Lancet 2003 Jul 12; 362(9378): 128-30

Roland Heynkes, 11.8.2003

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meine Zusammenfassung des Artikels
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Brandel,J.P.; Preece,M.; Brown,P.; Croes,E.; Laplanche,J.L.; Agid,Y.; Will,R.; Alpérovitch,A. - Distribution of codon 129 genotype in human growth hormone-treated CJD patients in France and the UK - Lancet 2003 Jul 12; 362(9378): 128-30

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In Frankreich, den USA und England ist die Behandlung mit aus menschlichen Hypophysen gewonnenem Wachstumshormon (h-GH) die häufigste iatrogene Ursache für Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen. Infizierte Kleinwüchsige waren in Frankreich 1-13 Jahre lang (durchschnittlich 6,4) und im Vereinigten Königreich 2-11 Jahre lang (durchschnittlich 6,5) behandelt worden. Gemessen von der Mitte der Behandlung als mutmaßlicher Infektionsquelle betrugen die hypothetischen Inkubationszeiten bis Ende 2000 in Frankreich 11,0 und im Vereinigten Königreich 15,0 Jahre.

Die Patienten litten hauptsächlich unter einer Ataxie und einer spät beginnenden Demenz und sollen von daher eher Kuru-Patienten als sporadischen CJK-Fällen ähneln. Seit den ersten Fällen von 1984 im Vereinigten Königreich, 1985 in den USA und 1989 in Frankreich, wurden bis Ende 2000 in Frankreich 81, im Vereinigten Königreich 37 und in den USA 22 Fälle bekannt. Die Durchschnittsalter lagen bei 24,2 Jahren in Frankreich und 27,8 Jahren im Vereinigten Königreich. In Frankreich waren 49,4% (40 von 81) der Patienten zum Zeitpunkt der Erkrankung 24 Jahre alt oder jünger, während dies bei nur 22% (8 von 37) der britischen Patienten der Fall war.

Bei 77 von 81 (95%) französischen und 27 von 37 (73%) britischen Patienten konnte der Genotyp hinsichtlich des Codons 129 des Prionprotein-Gens ermittelt und mit der Normalbevölkerung sowie unter einander verglichen werden. Von den 22 US-Patienten konnten nur 9 genotypisiert werden. Dabei zeigte sich erneut, daß Homozygote (MM und VV) ein erheblich höheres Erkrankungsrisiko und tendenziell kürzere Inkubationszeiten als Heterozygote (MV) haben. In Frankreich fand man bei den ersten 30 Genotypbestimmungen in den Jahren 1989-1993 ausschließlich Homozygote (MM oder VV). Im Vereinigten Königreich hingegen fand man keine erheblichen Unterschiede zwischen Valin-Homozygoten und Heterozygoten hinsichtlich des zeitlichen Auftretens. Außerdem fand man bei den durch Wachstumshormoninjektionen infizierten deutlich häufiger als bei den sogenannten sporadischen CJK-Fällen in Europa das Valin-Allel auf beiden Chromosomen (VV). Besonders überrascht waren die Autoren über den deutlichen Unterschied zwischen französischen und britischen Patienten. Verglichen mit der Normalbevölkerung scheint Methionin-Homozygotie in Frankreich ein Risikofaktor, in England hingegen ein Schutzfaktor im Hinblick auf iatrogene Infektionen bei behandelten Kleinwüchsigen zu sein. Die wenigen US-Patienten mit bekanntem Genotyp deuten darauf hin, daß die Allel-Verteilung dort eher den französischen Verhältnissen entspricht.

Verteilung der Genotypen hinsichtlich des PrP-Codons-129
Zahl bzw. Anteil[%] der Patienten dem jeweiligen Codon-129-Genotyp
  MM VV MV
normale Bevölkerung[AAFZ] 156 (39%) 44 (11%) 198 (50%)
französische Normalbvölkerung[AHAS] 38 (41%) 9 (10%) 45 (49%)
britische Normalbvölkerung[AJDZ] 39 (37%) 13 (12%) 54 (51%)
h-GH-CJK (alle Patienten) 54 (48%) 33 (29%) 26 (23%)
französische h-GH-CJK 48 (62%) 17 (22%) 12 (16%)
britische h-GH-CJK 1  (4%) 14 (52%) 12 (44%)
sporadische CJK (alle Länder)# 1017 (68%) 240 (16%) 238 (16%)
sporadische CJK in Frankreich 260 (66%) 75 (19%) 57 (15%)
sporadische CJK im UK 164 (67%) 44 (18%) 36 (15%)
#von der EU - Collaborative Study Group of Creutzfeldt-Jakob disease (noch nicht publizierte Daten)

Die Autoren finden es schwierig, zu erklären, warum im Vereinigten Königreich nur ein einziger Kleinwüchsiger mit 129-M/M-Homozygotie erkrankte. Sie glauben nicht, daß dafür die etwas unterschiedlichen zeitlichen Muster der Erkrankungen oder die sehr geringen Unterschiede hinsichtlich der Herstellung und Anwendung der Hormone dafür verantwortlich sein könnten. Allerdings hatten England und Frankreich jeweils ihre eigenen Spendergruppen. Daher könnte es sich um unterschiedliche "Erreger"-Stämme handeln. Dies wäre allerdings sehr unwahrscheinlich, wenn nicht alle britischen Fälle von jeweils einem einzigen Spender infiziert wurden. Es wäre zu klären, ob dies überhaupt möglich ist.

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AAFZ . Alpérovitch,A.; Zerr,I.; Pocchiari,M.; Mitrová,E.; de Pedro Cuesta,J.; Hegyi,I.; Collins,S.; Kretzschmar,H.A.; van Duijn,C.; Will,R.G. - Codon 129 prion protein genotype and sporadic Creutzfeldt-Jakob disease - Lancet 1999 May 15; 353(9165): 1673-4

AHAS . Laplanche,J.L.; Delasnerie-Lauprêtre,N.; Brandel,J.P.; Chatelain,J.; Beaudry,P.; Alpérovitch,A.; Launay,J.M. - Molecular genetics of prion diseases in France. French Research Group on Epidemiology of Human Spongiform Encephalopathies. - Neurology 1994 Dec; 44(12): 2347-51

AJDZ . Palmer,M.S.; Dryden,A.J.; Hughes,J.T.; Collinge,J. - Homozygous prion protein genotype predisposes to sporadic Creutzfeldt-Jakob disease - Nature 1991 Jul 25; 352(6333): 340-2

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