Fernsehdokumentation Metamorphose

Roland Heynkes, 25.1.2021

Regeln für die Arbeit mit Aufgaben und Material

  • Lies den Text erst nachdem Du die nächste Aufgabe verstanden hast!
  • Antworte handschriftlich und in ganzen Sätzen!
  • Achte darauf, dass Deine Sätze einen Sinn ergeben!
  • Formuliere Deine Antworten so, dass auch ohne Kenntnis der Aufgabe klar ist, worum es geht!
  • Vermeide Personalpronomen wie: "Sie" oder: "Ihre", wenn nicht unmißverständlich klar ist, wer oder was gemeint ist.
  • Und das Wichtigste: "Sei nicht so dumm abzuschreiben!" Sonst lernst Du nicht, was Du gar nicht oft genug üben kannst.

Zur selbständigen Erarbeitung meiner kritischen Zusammenfassung der Fernsehdokumentation Metamorphose gibt es ein Lernmodul mit klausurähnlichen Aufgaben (PDF)

Gliederung

zum Text Metamorphose als Beispiel für Entwicklung durch epigenetische Regulation
zum Text Metamorphose der Raupe
zum Text Metamorphose der Seeigel
zum Text Metamorphose der Kaulquappe
zum Text Metamorphose der Wanderheuschrecke

Metamorphose als Beispiel für Entwicklung durch epigenetische Regulation nach oben

Die in diesem Hypertext besprochene Fernsehdokumentation beschäftigt sich mit dem Phänomen der Metamorphose in Natur und Literatur. Sie beschreibt für das Verständnis der Biologie sehr wichtige Beobachtungen, über die es sich aber mit noch etwas mehr biologischem Hintergrund nachzudenken lohnt, als es der Autor der Sendung tat. Zwar fragt sich der Filmemacher, ob es nicht auch bei Menschen so etwas wie eine Metamorphose geben könnte. Aber er sieht nur Parallelen in der Literatur und hält die kulturelle Entwicklung von Gesellschaften für eine Art geistige Metamorphose. Dabei sind die tierischen Metamorphosen nur krasse Beispiele für die epigenetische Regulation von Genomen. Und dafür gibt es auch in der Biologie des Menschen zahlreiche Beispiele. Darum ergänze ich meine Zusammenfassung der Dokumentation durch eigene Schlussfolgerungen und Vergleiche mit der menschlichen Pubertät. Es geht um das Lernen durch Vernetzung neuer Informationen mit allem, was man bereits weiß.

Bei vielen Tierarten gehört die Metamorphose zur Ontogenese genannten individuellen Entwicklung eines einzelnen Lebewesens im Verlauf seines Lebens. Während der Metamorphose ändern sich sehr stark der Körper und die Lebensweise des Tieres. Die wohl bekanntesten Beispiele dafür sind die Verwandlung der Raupe zum Schmetterling und die Entwicklung eines Frosches aus einer Kaulquappe. Aber im Grunde ist auch die Pubertät eine Art Metamorphose. Denn während der Pubertät ändern sich sehr deutlich der Körper und das Verhalten der Jugendlichen. Wir bleiben dabei der selbe Mensch, aber nicht der gleiche.

Metamorphose der Raupe nach oben

Raupen bleiben Raupen, solange ihre Zellen unter dem Einfluss des sogenannten Juvenil-Hormons stehen. Wenn die Konzentration des Juvenil-Hormons stark abnimmt, dann verpuppt sich die Raupe und im Inneren der Puppe wird der Körper der Raupe teilweise aufgelöst und umgebaut zum Schmetterling. Interessant daran ist, dass die Zellen des Schmetterlings noch den gleichen Bauplan haben wie die Zellen der Raupe. Denn daraus ergibt sich die sehr wichtige Frage, wie der selbe Bauplan zu zwei völlig unterschiedlichen Körpern und Verhaltensweisen führen kann.

Offensichtlich bestimmt nicht der von den Eltern geerbte Bauplan die Eigenschaften eines Tieres. Er gibt nur vor, was möglich ist. Mit dem Bauplan von Raupe und Schmetterling ist es nicht möglich, dass ein Frosch entsteht. Aber er enthält alle Informationen, die nötig sind, um eine Raupe oder einen Schmetterling zu bauen. Und es ist das Juvenil-Hormon, das bestimmt, welche Teile des Bauplans benutzt werden. Bei uns Menschen ist das nicht anders. Der selbe Bauplan lässt zunächst ein Kind entstehen, aus dem sich während der Pubertät unter dem Einfluss von Geschlechtshormonen ein erwachsener Mensch entwickelt. Außerdem unterscheiden sich Frauen und Männer sehr viel stärker als ihre Baupläne. Deshalb kann schon eine einzige Punktmutation im Bauplan eines männlichen Embryos dazu führen, dass sich statt eines Jungen ein Mädchen entwickelt.

In der Raupe löst das Verschwinden des Juvenil-Hormons eine: "wahre Lawine von Prozessen" aus. Offensichtlich hat das Hormon Teile des Bauplans aktiviert und andere unterdrückt. Ist es nicht mehr da, verschwinden auch die Aktivierungen und Unterdrückungen zahlreicher Gene im Bauplan. Plötzlich entstehen andere Proteine und diese bauen den Körper um. Zu Beginn der menschlichen Pubertät passiert etwas ähnliches. Hat ein Kind eine bestimmte Größe erreicht, dann beginnt in seinem Gehirn der Hypothalamus mit der Produktion eines Freisetzungshormons (GnRH). GnRH ist das Signal für den Beginn der Pubertät. Es regt die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) dazu an, die Geschlechtshormone FSH und LH zu produzieren und ins Blut abzugeben. Durch das Blut erreichen sie die Geschlechtsorgane. Bei Mädchen stimulieren sie die Eierstöcke, das Geschlechtshormon Östrogen zu produzieren. In Jungen regen sie in den Hoden die Produktion von Testosteron an. Bei Mädchen bewirkt das Östrogen eine Art Metamorphose zur Frau, während das Testosteron viele Stellen des Körpers anregt, die für Männer typischen Eigenschaften zu entwickeln.

Raupen sind hochspezialisierte Fressmaschinen. Dadurch gewinnen sie die Energie und Baustoffe für extremes Wachstum. Weil sie in einem nicht mitwachsenden Außenskelett stecken, müssen sie sich mehrfach häuten. Das ist aber kein Problem für sie, weil ihre Körper relativ einfach aufgebaut sind. Hätte die Raupe schon Flügel, wäre die Häutung viel schwieriger. Ohne Flügel kann aber die Raupe kaum neue Lebensräume erobern. Außerdem wäre es für sie schwierig, bei der Paarung Inzucht zu vermeiden. Darum ist es für die Raupe sinnvoll bzw. für die Evolution ihrer Spezies vorteilhaft, dass sich die Raupe in der Puppe einen völlig anderen Körper baut. Der Schmetterling ist spezialisiert auf Fortpflanzung, Überwindung großer Entfernungen sowie die Suche nach Futterpflanzen und SexualpartnerInnen. Die Umwandlung des Körpers ist nicht kein Selbstzweck, sondern dient nur der Anpassung an eine völlig veränderte Lebensweise, durch die andere Aufgaben erfüllt werden können.

Auch wenn die Veränderungen bei Menschen weit weniger dramatisch sind, gibt es doch Parallelen. Während Kinder auf Wachstum und Lernen spezialisiert sind, sind die Körper der Erwachsenen optimiert für Partnersuche, Fortpflanzung und die Versorgung von Kindern. Pubertierende sind für Letzteres noch nicht ausreichend vorbereitet und fürs Lernen schon zu abgelenkt. Ihr Leben ist besonders gefährdet, weil ihre Gehirne gerade massiv umgebaut werden. Und die meisten Jugendlichen werden zu Spätaufstehern, für welche die Schule viel zu früh beginnt. Sie fühlen nicht nur Schmetterlinge im Bauch, sondern entwickeln sich gerade zu solchen.

Metamorphose der Seeigel nach oben

Insekten sollen die Metamorphose vor etwa 300 Millionen Jahren entwickelt haben. Aber es gab sie auch schon sehr viel früher im Meer. Seeigel leben auf dem Meeresboden und ernähren sich hauptsächlich von Algen und anderen Pflanzen. Sie sind Fressmaschinen und produzieren Nachkommen, aber sie können keine großen Entfernungen überwinden. Im Gegensatz dazu schwimmen ihre Larven frei unter der Meeresoberfläche und und ernähren sich von Plankton. Aber irgendwann wächst in dieser Larve plötzlich ein kleiner Seeigel heran und tötet den Rest der Larve. Dieser kleine Seeigel ist nicht ein Kind der Larve, das wie ein Fötus im Bauch seiner Mutter heran wächst. Eher wie ein Tumor ist der junge Seeigel ein Teil der Larve und besitzt daher auch genau den selben Bauplan.

Selbst diese an einen Alien-Albtraum erinnernde Metamorphose des Seeigels hat eine Parallele beim Menschen. Denn nur ein Teil der Larve entwickelt sich zum Seeigel und der Rest der Larve muss bei der Geburt des Seeigels sterben. Beim Menschen stirbt bei der Geburt die Plazenta, die sich zum Teil genau wie der Fötus aus dem Gewebe des menschlichen Embryos entwickelt hat. Der Fötus und die Plazenta ähneln siamesischen Zwillingen, wobei aber nur der Fötus nach der Geburt lebensfähig ist. Wie die Larve des Seeigels opfert sich auch die Plazenta für die Ernährung des Fötus.

Metamorphose der Kaulquappe nach oben

Märchen wie: "Der Froschkönig" und Romane wie: "Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde" thematisieren die Faszination und die Ängste, die Menschen mit der Vorstellung grundlegender Veränderungen in Gestalt und Persönlichkeit eines Individuums verbinden. In der Dokumentation fehlt aber die Erkenntnis, dass es beispielsweise im Märchen von Aschenputtel um die Probleme und das Ziel der Pubertät geht. Die Metamorphose des Menschen ist keine reine Fiktion, sondern Realität.

Interessant an der Metamorphose der Kaulquappe ist, dass die Kaulquappe selbst den Zeitpunkt und die Geschwindigkeit ihrer Metamorphose beeinflussen kann. Jede einzelne wägt ab zwischen den Risiken des Lebens im Wasser oder an Land. Dabei kommen die Kaulquappen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Manche bleiben nur einige Wochen Kaulquappen, andere fast ein Jahr. Erfolgt die Metamorphose früh, dann entkommt das Tier seinen Fressfeinden im Wasser, aber es entsteht ein kleiner Frosch. Wie gefährlich das Leben im Wasser gerade ist, schmecken oder riechen die Kaulquappen, weil jede verletzte Kaulquappe einen Warnstoff ins Wasser abgibt. Kaulquappen erkennen auch, wenn ihr Gewässer auszutrocknen oder ihre Nahrung auszugehen droht. Dann entwickeln sie sich schneller. Natürlich hängt die Geschwindigkeit der Metamorphose auch von der Temperatur ab.

Das Puppen-Stadium zwischen Raupe und Schmetterling ist ausschließlich auf die Metamorphose spezialisiert. Die Metamorphose der Kaulquappe wird dadurch erschwert, dass die Kaulquappe während der Metamorphose schwimmt, frisst, verdaut und wächst. Dabei wird ihr gesamter Verdauungsapparat umgebaut, damit sie statt Algen Fleisch verdauen kann. Und während die Kaulquappe ständig atmet, wird ihr ganzes Atmungssystem von Wasser- auf Luft-Atmung umgebaut. Lungen entstehen, die Kiemen verschwinden. Das bisher nur aus Knorpel bestehende Skelett verknöchert. Arme und Beine entstehen und der Schwanz wird abgebaut.

Metamorphose der Wanderheuschrecke nach oben

Auch die Metamorphose der Wanderheuschrecke hilft uns, den Einfluss der Umwelt auf die Nutzung des Bauplans eines Lebewesens zu verstehen. Normalerweise ist diese Heuschrecke grün und ein Einzelgänger. Haben sie sich allerdings einmal zu stark vermehrt oder lässt eine anhaltende Dürre ihre noch nicht kahl gefressenen Lebensräume schrumpfen, dann kommen sich die vielen Tiere so nah, dass sich häufig ihre Hinterbeine berühren. Und dieser Reiz löst die Metamorphose zu einer gelbschwarzen und sehr geselligen und wanderfreudigen Heuschrecke aus. Dadurch können gigantische Schwärme entstehen, die ganze Landstriche kahl fressen und dann weiterziehen. Ein einfacher Berührungsreiz kann also die Farbe und das Verhalten eines Tieres grundlegend ändern. Fällt dieser Reiz für längere Zeit aus, dann verwandeln sich die Tiere wieder in grüne Einzelgänger. Und nach allem, was Biologen bisher gelernt haben, lässt sich das nur durch eine starke Änderung mehrerer oder vieler Genaktivitäten erklären. Das hilft zu verstehen, dass der Zellkern mit dem Bauplan eines Lebewesens nicht die alles bestimmende Kommandozentrale der Zelle ist, sondern deren Bibliothek. Beeinflusst durch äußere Signale entscheidet jede Zelle selbst, welche Gene sie mit welcher Intensität benutzt. Man kann also das Genom auch mit einem Kochbuch des Lebens vergleichen. Denn nicht das Kochbuch entscheidet, wann die Köchin welches Rezept benutzt. Übrigens werden auch Menschen durch Berührungen stark beeinflusst.

Nach der Metamorphose zur schwarmbildenden Form nimmt über mehrere Generationen langsam auch die Größe der Tiere zu. Das zeigt, dass die Aktivierung eines Gens auch sehr langsam und generationsübergreifend reguliert werden kann. Und auch das kennen wir von Menschen. Wenn Schwangere sich nicht gesund ernähren können, dann leiden nicht nur ihre Kinder, sondern auch noch ihre Enkel unter ungünstig regulierten Genaktivitäten.

meine kritischen Zusammenfassungen von Fernsehdokumentationen

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Roland Heynkes, CC BY-NC-SA 4.0

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