Veterinary Record 1995; 136(N23): 592

Roland Heynkes, 24.5.2001 (zuletzt aktualisiert am 12.12.2001)

Gliederung

bibliographische Angaben
meine Zusammenfassung des Artikels
Literaturliste

bibliographische Angaben

Taylor,D.M.; Ferguson,C.E.; Bostock,C.J.; Dawson,M. - Absence of disease in mice receiving milk from cows with bovine spongiform encephalopathy - Veterinary Record 1995; 136(N23): 592

meine Zusammenfassung des Artikels

Von 6 klinisch an BSE erkrankten tragenden Kühen in verschiedenen Phasen der Laktation wurden jeweils 10 Liter Milch gewonnen. Mit jeder Probe wurde eine Gruppe junger RIII/FaDk-Mäuse mit jeweils 20 µl intrazerebral und 100 µl intraperitoneal inokuliert. Die Mäuse wurden bis zu 653 Tage lang beobachtet. Anderen Mäusen wurden 40 Tage lang 10 ml Milch pro Tag und Maus angeboten, von denen durchschnittlich insgesamt 300 ml konsumiert wurden. Diese Mäuse wurden bis zu 702 Tage lang beobachtet. 275 Mäuse überlebten mindestens 300 Tage und immerhin 88 intrazerebral sowie 72 oral inokulierte Mäuse wurden mehr als 600 Tage lang beobachtet. Alle gestorbenen oder getöteten Tiere wurden neurohistopathologisch untersucht und bei keiner Maus wurden irgendwelche Anzeichen für BSE-Infektionen gefunden. Die Publikation macht keinerlei Angaben darüber, welche Arbeiten in der Abteilung für Pathogenese (Taylor, Edinburgh) oder im Compton-Labor (Ferguson und Bostock) des Institutes für Tiergesundheit, oder im zentralen Veterinärlabor in New Haw (Dawson) bei Addlestone und Weybridge im Südwesten Londons (Surrey) durchgeführt wurden.

Zahlen der innerhalb bestimmter Beobachtungszeiträume nach der intrazerebralen bzw. oralen Inokulation ohne neurologische Störungen gestorbenen oder getöteten RIII-Mäuse
Milchprobe 300-450 451-600 601-702*
i.c. oral i.c. oral i.c. oral
EL 1 4 4 3 5 19 11
früh 2 3 4 8 3 16 15
mittel 1 7 5 7 5 12 11
mittel 2 5 2 6 4 18 11
spät 1 4 3 6 3 19 13
spät 2 2 4 13 5 4 11
Summe 25 22 43 25 88 72
* Die intrazerebral inokulierten Mäuse wurden spätestens nach 653 Tagen getötet.

Die Aufnahme von Infektiosität über die Nahrung ist kaum vergleichbar mit einer Injektion direkt ins Gehirn. Daher stellt die Tabelle dieses Artikels eigentlich die Ergebnisse zweier Experimente dar, die auch separat bewertet werden sollen.

Ein halbes Jahrzehnt nach der hier beschriebenen Arbeit fütterte Taylor in einem vergleichbaren Experiment 15 RIII-Mäuse mit jeweils 300 mg BSE-infektiösen Hirnhomogenates [ALMQ]. Daraus resultierend erkrankten 12 der 15 Mäuse und die längste Inkubationszeit betrug 547 Tage [ALMQ]. Leider machen die Autoren dieses späteren Artikels keine Angaben über die Inkubationszeiten der übrigen erkrankten Mäuse [ALMQ]. Aber in einem ebenfalls vergleichbaren Verfütterungsexperiment erkrankten 5 von 7 mit durchschnittlich je 9,1 g Gehirnhomogenat plus 4,5 ml Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit gefütterten C57B1-Mäusen 435-504 Tage nach Beginn der Fütterung [ANCB,ANCC]. Weil sich zumindest nach intrazerebraler Inokulation die beiden Mausstämme nur hinsichtlich der Inkubationszeiten, nicht aber hinsichtlich der Infizierbarkeit und der Variabilität der Inkubationszeiten unterscheiden [AEEK], dürften sich die Inkubationszeiten der 12 mit je 300 mg BSE-infektiösen Hirnhomogenates gefütterten RIII-Mäuse [ALMQ] zwischen 460 und 547 Tagen bewegt haben. Bei den nach oraler Inokulation maximal 450 Tage lang beobachteten 22 RIII-Mäusen wäre also nicht einmal dann eine Erkrankung aufgetreten, wenn sie mit 300 ml Hirnhomogenat gefüttert worden wären. Diese 22 Tiere haben also überhaupt nichts in einer Kalkulation der BSE-Sicherheit von Milch zu suchen.

Man konnte aber auch bei den restlichen 97 oral inokulierten RIII-Mäusen keine oder höchstens sehr wenige Erkrankungen erwarten, wenn schon je 300 mg eines 10%igen Hirnhomogenates einer BSE-Kuh nur 12 von 15 RIII-Mäusen infizierten [ALMQ]. Umgerechnet auf die 97 entspräche das 78 infizierten Mäusen und schon bei einer um nur 2 Größenordnungen geringeren Infektiosität wäre man unter der Nachweisgrenze. Das ganze Teilexperiment mit der Verfütterung von je 300 ml Milch sagt also lediglich aus, daß das Gehirn BSE-kranker Kühe mindestens 1000-fach infektiöser als die Milch solcher Tiere ist.

Weniger wirklichkeitsnah als die Verfütterung, dafür aber wesentlich geeigneter für den Nachweis geringer Errermengen ist das Injizieren direkt ins Gehirn der Mäuse. Aber ein Titrationsexperiment mit RIII-Mäusen und hochinfektösem Hirnhomogenat einer BSE-kranken Kuh zeigte, daß man bei intrazerebraler Inokulation von 20 µl bereits ab einer Verdünnung um den Faktor 1000 mit Inkubationszeiten um die 450 Tage rechnen muß [AEEK]. Daher konnte man bei den 25 nur 300-450 Tage nach der intrazerebralen Inokulation von Milch beobachteten RIII-Mäusen überhaupt keine Erkrankungen erwarten. Also verbleiben noch 131 mit jeweils 20 µl intrazerebral inokulierte RIII-Mäuse, die lange genug lebten, um trotz einer um 3 Größenordnungen geringeren Infektiosität des injizierten Materials zu erkranken.

Aber neben der Inkubationszeit wirkt sich eine geringere Infektiosität ja vor allem auf den Anteil der erkrankten Mäuse aus. In besagtem Titrationsexperiment wurden auf jeder Verdünnungsstufe 12 RIII-Mäuse eingesetzt und ab einer 10.000-fachen Verdünnung erkrankten nur noch einzelne Tiere [AEEK]. Bei 131 Mäusen könnte also Milch ein 1/100.000 der Infektiosität von Gehirn BSE-kranker Rinder haben, ohne das man dies in diesem Experiment bemerkt hätte.

Außerdem darf man nicht vergessen, daß die Zusammensetzung und insbesondere der Zellgehalt von Milch nicht immer gleich ist. Für dieses Experiment wurden immerhin 6 Milchproben aus verschiedenen Abschnitten der Laktation gesammelt, aber es bleiben doch nur Stichproben. Daher schließen die Resultate dieses Experperimentes nicht aus, daß bei BSE-kranken Kühen der Abstand der Infektiositäten von Milch und Gehirn zeitweise weniger als 5 Größenordnungen beträgt.

Das Titrationsexperiment, welches bei einem Verdünnungsfaktor von 1/100.000 in RIII-Mäusen keine BSE-Infektiosität mehr nachweisen konnte, ermittelte für das eingesetzte Hirngewebe eine Ausgangsinfektiosität von mindestens 105,1 i.c.-Maus-LD50-Einheiten pro Gramm Rinderhirn. Hochgerechnet auf ein Kilogramm wären das 108,1 oder 1,259 x 108 i.c.-Maus-LD50-Einheiten pro Kilogramm Rinderhirn. Entspräche die Infektiosität von Milch nur einem 1/100.000 dieses Wertes, dann enthielte 1 Liter Milch immer noch 1,259 x 103 oder 1259 i.c.-Maus-LD50-Einheiten. Auch wenn man berücksichtigt, daß die Infektiosität bei oraler Aufnahme durch RIII-Mäuse etwa um den Faktor 700 geringer ist [ALMQ], kommt man immer noch auf 1259/700=1,799 i.c.-Maus-LD50-Einheiten pro Liter oder 1 i.c.-Maus-LD50-Einheit in 0,556 Litern bei oraler Aufnahme. Dieses empfindlichste aller bisher durchgeführten Experimente zur BSE-Sicherheit von Milch zeigt also lediglich, daß 10 Liter Milch einer BSE-infizierten Kuh höchstens etwa (10/0,556)/2 = 9 Mäuse töten würden, wenn man diese Milch an eine ausreichend große Anzahl von Mäusen verfüttern würde. Selbst wenn die BSE-Infektiosität von Milch nur ein Millionstel der Infektiosität eines BSE-Hirnes betragen würde, wäre das nicht wirklich unbedenklich. Man sieht an diesem Beispiel, daß solche Maustests gigantisch dimensioniert werden müßten, um auch nur annähernd den menschlichen Milchkonsum zu repräsentieren. Ein Mausexperiment ist in Wirklichkeit ziemlich sinnlos, wenn es im Ergebnis nur aussagt, daß man beim Genuß von einem halben Liter Milch einer BSE-kranken Kuh eine Überlebenschance von mindestens 50% hätte.

Dabei ist zu beachten, daß diese von den Mäusen getrunkenen 300 ml Milch mit von einem Menschen getrunkenen 300 ml Milch vergleichbar sind und nicht etwa im Verhältnis der Körpergewichte von Mensch und Maus hochgerechnet werden dürfen. Die Autoren weisen selbst darauf hin, daß die infektiöse Dosis wahrscheinlich nicht vom Körpergewicht des Empfängers abhängt. Dies ist offensichtlich korrekt, denn 300 mg BSE-Hirnhomogenat töteten 12 von 15 RIII-Mäusen [ALMQ], während die Verfütterung der vergleichbaren Menge von je 500 mg eines aus den Hirnen von 4 BSE-Kühen erzeugten Hirnhomogenates nach einer Inkubationszeit von 734 Tagen 1 von 6 Schafen und nach Inkubationszeiten von 941 bzw. 1501 Tagen zwei von drei Ziegen tötete [AEDA]. Das um Größenordnungen größere Gewicht des Schafes oder der Ziege hat also offensichtlich keinen wesentlichen Einfluß auf die Größe der infektiösen Dosis und deshalb macht auch seine Größe allein den Menschen nicht BSE-resistenter.

Betrachtet man also dieses Experiment nicht nur oberflächlich und rein gefühlsmäßig, sondern mit dem Bemühen um eine quantitative Bewertung, so kann das Ergebnis überhaupt nicht beruhigen. Und leider ist dieses Experiment das beruhigendste bisher durchgeführte.

Literaturliste

ANCB . Barlow,R.M.; Middleton,D.J. - Dietary transmission of bovine spongiform encephalopathy to mice - Veterinary Record 1990 Feb 3; 126(5): 111-2

ANCC . Barlow,R.M.; Middleton,D.J. - Oral transmission of BSE to mice - Sub-Acute Spongiform Encephalopathies, edited by Ray Bradley, Marc Savey and Brian Marchant - Proceedings of a Seminar in the CEC Agricultural Research Programme, held in Brussels, 12-14 November 1990, 1991; 55: 33-9 in Current Topics in Veterinary Medicine and Animal Science

AEDA . Foster,J.D.; Hope,J.; Fraser,H. - Transmission of bovine spongiform encephalopathy to sheep and goats - Veterinary Record 1993 Oct 2; 133(14): 339-41

AEEK . Fraser,H.; Bruce,M.E.; Chree,A.; McConnell,I.; Wells,G.A. - Transmission of bovine spongiform encephalopathy and scrapie to mice - Journal of General Virology 1992 Aug; 73(8): 1891-7

ALMQ . Taylor,D.M.; Fernie,K.; Steele,P.J.; Somerville,R.A. - Relative efficiency of transmitting bovine spongiform encephalopthy to RIII mice by the oral route - Veterinary Record 2001 Mar 17; 148: 345

Liste meiner Artikelzusammenfassungen
TSE-Hypertext-Projekt
meine Startseite
Autoren-Index

Kommentare und Kritik von Fachleuten sind jederzeit willkommen.

Copyright Roland Heynkes