseuchenrechtlicher Vorschriften in ihrer Fassung vom 18. April 2000 (ausgegeben zu Bonn am 25. April 2000 im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2000 Teil I Nr. 17, ab Seite 531)

GLC(1) . World Health Organization - Excerpts from report of WHO Consultation on Clinical and Neuropathological Characteristics of the New Variant of CJD and Other Human and Animal Transmissible Spongiform Encephalopathies, Geneva, Switzerland 14 to 16 May 1996 (with the participation of OIE) - http://www.who.int/emc/diseases/bse/may14rep.html GLC(2)

AMQV . Wisniewski,H.M.; Sigurdarson,S.; Rubenstein,R.; Kascsak,R.J.; Carp,R.I. - Mites as vectors for scrapie - Lancet 1996; 347(N9008): 1114

BPP . Wyatt,J.M.; Pearson,G.R.; Smerdon,T.N.; Gruffydd-Jones,T.J.; Wells,G.A.; Wilesmith,J.W. - Naturally occurring scrapie-like spongiform encephalopathy in five domestic cats - The Veterinary Record 1991 Sep 14; 129(11): 233-6

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