Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 2002 Mar 19; 99(6): 3812-7

Roland Heynkes, 25.5.2004

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Bosque,P.J.; Ryou,C.; Telling,G.; Peretz,D.; Legname,G.; DeArmond,S.J.; Prusiner,S.B. - Prions in skeletal muscle - Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 2002 Mar 19; 99(6): 3812-7

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Per Western blot zeigten die Autoren, daß das normale Prionprotein der Maus nicht nur im Gehirn, sondern – wenn auch in sehr viel geringerem Ausmaß – auch in Herzmuskel, Skelettmuskeln, Leber und Nieren exprimiert wird. In Herzmuskel, Leber und Nieren fanden sie vor allem monoglykosiliertes PrPc, während sie in Skelettmuskeln genau wie im Gehirn überwiegend diglykosiliertes Prionprotein fanden. Das Glykosilierungsmuster ist also auch gewebespezifisch.

In Muskelgewebe zweier Rinder fand man eher noch mehr PrPc, als in Mäusen. Verglichen mit dem Rinderhirn betrug die Expression des normalen Prionproteins in Rindermuskelgewebe 5-10%. Sie konnten damit frühere Ergebnisse anderer Gruppen [ABFN,AFOD] bestätigen.

Ebenfalls per Western blot fanden die Autoren PrPsc zunächst in Hinterbeinmuskeln normaler Wildtyp-Mäuse, welche 128 Tage nach der intrazerebralen Inokulation mit dem Maus-Scrapie-Stamm Rocky Mountain Laboratory strain bereits erkrankt waren. Dessen Molekularmasse und Glykosilierungsmuster waren identisch mit PrPsc aus dem Gehirn, aber im Muskel war die PrPsc-Konzentration 500-fach niedriger.

Durch Übertragungsexperimente und Bestimmung der Inkubationszeiten bei unterschiedlichen Verdünnungen (Titration) ermittelte man in diesem Muskel erstaunlich hohe Scrapie-Titer von 105-106 LD50-Einheiten pro Gramm (Obwohl die Autoren tatsächlich LD50 bestimmten, schreiben sie stets ID50 für infektiöse Einheiten.). In den Hirnen vergleichbarer Mäuse fand man in früheren Experimenten 109-1010 LD50-Einheiten pro Gramm, also die 10.000-fache Konzentration. Die Autoren beziffern jedoch das Verhältnis der Infektiositäten von Hirn und Muskel auf rund 103, also rund 1.000. Damit verschleiern sie die eigentlich erklärungsbedürftige Diskrepanz zwischen nur 500-fach höheren PrPsc-Konzentration und der rund 10.000-fach höheren Infektiosität.

In der Leber dieser Mäuse betrug der Titer weniger als 103 LD50-Einheiten pro Gramm. Die Autoren schließen daraus, daß die in Muskeln gefundene Infektiosität nicht nur eine Kontamination mit anderweitig produzierten Prionen darstellt. Es wäre aber denkbar, daß verschiedene Gewebe Prionen aus dem Blut einfach unterschiedlich stark anreichern.

In einer zweiten Runde wurden die Experimente mit dem Me7-Scrapie-Stamm und verschiedenen Muskeln wiederholt. Diesmal wurden die erkrankten Mäuse 138 oder 146 Tage nach der intrazerebralen Inokulation getötet. Wieder fand man PrPsc in Hinterbeinmuskeln, aber nicht in Muskelproben von Kopf, Nacken, Rücken oder Vorderbein. Nur bei einer einzigen Spendermaus fand man auch in einem Vorderbeinmuskel PrPsc. Dabei verifizierte man die Ergebnisse des Western blots mittels ELISA. Damit zeigen die Autoren, daß Unterschiede hinsichtlich der Vermehrung von Prionen nicht allein auf unterschiedlich starker Expression des normalen Prionproteins beruhen können.

Da Muskeln aus verschiedenen Zelltypen bestehen und eng mit Nerven verbunden sind, erzeugten die Autoren zwei Linien von Mäusen, die das Maus- bzw. Hamster-Prionprotein verglichen mit normalen Mäusen bzw. Hamstern 8-fach bzw. 4-fach verstärkt, aber nur unter der Kontrolle eines Myozyten-spezifischen Promotors exprimieren. In diesen Mäusen gab es Prionproteine daher fast nur auf Muskelzellen, wobei die Expression im Herzmukel gering war. Wurden diese Mäuse nicht infiziert, dann entwickelten sie trotz der Überexprimierung des Prionproteins keine Infektiosität, oder zumindest fanden die Autoren bei ihnen keine. Allerdings entwickelten diese Mäuse wie schon von früheren Experimenten mit Prionprotein überexprimierenden Nagen bekannt, im Alter spontan Myopathien. Für die Experimente war dies jedoch kein Problem, und so wurden sie genau wie Kontrollmäuse ohne funktionsfähiges Prionprotein-Gen intramuskulär in die Hinterbeinmuskulatur hinein inokuliert und nach unterschiedlichen Zeiträumen getötet. Danach wurde jeweils anhand der Inkubationszeiten bei verschiedenen Verdünnungen durch den Vergleich mit einer Eichkurve bestimmt, wie infektiös zum jeweiligen Zeitpunkt der Hinterbeinmuskel des anderen Beines, die Milz und das Hirn waren.

Bei den Negativ-Kontrollen ohne jegliche Prionprotein-Expression wurde auch nach 350 Tagen keinerlei Infektiosität gefunden. Offenbar wurde in ihnen die Infektiosität abgebaut, und das geschah ebenso schnell in mit Hamster-Prionen inokulierten Mäusen, die das Maus-Prionprotein in ihren Muskeln überexprimierten. Sogar in den das Hamsterprionprotein in ihren Muskeln exprimierenden Mäusen nahm nach eine Inokulation mit Hamster-Prionen die Infektiosität im infizierten Muskel binnen einer Woche um 3 und binnen eines Monats um mehr als 5 Größenordnungen ab. Die Prionen sind also auch im lebenden Tier keineswegs vor Abbau und/oder Ausscheidung gefeit, aber das war ja auch schon von vielen anderen Arbeiten bekannt. Eine Nettovermehrung kann offensichtlich nur in bestimmten Räumen erfolgen, in welche nur ein sehr kleiner Teil der Prionen einzudringen vermag.

In den Gehirnen der fast nur in den Skelettmuskeln Hamster-Prionprotein exprimierenden Mäuse fand man keine Infektiosität, in den Hirnen der fast nur in den Skelettmuskeln Maus-Prionprotein exprimierenden Mäuse fand man Infektiosität in niedrigen Konzentrationen. Das wundert die Autoren nicht, denn sie fanden in diesen Gehirnen auch eine geringe Menge PrPc. Man muß sich aber fragen, wie die Infektiosität von den Hinterbeinen in diese Gehirne gelangen konnte, wenn die Nervenbahnen keine oder zumindest fast keine normalen Prionproteine besaßen. Möglicherweise breiteten sich die Prionen über das Blut aus, denn man fand eine geringe Infektiosität auch in den Milzen dieser Tiere, obwohl diese in der Milz überhaupt kein Prionprotein exprimierten. Insgesamt sprechen diese Experimente stark dafür, daß die Muskeln Prionen streuten, aber zumindest netto nicht empfingen.

Die Autoren erzeugten auch Mäuse, die das Maus-Prionprotein in bestimmten Neuronen des Gehirnes und besonders auch in Leberzellen (Hepatozyten) exprimierten. Im Polyacrylamidgel liefen die nicht, einfach oder zweifach glykosilierten Formen des Leber-Prionproteins schneller als die aus dem Gehirn isolierten. Dies ist schwer zu verstehen, weil demnach die Aminosäure-Sequenz des Prionproteins in der Leber verkürzt sein müsste. Leider liefern auch die Autoren hierfür keine Erklärung. Nach intrazerebraler Inokulation mit Maus-Prionen erkrankten diese Mäuse nach rund 296 Tagen, also vergleichsweise sehr spät. Man fand in ihren Gehirnen aber mit 108-109 LD50-Einheiten/g ziemlich hohe Titer, während die Titer in den Lebern nur rund 103 LD50-Einheiten/g erreichten. Wurden hingegen diese Mäuse intraperitoneal inokuliert, dann erkrankten sie überhaupt nicht. Man tötete sie schließlich 523 Tage nach der Inokulation und fand in den Lebern die selben relativ niedrigen Titer wie nach intrazerebraler Inokulation. Diese Titer waren aber deutlich höher als in Wildtyp-Mäusen. Es zeigte sich also wieder einmal, daß erhöhte Expression des Prionproteins die Akkumulation von Prionen fördert. Aber die Konzentration des normalen Prionproteins ist offensichtlich nicht der einzige Faktor, der über das Ausmaß der Prionen-Vermehrung entscheidet. Schließlich fand man ja im Gehirn trotz wesentlich schwächerer Prionprotein-Expression um etliche Größenordnungen mehr Infektiosität. Besonders auffällig ist dies bei den verschiedenen Muskeln, die alle das Prionprotein exprimierten, die Prionen aber extrem unterschiedlich stark vermehrten. In der Leber mag die abweichende Glykosilierung eine Rolle gespielt haben, aber die Glykosilierung schien zwischen Hirn und Muskeln gleich zu sein und zumindest in verschiedenen Muskeln gibt es kaum Anlaß, unterschiedliche Glykosilierungen zu vermuten. Das spricht also für weitere, gewebespezifische Moleküle, die eine Vermehrung von Prionen begünstigen. Dies würde auch leichter erklären, warum verschiedene TSE-Stämme so unterschiedliche Muster von PrPsc-Akkumulationen und Gewebeschädigungen erzeugen können. Der Befund extrem unterschiedlicher Infektiosität verschiedener Muskeln bedeutet aber auch, daß man für jeden einzelnen TSE-Erregerstamm sehr genau untersuchen muß, in welchen Geweben und Zelltypen er Infektiosität erzeugt. Ganz offensichtlich hängt es auch vom Erregerstamm ab, welche Gewebe Hochrisikomaterial sind. So erzeugten auch in dieser Studie Maus-Prionen eine wesentlich höhere Infektiosität in den Hinterbeinmuskeln als die Hamster-Prionen. Und die großen Unterschiede zwischen veschiedenen Skelettmuskeln zeigen, daß unsere bisherige Einteilung in Nervengewebe, lymphoretikuläres Gewebe und schiere Muskeln viel zu grob ist. Leider fiel die Forderung der Autoren nach systematischen Pathogenese-Studien für verschiedene relevante TSE-Erreger bisher offensichtlich nicht auf fruchtbaren Boden.

Die Autoren mutmaßen, bestimmte Muskeln hätten eventuell einfach zu wenig von einem Faktor X, der für eine effektive Prionen-Vermehrung benötigt wird. Diese Erklärung scheint mir aber zu einfach zu sein, denn dann müsste das Muster der Infektiositätsvermehrung bei jedem Erregerstamm gleich sein. Alle nötigen Faktoren für die Prionenvermehrung müßten mindestens in allen Geweben vorhanden sein, die bei irgend einem Erregerstamm Prionen zu vermehren vermögen. Wenn dies bei bestimmten Erregerstämmen nicht passiert, dann passen offensichtlich Erreger und Hilfsfaktoren irgendwie nicht gut zusammen. Zumindest im Gehirn scheint dies der Fall zu sein und so eine Stamm-Typisierung und Ermittlung von PrPsc-Akkumulations- und Schädigungsprofilen zu erlauben.

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ABFN . Bendheim,P.E.; Brown,H.R.; Rudelli,R.D.; Scala,L.J.; Goller,N.L.; Wen,G.Y.; Kascsak,R.J.; Cashman,N.R.; Bolton,D.C. - Nearly ubiquitous tissue distribution of the scrapie agent precursor protein - Neurology 1992 Jan; 42(1): 149-56

AFOD . Horiuchi,M.; Yamazaki,N.; Ikeda,T.; Ishiguro,N.; Shinagawa,M. - A cellular form of prion protein (PrPc) exists in many non-neuronal tissues of sheep - Journal of General Virology 1995 Oct; 76(10): 2583-7

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