Ingrid Schütt-Abraham, 04.08.2002
Im Feldversuch wurden die Lungen von 314 Rindern nach Bolzenschussbetäubung und Verwendung des Rückenmarkszerstörers sowie von 412 Rindern nach alleiniger Bolzenschussbetäubung auf das Vorhandensein von ZNS-haltigen Emboli untersucht. Hierzu wurden die Pulmonalarterien bis hinunter zu einem Durchmesser von 2-3 mm aufgeschnitten. Vorhandene Emboli wurden entnommen und bei -21 Grad C bis zur immunologischen Untersuchung gelagert. Die meisten Emboli wurden individuell untersucht, weniger als 100 mg große Emboli aus derselben Lunge aber gepoolt
Des weiteren wurden insgesamt 65 mit einer automatischen selbstreinigenden Bandsäge der Fa. Riniker gespaltene Rinderschlachtkörper auf das Vorhandensein von ZNS-Gewebe im Sediment und im Zentrifugat des Sägenabwassers sowie in Sägenrückständen an definierten wirbelsäulennahen Stellen des Schlachtkörpers untersucht. Bei 15 dieser Rinder war vor der Spaltung des Tierkörpers das Rückenmark mit einem Vakuumsauger der Fa. BVS entfernt worden.
Die Proben wurden mittels Western Blot auf neuronenspezifische Enolase (NSE) untersucht. Als Testkontrolle und Referenzmaterial dienten 20 min bei 80 Grad C erhitzte Würste mit Zusatz von 0%, 0.1%, 0.5% oder 2.0% Rinderhirn sowie unbehandeltes Rückenmark. Zusätzlich wurden formalinfixierte Paraffinschnitte von Embolus-ähnlichen Partikeln nach HE-Färbung histologisch untersucht.
Im Feldversuch wurden Emboli bei rund 5% der innerhalb 20 Minuten nach dem Ausweiden untersuchten Tiere in den Pulmonalarterien oder im Herzen in Nähe der Warzenmuskeln der Tricuspidalklappe gefunden. Demgegenüber war die Fundrate bei verspäteter Untersuchung (60 Minuten nach dem Ausweiden) mit rund 21% deutlich erhöht. Ein Zusammenhang der Embolifundrate mit dem Einsatz des Rückenmarkzerstörers war nicht erkennbar. Nur in 2 Emboli, die von rückenmarkzerstörten Tieren stammten, fiel der NSE-Test schwach positiv aus. Die Reaktion entsprach 0,1 - 0,5 % ZNS. histologisch wurde kein Zentralnervengewebe gefunden.
Ergebnisse der Lungenuntersuchungen
Zeit nach dem Ausweiden |
alle | unter 20 min | über 20 min | über 20 min | über 60 min |
---|---|---|---|---|---|
Rückenmark- zerstörer |
alle | mit/ohne | mit | ohne | ohne |
Tierzahl | 726 | 654 | 314 | 340 | 72 |
Tiere ohne Emboli | 678 | 621 | 301 | 320 | 57 |
Tiere mit Emboli | 48 | 33 | 13 | 20 | 15 |
Tiere mit 1 Embolus | 37 | 31 | 13 | 18 | 6 |
Tiere mit 2 Emboli | 11 | 2 | 0 | 2 | 9 |
Summe Emboli | 59 | 35 | 13 | 22 | 24 |
Emboli je Tier | 1,2 | 1,1 | 1,0 | 1,1 | 1,6 |
NSE-positive Emboli | 2 | 2 | 2 | 0 | 0 |
Ergebnisse der Schlachtkörperuntersuchungen (Spaltung ohne vorhergehende Rückenmarkabsaugung, n = 300)
NSE-Immun- reaktion (%) |
Alle Proben n (%) |
P 1 | P 2 | P 3 | P 4 | P 5 | P 6 |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Negativ | 133 (44.3%) | 9 (18%) | 10 (20%) | 33 (66%) | 28 (56%) | 20 (40%) | 33 (66%) |
0.01 - 0.1 | 117 (39.9%) | 27 (54%) | 25 (50%) | 14 (28%) | 18 (36%) | 19 (38%) | 14 (28%) |
0.1 - 0.5 | 47 (15.7%) | 14 (28%) | 14 (28%) | 3 (6%) | 3 (6%) | 10 (20%) | 3 (6%) |
0.5 - 1.0 | 1 (0.3%) | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 (2%) | 0 |
>1.0 | 2 (0.7%) | 0 | 1 (2%) | 0 | 1 (2%) | 0 | 0 |
Summe | 300 (100%) | 50 (100%) | 50 (100%) | 50 (100%) | 50 (100%) | 50 (100%) | 50 (100%) |
Ergebnisse der Schlachtkörperuntersuchungen (Spaltung nach vorhergehender Rückenmarkabsaugung, n=90)
NSE-Immun- reaktion (%) |
Alle Proben |
P 1 | P 2 | P 3 | P 4 | P 5 | P 6 |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Negativ | 30 (33.3%) | 6 (40.0%) | 6 (40.0%) | 2 (13.3%) | 6 (40.0%) | 1 (6.7%) | 9 (60.0%) |
0.01-0.1 | 31 (34.4%) | 7 (46.7%) | 6 (40.0%) | 7 (46.7%) | 3 (20.0%) | 5 (33.3%) | 3 (20.0%) |
0.1-0.5 | 22 (24.4%) | 1 (6.7%) | 1 (6.7%) | 5 (33.3%) | 4 (26.7%) | 8 (53.3%) | 3 (20.0%) |
0.5-1 | 5 (5.6%) | 1 (6.7%) | 1 (6.7%) | 1 (6.7%) | 1 (6.7%) | 1 (6.7%) | 0 (6.7%) |
>1.0 | 2 (2.2%) | 0 | 1 (6.7%) | 0 | 1 (6.7%) | 0 | 0 |
Summe | 90 (100%) | 15 (100%) | 15 (100%) | 15 (100%) | 15 (100%) | 15 (100%) | 15 (100%) |
P1 = Sägenabwasser (Zentrifugat)
P2 = Sägenabwasser (Sediment)
P3 = Rücken aussen
P4 = Nacken innen
P5 = Nacken aussen
P6 = Hals innen
Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass die Verschleppung von ZNS-Fragmenten durch die Bolzenschussbetäubung
Der NSE-Test im Lungengewebe experimentell mit Gehirnbrei durchspülter Lungen war negativ oder zeigte höchstens 0,1 % Hirngehalt an, obwohl ZNS-Gewebe histologisch in allen Bereichen der Lunge nachgewiesen werden konnte. Der Test würde somit erst dann eindeutig positive Ergebnisse bei Lungengewebsproben liefern, wenn das Gehirnmaterial in entsprechender Konzentration von mindestens 0,1 g je 100 g Lungengewebe gleichmäß in der Lunge verteilt wäre. Damit ist aber nicht zu rechnen.
Da das in den experimentellen Untersuchungen perfundierte Blut mit einem Gerinnungshemmer versetzt worden war, dürfte es sich bei den Emboli, die in den 5-10 mm im Durchmesser betragenden Gefäßabschnitten gefunden wurden, in der Regel um das Wiederfinden der größeren ZNS-Fragmente mit einem ursprünglichen Durchmesser von 1 cm (10 mm) gehandelt haben, was die hohe NSE-Nachweissicherheit bei diesen Teilchen erklärt.
Im Praxistest konnten Gerinnungshemmer schon aus lebensmittelrechtlichen Gründen nicht eingesetzt werden, somit war mit dem Auftreten von Blutkoagula in den Gefäßen zu rechnen. Die Ergebnisse lassen keinen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Emboli und dem Nachweis von ZNS-Gewebe erkennen. Bei den meisten gefundenen Emboli dürfte es sich nicht zuletzt im Hinblick auf die höhere Emboli-Fundrate bei den erst eine Stunde nach dem Ausweiden untersuchten Lungen um Thromben gehandelt haben. Zudem wurden Emboli nur in Gefäßabschnitten bis hinunter zu einem Durchmesser von 2-3 mm gesucht. Nach den Ergebnissen der experimentellen Untersuchungen scheinen die dehnbaren Gefäße jedoch nur Fragmente mit doppeltem Gefäßdurchmesser sicher auszufiltern. Der von Anil et al. (1999) sowie Anil und Harbour (2001) beschriebene Schauer kleiner und kleinster ZNS-Fragmente konnte mit den hier verwendeten Methoden daher kaum entdeckt werden.
Der Tabelle kann entnommen werden, dass auf Schlachtkörpern, die nach Absaugung des Rückenmarks gespalten wurden, ein deutlich höherer Anteil NSE-positiver Proben gefunden wurde als bei solchen, bei denen der Wirbelkanal zum Zeitpunkt der Spaltung noch das Rückenmark enthielt. Leider werden von den Autoren keine Angaben zur Effektivität des Absaugens und zur Durchführung der Probennahme am gespaltenen Schlachtkörper gemacht. Dass der am stärksten belastete Probenahmepunkt an der äußeren Halsseite lag, die als einzige vor dem Spalten kontaminiert werden kann, könnte auf eine direkte bzw. indirekte Kontamination der Halsseite durch Berührung mit dem Absaugschlauch oder die durch diesen kontaminierte Hände des Absaugers weisen.
Die Einschätzung der Autoren, dass die festgestellten ZNS-Mengen keine Gefährdung des Verbrauchers bedeuten, erscheint aus folgenden Gründen nicht unproblematisch:
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