Basiskonzept System

Roland Heynkes, 10.9.2017

Dieser Hypertext soll möglichst verständlich erklären, was man zum Verständnis des naturwissenschaftlichen Basiskonzepts System wissen sollte. Zu diesem Selbstlern-Hypertext habe ich ein Übungsmodul Basiskonzept System mit klausurartigen Aufgaben erstellt.

Gliederung

zum Text System Auto
zum Text System Zelle
zum Text der Tod als Systemversagen
zum Text System Pflanze
zum Text System Tier
zum Text System Mensch
zum Text Ökosysteme
zum Text die Biosphäre
zum Text Mensch-Maschine-Systeme
zum Text Systembiologie

System Auto nach oben

Autos sind Systeme, weil in ihnen viele Teile mit unterschiedlichen Funktionen räumlich und zeitlich perfekt koordiniert zusammenarbeiten müssen, damit das System Auto insgesamt funktioniert. Damit das System Auto nicht nur funktionsfähig herumsteht, braucht es Energie, die man ihm von außen in Form von Kraftstoff (energiereiche Stoffe) zuführen muss. Vor allem durch seinen Auspuff gibt ein Auto auch Stoffe an seine Umwelt ab. Autos sind deshalb offene Systeme. Lebendig sind Autos aber nicht, da sie keinen Bauplan in allen Bauteilen besitzen, nicht aus Biomolekülen bestehen und diese schon gar nicht selbst herstellen und darum auch nicht durch Fortpflanzung entstehen können.

System Zelle nach oben

Ähnlich wie ein Auto ist auch jede noch lebende Zelle ein System, in welchem unzählige Nanomaschinen und Organellen wie Zellkern und Chloroplasten perfekt reguliert zusammen arbeiten, um das Phänomen Leben zu erschaffen. Solange sie leben, nehmen pilzliche und tierische Zellen aus ihren Umwelten Wasser, Sauerstoff, Mikronährstoffe und die Monomere verschiedener Makronährstoffe auf und geben Abfallstoffe an ihre Umwelten ab. Stoffaustausch ist charakteristisch für offene Systeme. Unser Biologiebuch teilt uns mit, alleine an der Verdopplung (Replikation) der 46 Chromosomen menschlicher Zellkerne vor einer Zellteilung seien 8-12 Tausend Enzymteile beteiligt. Um diesen Prozess gezielt in Krebszellen stoppen zu können, muss man das Replikations-System unserer Zellen wenigstens ansatzweise verstehen. Deshalb lässt schon dieses kleine Beispiel erahnen, wie wichtig und kompliziert es sein kann, biologische Systeme zu verstehen.

der Tod als Systemversagen nach oben

In den meisten Blütenpflanzen müssen die Pflanzen-Organe Wurzel, Sprossachse und Blätter alle vorhanden sein und als Organsysteme im Organismus zusammen arbeiten. Ohne ihre auf die Aufnahme von Wasser und Mineralstoffen (Stoffaustausch) spezialisierten Wurzeln sterben und verwelken Schnittblumen nach kurzer Zeit.

System Pflanze nach oben

Kulturpflanzen sind eine der wichtigsten Grundlagen für menschlicher Zivilisationen. Entsprechend groß ist die Bedeutung von Pflanzenzucht und Pflanzenforschung. Und das ist immer mehr Systemforschung, weil man Pflanzen nur verstehen und gezielt verändern kann, wenn man die Pflanze als System versteht, anstatt ihre Wurzeln, Blätter oder Blüten isoliert zu betrachten. Versteht man beipielsweise die Rolle der Gene und ihrer Regulation für die Bildung pflanzlicher Eiweiße, dann kann man durch die Erforschung pflanzlicher Genome vorhersagen, welche Mutationen zu welchen Ergebnissen führen würden. Und man kann heute ganz gezielt genau die Mutationen gentechnisch herbeiführen, welche die gewünschten Ergebnisse haben werden.

System Tier nach oben

Das System Tier benötigt wesentlich mehr perfekt kooperierende Organe als Pflanzen, schon weil erhebliche Anteile seiner Organe und seines Stoffwechsels der Bewegung (Bewegungssysteme) oder der Verdauung (Verdauungsorgane insbesondere im Verdauungstrakt) seiner Makronährstoffe dienen. Bei Tieren noch wichtiger als bei Pflanzen und Pilzen sind Regulationssysteme, mit denen wir beispielsweise die Körpertemperatur und den Blutzuckerspiegel regulieren. Wenn solche Regulations-Systeme versagen, werden Tiere krank und können daran sogar sterben. Für Tierärzte und Humanmediziner ist es deshalb sehr wichtig, die Regulationsmechanismen tierischer Organismen zu verstehen. Und während die autotrophen Pflanzen nur Gase ausscheiden, sind es bei Tieren zusätzlich Flüssigkeiten und Kot, weil heterotroph lebende Systeme neben Baustoffen für Aufbau und Reparatur auch noch energiereiche Stoffe für die Energieversorgung ihrer Organismen aufnehmen müssen. Während ein nur kleiner Teil pflanzlicher Spezies als sogenannte fleischfressende Pflanzen auch für sie unverdauliche Ballaststoffe aufnimmt und ausscheidet, tun das fast alle tierischen Spezies. Außerdem ist der Stoffwechsel bei den meisten Tieren wesentlich intensiver als bei den sich normalerweise äußerlich nicht aktiv bewegenden Pflanzen und Pilzen.

System Mensch nach oben

Auch wir Menschen gehören zu den Tieren und sind wie alle Lebewesen offene Systeme mit einem regen Austausch von Stoffen und Energie mit der Umwelt. Und weil in einem System alle Teile zusammen arbeiten müssen, werden wir krank und können sogar sterben, wenn auch nur eines unserer Organe krank ist. Für eine leistungsfähige Medizin ist es unerlässlich, innerhalb des menschlichen Organismus Systeme wie das hämopoetische System, unsere Hormonsysteme, das Immunsystem, das Lymphsystem und das Nervensystem (einschließlich Zentralnervensystem) möglichst gut zu verstehen.

Ökosysteme nach oben

Zellen sind die kleinsten überhaupt lebensfähigen Systeme. In vielzelligen Lebewesen bilden alle Zellen gemeinsam ein lebensfähiges System, zu dessen notwendigen Funktionen auch das gezielte Absterben einzelner Zellen zum Wohle des Ganzen gehört. Biozönosen sind ebenfalls Systeme, in denen viele Lebewesen zusammen ein Ganzes mit Eigenschaften bilden, über die kein einzelnes Lebewesen verfügen kann. Und weil keine Biozönose ohne ihr Biotop existieren kann, fassen wir Biotop und Biozönose zusammen zum sogenannten Ökosystem, dessen Name schon ausdrückt, dass es sich dabei um ein System handelt. Auch in Ökosystemen gibt es regulierende Elemente und Mechanismen und das Wissen darüber kann uns Menschen vor schwerwiegenden Fehlern bewahren.

die Biosphäre nach oben

Verglichen mit den gigantischen Dimensionen des Erdinneren und der oberen Atmosphäre der Erde ist der Biosphäre genannte belebte Bereich unseres Planeten relativ schmal. Trotzdem existieren in unserer Biosphäre unzählige Ökosysteme, die sich gegenseitig mehr oder weniger stark beeinflussen. So düngt beispielsweise nicht selten Saharastaub den südamerikanischen Regenwald, obwohl der Atlantik zwischen beiden Ökosystemen liegt. Ein anderes Beispiel für die Vernetzung verschiedener Ökosysteme zum Gesamtsystem Biosphäre sind die von Menschen in gemäßigten Breiten produzierten Luftschadstoffe, die vom Wind unter anderem in arktischen Ökosystemen die Nahrungsketten vergiften. Mit dem dort gefangenen Fisch kommen einige dieser Gifte zu uns zurück.

Mensch-Maschine-Systeme nach oben

Zunehmend gibt es auch Mensch-Maschine-Systeme, in denen insbesondere behinderte und alte Menschen durch Prothesen unterstützt werden. Schon länger arbeiten in der Industrie Menschen mit einfachen Maschinen oder Robotern. Inzwischen erweitern Roboter auch die Fähigkeiten von Forschern und Ärzten. Auch beim Rad- oder Autofahren verschmelzen wir mit unseren Fahrzeugen zu Mensch-Maschine-Systemen. Fast schon zur unbewussten Selbstverständlichkeit geworden ist uns modernen Menschen, dass wir vor allem mit unseren Smartphones, Tablets und Notebooks nahezu ständig als Mensch-Maschine-Systeme funktionieren.

Systembiologie nach oben

Für uns Menschen kann es sehr nützlich sein, Systeme zu verstehen, ihr Verhalten korrekt vorhersagen und sie sinnvoll beeinflussen zu können. Das ist allerdings bei lebenden Systemen sehr schwierig, weil schon die Zelle als das kleinste lebensfähige System derart komplex ist, dass kein Mensch es wirklich versteht. Als eine sehr wichtige Teildisziplin der Biologie versucht seit einem halben Jahrhundert die Systembiologie das zu ändern. Man benötigt für die Bewältigung dieser Aufgabe eine interdisziplinäre Kooperation von Biologen und/oder Medizinern mit Mathematikern, Physikern, Chemikern und nicht zuletzt Informatikern, um zur Erklärung der Ergebnisse experimenteller biologischer Forschung durch biologische Theorien oder zumindest Hypothesen zu erklären, die Hypothesen oder Theorien als biologische Modelle zu formulieren und dann die biologischen Modelle in mathematische Modelle und Computeralgorithmen zu übersetzen, damit sie durch Computersimulationen überprüft werden können. Um sich nicht völlig zu überfordern, simulieren aber die Systembiologen nicht gleich einen ganzen Menschen und ein komlettes Ökosystem höchstens ganz grob und oberflächlich. Wirklich in die Tiefe geht man mit Systemen innerhalb von Systemen. Beispielsweise erforscht man das Immunsystem als Teilsystem des Systems Mensch, um besser zu verstehen, warum es zu Autoimmunkrankheiten wie Typ-1-Diabetes oder Multipler Skelore kommt und wie man es bei schweren Infektionskrankheiten oder Krebs unterstützen und damit Menschenleben retten kann. Wie schon oft in der Biologie spielen Physiker auch bei der Entwicklung der Systembiologie eine große Rolle, weil sie die seit Jahrhunderten von der theoretischen Physik entwickelten Methoden in die Systembiologie einbringen. Viele Physiker sind gleichzeitig virtuose Mathematiker und können so gut programmieren, dass sie extrem wichtige Mitglieder interdisziplinärer systembiologischer Arbeitsgruppen sind. Da haben sie allerdings zwei große Probleme. Erstens benutzen sie normalerweise die Mathematik als die Sprache, in der sie denken und sich untereinander verständigen. Das führt oft zu anfangs gar nicht erkannten Verständigungsproblemen mit Biologen und Medizinern, von denen nur wenige mathematisch denken. Ein oft noch größeres Problem ist allerdings, dass es nur sehr wenige Physiker gibt, die über ausreichendes biologisches Wissen und Verständnis verfügen. Dringend benötigt werden daher in der Systembiologie Menschen, die theoretische Physik und theoretische Biologie gleichrangig studiert haben.

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Roland Heynkes, CC BY-NC-SA 4.0

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