Zusammenfassung der Dokumentation: "Unser fantastischer Bewegungssinn - Das Geheimnis der Propriozeption"

Roland Heynkes 19.11.2024, CC BY-SA-4.0 DE

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Bis zum 10.10.2029 könnt Ihr Euch Zuhause das Video in der 3Sat-Mediathek ansehen, falls unsere bildungsfernen Ministerpräsidenten nicht bis dahin den besten deutschsprachigen Bildungssender "eingespart" haben.

Für erfolgreiches Lösen der Aufgaben zu Material in Klausuren und zur effektiven Vorbereitung darauf mit diesem Selbstlern-Hypertext:

  • Schreibe über Deine erste Antwort des Tages das aktuelle DATUM und das Thema!
  • Lies den Text erst nachdem Du EINE Aufgabe wirklich genau verstanden hast!
  • Finde die Informationen ohne Google AUSSCHLIEßLICH im vorgegebenen Material (in diesem Fall im Lerntext)!
  • Kopiere nicht einfach Sätze aus dem Lerntext, sondern FORMULIERE SELBER Deine Antworten!
  • Schreibe Deine Antworten nicht am Computer, sondern HANDSCHRIFTLICH in einen Biohefter (oder ein Bioheft)!
  • Antworte in kurzen GANZEN SÄTZEN so knapp wie möglich und so ausführlich wie nötig!
  • Achte darauf, dass Deine Sätze einen SINN ERGEBEN und wirklich ZUR AUFGABE PASSEN!
  • Formuliere Deine Antworten so, dass auch ohne Kenntnis der Aufgabe klar ist, worum es geht! (Beginne den Antwortsatz möglichst mit der Aufgabe.)
  • Vermeide Personalpronomen wie: "Sie" oder: "Ihre", wenn nicht unmißverständlich klar ist, wer oder was gemeint ist.
  • Und das Wichtigste: "Sei nicht so dumm abzuschreiben!" Sonst lernst Du nicht, was Du gar nicht oft genug üben kannst.
Aufgaben zur selbständigen Erarbeitung des Lernstoffes
1 Definiere Sensor, Propriozeption, Propriozeptor, bionische Prothese!
2 Nenne die verschiedenen Arten von Propriozeptoren!
3 Vergleiche die Informationen, die das Gehirn einerseits von Muskelspindeln und andererseits von Sehnenspindeln empfängt!
4 Erkläre die Notwendigkeit, beim Wasserspringen die Informationen von Sinnesorganen und Propriozeptoren im Gehirn zu kombinieren!
5 Beschreibe, wie Babys lernen, ihre Körper gezielt zu bewegen!
6 Erkläre die Wichtigkeit von Koordinationstraining für junge und alte Menschen!
7 Beschreibe die Steuerung einer bionischen Handprothese durch das Gehirn!
8 Begründe den Wunsch nach Propriozeptoren und Oberflächensensoren für Roboter und bionische Prothesen!
9 Nimm Stellung zu der Frage: "Sollen Roboter den Menschen übertreffen dürfen!
Hier geht es zu den Lösungen.

Vor allem seitdem Wissenschaftler und Ingenieure autonom fahrende Autos oder vielseitig und flexibel bewegliche Roboter zu bauen versuchen, fragt man sich, wie genau eigentlich unsere Gehirne unseren Bewegungsapparat steuern und dabei auch schnell auf unerwartete Situationen reagieren. Dabei war den Ingenieuren klar, dass der Computer eines Autos oder Roboters dafür Informationen von zahlreichen Sensoren benötigt. Außer Kameras, Mikrophonen, Ultraschall und vielleicht Radar für die Außenwahrnehmung sind auch Sensoren für die Erfassung innerer Zustände erforderlich.

Auch der menschliche Organismus sammelt nicht nur mit Hilfe der Sinnesorgane Informationen über die Umwelt. Zahlreiche innere Sensoren informieren das Gehirn über Körpertemperatur, Blutdruck, die Konzentrationen verschiedener Stoffe im Blut, die Spannungszustände von Muskeln, Sehnen und Knochen sowie die aktuellen Winkel der Gelenke. Hinzu kommen die Informationen des Vestibularapparats über die Beschleunigungen des Kopfes und dessen Lage relativ zur Richtung der Schwerkraft.

Die Fernsehdokumentation zeigt die erstaunliche Körperbeherrschung einer jungen Breakerin und eines noch jüngeren Breakers. Während sie mit komplexen Bewegungsabläufen auf dem Boden herum wirbeln, müssen sie unbewusst jederzeit genau über ihre Lage, Bewegung und Beschleunigung im Raum informiert sein. Was sie dazu befähigt, nennt man Bewegungssinn, Körpergefühl, Eigenwahrnehmung, 6. Sinn, Tiefensensibilität oder Propriozeption. Die dafür notwendigen Sensoren heißen Propriozeptoren oder Propriorezeptoren und wir haben Tausende davon. Muskelspindeln melden die Dehnung und die Geschwindigkeit ihrer Änderung in Skelettmuskeln. Die auch Sehnen-Rezeptoren oder Sehnenspindeln genannten Golgi-Sehnenorgane melden, wie stark ein Muskel an einer Sehne zieht. Ruffini-Körperchen sind sich langsam anpassende Dehnungs-Rezeptoren, die Scherkräfte (Druck oder Dehnung) in der Haut, der Wurzelhaut der Zähne und in Gelenkkapseln melden. Sie informieren das Kleinhirn über die statische oder dynamische Beugung eines Gelenks. Die auch Lamellenkörperchen genannten und unter anderem auf Knochenhäuten und großen Sehnenplatten vorkommenden Vater-Pacini-Körperchen sind sehr schnell reagierende Beschleunigungs-Sensoren für Vibrationen.

Im Gehirn werden die Signale der Propriozeptoren mit den Informationen der bekannten Sinnesorgane kombiniert. Das ist beispielsweise für Turmspringer wichtig, die nicht nur die Bewegung des eigenen Körpers, sondern auch dessen Lage relativ zur Wasseroberfläche berücksichtigen müssen.

Die Eigenwahrnehmung beginnt schon beim Fötus und wird zusammen mit der Koordination von Bewegungsabläufen von spielenden Kindern unermüdlich geübt. Wenn das Gehirn eines Babys durch motorische Nerven Impulse an einen Muskel schickt, dann erhält es durch Augen und Propriozeptoren Rückmeldungen über den Effekt. So lernt es immer besser, seinen Körper zu steuern. Allerdings dauert es 8-10 Jahre, bis ein Kind seinen Körper wirklich gut beherrscht. Und der Erfolg hängt stark davon ab, wie intensiv, schnell und präzise ein Kind seinen Bewegungsapparat bei Spiel, Sport oder im Umgang mit einem Musik-Instrument fordert. Dann wachsen plötzlich in der Pubertät Arme und Beine und besonders bei Jungen die Muskeln sehr schnell, sodass der Körper immer wieder anders als gewohnt auf die Befehle des Gehirns reagiert. Der Körper stimmt nicht mehr mit der gewohnten Genauigkeit mit dem inneren Modell überein, welches das Gehirn sich von seinem Körper gemacht hat. Darum werden Jugendliche etwas tollpatisch, bis ihre Körper ganz ausgewachsen sind und ihre Gehirne sich daran angepasst haben. Aber auch hier gilt, dass die Geschwindigkeit und die Genauigkeit dieser Anpassung vom Training abhängt. Ganz ähnlich muss sich auch das Gehirn des alternden Menschen durch Training an die nachlassende Kraft seiner Muskeln, die Schmerzen in seinen Gelenken sowie die schlechter werdenden Augen und Ohren anpassen.

Wie gut junge Erwachsene ihre Instrumente und Körper beherrschen, das hängt weniger vom Talent als von der Gesamtzahl der Stunden ab, die sie in ihr Training investiert haben. Und wie schnell alternde Menschen abbauen, das hängt hauptsächlich davon ab, wieviele Stunden pro Woche sie ihre langsam abnehmenden Fähigkeiten trainieren.

Der ehemalige Boxweltmeister Mike Tyson hat zwar weiterhin seine Muskeln trainiert. Aber gegen einen weiterhin Boxen trainierenden Gegner hat er keine Chance mehr, weil er vergessen hat, das Körpermodell seines Gehirns laufend an seinen vor allem langsamer, steifer und weniger ausdauernd gewordenen Körper anzupassen.

Würden die Signale der Sinnesorgane und unzähliger Propriozeptoren unser Bewußtsein erreichen, dann wären wir damit völlig überfordert. Deshalb geschehen der Empfang, die Verarbeitung und die Reaktionen auf diese Fülle von Informationen unbewusst.

Weil wir unsere Körper-Wahrnehmung größtenteils nicht bewusst erleben, möchten Forscher mit moderner Technik und Computerprogrammen ermitteln, welche Kräfte bei bestimmten Bewegungsabläufen auf Muskeln, Sehnen und Knochen wirken. Dazu tragen Probanden einen Anzug mit gut sichtbaren Markierungen an den Gelenken, damit ein Computerprogramm bei Analysieren einer oder mehrerer Videoaufnahmen aus verschiedenen Perspektiven die Bewegungen der Markierungen im Raum verfolgen kann. Daraus lässt sich dann berechnen, wie stark welche der etwa 700 Muskeln dabei aktiv sind und welche Kräfte auf die Teile des Bewegungsapparates wirken. Spitzensportler sollen in Zukunft mit Hilfe solcher Analysen ihr Training optimieren.

Eine andere technische Entwicklung ist gerade für alternde Gesellschaften interessant. In Zukunft sollen aktive (motorisierte) und passive (mit Federn) Exoskelette schwere Arbeiten erleichtern, indem sie ähnlich wie Pedelecs unsere Muskel-Kraft ergänzen. Daran arbeiten Wissenschaftler schon seit den 1960er Jahren und etwa seit 2013 erleichtern Exoskelette in Industrie, Logistik und Bauwesen das Bewegen schwerer Lasten. (In Japan nutzt man es auch in der Landwirtschaft.)

Man könnte erwarten, dass die durch ein Exoskelett veränderte Reaktion des Körpers ähnlich wie die gewachsenen Beine während der Pubertät eine jahrelange Phase der Gewöhnung des Gehirns erfordert. Aber in einem Experiment stellte sich das Gehirn eines Probanden beim Heben eines Gewichtes sofort perfekt auf die Unterstützung durch das Exoskelett ein. Forscher nennen das: "Predictive Coding". Das Gehirn soll die Wirkung des Exoskeletts vorhersehen und einplanen.

Eine andere wichtige Herausforderung für Gehirne und Technik ist die willentliche Ansteuerung einer Prothese durch das Gehirn eines Menschen, der einen Teil seines Körpers verloren hat. Aber der Leidensdruck vieler Amputierter ist hoch und die Herausforderung reizt Wissenschaftler. Mit durch Gedanken steuerbaren bionischen Prothesen erlangen Amputierte ihre Selbständigkeit zurück. Inzwischen meinen einige Kognitionswissenschaftler, das Bewußtsein benötige die Interaktion mit einem Körper. Vielleicht macht das die Entwicklung bionischer Prothesen noch bedeutsamer. Jedenfalls sollen bionische Prothesen sowohl motorisch als auch sensorisch den natürlichen Gliedmaßen möglichst nah kommen. 2020 gelang Forschern in Wien, am MIT in Boston und in der Universität Göteborg erstmals die Entwicklung bionischer Prothesen, die ein natürliches und intuitives Körpergefühl vermitteln.

Ein Chirurg verband die durch den Verlust einer Hand "arbeitslos" gewordenen Nerven mit Muskeln im verbliebenen Rest des Armes. So konnten diese ebenfalls nutzlos gewordenen Muskeln die Anweisungen des Gehirns an die verlorene Hand empfangen und verstärken. Dann wurden winzige Elektroden an der Haut des Armstumpfes befestigt. Diese registrieren die Muskel-Kontraktionen und reagieren darauf mit elektrischen Impulsen, die zur künstlichen Hand weitergeleitet werden. Daraufhin führt die bionische Prothese die Bewegungen aus, die das Gehirn wollte. Das Gewicht der fest mit den Unterarmknochen verbundenen Prothese, die Motorengeräusche und die Beobachtung der Prothese mit den Augen helfen dem Gehirn, den künstlichen Körperteil als Teil des eigenen Körpers zu akzeptieren. Fast sofort hatte der Patient das Gefühl, wieder über eine eigene Hand zu verfügen. Die künstliche Hand bräuchte jetzt "nur" noch Sensoren, die dem Gehirn Berührungen zurück melden. Das ist noch Gegenstand der Forschung, aber schon das bisher Erreichte beweist die unglaubliche sensomotorische Flexibilität des menschlichen Gehirns.

Ein chinesischer Roboterhund nutzt verschiedene Sensoren, um die menschliche Eigenwahrnehmung nachzuahmen. In der Robotik verwendet man Positions-Sensoren und Geschwindigkeitsmesser, für die Rückmeldungen bzw. Erfolgskontrolle, die eine präzise Steuerung von Bewegungen ermöglichen. Ein dem menschlichen Körper nachempfundener Roboter mit Positions-Sensoren in den großen Gelenken, einer Art Gleichgewichtssinn im Bauchraum sowie Kameras im Kopf als Augen lief schon ziemlich gut. Damit er aber auch nicht versehentlich Menschen verletzt, wurden fast auf der gesamten Körperoberfläche eines Nachfolgemodells nicht nur Beschleunigungs-Sensoren für die Bewegungskontrolle, sondern auch Infrarot-Sensoren für das Erspüren der Annäherung eines warmen Körpers und Kraft-Sensoren für die Wahrnehmung von Berührungen montiert. So kann der Roboter Zusammenstöße mit Menschen verhindern. Mit einer Art Tastsinn auf den Fußsohlen spürt der Roboter beim Gehen auch Hindernisse. Vielleicht kann eines Tages die Eigenwahrnehmung eines Roboters sogar die des Menschen übertreffen, denn man kann Robotern viele unterschiedliche Arten von Sensoren geben.

Deswegen aber gleich eine ethische Debatte zu verlangen, halte ich für einen Ausdruck menschlicher Überheblichkeit. Sie ist auch überflüssig, spästens seit Deep Blues Sieg gegen den Schachweltmeister Garri Kasparov im Jahr 1997. Auch Tiere und sogar Pflanzen übertreffen uns Menschen in vielerlei Hinsicht. Aber auch der beste Roboter wird wohl nie den Menschen in jeder Hinsicht übertreffen. Und wenn doch, wieso sollte das schlimm sein? Wir Menschen können doch auch damit leben, dass immer irgendwer irgend etwas besser kann. Die Besten ihrer Disziplinen zeigen uns doch vor allem, zu was wir fähig sind, wenn wir es so sehr wollen, dass wir bereit sind, dafür täglich mehrere Stunden zu üben. Indem wir uns meistens dagegen entscheiden, verlieren wir zwar eine mögliche Fähigkeit, gewinnen dafür aber Zeit für Anderes. Es ist nur schade, wenn dieses Andere reine Zeitverschwendung ist. Aber das muss jeder Mensch möglichst ehrlich für sich selbst entscheiden.

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