New Zealand Veterinary Journal 1995, 43: 183-185

Dr. Ingrid Schütt-Abraham, 14.7.2001

Gliederung


Bibliographische Angaben

Finnie,J.W. - Neuropathological changes produced by non-penetrating percussive captive bolt stunning of cattle - New Zealand Veterinary Journal 1995, 43: 183-5

Meine Zusammenfassung der Ergebnisse

Material und Methoden
12 adulte Schlachtrinder wurden mit einem nicht-penetrierenden Pilzkopf-Bolzenschussgerät (Marke Cash Knocker Mark V der Fa. Accles and Shelvoke) betäubt. Das Gerät wurde im rechten Winkel zum Schädeldach fest auf dem Kreuzungspunkt der Verbindungslinien Ohrgrund - medialer Augenwinkel angesetzt. Anschließend wurden die Tiere entblutet, die Gehirne umgehend entnommen und für 10 Tage in 40%igem gepufferten Formalin fixiert. Die Gehirne wurden für die makroskopische Untersuchung und zum Fotografieren in 5mm dicke Scheiben geschnitten, anschließend in Paraffin eingebettet, in 6 Mikrometer dünne Schnitte zerlegt und nach HE-Färbung sowie der Spezialfärbung nach Weil und Palmgren für Myelin und Nervenfasern mikroskopisch untersucht.

Ergebnisse
Alle Tiere wurden durch den nicht-penetrierenden Bolzenschuss sofort betäubt, wie das Zusammenbrechen im Schuss, gefolgt von einem tonisch-klonischen Krampf, Ausbleiben von Lautäußerungen sowie Ausfall von Augenreflexen und Atmung belegte.

Die makroskopische Untersuchung der Schädel zeigte an der Aufschlagstelle eine ovale Impressionsfraktur im Stirnbein von ca. 3 cm Durchmesser, die dem Durchmesser des Pilzkopfes entsprach. Von diesem Trauma gingen sternförmig unregelmäßige Frakturlinien aus. In 10 der 12 Schädel waren sowohl äußere wie innere Knochenplatte des Schädeldaches gebrochen, während bei den übrigen zwei die innere Knochenplatte intakt geblieben war. Demgegenüber zeigten alle Gehirne ähnliche und vergleichbar schwere pathologische Veränderungen.

Alle Gehirne wiesen punktförmige Subarachnoidalblutungen unter der Impressionsfraktur auf, jedoch war keine Kontusion (Gehirnquetschung) erkennbar. Subarachnoidalblutungen zeigten sich bei allen 12 Tieren über den Schläfenlappen und bei 5 Tieren auch über den Stirnlappen, aber ebenfalls ohne deutliche Quetschungen im Cortex. Regelmäßig waren Subarachnoidalblutungen auch über der Gehirnbasis und in unterschiedlicher Ausprägung um Mittel- und Kleinhirn zu finden. Schwere Subarachnoidalblutungen umgaben bei allen Tieren die Brücke und das verlängerte Mark, und in zwei Gehirnen wurden sogar Blutungen in die Hirnventrikel gefunden.

Eine gewisse Abflachung der Kleinhirnhemisphären durch Anpressen gegen das Hinterhauptsbein war zu beobachten, aber kein Auspressen des verlängerten Marks oder des Wurms durch das Hinterhauptsloch.

Im Thalamus und den Basalganglien wurden beidseits zahlreiche petechiale Blutungen gefunden. Diese kamen in anderen Bereichen nur unregelmäßig vor. In der weißen Substanz des Stirnhirns, dem Mittelhirn, der Tiefe der weißen Substanz des Kleinhirns, der Brücke, der Medulla und in einigen Rindenbereichen des Scheitel-, Schläfen- und Stirnhirns wurden jeweils nur wenige kapillare Blutungen gefunden, die unter dem Mikroskop als perivaskuläre Ringblutungen erschienen.

Diskussion und Schlussfolgerungen
Der Aufschlag des schweren Pilzkopfes auf dem Stirnbein, das an der gewählten Ansatzstelle beim Rind relativ dünn ist, führte zu einer schweren und gut umschriebenen Impressionsfraktur mit entsprechenden Subarachnoidalblutungen in angrenzenden Gehirnbereichen. Darüber hinaus kam es aufgrund der vertikalen Kraftentfaltung offensichtlich zu einem Anstoß der Schläfen- und zu einem geringeren Teil auch der Stirnlappen gegen die Schädelhöhlenknochen. Mittelhirn, Kleinhirn, Brücke und verlängertes Mark wurden in Richtung auf das Hinterhauptsloch geschleudert, was zum Zerreißen zarter Blutgefäße in der Leptomeninx führte. Die im Gehirn auftretenden Scherkräfte und dessen Bewegungen innerhalb der Schädelhöhle führten zu ausgedehnten Subarachnoidalblutungen sowie Kapillarblutungen im Parenchym, insbesondere der zentralen grauen Substanz der Hirnhemisphären. Zusammenhangstrennungen der Gehirnsubstanz waren somit im wesentlichen auf Gefäßschäden begrenzt.

Die dem Schädeldach zugeführte Energie reichte aus, um die äußere und zumeist auch die innere Knochenlamelle des Stirnbeins zu brechen und führte wahrscheinlich infolge der deutlichen Schädigung des retikulären aktivierenden Systems zum Verlust des Bewußtseins.

Während beim Menschen infolge stumpfer Schädel-Hirn-Traumen häufig Quetschungen der Gehirnoberfläche beobachtet werden, waren solche bei den untersuchten Rindergehirnen unbedeutend, wobei die Gefäßschäden auf petechiale Blutungen in den betroffenen Cortexbereichen begrenzt waren.

Im Vergleich zu Feuerwaffen erfolgen die durch nicht-penetrierende Bolzenschussgeräte verursachten Kopfverletzungen bei sehr geringer Bolzengeschwindigkeit. Dennoch können die resultierenden Gehirnschäden sehr schwerwiegend sein. Aufgrund der sofort einsetzenden Bewußtlosigkeit kann das Verfahren beim Ansatz des Bolzenschussgerätes auf der Stirn zur Betäubung von Rindern empfohlen werden.

Anmerkungen der Rezensentin

Die vorliegende Untersuchung scheint für die stumpfe Schuss-Schlagbetäubung gegenüber dem penetrierenden Bolzenschussverfahren ein deutlich geringeres Risiko der Verbreitung von Zentralnervengewebspartikel über den Blutkreislauf zu bestätigen, da trotz Zertrümmerung des Schädeldaches lediglich Gefäß- nicht aber Gehirngewebszerreißungen beobachtet wurden. Die Frage nach der Verschleppung von möglicherweise infektösem Liquor cerebrospinalis in die Blutbahn bleibt allerdings offen.

Copyright Dr. Ingrid Schütt-Abraham


Kommentare und Kritik sind jederzeit willkommen.
Liste meiner Artikelzusammenfassungen
das TSE-Hypertext-Projekt
meine Startseite