Auszug aus der Biografie: "Félix d’Hérelle, le rebelle et le bactériophage" (Félix d’Hérelle, der Rebell und der Bakteriophage) von Agnès Farkas, 7. Juni 2024
Roland Heynkes 28.10.2025, CC BY-SA-4.0 DE
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Agnès Farkas
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Félix d’Hérelle, le rebelle et le bactériophage
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Auszug aus der Biografie: "Félix d’Hérelle, le rebelle et le bactériophage" (Félix d’Hérelle, der Rebell und der Bakteriophage) von Agnès Farkas, 7. Juni 2024
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Das (besprochene) Buch (von Raymond Lemieux) ist eine Biografie, die sich wie ein Roman liest, so fantasievoll ist der Held in seinem Privatleben und so hartnäckig in seinem Streben nach wissenschaftlichen Entdeckungen. Inspiriert von Louis Pasteur macht Félix Hubert d'Hérelle (1873-1949) die große Entdeckung der Phagentherapie, die ihm eigentlich Unsterblichkeit hätte einbringen müssen, doch im Gegensatz zu seinem Vorbild gerät er bis 1990 in Vergessenheit.
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Sprache
ZF
Der Entdecker der biologischen Schädlingsbekämpfung und der Phagentherapie wurde am 25.4.1873 als Sohn einer 24jährigen Niederländerin und Bezieherin einer Rente namens Augustine Josèphe Haerens und einem anonymen Vater in Paris geboren. Angeblich nur ein Freund seines Vaters war der nach Kanada ausgewanderte aristokratische Franzose Henri-Gustave Joly de Lotbinière, der in Québec die Liberale Partei gründete und Premierminister wurde. Zum Umfeld des jungen Félix Haerens gehörten auch weitere Aristokraten und er wuchs trotz alleinerziehender Mutter gutsituiert auf. So konnte er es sich leisten, sich statt des normalen Weges durch Schule und Universität autodidaktisch seinem eigenen Lehrplan zu folgen und sich anzulesen, was ihn interessierte. Leider machte das weniger begabte Forscher so neidisch, dass sie später mit allen Mitteln versuchten, ihn zu diskreditieren. Andere erkannten seine Leistungen und schlugen ihn mehrfach erfolglos für einen Nobelpreis vor.
Dem 15jährigen Félix schenkte die Mutter ein Fahrrad und eine stattliche Summe, um damit durch Frankreich und Belgien bis nach Köln und zurück zu fahren. Unterwegs erlebt er eine fragwürdige Behandlung eines vom Hund gebissenen Jungen durch Mönche. Das weckte sein Interesse an der Mikrobiologie und den Arbeiten von Pasteur. Er liest viel darüber und richtet sich zu Hause ein kleines Labor ein, bricht aber das Gymnasium ohne Abschluss ab, bereist Europa und wird 1893 französischer Soldat. Dann heiratet er und desertiert nach nur einem Jahr. Deshalb muss er zusammen mit seiner Frau fliehen.
1895 lebt er mit Frau und Tochter unter dem Decknamen Juan Pedro Emprin in Argentinien. Auf Einladung seines „Onkels aus Amerika“, Joly de Lotbinière, und mit finanzieller Unterstützung ihrer Mutter lassen sich Félix, seine Familie und sein Bruder in Kanada nieder und beginnen nacheinander mit der Produktion von Ahornwhisky und Schokolade. Damit sind sie aber nur technisch erfolgreich und müssen Insolvenz anmelden. Inzwischen nennt er sich Félix Haerens Hérelle und veröffentlicht unter diesem Namen mehrere wissenschaftliche Artikel über Geologie und Chemie.
Erstaunlicherweise wird ihm eine Stelle als Mikrobiologe angeboten und er übersiedelt mit seiner Frau und inzwischen zwei Töchtern nach Guatemala. Von nun an nannte er sich Félix d’Hérelle und Wissenschaftler. Von 1901 bis 1906 lebt die Familie in von der Regierung Guatemalas eingerichteten Labors. Er führte bakteriologische Untersuchungen durch und hielt ohne jeden eigenen Abschluss Vorlesungen an der Medizinischen Fakultät und der Landwirtschaftsschule.
Von 1907 bis 1911 arbeitete er als Bakteriologe im Dienste der mexikanischen Regierung. Als solcher bekämpfte er mit radikalen Maßnahmen Stechmücken als Überträger des Gelbfiebers.
Danach wurde er um Hilfe bei der Bekämpfung eines Pilzes gebeten, der Kaffeesträucher befällt. Er hat zwar keine entsprechende Ausbildung, aber erdenkt wissenschaftlich und findet heraus, dass im betroffenen Gebiet die Asche eines Vulkans den Boden sauer gemacht und dadurch die Vermehrung des Pilzes begünstigt hat. Er löst das Problem, indem er eine Kalkung des Bodens vorschlägt. Diesen Erfolg veröffentlicht er in der Fachzeitschrift der französischen Mykologischen Gesellschaft.
1911 ist kurz in Paris, um auf Einladung des Generaldirektors des "Institut Pasteur" Emile Roux als freier Mitarbeiter im Institut Pasteur die hemmende Wirkung von Hefen auf Staphylokokken zu erforschen. Er nutzt diesen Aufenthalt, um der mexikanischen Regierung Sterilisatoren, Fermenter und Pressen schicken zu lassen. Anschließend kehrte er mit seiner Familie nach Yucatan zurück, um dort aus Agaven vermutlich Tequila und Mezcal zu produzieren. Diesmal verhinderte eine Heuschreckenplage den Erfolg. Aber er kehrt mit drei toten Heuschrecken nach Paris in sein Labor zurück und findet in deren Därmen massenhaft Bakterien, die er Coccobacillus acridorium nennt. Indem er mit den isolierten Bakterien erfolgreich Heuschrecken infiziert, weist er nach, dass diese Bakterien Heuschrecken töten. Mit seiner Entdeckung und den Bakterien ging er ins Institut Pasteur. Als Ende des Sommers 1910 eine massive Heuschreckenplage Frankreich heimsucht, isoliert er die für Heuschrecken tödlichen Bakterien und vermutlich bekämpfte er damit die Heuschrecken. Jedenfalls verfasst EmileRoux einen Bericht und hält einen Vortrag über die Arbeiten von d’Herelle. Der darf daraufhin seine Forschung in einem argentinischen Labor fortsetzen.
1914 veröffentlicht er in der französischen Fachzeitschrift: „La Science et la Vie“ seine Methode der biologische Bekämpfung von Heuschreckenplagen durch Besprühen derFelder mit einer Coccobacillus-Brühe mit dem Titel: „La lutte contre les sauterelles” (Der Kampf gegen Heuschrecken). Aber das gefiel den lokalen Wissenschaftlern nicht und d’Herelle ließ sich von ihnen vertreiben. Er kehrte wieder nach Paris zurück, um sich der Serum-Abteilung des Institut Pasteur anzuschließen. Mikrobiologen des Institut Pasteur benutzten seine Methode der biologischen Schädlingsbekämpfung gegen verschiedene schädliche Insekten wie Seidenraupenparasiten, Maiszünsler und Schwammspinner. Allerdings wurde diese Methode 1940 aufgegeben, vermutlich weil die chemische Schädlingsbekämpfung einfacher ist. Erst 1980 wurde sie wieder entdeckt, nachdem man die Nachteile der chemischen Schädlingsbekämpfung erkannt hatte.
1942 beschrieb Félix d'Hérelle in seiner Autobiografie die fatalen langfristigen Folgen, wenn chemische Insektizide neben den Schädlingen auch die Nützlinge vernichten.
Am 3.8.1914 erklärte Deutschland Frankreich den Krieg und auf den Schlachtfeldern begann die Ausbreitung von Seuchen. Zusammen mit seiner Frau den Töchtern und zwei Krankenschwestern produzierte und verimpfte d'Hérelle fast 12 Millionen Dosen Thyphus-Impfstoff.
Dann grassiert in den Schützengräben eine tödliche Bakterienruhr und es gelingt d’Herelle im Militärkrankenhaus, aus Latrinen-Exkrementen Shigella-Erreger zu isolieren, die Kiyoshi Shiga 15 Jahre zuvor entdeckt hatte. Vor allem aber bemerkt er, dass einige Reagenzgläser Bereiche aufwiesen, in denen es keine Bakterien gab. Und er erinnerte sich, dass er ähnliches schon bei den Heuschrecken in Argentinien gesehen hatte.
Er hatte die weißen Flecken in den den Bakterien-Kulturen aus Heuschrecken und menschlichen Patienten für ein Ergebnis der Krankheit gehalten. Aber nun kam ihm die Idee, dass die Darminhalte etwas enthalten könnten, dass die pathogenen Bakterien tötet und deshalb als Heilmittel taugen könnte. Er nannte die mysteriösen mutmaßlichen Bakterienkiller Bakteriophagen, teilte seine Hypothese aber erst zwei Jahre später Emile Roux mit, der sie am 3. September 1917 der Akademie der Wissenschaften mitteilte. Und veröffentlichte. Die Idee einer Phagentherapie blieb aber praktisch unbemerkt, weil man mit dem Krieg beschäftigt war und den Außenseiter ohne Abschluss nicht ernst nahm. Mehrere Jahre wurde d’Herelle von manchen als Visionär und von anderen als Witzbold betrachtet. Aber d’Herelle suchte nach von Dysenterie Genesenden und in ihrem Stuhl nach Bakteriophagen. Denn er wollte nachweisen, dass Bakteriophagen für die Heilung verantwortlich waren.
In Hühnern fand er Bakteriophagen, die den Erreger der Hühner-Cholera töten. Er konnte sie züchten und damit die Cholera-Tierseuche beenden.
Im Sommer 1919 kümmert sich d'Hérelle im Necker-Krankenhaus um etwa hundert an Ruhr erkrankte Kinder. Er schlägt eine Behandlung mit Bakteriophagen vor und demonstriert deren Ungefährlichkeit, indem er sie selbst trinkt und am folgenden Tag gesundist. Daraufhin probierten weitere etwa 20 Personen die Bakteriophagen-Kultur und stellen fest, dass sie keinen Geschmack hat. Darum durfte er die kranken Kinder erfolgreich behandeln.
1920 wurde d'Hérelle von Alexandre Émile Jean Yersin, der rechten Hand von Emile Roux, in die Küstenstadt Nha Trang im südlichen Vietnam eingeladen. Aber d'Hérelle wollte unbedingt auf die einsetzende Genesung eines Cholera-Patienten warten, um aus dessen Kot Bakteriophagen zu isolieren, mit denen man die Cholera bekämpfen kann.
Nachdem er mit der Erforschung der Rinderpest begonnen hatte, begab er sich mit seinen Fläschchen voller Bakteriophagen nach Nha Trang und konnte dort die grassierende Rinderpest-Epidemie eindämmen.
Andere Forscher wollten die Phagentherapie wiederholen, fügten jedoch den Phagen-Kulturen Natriumfluorid oder ein Antiserum hinzu und machten damit die Bakteriophagen unwirksam. Das weckte Zweifel an der Phagentherapie und schürte Gerüchte gegen d’Herelle. Es gab so großen Ärger im Institut Pasteur, dass d’Herelle 1921 Paris verließ und zunächst nach Holland und 1928 als Professor für Bakteriologie an US-Elite-Uni Yale ging. Über ihn wurden Romane geschrieben, von denen einer von John Ford verfilmt wurde. Dadurch wurde er berühmt und setzte sich in der öffentlichen Meinung als Entdecker der Bakteriophagen gegen William Twort durch.
Aber d’Herelle verlässt auch die USA wieder, um in Ägypten Krankheiten wie Pest, Cholera, Pocken und Gelbfieber zu bekämpfen. Dort verbreiten Pilger das Gerücht, er verstümmele Leichen. Er muss von der Armee vor dem Mob gerettet werden und reist nach Bombay, wo gerade eine durch Ratten verbretete Pest-Epedemie wütet. Von einigen Genesenden gewinnt er Bakteriophagen. Zurück in Ägypten kann er damit einen Matrosen heilen.
Nach einem nur achttägigen Aufenthalt bei seiner Familie in Paris segelte er auf Wunsch der englischen Kolonialbehörden nach Indien, um bei der Bekämpfung einer Choleraepidemie zu helfen. Dabei heilte er 1931 auch sich selbst mit seinen Bakteriophagen. Nachdem er Phagen in Brunnen schüttete und Paienten auch im Krankenhaus mit Bakteriophagen und isotonischer Flüssigkeit behandelte, sank die Sterblichkeit in den umliegenden Krankenhäusern auf 2%.
Angesichts dieser Erfolge wollten Pharmakonzerne daran verdienen, verkauften in Apotheken aber zu gering dosierte Phagen-Suspensionen oder einfach nur Wasser.
Zurück in Paris gründete d’Herelle sein eigenes Labor und erforschte die Entwicklung von Resistenz bestimmter Bakterien gegen Bakteriophagen. In solchen Fällen wird die Krankheit chronisch und Bakterien und Phagen liefern sich einen evolutionären Wettlauf.
Von 1934 bis 1936 gründet d’Herelle mit seinem Freund George Eliava in Tiflis ein Forschungsinstitut für Bakteriologie, das noch heute besteht. Im Jahr 1991 verfügte das Institut mit fast 6000 Arten über die weltweit größte Sammlung von Bakteriophagen.
1936 gründete d'Hérelle in Paris ein Labor zur Herstellung von Bakteriophagen für therapeutische Behandlungen und 1938 veröffentlichte er Le Phénomène de la guérison des maladies infectieuses (Das Phänomen der Heilung von Infektionskrankheiten)
Aufgrund ihrer kanadischen Staatsangehörigkeit und als Anhänger von Charles De Gaulles wurde die Familie d'Hérelle 1940 von den französischen Behörden des Vichy-Regimes unter Hausarrest gestellt und 1942 bis zum Kriegsende von den Deutschen unter Hausarrest gestellt.
Félix d’Hérelle stirbt 1949 und gerät in Vergessenheit, weil die Bedeutung seiner Erfolge nicht verstanden wird. Aber sein Enkel Claude-Hubert Mazure durchforstete in den 1990er Jahren französische und kanadische Archive und ließ sein Andenken wieder aufleben. Außerdem begannen immer mehr Menschen zu verstehen, wie wichtig die biologische Schädlingsbekämpfung und die Phagentherapie angesichts der Resistenz-Entwicklung bei Schädlingen und Krankheitserregern sind.