Fleischwirtschaft 6/2002, S. 118-120

Ingrid Schütt-Abraham, 16.03.2003

Gliederung


Bibliographische Angaben

Schwägele, F.; Müller, E.; Fischer, K.; Kolb, R.; Moje, M.; Troeger, K. - Nachweis von Gewebe des ZNS auf Rinderschlachttierkörpern nach Absaugen des Rückenmarks - Fleischwirtschaft 6/2002:118-120

Meine Zusammenfassung des Artikels

In einem Schlachtbetrieb, der vor dem Spalten der Schlachtkörper im Wirbelkanal das Rückenmark absaugen, verbliebene Rückenmarksreste mit dem Messer entfernen und anschließend den Wirbelkanal ausfräsen ließ, wurden Schlachtkörper und Arbeitsgeräte mittels Tupferproben auf das Vorhandensein von ZNS-Gewebe untersucht. Als Indikator für ZNS-Gewebe diente saures Gliafaserprotein (GFAP), das mittels Enzymimmunoassay (Ridascreen®) nachgewiesen wurde. Die Nachweisgrenze des Tests wird mit knapp 0,1% ZNS-Gewebe auch auf Oberflächen angegeben.

Bei 100 Rinderhälften wurde mit handelsüblichen trockenen Wattetupfern die freigelegte Muskulatur im Bereich der Absetzstelle des Kopfes und die Innenseite der Nackenmuskulatur (jeweils auf einer etwa handtellergroß abgestrichenen Fläche) sowie der Hals-/Brustwirbel- und der Lendenwirbel-/Kreuzbeinbereich des Wirbelkanals beprobt. Bei 20 weiteren Hälften wurde mit feuchten Wattetupfern die Außenseite von Schulter und Keule sowie eine auf deren Höhe handbreit paramedian neben der Spaltfläche gelegene, ebenfalls etwa handflächengroße Stelle beprobt.

GFAP wurde bei 34% der Hälften auf der Absetzfläche am Kopf sowie bei 82% auf der Innenseite der Nackenmuskulatur nachgewiesen. Der Wirbelkanal war in 79% (cranial) bzw. 80% (caudal) der untersuchten Fälle positiv (bei jeweils dreimaligem Abstreichen).

Obwohl das Rückenmark vor der Spaltung der Tierkörper abgesaugt worden war, erwiesen sich jeweils 2 von 20 handbreit paramedian in Höhe von Schulter und Keule abgestrichene Flächen als GFAP-positiv. Erwartungsgemäß war keine der auf der Außenseite der Rinderhäften beprobten Flächen positiv.

Von den ebenfalls untersuchten Arbeitsgeräten wurde bei 2 von 3 Proben auf der Klinge des Messers, das zum Entfernen von Rückenmarksresten benutzt wurde, GFAP nachgewiesen, nicht aber auf den Messerklingen, die zum Absetzen des Kopfes eingesetzt wurden. Nach Reinigung und anschließender Benutzung des Steribeckens wurde auf keiner Klinge GFAP gefunden. Die Gehäuse der Bandsägen und die zur Herrichtung des Wirbelkanals verwendete Rückenmarksfräse waren sowohl innen wie außen GFAP-positiv. Während die Schürze des Mitarbeiters, welcher die Rückenmarksfräse bediente, ebenfalls positiv war, konnte auf dem Visier des Gesichtsschutzes kein GFAP nachgewiesen werden.

Die Ergebnisse machen deutlich, dass das Absaugen des Rückenmarks vor der Längsspaltung der Schlachtkörper das Problem der Kontamination mit ZNS-Gewebspartikeln nicht löst. Als Grund für die GFAP-Funde wird das häufig nur unvollständig gelungene Absaugen des Rückenmarks und dessen durch das Einführen des Schlauches insbesondere im halsnahen Bereich bedingte Zerstörung mit nachfolgender Kontamination des Wirbelkanals vermutet.

Anmerkungen der Rezensentin

Der fehlende Nachweis von GFAP auf der Klinge des Messers, das zum Kopfabsetzen benutzt wurde, könnte angesichts der relativ hohen Nachweisrate auf den Absetzflächen des Kopfes darauf hinweisen, dass an der Messerklinge anhaftende Rückenmarksgewebsteilchen beim Kopfabsetzen an den Fleischflächen abgestrichen und dadurch mechanisch gereinigt werden. Der Erfolg einer guten mechanischen Reinigung zeigt sich an den zum Nachputzen von Rückenmarksresten verwendeten Klingen, die nach Verwendung GFAP-positiv waren, jedoch nach Reinigung und Benutzung des Steribeckens keinen Nachweis mehr lieferten.

Ebenso ist denkbar, dass die Kopfabsetzfläche beim Absaugen des Rückenmarks kontaminiert wird. Die Außenfläche des Schlauches kommt auf ihrer ganzen in den Wirbelkanal eingeführten Länge mit Rückenmark in Berührung und verunreinigt beim Herausziehen nicht nur die Hände des Arbeiters, sondern auch alle Fleischteile, welche der Schlauch bei unvorsichtiger Handhabung berührt. Das Personal, das diese Arbeit ausführt, kann ZNS-Partikel mit seinen kontaminierten Händen ebenfalls auf den Schlachtkörper übertragen.

In jedem Fall käme eine Kontamination des Halsbereiches durch beim Spalten abfließendes ZNS-restehaltiges Sägenabwasser in Betracht. Leider geht aus dem Bericht nicht hervor, ob Schlachthälften mit Rückenmarksresten bei der Spaltung häufiger GFAP-positive Befunde im Halsbereich hatten als andere. Um die Ursachen der Kontamination im Halsbereich abzuklären, wären Stufenkontrollen nach jedem Prozessschritt erforderlich.

Besonders problematisch erscheint die Kontamination der Außenseiten des Bandsägengehäuses. Diese Bereiche werden nicht immer nach jedem Tier gereinigt und können somit die nachfolgenden Tiere mit ZNS-Partikeln kontaminieren. Leider ist im Artikel - außer beim Kopfabsetzmesser - nicht angegeben, wie oft die Arbeitsgeräte beprobt wurden. Es kann daher lediglich vermutet werden, dass die Beprobung in den Arbeitspausen erfolgte, die nach jeder Charge wegen der erforderlichen Reinigung und Desinfektion der Arbeitsgeräte eingelegt werden müssen.

Die beim Absaugen des Rückenmarks unvermeidliche Zerstörung von Zentralnervengewebe ist nicht mit der (verbotenen!) Verwendung eines Rückenmarkszerstörers nach der Betäubung gleichzusetzen. Zum Zeitpunkt des Rückenmarkabsaugens ist wegen der abgeschlossenen Ausblutung des Tieres kein Blutkreislauf mehr vorhanden, so dass auch keine Verschleppung freigesetzter ZNS-Teilchen in in den Körper mehr erfolgen kann.

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