Science First Hand. 2017 Mar 14; 46(1): 9-21
Roland Heynkes 3.11.2025, CC BY-SA-4.0 DE
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| Abstract |
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| aus der Publikation übernommener Text |
| kritische Zusammenfassung |
| lokales Archiv |
NR
BABS
AU
Valentin Viktorovich Vlassov
TI
Under the Sign of Bacteriophage: Paris – Tbilisi
QU
Science First Hand. 2017 Mar 14; 46(1): 9-21
AB
Many pages in the history of science read like a fascinating novel, and this is exactly the case with the discovery of bacteriophages, or viruses that infect bacteria. The two most significant figures in the history of this discovery - a brilliant self-educated Frenchman, known as Félix d’Hérelle, and a Soviet microbiologist George Eliava, who was part of a well-known Georgian family - were shrouded in mystery and legends even during their lifetime, and some dramatic and tragic episodes in their lives would forever remain behind the scenes, in contrast to their recognized scientific achievements.
SP
englisch
ZF
Prof. Valentin Viktorovich Vlassov im Institut für Chemische Biologie und Medizinische Grundlagenforschung in Novosibirsk erzählt die Geschichte der Phagentherapie unter besonderer Berücksichtigung der von westlichen Autoren gerne vergessenen osteuropäischen Forscher.
Als die Beulenpest-Epidemie 1770-1772 allein in Moskau Zehntausende Menschen tötete, konnten russische Wissenschaftler nachweisen, dass die Infektion durch direkten Kontakt von Mensch zu Mensch übertragen wurde. Damals schlug der russische Militärarzt Danilo Samoilovich vor, Menschen vorbeugend mit einer abgeschwächten ansteckenden Substanz vorbeugend zu impfen. Dieses gewagte Menschen-Experiment "wagte" dann 1796 Edward Jenner mit seiner Impfung eines gesunden Jungen gegen Pocken, die anders als die bakterielle Pest durch ein Virus verursacht wird. Den im Gegensatz zu Bakterien durch die winzigen Poren von Porzellanfiltern schlüpfenden Viren kamen aber erst ein Jahrhundert später der russische Pflanzenphysiologe Dmitri Iossifowitsch Iwanowski, der niederländische Botaniker und Mikrobiologe Martinus Willem Beijerinck sowie die deutschen Mikrobiologen Friedrich August Johannes Loeffler und Paul Frosch auf die Spur. Den Pionier Adolf Mayer vergaß Prof. Vlassov zu würdigen. Nach dem lateinischen Wort für Gift nannte Martinus Willem Beijerinck diese neu entdeckten Organismen Viren. Allerdings verwendete viele Jahrhunderte früher offenbar schon Aulus Cornelius Celsus den Begriff Virus für das übertragende Agens der Tollwut. Aber noch bis zum elektronenmikroskopischen Nachweis blieb die Existenz von Viren umstritten.
1896 berichtete der britische Forscher Ernest Hanbury Hankin über seine umfangreichen Beobachtungen und Experimente zur Isolierung und Charakterisierung eines in bakteriell belastetem indischem Flusswasser existierenden Agens, das Cholera-Bakterien abtötet und selber sowohl filtrierbar (kleiner als Bakterien) als auch hitzeempfindlich (also wahrscheinlich organisch) ist [BABJ]. (Er hielt es aber eher für eine flüchtige Substanz als für ein Virus [BABJ]. In der Bakteriologie war damals das Viruskonzept ja auch noch nicht bekannt.)
1898 berichtete der russisch-ukrainische Arzt und Mikrobiologe Nikolay Gamaleya über die Auflösung (Lyse) von Anthrax-Bazillen durch ein übertragbares Agens.
1915 berichtete der englischen Mikrobiologe Frederik Twort über seine durch seine Einziehung zum Militärdienst vorzeitig beendeten Experimente zur Charakterisierung des Bakterien tötenden Agens [BABJ].
1917 berichtete der kanadisch-französische Wissenschaftler Félix d'Hérelle über seine schon seit Jahren durchgeführten Beobachtungen und Experimente zur Isolierung, Kultivierung und Übertragung von Bakteriophagen, wie er sie erstmals nannte [BAAD]. Da er mit der Umsetzung seiner Erkenntnisse zahllose Menschenleben rettete, wurde er 8 Mal für den Medizinnobelpreis nominiert. Wohl auch, weil er als brillianter Autodidakt nicht studiert hatte, erhielt d'Hérelle ihn ("dank" des erbitterten Widerstands von Folke Henschen und der Ignoranz des damals einflussreichen Jules Jean Baptiste Vincent Bordet) aber nie [BABQ].
Prof. Valentin Viktorovich Vlassov nennt den laut Pariser Geburtsurkunde vollständigen Namen Hubert Augustin Félix Haerens und gibt beide verbreiteten Versionen hinsichtlich seines Geburtsortes und seines Vaters wieder: Er wurde am 25.4.1873 von der 24jährigen Augustine Haerens entweder in Montreal in eine Familie französischer Auswanderer oder mit offiziell unbekanntem Vater in Paris geboren. Jedenfalls ging er in Paris zur Schule, offenbar ohne sich dafür sonderlich zu engagieren. Er absolvierte kein Studium, sondern lediglich einige Kurse in Bonn und vielleicht noch anderen europäischen Universitäten.
Anscheinend trat er zusammen mit seinem jüngeren Bruder freiwillig der französischen Armee bei, aus der er aber aus unbekannten Gründen nach einem Jahr desertierte.
Vielleicht lag es auch an seiner lebenslang ausgeprägten Reiselust. Schon als Schüler reiste er mit dem Fahrrad nach Deutschland. (Nach dem Schulabschluss) bereiste er Südamerika, Belgien und Griechenland. In der Türkei lernte er seine Frau Marie kennen (und die beiden heirateten). Die Griechenlandreisen des jungen Paares erwähnt der Professor nicht. Er soll schon Vater gewesen sein, als 24jährig mit seiner jungen Frau nach Kanada emigrierte und sich fortan d'Herelle oder Herelle nannte. (Laut Prof.em. William C. Summers wurden jedoch beide Töchter am 19.3.1894 bzw. am 19.10.1898 in Montreal geboren [BAAG].)
Vermittelt durch einen Freund (seines Vaters) konnte er in Kanada im Auftrag der Regierung Ahornsirup fermentieren und zu Schnaps (laut Summers Whisky [BAAG]) destillieren (, was dann aber aufgrund wieder steigender Siruppreise nicht mehr gebraucht wurde). Er (, seine Mutter) und sein Bruder investierten fast ihren gesamten Besitz in eine Schokoladenfabrik, die aber schnell in den Bankrott führte. Schon vorher nahm d'Herelle an einer geologischen Goldsuche-Expedition teil, wo er ohne entsprechende Ausbildung für die medizinische Versorgung zuständig sein sollte. (Außerdem bewarb er sich auch international schon um Stellen als Mikrobiolge.)
Mit ihrem letzten Geld reist die Famlie d'Herelle nach Guatemala, wo er eine Stelle als Bakteriologe im Krankenhaus der Hauptstadt ergattert hatte. Er beschäftigte sich mit der (erfolglosen) Bekämpfung von Malaria und Gelbfieber, bildete sich weiter fort und versuchte sich in der Produktion von Whisky aus Bananen. In Guatemala begann er, Mikrobiologie mit Medizin zu verbinden.
1907 übersiedelte die Familie nach Mexiko, wo Félix auf einer Sisal-Plantage hochprozentigen Alkohol aus Agaven gewinnen sollte. Das scheint ihm auch schnell gelungen zu sein. Die Maschinen für eine Massenproduktion bestellte er in Paris und reiste selbst dorthin. Er (kümmerte sich nicht nur um die Maschinenbestellung und deren Verschiffung nach Mexiko, sondern) arbeitete als unbezahlter Assistent am berühmten Insitut Pasteur. Zurück in Mexiko war ihm die Arbeit in der Alkohol-Produktion zu langweilig und er beschäftigt sich stattdessen mit dem Problem von Heuschrecken-Invasionen, die auf der Halbinsel Yukatan Sisal-Plantagen kahl fraßen. Dabei entdeckte er einmal, dass die Heuschrecken massenhaft an einer unbekannten Darm-Krankheit starben. Aus einigen toten Körpern isolierte er (in Paris) den Krankheitserreger - ein Coccobacillus-Bakterium (Laut Agnès Farkas nannte d'Herelle ihn Coccobacillus acridorium [BABF]) und schlug vor, dieses Bakterium gegen die Heuschreckenplage einzusetzen. So wurde er zum alleinigen Erfinder der biologischen Schädlingsbekämpfung (wofür er den Nobelpreis hätte bekommen müssen). Obwohl seine Heuschrecken-Bekämpfung in Guatemala, Argentien und Tunesien nur teilweise erfolgreich waren, hat er sich damit einen Namen in wissenschaftlichen Kreisen gemacht. Bis dahin ähnelte seine Karriere (mit Ausnahme der erfolgreichen Experimente zur Alkohol-Produktion aus sonst ungenutzten Grundstoffen) der eines Scharlatans.