Journal of Neurotrauma 1995; 12 (3): 315-324

Dr. Ingrid Schütt-Abraham, 25.11.2001

Gliederung


Bibliographische Angaben

Fukuda, K.; Tanno, H.; Okimura, Y.; Nakamura, M.; Yamaura, A. - The Blood-Brain Barrier Disruption to Circulating Proteins in the Early Period after Fluid Percussion Brain Injury in Rats - Journal of Neurotrauma 1995; 12 (3): 315-324

Meine Zusammenfassung des Artikels

Material und Methoden
An männlichen Wistar-Ratten (350 - 400 g) wurden die innerhalb der ersten Stunde auftretenden Auswirkungen eines lateralen Flüssigkeits-Perkussions-Traumas auf die Blut-Hirn-Schranke untersucht.
In die Schädelkapsel der mit Chloralhydrat (9 ml/kg einer 4%igen Lösung) narkotisierten Ratten wurde oberhalb des linken Jochbogens ein Loch von 4 mm Durchmesser gebohrt, ein mit isotonischer Salzlösung gefüllter Polyethylen-Schlauch bis an die intakte Dura vorgeschoben, mit Dentalzement fixiert und an ein Flüssigkeits-Perkussions-Gerät angeschlossen. Über einen in die linke Femoralarterie gelegten Katheter wurde der Blutdruck gemessen und die Rektaltemperatur mit Hilfe einer Wärmelampe innerhalb des Normalbereiches von 36.5 - 37.5 Grad C gehalten. Das gesetzte Trauma bestand aus einer Druckwelle von 0.75 atm. Meerrettichperoxidase (HRP) wurde in den entsprechenden Versuchen 10 min vor dem Trauma und 10 min nach Verabreichung eines Histamin-Antagonisten intravenös injiziert. Die Kontrolltiere wurden wie die Versuchstiere behandelt, jedoch keinem Flüssigkeits-Perkussions-Trauma unterzogen.

Zur Tötung wurden die Ratten erneut anästhesiert und mit 500 ml 4%igem Paraformaldehyd in 0.1M Phosphatpuffer (pH 7.4) perfundiert. Ihre Gehirne wurden nach der Entnahme 4 Stunden fixiert und die Vorderhirne anschließend in 100 Mikrometer dicke Scheiben zerlegt. Von jedem Gehirn wurden mehrere Schnitte einer HE-Färbung unterzogen, die übrigen entsprechend dem in der Arbeit beschriebenen immunzytochemischen Nachweis von Serumalbumin oder dem histochemischen Nachweis von HRP behandelt und unter dem Lichtmikroskop untersucht.

Folgende Versuche wurden durchgeführt:

  • Extravasale Akkumulation von Albumin (11 Ratten)
    8 Ratten wurden einem Flüssigkeits-Perkussions-Trauma unterzogen und je 4 von ihnen 3 bzw. 60 min danach getötet. 3 weitere Ratten dienten als Kontrolle.

  • Extravasale Akkumulation von Meerrettichperoxidase (HRP) (14 Ratten)
    11 Ratten wurden einem Flüssigkeits-Perkussions-Trauma unterzogen und 6 von ihnen 3 min, die 5 übrigen 60 min danach getötet. 3 weitere Ratten dienten als Kontrolle.

  • Zeitgang der abnormen Permeabilität gegenüber HRP (18 Ratten)
    Jeweils 6 Ratten wurden einem Flüssigkeits-Perkussions-Trauma unterzogen und 13, 30 bzw. 60 min danach getötet.

    Ergebnisse
  • Physiologische und morphologische Parameter
    Der mittlere arterielle Blutdruck stieg unmittelbar nach dem gesetzten Trauma von 90 +/- 14 mm Hg auf 130 +/- 27 mm Hg an und kehrte innerhalb 5 min auf den Ausgangswert zurück. Das gesetzte Trauma bewirkte einen durchschnittlich nur 14 sec dauernden Atemstillstand und führte typischerweise nur zu minimalen Gefäßschäden. Geschädigte Gehirne zeigten intraparenchymale Blutungen, die auf die gleichseitige Capsula externa beschränkt waren. Minimale Subarachnoidal blutungen gab es auch in der Umgebung der Aufprallstelle und im gleichseitigen parasagittalen Cortex. 1 h nach dem gesetzten Trauma wurden nekrotische Veränderungen an der Aufprallstelle gefunden.

  • Extravasale Akkumulation von Plasmaproteinen
    In den Kontrolltieren wurde nur in unmittelbarer Umgebung des Bohrloches eine minimale diffuse Ansammlung von Albumin bzw. HRP gefunden. Eine stärkere Färbung zeigte sich nur in den Bereichen, wo normalerweise keine Blut-Hirn-Schranke existiert, wie der Eminentia medialis und dem Plexus chorioideus.

    3 min nach dem gesetzten Trauma wurde eine intensive Albuminfärbung in verschiedenen Regionen der gleichseitigen Hemisphäre beobachtet, einschließlich des oberflächlichen Cortex an der Aufprallstelle, den tiefen corticalen Schichten nahe der Capsula externa, dem Hippocampus, Thalamus und Mittelhirn. Die gegenseitige Hemisphäre zeigte sich, wenn auch mit geringerer Intensität, in den tiefen corticalen Schichten, Hippocampus und Thalamus gefärbt.
    60 min nach dem gesetzten Trauma wurde Albumin darüber hinaus auch im angrenzenden Gehirnparenchym nachgewiesen. Albuminextravasate fanden sich zudem im parasagittalen Cortex.
    Die Verteilung der HRP war der des Albumins vergleichbar. Die Proteine befanden sich vorwiegend im Extrazellulärraum, wurden jedoch gelegentlich auch in Neuronen der betroffenen Bereiche gefunden.

  • Zeitgang des Zusammenbruchs der Blut-Hirn-Schranke
    Im Hippocampus, Thalamus und Mittelhirn war die Blut-Hirn-Schranke 3 min nach dem gesetzten Trauma zusammengebrochen, aber innerhalb 60 min wieder hergestellt, im Thalamus sogar bereits nach 13 min. An der Aufprallstelle und den tiefen corticalen Schichten war die Blut-Hirn-Schranke 3 min nach dem gesetzten Trauma für Proteine durchlässig, dieser Zustand hielt bis 60 min an. Im parasagittalen Cortex wurde ein Zusammenbruch der Blut-Hirn-Schranke erst 30 und 60 min nach dem gesetzten Trauma beobachtet.

    Diskussion und Schlussfolgerungen

    Da in früheren Versuchen der gleichen Traumatisierung unterzogene Ratten nur milde neurologische Defizite entwickelten, die innerhalb 48 Stunden verschwanden, und weil parenchymale Blutungen typischerweise auf die gleichseitige Hemisphäre und nekrotische Veränderungen auf die unmittelbare Nähe der Aufprallstelle beschränkt waren, ist das im Versuch gesetzte Flüssigkeit-Perkussions-Trauma als mild einzuschätzen. Dennoch kam es innerhalb weniger Minuten nach dem gesetzten Trauma in mehreren Hirnregionen zu einer abnormen Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke für Proteine, wobei qualitativ keine Unterschiede zwischen Albumin und HRP erkennbar wurden.

    Der Zeitgang des Zusammenbruchs und der Wiederherstellung der Blut-Hirn-Schranke erwies sich als abhängig von der Hirnregion und konnte in folgende Kategorien unterteilt werden:

    Als Ursachen des Zusammenbruchs werden eine mechanische Schädigung des Gefäßendothels, die Öffnung der sonst dichten Verbindungen der Zellverbände und eine Zunahme der aktiven Transportvorgänge diskutiert. Die gefundenen Unterschiede in der Wiederherstellungsrate der Blut-Hirn-Schranke weisen auf unterschiedliche Schweregrade der Traumatisierung und/oder unterschiedliche Empfindlichkeit der Gefäßwände gegenüber dem Trauma hin. Für das verzögerte Einsetzen und anhaltende Bestehenbleiben der Permeabilitätszunahme könnten neben Sauerstoffmangel und Neurotransmittern, die in anderen Untersuchungen eine Permeabilitätszunahme bewirkten, auch Kapillarrupturen und in deren Folge auftretende Blutextravasate verantwortlich sein.

    Anmerkungen der Rezensentin

    Die Untersuchungen belegen, dass es selbst bei vergleichsweise milden, nicht-penetrierenden Schädeltraumen zu einer praktisch sofortigen und für mehrere Minuten anhaltenden Permeabilitätserhöhung der Blut-Hirn-Schranke kommt. Wo diese nicht auf eine Zunahme der aktiven Transportprozesse vom Blut ins ZNS, sondern auf Undichtigkeiten der Gefäßwände zurückzuführen sind, erscheinen somit auch umgekehrte Proteinübertritte prinzipiell möglich.

    Copyright Dr. Ingrid Schütt-Abraham


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