Ingrid Schütt-Abraham, 22.07.2002
In einem ersten Versuch wurden 7 syrischen Goldhamstern in Narkose unter größtmöglicher Schonung des freipräparierten Nerven jeweils 5 µl eines einprozentigen Hirnhomogenats an TME erkrankter Hamster (105,2 LD50, Stamm HY-TME) in den rechten Nervus ischiadicus injiziert. Als Kontrolle dienten 5 scheininfizierte ("mock-infected") Hamster.
In einem zweiten Versuch wurden 16 syrischen Goldhamstern in Narkose nach deutlicher Schädigung des freipräparierten rechten Nervus ischiadicus infolge zehnmaligen Vor- und Zurückziehens der Injektionskanüle jeweils 5 µl eines einprozentigen Hirnhomogenats an TME erkrankter Hamster (105,2 LD50) inokuliert. Zum Vergleich dienten mit 20 µl dieses Homogenates in den rechten Musculus biceps femoris inokulierte Hamster sowie mit 25 µl intrazerebral oder mit 100 µl intraperitoneal inokulierte Tiere. Als Kontrolle dienten 9 (auf nicht näher beschriebene Weise, aber vermutlich in den N. ischiadicus inokulierte) scheininfizierte ("mock-infected") Hamster.
Im Hauptversuch wurden syrische Goldhamster mittels Inokulation von jeweils 5 µl des gleichen infektiösen Hirnhomogenats in den vorgeschädigten Nervus ischiadicus infiziert. Über einen Zeitraum von 10 Wochen nach der Inokulation wurden wöchentlich je 3 Tiere mittels Kohlendioxidexposition getötet und Gewebeproben auf das Vorhandensein von PrPSc untersucht. So wurden die in den Wirbeln C2-C4, C5 - C7, T1 - T3, T4 - T6, T7 - T9 und T10 - T13 gelegenen Rückenmarksabschnitte sowie der in den Lendenwirbeln L1 - L5 gelegene Lendenmarksabschnitt, der Anteile des Nervus ischiadicus enthielt, entnommen und wie Milz und Nervus ischiadicus mittels modifiziertem Western Blot, Gehirn und Hirnstamm immunhistochemisch auf das Vorhandensein von PrPSc und deren Verteilung untersucht. Die Nachweisgrenze des Western Blot lag bei etwa 102,8 LD50. Die in den Rückenmarksabschnitten vorhandene PrPSc-Menge wurde durch Vergleich mit verdünntem Hirnhomogenat eines im Endstadium der Erkrankung befindlichen Hamsters quantitativ bestimmt.
Inokulation | Inokulat µl |
Tierzahl n |
Inkubationszeit in Tagen |
---|---|---|---|
i.c. | 25 | 5 | 59 +/- 2 |
i.p. | 100 | 6 | 101 +/- 2 |
i.n. (rechter N. ischiadicus milde Schäden) |
5 | 4 | 73 +/- 7 |
i.n. (rechter N. ischiadicus milde Schäden) |
5 | 3 | 143 +/- 12 |
i.n. (rechter N. ischiadicus starke Schäden) |
5 | 16 | 68 +/- 2 |
i.m. (rechter M. biceps femoris) |
20 | 5 | 142 +/ 14 |
Der Versuch zur Ermittlung der zeitlichen Ausbreitung des Erregers im Hamster nach Inokulation eines peripheren Nerven ergab erstmalig 4 Wochen nach der Injektion einen PrPSc-Nachweis im Rückenmark in Höhe der 10.-13. Brustwirbel, welche die 4.-6. Lendenmarkssegmente umschließen, in denen der Ursprung des N. ischiadicus liegt. 5 Wochen nach der Infektion ließ sich der Erreger auch im 7.-9. Brustwirbelsegment nachweisen, 6-7 Wochen nach der Infektion auch in den übrigen Segmenten der Brust- und Halswirbelsäule, wobei der Gehalt an PrPSc ständig zunahm.
Der Versuch zur Feststellung der Ausbreitungsgeschwindigkeit ergab, dass PrPSc im Brustwirbelsegment T10-T13 erstmalig 3 Wochen, in den Halswirbelsegmenten C2-C4 erstmalig 5 Wochen nach der Inokulation nachgewiesen werden konnten. Der Abstand zwischen den Mittelpunkten der beiden Segmente betrug etwa 46 mm. Im Gehirn war PrPSc erst 1-2 Wochen später nachweisbar. Im N. ischiadicus selbst ließ sich erst 9 Wochen nach der Inokulation PrPSc nachweisen, wobei der Gehalt an PrPSc auf der inokulierten Seite höher war als auf der gegenüberliegenden. Dies könnte einen anterograden Transport in den gegenüberliegenden Ischiasnerv nach Amplifikation der PrPSc im Rückenmark bedeuten. In der Milz der i.n. inokulierten Tiere wurden hingegen innerhalb 6 Wochen nach der Inokulation keine PrPSc gefunden. Im Gehirn wurde PrPSc zunächst auf der der Inokulation gegenüberliegenden Seite nachgewiesen, und zwar insbesondere in den an der motorischen Feinsteuerung beteiligten Nervenzentren mit direkter oder indirekter Verbindung zum Lendenmark. 10 Wochen p.i. war jedoch auch die andere Gehirnseite in gleicher Weise betroffen.
Die Ergebnisse lassen vermuten, dass der in den Nervus ischiadicus injizierte TME-Erreger in diesem Nerven zum Rückenmark aufsteigt und sich dort unter Amplifizierung in den Axonen der absteigenden motorischen Leitungsbahnen des Tractus rubrospinalis, vestibulospinalis und corticospinalis mit einer Geschwindigkeit von mehr als 3 mm pro Tag zum Gehirn ausbreitet.
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