Dokumentation über die Supersinne der Tiere

Roland Heynkes, 8.5.2019

Gliederung

zum Text 1 Das absolute Gehör
zum Text 2 Der scharfe Blick
zum Text 3 Die Welt der Gerüche

1 Das absolute Gehör nach oben

Im Gegensatz zum Vakuum des nahezu leeren Weltraums gibt es auf unserem Planeten Erde keinen Ort ohne Töne. Wir können nur nicht alle Töne wahrnehmen. Menschen sprechen und hören in einem mittleren Frequenzbereich zwischen Infraschall und Ultraschall. Unsere Ohren sind so gebaut, dass sie Töne mit Frequenzen zwischen 20 und 20.000 Hertz an das Gehirn melden können. Alle tieferen Töne nennen wir Infraschall, alle höheren Töne heißen Ultraschall. Es gibt allerdings Tierarten, die auch sehr viel tiefere oder höhere Töne wahrnehmen können.

Spinnerdelfine
Spinnerdelfine
anonym, public domain

Delfine können Töne im Ultraschall-Bereich erzeugen. Im Wasser breiten sich die Schallwellen sehr viel schneller als in der Luft aus und werden wie ein Echo in den Bergen von allen Gegenständen in der Umgebung der Delfine zurück geworfen. Die Ohren der Delfine erfassen die Echos und melden sie an das Gehirn des Delfins, welches ungefähr so groß ist wie das des Menschen. Das Gehirn des Delfins errechnet aus den Ultraschallechos ähnlich wie ein menschliches Ultraschallgerät Bilder. So können Delfine ganz ohne Augen auch in absoluter Dunkelheit ihre Umwelt mit Hilfe ihrer Ohren sehr genau sehen. Sie sehen mit ihren Ohren sogar mehr als wir Menschen mit unseren Augen, denn wie ein Ultraschallgerät können Delfine mit Hilfe ihrer Ultraschallortung in unsere Körper hinein sehen.

Blauwal
Blauwal
Tom Bjornstad, public domain

Blauwale hingegen produzieren unter anderem Töne, die für menschliche Ohren zu tief sind. Infraschall hat für sie den Vorteil, dass er im Gegensatz zu hohen Tönen über große Entfernungen kaum schwächer wird. Darum macht er es Walen möglich, sich über Hunderte Kilometer und ganze Ozeane hinweg miteinander zu unterhalten.

Elefant im afrikanischen Busch
Elefant im afrikanischen Busch
Muhammad Mahdi Karim, GNU Free Documentation License

Soweit wir es wissen, geben grummelnde Elefanten die tiefsten Töne aller Landtiere ab. Die höchsten Töne des Elefanten-Grummelns erreichen für Menschen gut hörbare 250 Hertz. Aber sie machen und hören auch für uns unhörbare Laute weit unterhalb von 20 Hertz. Wenn auch nicht annähernd so gut wie Wale, können sich Elefanten damit immerhin über viele Kilometer hinweg verständigen. Und weil ihre Ohren auf diese Verständigung mit dem etwas irreführend auch Luftschall genannten Infraschall spezialisiert sind, können sie auch extrem tiefe Töne hören, die bis zu 500 Kilometer entfernte Gewitter produzieren. Menschen können Gewitter aus maximal 30 Kilometern Entfernung hören. Inzwischen untersuchen Forscher den fantastischen Hörsinn der Elefanten mit Experimenten, bei denen sie beispielsweise einen VW-Bus in einen Extremlautsprecher verwandeln, der für uns unhörbar, aber gut sichtbar vibriert. Weil Forscher aus den Aufnahmen echter Gewitter alle höheren Töne heraus gefiltert haben, klingen sie für die Elefanten wie sehr weit entfernte Gewitter und zeigen den Forschern, wie tief die Töne sind, die Elefanten noch hören können. Denn die Elefanten reagieren auf die Töne von Gewittern und laufen auf der Suche nach Wasser über Hunderte Kilometer hinweg dahin, wo sie das Gewitter gehört haben. Und ähnlich wie im Wasser, werden auch in der Luft Töne umso langsamer leiser, je tiefer sie sind.

Polarlicht
Polarlicht
Kristian Pikner, CC BY-SA 4.0

Mit speziellen Mikrophonen können deshalb Wissenschaftler sogar die extrem tiefen Töne hören, die das Polarlicht (0,5 Hertz) und Vulkane (weniger als 0,5 Hertz) machen.

Alligator
Alligator
anonym, public domain

Wahrscheinlich schon seit 70 Millionen Jahren beeindrucken männliche Alligatoren Weibchen und andere Männchen durch Töne mit nur 19 Hertz. Entsprechend angepasst ist ihr Hörsinn. US-amerikanische Alligatoren reagierten auf den Infraschall der 70 km entfernt landenden Space Shuttle. Der Infraschall lässt ihre Schuppen vibrieren. Dadurch spritzt Wasser hoch. Diese Mühe machen sich männliche Alligatoren allerdings nur wenn sie glauben, mit anderen großen Alligatoren wetteifern zu müssen. Um einen konkurrenzlosen Zoo-Alligator davon zu überzeugen, braucht man riesige Extremlautsprecher, die sogar größer als ein VW-Bus sind und Töne mit nur 19 Hertz erzeugen können.

Etwas erstaunlich ist diese Aussage des Films, weil auch die vom VW-Bus produzierten Geräusche für Menschen unhörbar waren, obwohl Menschen noch Töne mit nur 20 Hertz hören können. Die Ursache für diese widersprüchlichen Aussagen des Films liegt wohl in der unscharfen Grenze zwischen dem Infraschall und dem Bereich für Menschen hörbarer Töne. Denn Menschen können sehr wohl auch Töne weit unterhalb von 20 Herz hören, wenn sie nur laut genug sind. Um Töne mit nur 10 Hz gerade noch hören zu können, brauchen die meisten Menschen eine Lautstärke von etwa 90 dB. Töne mit nur 1 Hertz können wir erst bei Schalldrücken über 120 dB wahrnehmen. Allerdings sind die Wahrnehmungsschwellen der Menschen sehr unterschiedlich. Oft hören die einen gar nichts, während andere schon leiden. Manchmal können wir extrem tiefe Töne zwar nicht mehr hören, aber durch den mitschwingenden Körper fühlen. Diese Schwingungen können bei Menschen die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen, den Blutdruck erhöhen und sogar zu inneren Blutungen führen.

Goldmull
Goldmull
anonym, CC BY-SA 3.0

Infraschall breitet sich nicht nur durch Wasser und Luft, sondern auch im Erdboden aus. In der afrikanischen Nanib-Wüste scheint der blinde und perfekt an das Tauchen durch Sand angepasste Goldmull aus bis zu 20 Metern Entfernung Termiten und andere Insekten hören zu können, indem er den Kopf in den Sand steckt und Vibrationen im Boden hört. Vielleicht hört oder fühlt er aber auch nur die Vibrationen vom Rascheln der Gräser. Denn Termiten bauen ihre Nester gerne unter den Gräsern. Ein Experiment konnte das noch nicht nachweisen. Vielleicht war der Goldmull nicht hungrig oder er fühlte sich durch irgend etwas gestört.

Coqui-Pfeiffrosch
Coqui-Pfeiffrosch
United States Department of Agriculture, public domain

Im Urwald kann man wegen der vielen Blätter nicht weit sehen. Der Coqui-Pfeiffrosch ist nur so groß wie ein 2-Eurostück, aber er quakt fast so laut wie ein Presslufthammer. Er muss so laut sein sein, weil es von ihnen so viele gibt. Mit einer akustischen Camera fand man nachts im Regenwald von Puerto Rico auf einem Gebiet von der Größe eines Tennisplatzes bis zu 80 Männchen, die mit bis zu 80 Dezibel riefen. Sie sollen sogar mit 95 Dezibel rufen können.

Wühlmaus
Wühlmaus
anonym, CC BY-SA 3.0 DE

Fast zu hoch für menschliche Ohren piepsen Wühlmäuse. Schleiereulen hören jedoch das Piepsen der Mäuse aus großer Entdernung. So ließ sich eine etwa 60 Meter entfernte Schleiereule durch das Abspielen von Wühlmauspiepsen durch ein Smartphon anlocken. Ein Gesichtsschleier aus Federn leitet den Schall zu den Ohren der Schleiereule und filtert gleichzeitig alle störenden Hintergrundgeräusche heraus. Weil die Ohren unterschiedlich hoch am Kopf sind, können Schleiereulen genau feststellen, von wo ein Mäusepiepsen kommt.

Kanadische Gleithörnchen
Kanadisches Gleithörnchen
Matteo De Stefano, CC BY-SA 3.0

Kanadische Gleithörnchen warnen sich gegenseitig mit Ultraschall-Tönen von 50.000 Hertz. Derart hohen Ultraschall können nicht nur wir, sondern auch ihre Fressfeinde nicht hören.

Koboldmakis
Koboldmakis
Sakurai Midori, CC BY-SA 3.0
Wohl aus dem selben Grund rufen Koboldmakis sogar mit 70.000 Hertz.

Laubheuschrecke
Laubheuschrecke
Richard Bartz, CC BY-SA 2.5
Aber Laubheuschrecken singen durch Aneinanderreiben ihrer Flügeldecken für ihre Partner mit unglaublichen 150.000 Hertz.

Fledermaus
Fledermaus
anonym, CC BY-SA 2.0 DE

Fledermäuse rufen mit über 200.000 Hertz. Aus den Echos machen ihre Gehirne Bilder. So können sie kleine Insekten erkennen und unterscheiden. Sie sehen mit Hilfe der Ohren. Immer mehr blinde Menschen machen es ihnen nach. Das nennt man Klicksonar. In England wurde eine Drohne gebaut, die ganz ähnlich wie Fledermäuse Ultraschalltöne abgibt und aus den Echos Bilder errechnet. So kann auch sie sich im Dunkeln orientieren und uns vielleicht einen Eindruck davon vermitteln, wie Fledermäuse die Welt mit den Ohren sehen.

2 Der scharfe Blick nach oben

Während wir Menschen einen runden Bereich im Zentrum unseres Blickfeldes am schärfsten sehen, ist es beim Gepard trotz ebenfalls runder Pupille ein flacher breiter Streifen. So kann er im Sprint die vor ihm fliehenden Tiere scharf sehen, auch wenn sie Haken schlagen.

Prisma zerlegt weißen Lichtstrahl in Regenbogenfarben
Prisma zerlegt weißen Lichtstrahl in Regenbogenfarben
anonym, CC BY-SA 3.0

Wenn das weiße Sonnenlicht schräg auf eine Glasfläche fällt, dann ändert es seine Richtung. Man sagt, ein Lichtstrahl wird gebrochen. Allerdings besteht das Sonnenlicht aus unzähligen Lichtteilchen (Lichtquanten) mit ganz unterschiedlichen Farben und die blauen Lichtteilchen ändern ihre Richtung stärker als die roten. Deshalb wird das weiße Sonnenlicht durch die Glasfläche zerlegt in unterschiedlich gefärbte Streifen, die zusammen wie ein Regenbogen aussehen. Uns zeigen diese Streifen, welche Farben wir Menschen sehen können. Das reicht von Violett über Blau, Grün, Gelb, Orange bis Rot.

Farbspektren des Sonnenlichts im Weltall und unter unserer Atmosphäre
Farbspektren des Sonnenlichts im Weltall und unter unserer Atmosphäre
anonym, CC BY-SA 3.0

Es gibt aber auch Lichtteilchen mit Farben, die wir nicht sehen können. So liegt für uns unsichtbar in Richtung zunehmender Wellenlängen (niedrigerer Frequenzen) neben dem roten Streifen noch ein infraroter, den wir nur als Wärme spüren können. Deshalb nennt man das infrarote Licht auch Wärmestrahlung. Und weil unsere Körper warm sind, strahlen wir ständig Wärmestrahlung ab, die hauptsächlich aus infrarotem Licht besteht. Wir Menschen können dieses von Menschen und Häusern abgestrahlte infrarote Licht nur mit speziellen Wärmebildcameras sehen.

Kubanische Schlankboa mit ihrem Grubenorgan am Maul
Kubanische Schlankboa mit ihrem Grubenorgan am Maul
anonym, CC BY-SA 3.0

Aber manche Schlangen besitzen spezielle Grubenorgane aus etlichen Grübchen zwischen den Schuppen über und unter dem Maul, mit denen sie auch infrarotes Licht sehen können. Die Körper warmblütiger Tiere wie Menschen und Fledermäuse sind natürlich auch in dunklen Höhlen warm und strahlen deshalb auch in völliger Dunkelheit infrarotes Licht ab. Und im Gegensatz zu uns können diese Schlangen sehen, wie wir im Dunklen leuchten. In einer Höhle fangen kubanische Schlankboas vorbei fliegende Fledermäuse, weil die Schlangen die infrarot leuchtenden Körper der Fledermäuse gut sehen können. In einer für uns absolut dunklen Kiste erkennt und attackiert eine Boa sofort einen mit warmem Wasser gefüllten Ballon.

Rentier
Rentier
Alexandre Buisse, CC BY-SA 3.0

In den kältesten Regionen Europas und Amerikas lebt eine relativ kleine Hirschart, die wir Rentiere und die Amerikaner Caribou nennen. Diese Tiere können sich vor dem mächtigen Raubtier Wolf nur retten, wenn sie ihn schon aus großer Entfernung sehen und deshalb rechtzeitig fliehen. Für uns wäre das sehr schwierig, weil viele Polarwölfe für Menschen weiß aussehen und sich kaum von der Farbe des Schnees unterscheiden. Aber Rentiere sehen einen weißen Wolf auf leuchtend weißem Schnee und können deshalb den Wolf auf dem Schnee viel besser erkennen als wir. Das liegt daran, dass Rentiere ultraviolettes Licht sehen können. Beim Wolfsfell macht das keinen Unterschied, denn Wolfsfell absorbiert ultraviolettes Licht. Das bedeutet, dass ultraviolettes Licht vom Fell der Wölfe einfach geschluckt wird. Würde ein Wolf nur mit ultraviolettem Licht bestrahlt, dann sähe er für Menschen und Rentiere ganz schwarz aus. Zum Glück für die Rentiere reflektiert aber Schnee das ultraviolette Licht. Das bedeutet, dass ultraviolettes Licht von Schnee wie von einem Spiegel abprallt und wieder zurückstrahlt. Für Rentiere sieht deshalb der Schnee noch leuchtend heller aus als für uns. Menschen können ultraviolettes Licht nicht sehen, aber es beschädigt unsere Augen. Darum müssen wir unsere Augen mit Schneebrillen und im Sommer mit Sonnenbrillen vor dem UV-Licht schützen, wenn wir nicht schon eine normale Brille tragen.

Libelle
Libelle
Diethelm Glaser, public domain

Libellen gibt es schon seit 300 Millionen Jahren. Darum sind sie perfekt angepasst. Mit einer Fangquote von 95% gehören sie zu den erfolgreichsten Jägern überhaupt. Bei weißen Haien ist nur jede zweite Jagd erfolgreich und bei Löwen sind es nur 40%. Libellen können sehr schnell und geschickt fliegen. Wenn sie über sich etwas vorbei fliegen sehen, erkennen sie extrem schnell, ob es etwas fressbares ist oder nicht. Handelt es sich um ein kleineres Insekt, dann starten sie sofort, holen es schnell ein und packen es. Dabei hilft ihnen unter anderem eine Besonderheit ihrer riesigen Augen. Libellen sehen blaues Licht besser als andere Farben. Für sie sieht daher blauer Himmel viel heller aus als für uns. Umso besser erkennen sie anders als blau gefärbte Insekten, die über ihnen fliegen und für Libellen vor dem hellen Himmel besonders dunkel aussehen. Allerdings fliegen viele Insekten sehr schnell und entsprechend schnell müssen auch die Libellen sein, wenn sie ein vorbei fliegendes Insekt fangen wollen. Da trifft es sich gut für die Libellen, dass bei ihnen die Entfernung zwischen Augen und Gehirn viel kürzer als bei uns ist und dass ihre Gehirne mit wenig anderem als der Suche nach Beute beschäftigt sind. Libellen sehen, reagieren und erkennen deshalb viel schneller als wir. Während eine schnell vorbei fliegende Fliege für Menschen nahezu unsichtbar ist, wird sie von einer Libelle wie in Zeitlupe gesehen. Während menschliche Gehirne nur rund 60 Bilder pro Sekunde verarbeiten können, sind es bei Libellen 200. Darum hat die Libelle sogar noch Zeit genug zu erkennen, ob es ein als Beute geeignetes Insekt ist. Sie braucht dafür nur eine 500stel Sekunde. Bis wir ein Insekt überhaupt wahrnehmen, hat es die Libelle schon gefangen. Denn die Reaktionszeit einer Libelle liegt bei unglaublichen 30 Millisekunden.

Wanderfalke
Wanderfalke
Mike Baird, CC BY 2.0

Menschliche Augen sind genau wie die Augen von Libellen auf das Sehen bei hellem Tageslicht spezialisiert. So ist es auch beim Wanderfalken, dem mit mindestens 300 km/h schnellsten Tier unseres Planeten. Aber Falkenaugen sehen sehr viel schärfer als unsere. Wahrscheinlich haben Greifvögel die schärfsten Augen aller Tierarten. Sie erkennen sogar bei diesigem Wetter ein kleines Beutetier aus anderthalb Kilometern Entfernung. Und sie können hervorragend Entfernungen abschätzen. Wanderfalken müssen das auch, damit sie ihre rasanten Sturzflüge überleben, nirgendwo anstoßen und ihre Beute im exakt richtigen Moment schnappen. Eine Ursache für die extreme Sehschärfe der Greifvögel ist die verglichen mit uns doppelt so großen Anzahl von Lichtsinneszellen in der Fovea centralis oder Sehgrube genannten Region des schärfsten Sehens. Bei Menschen sind es etwa 140.000 Lichtsinneszellen pro Quadratmillimeter. Bei Greifvögeln können es fast doppelt so viele sein.

Pavian
Pavian
William Warby, CC BY 2.0

Mit den Augen von Greifvögeln können unsere zwar nicht mithalten, aber unter den Säugetieren gehören wir zu den wenigen, deren Augen Lichtsinneszellen für rotes Licht haben. Denn wir und einige Affenarten stammen von einem Affen ab, das vor etwa 40 Millionen Jahren aufgrund einer zufälligen Änderung seines Bauplans plötzlich rot sehen konnte. Außer uns und den anderen Menschaffen gehören zu dessen Nachkommen auch die Paviane, die wie wir rot sehen können. Die anderen Säugetiere können nur Farben erkennen, die durch die Mischung von Blau und Grün entstehen.

Zwergseidenäffchen
Zwergseidenäffchen
Malene Thyssen, CC BY-SA 3.0

Das nur menschenhandgroße Zwergseidenäffchen ist der wahrscheinlich kleinste Affe der Welt. Es kann zwar ebenfalls kein Rot sehen, aber das ist für den winzigen Insektenjäger sogar ein Vorteil. Denn dadurch wird es nicht durch unterschiedliche Farben vom Erkennen von Linien abgelenkt. Dadurch können Zwergseidenäffchen grüne Insekten besser von grünen Blättern unterscheiden. Für unsere frühen Vorfahren war hingegen das Rotsehen von Vorteil, weil sie sich weniger von Insekten als von Früchten ernährten und unreife grüne von reifen roten Früchten unterscheiden konnten.

3 Die Welt der Gerüche nach oben

Luft enthält unzählige Moleküle, die von Tieren oder Pflanzen gerochen werden können. Davon können wir Menschen allerdings nur knapp 350 riechen.

das menschliche Riechsystem
Olfaktorisches System
Ignacio Icke, CC BY-SA 2.5
Menschliches olfaktorisches System. 1: Riechkolben 2: Mitralzelle 3: Viscerocranium 4: Nasales Epithel 5: Glomerula olfactoria 6: Geruchsrezeptor

Der Geruchssinn funktioniert nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Oben in der Nasenhöhle ragen aus der Schleimhaut des Riechepithelis heraus winzige Rezeptoren (eine Art Angel), die wie ein Schloss auf einen passenden Schlüssel warten. Der jeweils passende Schlüssel ist ein Molekül, das genau in den Rezeptor passt. Ist ein Geruchsmolekül zufällig in einem passenden Rezeptor gelandet, dann verformt sich der Rezeptor und meldet durch eine Geruchs-Sinneszelle ein Signal an das Gehirn.

Gnu-Mutter und Kälbchen
Gnu - Connochaetes taurinus taurinus
Charles James Sharp, CC BY-SA 4.0

Bei ihren großen Wanderungen bleiben beispielsweise die Herden der Gnus zusammen, weil fast jedes Tier dem Geruch anderer Gnus folgt. Unter anderem bei Löwen erkennen Babys ihre Mütter am Geruch.

Erdmännchen
Erdmännchen
Joachim Huber, CC BY-SA 2.0

Erdmännchen haben zwar hervorragende Augen. Aber noch besser sind ihre Nasen. Erdmännchen flüchten oder greifen gemeinsam an, wenn sie ihre Fressfeinde riechen. Erdmännchen erkennen am Geruch das Alter eines Erdmännchens oder wer zu ihrer Gruppe gehört und wer nicht. Und sie finden ihre Beute oft mit der Nase.

Vielfrass (Gulo gulo)
Vielfrass (Gulo gulo)
Manfred Werner, CC BY-SA 3.0

Eine der empfindlichsten Nasen unter den Säugetieren hat der fast im gesamten nördlichen Polarkreis vorkommende größte Marder, den wir Vielfraß nennen. Auf der Suche nach Aas läuft er bis zu 50 km am Tag durch sein riesiges Revier. Da er keinen Winterschlaf hält, braucht er viel Nahrung. Deshalb ist es lebenswichtig für Vielfraße, dass sie von Lawinen getötete Tiere über mehrere Hundert Meter hinweg selbst unter tiefem Schnee riechen können. Die Ursache für die besondere Empfindlichkeit der Vielfraß-Nase ist eine extreme Oberflächenvergrößerung seines Riechepithels durch eine feine knöcherne Wabenstruktur in seiner Nasenhöhle. Insgesamt ist die Oberfläche des Vielfraß-Riechepithels etwa so groß wie ein Teller, während es bei uns nur etwa so groß ist wie ein Flaschenverschluss.

Klapperschlange
Klapperschlange ÿCrotalus ÿScutulatus
anonym, public domain

Klapperschlangen können mit ihrer gespaltenen Zunge und speziellen Riechgruben des Jacobson-Organs im Gaumen stereoriechen. Denn wenn der Geruch mehr von links kommt, dann haften am linken Teil der gespaltenen Zunge minimal mehr Geruchsmoleküle als am rechten. Und da die Schlange jede Hälfte ihrer gespaltenen Zunge in eine eigene Riechgrube steckt, meldet die linke Grube ein minimal stärkeres Signal an das Gehirn. Darum weiß das Gehirn, aus welcher Richtung der Geruch kommt. Das macht es Klapperschlangen möglich, von ihnen gebissene Beutetiere zu finden, indem sie einfach Geruchsmolekülen folgen, die Bestandteile ihres Klapperschlangengiftes sind. Diese Bestandteile sollen Disintegrine genannte Peptide sein.

Walhai
Walhai
Zac Wolf, CC BY-SA 2.5

Hochentwickelte Riechorgane gibt es auch bei Fischen, denn auch Wasser ist voller Geruchsmoleküle, von denen einige den Fischen wichtige Informationen liefern. Beispielsweise finden Haie damit ihre Beute und fliehen sofort, wenn sie bestimmte Duftstoffe aus den Körpern getöteter Haie riechen. Aale und Lachse finden mit extrem empfindlichen Riechorganen die Gewässer wieder, in denen sie geboren wurden.

Honigbiene
Honigbiene
Jon Sullivan, public domain

Auch für das Verhalten von Honigbienen sind Gerüche sehr wichtig. Sie riechen mit ihren Fühlern bzw. Antennen. Diese sollen 60.000 Geruchsrezeptoren besitzen, mit denen unablässig nach zu den Rezeptoren passenden Geruchsmolekülen geangelt wird. Bienen verständigen sich (kommunizieren) mit sogenannten Pheromonen. Tropft man etwas vom Pheromon der Königin in ein Gefäß, dann versammeln sich darin sofort alle Arbeiterinnen. Inzwischen kennen Bienenforscher mehr als 15 Pheromone, die bei Bienen bestimmte Verhaltensweisen auslösen. Sie dienen der Orientierung, helfen bei der Nektarsuche und der Fortpflanzung. Möglicherweise haben Bienen sogar eine Art Pheromonsprache.

Varoa-Milben auf einer Bienenlarve
Varoa-Milben auf einer Bienenlarve
Kika De La Garza, Subtropical Agricultural Research Center Weslaco, Texas, USA, public domain

Imker hatten gehofft, Mischlinge aus wilden afrikanischen Bienen und friedlichen Honigbienen könnten sich vielleicht besser gegen die gefährliche Varoa-Milbe wehren. Das ist auch so und sie geben viel Honig. Aber leider erwiesen sie sich als auch für Menschen lebensgefährliche Killerbienen. Koordiniert (gesteuert und aufeinander abgestimmt) durch warnende Duftstoffe greifen sie zu Tausenden alles und jeden an, den sie für eine Bedrohung für ihre Nester halten. Stört man auch nur eine dieser Killerbienen, dann gibt sie das Alarm-Pheromon frei und gut die Hälfte eines Bienenfolks fällt über den vermeintlichen Angreifer her. Dabei orientieren sie sich mit Hilfe des Kohlenstoffdioxids, dass ihre potentiellen Fressfeinde ausatmen. Darum stechen sie besonders in die Gesichter ihrer Opfer. Glücklicherweise lassen sich auch Killerbienen mit Rauch beruhigen, anscheinend weil der Rauch ihre Geruchsrezeptoren blockiert. Das wirkt aber nur wenige Minuten. Gibt auch nur eine Biene den süßlich nach Bananen riechenden Alarmstoff ab, dann tun das auch die anderen und sie bringen sich gegenseitig in Angriffsstimmung. Ohne einen wirklich dichten Schutzanzug hätten Menschen dann keine Chance mehr.

Streifenskunk
Streifenskunk
Tom Friedel, CC BY 3.0

Der in Deutschland Stinktier genannte Streifenskunk benutzt die Riechorgane seiner Fressfeinde, um sie von sich fern zu halten. Denn er produziert und verspritzt gezielt ein unerträglich stinkendes und schrecklich schmeckendes Sekret, das außerdem die Augen seiner Fressfeinde für eine Weile arbeitsunfähig macht. Es soll wie eine Kombination aus verbranntem Gummi, Urin und faulen Eiern riechen. Es besteht hauptsächlich aus flüchtigen Schwefelverbindungen, den sogenannten Thiolen.

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Roland Heynkes, CC BY-NC-SA 4.0