Journal of Forensic Sciences (JFSCA) 1994, 39: 624-628

Dr. Ingrid Schütt-Abraham, 22.7.2001

Gliederung


Bibliographische Angaben

Collins,K.A.; Davis,G.J. - A Retrospective and Prospective Study of Cerebral Tissue Pulmonary Embolism in Severe Head Trauma - Journal of Forensic Sciences (JFSCA) 1994, 39: 624-628

Meine Zusammenfassung des Artikels

Die Autopsieberichte aller in einer US-amerikanischen Klinik behandelter Opfer schwerer Kopfverletzungen wurden im Zeitraum Januar 1989 bis Juni 1992 gesammelt. Histologische Lungenpräparate wurden einer HE-Färbung unterzogen. Als schwere Kopfverletzung im Sinne der Studie galt jede Kopfverletzung, die den Tod verursachte. Alle Lungen wurden entsprechend dem üblichen Autopsieverfahren über die Luftröhre für 30 min mit einer 10%igen gepufferten Formalinlösung gefüllt und so fixiert, anschließend in der Sagittalebene in Scheiben geschnitten und von jedem Lungenlappen mindestens ein 1,0 x 1,0 x 0,3 cm großes Scheibchen in Paraffin eingebettet. Insgesamt wurden 5 Schnitte je Lunge histologisch untersucht.

Spezialfärbungen zum Nachweis von Nervenfaserproteinen (Accurate Chemical and Scientific Corporation, Westbury, New York), S 100 - Protein (Biomeda Corporation Foster, Kalifornien) und saurer Gliafaserproteine - GFAP - (Dako Corporation, Carpinteria, Kalifornien) bestätigten die Herkunft der gefundenen Gewebsemboli.

Bei 10 der 102 untersuchten Fälle (10%) wurden innerhalb der Lungengefäße Hirngewebsemboli gefunden.

Patient Todesursache Zustand der Dura Tod innerhalb
männlich, 34 Jahre Kopfschuss verletzt sofort (5 Minuten)
weiblich, 34 Jahre Kopfschuss verletzt unter 12 Stunden
männlich, 45 Jahre Autounfall verletzt 2,3 Stunden
weiblich, 29 Jahre Autounfall intakt sofort (5 Minuten)
weiblich, 15 Jahre Autounfall intakt 1 Stunde
männlich, 3 Jahre angefahren intakt unter 12 Stunden
männlich, 18 Jahre Autounfall intakt etwa 12 Stunden
männlich, 58 Jahre Reitunfall intakt etwa 12 Stunden
weiblich, 18 Jahre Autounfall intakt 12,5 Stunden
männlich, 31 Jahre von Ziegel getroffen intakt 21,5 Tage

Bei den 10 positiven Fällen war der Tod innerhalb 5 Minuten bis 21,5 Tagen nach der Verletzung eingetreten. In 7 Fällen, davon einem mit sofort (innerhalb von 5 Minuten) tödlichem Ausgang, war die Dura unverletzt geblieben.

Die Gehirngewebsemboli wurden typischerweise nur in einigen, nicht aber in allen Lungenlappen gefunden, was die niedrigeren Angaben zu ihrem Vorkommen in anderen Berichten erklären könnte. Entgegen der Annahme, dass solche Emboli nur bei verletzter Dura auftreten können, wurden sie in der vorliegenden Untersuchung überwiegend bei unverletzter Dura gefunden. Dies lässt vermuten, dass die Hirngewebspartikel über kleine Venen des Zentralnervensystems ihren Weg in den Blutkreislauf genommen haben. Die Ergebnisse werden im Hinblick auf die Prognose Hirnverletzter diskutiert (schockauslösende und blutgerinnungsfördernde Wirkung von Hirngewebe bei Verschleppung in den Blutkreislauf).

Anmerkungen der Rezensentin

Die Ergebnisse der Arbeit sind angesichts der teilweise deutlich längeren Zeiten, in denen Hirngewebspartikel nach erfolgtem Kopftrauma über den Kreislauf im Körper verteilt werden konnten, nicht ohne weiteres auf die Situation bei der Schlachttierbetäubung übertragbar. Dort kommt der Kreislauf infolge der Entblutung stets innerhalb weniger Minuten zum Erliegen. Jedoch wurde versprengtes Hirngewebe auch bei einem innerhalb 5 Minuten Verstorbenen trotz intakt gebliebener Dura gefunden. Dies lässt vermuten, dass mit einer Verschleppung von Hirngewebspartikeln in den Kreislauf auch nach nicht-penetrierender Bolzenschussbetäubung gerechnet werden muss.

Copyright Dr. Ingrid Schütt-Abraham


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