Dumm geboren und nichts dazugelernt? (pdf)

Roland Heynkes, 19.8.2015

Gliederung

zum Text Grundlage dieses Lerntextes
zum Text Verallgemeinerungen, Vorurteile, Rassismus
zum Text Gibt es überhaupt menschliche Rassen?
zum Text Was ist Intelligenz?
zum Text Ist Intelligenz erblich?
zum Text Gibt es bei Menschen Gruppen mit genetisch bedingten Intelligenz-Unterschieden?
zum Text das Verhältnis der Einflüsse von Genen und Umwelt auf den IQ
zum Text Folgen frühkindlicher Vernachlässigung
zum Text Wir können Genaktivitäten beeinflussen.
zum Text die Rolle unserer Schulen
zum Text

Grundlage dieses Lerntextes nach oben

Unter anderem am 10.04.2014 und am 28.5.2015 brachte 3Sat eine Sendung mit dem Titel: "Dumm geboren und nichts dazugelernt? - Intelligenz-Forschung zwischen Rassismus und flexiblen Erbanlagen". Darin befragt der mit der Komplexität biologischer Phänomene etwas überforderte, aber sicher intelligente Professor für Journalismus John A. Kantara verschiedene Experten zu der Frage, was Intelligenz ist und wie ihre Entwicklung durch Gene und Umwelt beeinflusst wird.

Ob das Hochladen dieser Dokumentation auf YouTube legal war, weiß ich nicht. Das zu prüfen ist die Aufgabe von YouTube, 3Sat und dem Autor. Aber bis heute finden Interessierte das Video bei YouTube, wenn sie einfach den Titel: "Dumm geboren und nichts dazu gelernt" in das YouTube-Suchfeld eingeben. Auch wenn der Journalist die Aussagen der Experten nicht immer ganz richtig zusammenfasst oder interpretiert, so liefert er uns doch mit Textauszügen und seinen Interviews interessante Denkanstöße und Diskussionsgrundlagen. Selbstverständlich sollte man dabei auch die Aussagen der Experten nicht einfach glauben, sondern zumindest auf ihre Plausibilität hin überprüfen. In diesem Sinne diskutiere ich im Folgenden die aus meiner Sicht wesentlichen Aussagen dieser Dokumentation.

Verallgemeinerungen, Vorurteile, Rassismus nach oben

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Ich habe Abitur und ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Und das, obwohl mir als Kind niemand eine akademische Karriere zugetraut hätte."

"Ich bin der Sohn eines schwarzen Afrikaners und einer weißen Deutschen. In meiner Kindheit nannte man Leute wie mich Mischlinge. Es dauerte lange, sehr lange, dass rassistische Gedankengut von Nazideutschland abzuschütteln."

"Auch Stereotypen hielten sich lange. Schwarze galten als emotional impulsiv und musikalisch sehr begabt. Nur den Nobelpreis traute man uns nicht zu."

"Die Thesen in Thilo Sarrazins Bestseller: "Deutschland schafft sich ab" erinnern mich sehr an die Vorurteile, denen ich als Kind begegnet bin."

Da geht es dem Professor nicht anders als mir und vielen anderen Deutschen mit typisch nordwesteuropäischer Hautfarbe. Allerdings sollte man von einem Professor die Einsicht erwarten können, dass selbstverständlich niemand wissen kann und dass es außerdem extrem unwahrscheinlich ist, dass tatsächlich niemand einem gesunden Kind eine akademische Karriere zugetraut hätte. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte man außerhalb der eigenen Verwandtschaft und Bekanntschaft zahlreiche Akademiker finden können, die aufgrund ihrer eigenen Erfahrung auch Kindern nichtakademischer Familien oder dunkelhäutiger Eltern ein erfolgreiches Studium zugetraut hätten. Seriös kann man solche Aussagen höchstens im Bezug auf seine eigenen Eltern sowie deren Verwandtschaft und Freundeskreis tätigen. Aber warum sagt der Professor: "niemand" und: "man" und überträgt damit die mutmaßliche Haltung seiner unmittelbaren Umgebung als Vorurteil auf eine ganze Gesellschaft? Und warum verbindet er seine absurden Verallgemeinerungen mit einer Klage über ein noch von nationalsozialistischem Gedankengut geprägtes, rassistisches Deutschland in den 60er Jahren? Da klagt doch einer über Vorurteile, der offensichtlich selbst nicht frei davon ist. Und ihm fällt seine unzulässige Verallgemeinerung nicht einmal dann auf, wenn er sie in den selbstgesprochenen Text zu einem selbst produzierten Film einfließen lässt, wo er sein Vorurteil mehrfach liest, spricht, hört und sieht. Dabei sollte er doch als Professor für Journalismus an der dem DEKRA-Konzern (Deutscher Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein) gehörenden DEKRA Hochschule für Medien bei seinen Bachelor-Studenten die für guten Journalismus unerlässliche Sensibilität für die Unterscheidung von Fakten, Vermutungen, Meinungen und Vorurteilen sowie einen differenzierten Umgang mit der Sprache fördern.

Ich glaube nicht an rassistische Motive, wenn Eltern ihren Kindern keinen akademischen Abschluss zutrauen. Bei meinen Eltern lag es einfach daran, dass sie selbst kein Gymnasium besuchen und ihren Kindern daher nicht helfen konnten. Andere Eltern machen sich Sorgen wegen möglicher Kosten für Nachhilfe, Bücher und Klassenfahrten. Auch eine gewisse Akademikerfeindlichkeit unter Nichtakademikern kann eine Rolle spielen oder die Sorge, die Kinder könnten durch ein Studium den Respekt vor ihren weniger gebildeten Eltern verlieren. Wahrscheinlich wäre auch der Professor auf diese oder ähnlich naheliegende Erklärungen gekommen, wäre er nicht so übertrieben auf seine dunkle Hautfarbe fixiert, dass er die "Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e. V." zur Förderung eines schwarzen Bewusstseins mitbegründete und auch noch seine Diplomarbeit (Schwarze Deutsche - ihre Geschichte und Strukturen ihrer Eigenorganisation) darüber schrieb. Für mich grenzt es schon an gegen Weiße gerichteten Rassismus, dass er damals auch an der Gründung einer exklusiv für farbige Deutsche gemachten Zeitschrift mit dem militanten Titel: "Onkel Tom's Faust" beteiligt war, die als Kulturkalender für Schwarze Menschen über kulturelle, aber auch politisch interessante Veranstaltungen in der (deutschen) Hauptstadt informieren sollte. Wenn in Deutschland eine Ehe scheitert, ist das nichts besonderes und nur Wenige kommen auf die Idee, die böse Gesellschaft dafür verantwortlich zu machen. Professor Amoateng-Kantara allerdings fällt kein anderer möglicher Grund für das Scheitern der Ehe seiner Eltern ein, als die Anfeindungen und Beleidigungen einer durch und durch rassistischen deutschen Gesellschaft.

Wer selbst als gebildeter Mensch derart auf seine Hautfarbe fixiert ist und seinen weißen Mitbürgern pauschal negative Vorurteile gegenüber Menschen mit dunkler Hautfarbe unterstellt, sollte seinen eigenen Rassismus bearbeiten und nicht Anderen Rassismus unterstellen, nur weil sie ihn Mischling nannten. Der Begriff Mischling ist nicht für jeden Deutschen negativ besetzt und war es wahrscheinlich auch in der Nachkriegszeit nicht. Viele Hundebesitzer wissen die Vorzüge von Mischlingen gegenüber reinrassigen Hunden sogar besonders zu schätzen. Und ich habe kein Problem damit, ein Mischling aus Homo sapiens und Neandertaler zu sein. Tatsächlich negativ konotiert ist der Begriff "Inzucht", also das Gegenteil der Produktion von Mischlingen. Auch der sich für ihre Rechte einsetzende Sprecher im von Prof. Kantara eingespielten Originalton aus einer ZDF-Fernsehdokumentation von 1971 spricht offensichtlich ohne rassistische Motive von Mischlingen. Und wie sollte man Mischlinge denn sonst nennen? Wie nennt man sie in der afrikanischen Heimat seines Vaters? Und warum haben viele Farbige auch ohne Nazivergangenheit rassistische Vorurteile gegenüber Weißen und Mischlingen? Wie verbreitet ist Rassismus unter weißen Deutschen verglichen mit farbigen Deutschen, Migranten und den Gesellschaften anderer Länder? Ich glaube nicht, dass die weißen Deutschen im Hinblick auf Rassismus den Vergleich mit Anderen scheuen müssen. Auch schon in der Nachkriegszeit waren rassistische Einstellungen in Deutschland nicht verbreiteter als beispielsweise in den USA, Indien, China oder Australien. Dabei mussten doch die US-Amerikaner, Inder, Chinesen und Australier gar kein nationalsozialistisches Gedankengut abschütteln. Rassismus ist kein deutsches, sondern ein menschliches Problem. Und Rassismus kommt in Minderheiten nicht seltener vor als in Mehrheiten, bei Unterdrückten nicht weniger als bei Unterdrückern. Deshalb ist es auch Rassismus, wenn Mitglieder von Minderheiten einseitig und pauschal Mehrheiten Rassismus unterstellen.

Hätten sich Stereotypen lange gehalten, dann müssten sie logischerweise heute verschwunden sein. Das ist aber nicht der Fall. Und mit Nationalsozialismus hat das auch wenig zu tun, denn Stereotypen haben alle (zumindest alle nicht-autistischen) Menschen. Auch heute bekommen auch deutsche Kinder nicht selten wenig freundliche Vorurteile zu hören, wenn sie Schulen mit vielen Migranten islamischen Glaubens besuchen. Und während die deutsche Gesellschaft relativ aktiv gegen jeden Anschein deutscher Fremdenfeindlichkeit vorgeht, wird der Vergleich mit der Deutschenfeindlichkeit vieler Migranten fast immer vergessen, obwohl nicht wenige Migranten und vor allem Migrantinnen von ihren Familien drangsaliert oder sogar getötet werden, wenn sie wie Deutsche leben oder gar deutsche Freunde haben wollen. Jeder euphemistisch sogenannte "Ehrenmord" ist auch eine rassistische Beleidigung aller Deutschen. Es mag ja sein, dass unerfreuliche Kindheitserlebnisse Prof. Kantara etwas unsachlich haben werden lassen, aber auch ich als 6 Jahre älterer Deutscher ärgere mich, wenn er mit seinem "niemand" auch mir unterstellt, ich hätte ihm aufgrund seiner für mich völlig unerheblichen Hautfarbe keine Bildungsfähigkeit zugetraut.

Gibt es überhaupt menschliche Rassen? nach oben

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Wird Deutschland tatsächlich immer dümmer, weil bildungsferne Einwanderer im Durchschnitt mehr Kinder bekommen als das deutsche Bildungsbürgertum? Bedeuten viele bunte Kinder eine Verschlechterung des nationalen IQ? Was ist dran an Sarrazins Thesen? Ich will wissen, auf welchem wissenschaftlichen Fundament gründen seine Behauptungen?"

Mich enttäuscht, dass ein Professor für Journalismus die einem Interviewpartner unterstellten Behauptungen nicht in seiner Dokumentation durch hörbare oder zumindest nachlesbare Zitate belegt. Ich habe von Sarrazin noch keine Verknüpfung der Eigenschaften Intelligenz und Hautfarbe (bunt) gehört oder gelesen und hätte daher einen Beleg für diese Unterstellung von Professor Amoateng-Kantara erwartet.

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Es stimmt ja - es gibt tatsächlich Leistungsunterschiede zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Viele Migranten in Berlin schaffen noch nicht einmal die Hauptschule. Was sind die Gründe dafür? Was sind die Fakten?"

"Sind wir als Kinder unserer Eltern wirklich in einer Art genetischem Ghetto gefangen, aus dem es kein Entrinnen gibt? Das sind Fragen, die ich einer Reihe von Wissenschaftlern stellen möchte. Doch zuvor noch ein Blick in die Geschichte der Intelligenz-Forschung. Ich lerne, dass sie praktisch von Beginn an dazu benutzt wurde, Menschen unterschiedlicher Abstammung zu vergleichen und zu bewerten. Im 19. Jahrhundert veröffentlichte Sir Francis Galton sein Werk: "Hereditary genius" (vererbtes Genie). Er teilt darin die Menschheit in wertvolle und weniger wertvolle Rassen ein und prägt den Begriff der Eugenik, womit die gezielte Verstärkung vorteilhafter Vererbungsmerkmale einer menschlichen Gesellschaft gemeint ist. Gaulton legte so den Grundstein für die Rassen- und Vererbungsideologie der Nazis. Nach dieser naiven Vorstellung von Vererbung addiert sich schlau und schlau zu superschlau, während aus dumm und dumm nur sehr dumm resultieren kann."

Professor Kantara beweist hier eine sehr naive Vorstellung von den Mendelschen Regeln. Seit Gregor Mendel haben Genetiker immer gesagt, dass sich rot und rot zu rot bzw. schlau und schlau zu schlau addieren. Von Superrot oder superschlau war nicht die Rede. Diese Vorstellung kann nämlich nur entwickeln, wer Intelligenz als zumindest oligogenes Merkmal begreift. Wer jedoch soviel von Genetik versteht, der weiß dann auch, dass sich schlau und schlau zu superschlau addieren können, aber nicht müssen.

Angeregt durch Charles Darwins Buch: "On the origin of species by means of natural selection, or the preservation of favoured races in the struggle for life." begann dessen Cousin Sir Francis Galton, sich auch mit Genetik zu beschäftigen. So wurde dieser Naturforscher zum Gründer der Eugenik, denn er kam zu der gefährlichen Überzeugung, dass die Menschheit in niedere und höherwertige Rassen einzuteilen sei. Er wollte die menschliche Evolution lenken und das Erbgut der Menschheit ähnlich wie bei den Haustieren durch Zucht verbessern. Dazu sollte die Vermehrung "minderwertiger" Menschen reduziert und vor allem die Fortpflanzung genetisch "wertvollerer" Menschen gefördert werden. Das überzeugte nicht nur, aber auch die Nationalsozialisten. Und die begnügten sich nicht mit einer Beeinflussung der Fortpflanzungsraten verschiedener Bevölkerungsgruppen, sondern versuchten vermeintlich minderwertige Rassen gleich auszurotten.

Diese und viele andere furchtbare Geschichten des Rassismus haben dazu geführt, dass es heute kaum noch ein Biologe wagt, die eigentlich offensichtliche Existenz menschlicher Rassen zuzugeben. Dabei hat die Feststellung der Existenz gleichwertiger Rassen nichts mit Rassismus zu tun, und Rassisten bringt man auch nicht von ihrem Rassismus ab, indem politisch überkorrekte Biologen behaupten, alle Menschen seien gleich. Leider versteigen sich einige Biologen sogar zu der ganz offensichtlich wissenschaftlich völlig unhaltbaren und deshalb überaus peinlichen Behauptung, der Mensch sei eine der genetisch homogensten Spezies überhaupt.

Prof. Diethard Tautz:

"Der Mensch gehört zu einer der homogensten Spezies überhaupt, die wir auf der Erde haben. Eigentlich gibt es keine "Rassen" in dem biologischen Sinne, sondern das ist jeweils wahrscheinlich eher sogar eine kulturelle Einteilung als eine gut begründete genetische Einteilung."

Wer als Wissenschaftler ernst genommen werden möchte, darf niemals solchen Unsinn behaupten, denn jeder Biologe weiß genau, dass unzählige Spezies noch gar nicht bekannt sind und dass die genetische Variabilität wenn überhaupt, dann höchstens beim Menschen und einigen wenigen, extrem vom Aussterben bedrohten Spezies durch eine ausreichende Anzahl von Genom-Sequenzierungen ermittelt wurde. Gut informierte Biologen wissen heute sogar, dass die erst im April 2015 publizierte Seuenzierung einiger Genome freilebender östlicher Gorillas (Gorilla beringei) eine seit langem bestehende deutlich geringere genetische Variabilität nachgewiesen hat, als wir sie von unserer eigenen Spezies Mensch kennen. Bis dahin hatte noch niemand die kompletten Genome wildlebender Gorillas sequenziert und daher konnte auch niemand seriös behaupten, die genetische Variabilität sei bei Menschen geringer als beispielsweise bei Gorillas. Ganz im Gegenteil hätte zumindest jedem Biologen klar sein müssen, dass die genetische Variabilität einer nur noch aus wenigen Tausend Individuen bestehenden, vom Aussterben bedrohten Spezies höchstwahrscheinlich kleiner ist als bei der Spezies Mensch mit einigen Milliarden Individuen.

Das die Spezies Mensch nicht genetisch homogen sein kann und dass es in ihr Rassen geben muss, zeigen schon die von Prof. Svante Pääbo und seiner Abteilung für Evolutionäre Genetik im Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie geführten Nachweise, dass Neandertaler und Denisova-Mensch keine anderen Spezies, sondern nur andere Rassen waren, die offensichtlich fruchtbare Kinder mit Homo-sapiens-Frauen hatten, von denen zusammen genommen heute zumindest fast alle Menschen außerhalb Afrikas abstammen. Wenn wir Neandertaler- oder Denisova-Mischlinge sind und man keine Spuren von Neandertaler-Genen in Afrikanern findet, dann gibt es natürlich auch heute noch menschliche Rassen. Genetische Untersuchungen deuten zudem darauf hin, dass in Indien verschiedene Volksgruppen sogar von unterschiedlichen Auswanderungswellen aus Afrika abstammen. In Indien fragt man deshalb Patienten vor einer Vollnarkose, ob sie zur Kaste der Vaishya gehören. Aufgrund einer unter Vaishya häufigen, in den anderen Kasten jedoch sehr seltenen Mutation brauchen sie nämlich andere Medikamente. Man sollte auch gründlich die Genome von Pygmäen, Buschleuten, Watussi und anderen afrikanischen Stämmen vergleichen. Denn wenn das nicht unterschiedliche Rassen sind, dann gibt es mit Ausnahme der Hunde auch bei unseren Haustieren keine Rassen. Wobei man bei sehr großen und kleinen Hunden auch schon von verschiedenen Spezies sprechen könnte.

Aber egal, ob man sie Rassen oder Gruppen nennt, es gibt in der Spezies Mensch Subpopulationen, die sich aufgrund geographischer, ethnischer oder religiöser Isolation unterschiedlich entwickelt haben. Wir kennen diese Unterschiedlichkeiten im Hinblick auf die Hautfarbe, die Verträglichkeit von Milch oder Alkohol oder die Fähigkeit, sich fast ausschließlich von Tieren zu ernähren. Und es gibt relativ kleine Religionsgemeinschaften (z.B.: Amish und Chassidim), die über Jahrhunderte Hochzeiten mit Andersgläubigen abgelehnt und dadurch krankmachende Mutationen (z.B.: Tay-Sachs-Syndrom, Mukoviszidose, Canavan-Syndrom, Gaucher-Krankheit, Fanconi-Anämie und verschiedene Krebsarten) innerhalb ihrer genetisch isolierten Subpopulationen gefährlich angehäuft haben. Während politisch korrekte Biologen weiter das Märchen von der genetisch homogenen Menschheit erzählen, haben orthodoxe Juden das Problem der genetischen Isolation erkannt und das Committee for Prevention of Jewish Genetic Diseases (Dor Yeshorim) zur Vermeidung von Erbkrankheiten durch Gentechnik-unterstützte Partnervermittlung gegründet.

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara reagiert auf eine Aussage von Thilo Sarrazin:

Darum ist es nicht egal, wer die Kinder bekommt? Die Versuchung ist offenbar noch heute groß, Intelligenz als einen biologischen Faktor zu betrachten, der in verschiedenen Ethnien unterschiedlich wirkt. Gibt es diese genetischen Unterschiede wirklich? Und wenn ja, wie wirken sie sich auf die Intelligenz aus? Fragen, die ich Deutschlands renommiertestem Evolutionsbiologen stellen möchte. Dieter Tautz ist Populationsgenetiker und Direktor des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön. Er hält den Versuch, Ethnien biologisch zu unterscheiden, für wissenschaftlich fragwürdig."

Warum behauptet der Journalist und Filmemacher Kantara, Prof. Tautz sei Deutschlands renommiertester (meist geachteter) Evolutionsbiologe? Hat er diesen Rang dem "Who is Who" der deutschen Evolutionsbiologen entnommen oder der Liste der bedeutendsten deutschen Evolutionsbiologen? Nein, die gibt es nicht. Es gab nie eine Abstimmung und es gibt auch keine wissenschaftliche Autorität, die festzustellen berechtigt wäre, wer Deutschlands renommiertester Evolutionsbiologe sei. In einer Fernsehdokumentation erlaubt sich also Journalismus-Professor Kantara eine Propaganda, die offensichtlich den von ihm ausgewählten Interview-Partner zu einer unanfechtbaren Autorität hochstilisieren soll. Das ist ein alter Trick von Journalisten und Politikern, die sich zur pseudowissenschaftlichen Untermauerung ihrer Thesen aus dem fast immer breiten Spektrum wissenschaftlicher Meinungen gerne genau die Naturwissenschaftler herauspicken, durch die sie ihre eigenen Meinungen bestätigt sehen. Auch wenn das üblich ist, vorbildlicher Journalismus sieht anders aus. Gute Wissenschaftsjournalisten versuchen jedem Vertreter einer wissenschaftlichen These einen ähnlich prominenten Kritiker dieser Meinung gegenüber zu stellen. Journalismus sollte das Publikum nicht manipulieren, sondern möglichst umfassend informieren und sich eigene Meinungen bilden lassen.

Übrigens ist Intelligenz sehr wohl ein biologischer Faktor und er wirkt sogar in verschiedenen Ethnien unterschiedlich. Auch deshalb sagen ja Intelligenz-Forscher, dass man eigentlich für Ethnien mit unterschiedlichen Umwelten auch unterschiedliche Intelligenztests bräuchte. Und offensichtlich unterscheiden sich verschiedene Ethnien beispielsweise in der Hinsicht, dass sich in einigen die Frauen möglichst intelligente Männer aussuchen dürfen, während sie in anderen zwangsverheiratet werden.

Was ist Intelligenz? nach oben

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Aber das Wesen der Intelligenz ist wirklich schwer fassbar. Schon die Definition des Begriffs ist seit mehr als 100 Jahren umstritten. Intelligenztests gehören seit Jahrzehnten zum Standardwerkzeug der Psychologen. Intelligenz ist immer das, was die jeweilige Gesellschaft dafür hält - und das wird naturgemäß von jeder Gesellschaft anders definiert - und versucht zu messen. Ich will wissen, wie ein Intelligenztest funktioniert. An der Bremer Universität entwickelt der Psychologe Franz Petermann die Methoden, um Intelligenz zu messen. Genauer gesagt, er passt amerikanische Intelligenztests für den deutschen Markt an. Die besondere Schwierigkeit liegt offenbar darin, Standards zu etablieren. Also Fragestellungen, die wiederholbare Ergebnisse liefern und eine Aussage darüber zulassen, wie intelligent jemand im Vergleich zu anderen Menschen seiner Altersgruppe ist."

Prof. Franz Petermann:

"Wenn man so populär fragen würde, was macht eigentlich Intelligenz aus? Wie gut mein Gedächtnis ist. Weil das ist der Speicher, der mir hilft, Informationen herauszuholen, mit denen ich dann Probleme löse. Auch wie schnell ich die Informationen abrufen kann, wie schnell ich Informationen verarbeiten kann, das wären alles ganz entscheidende Merkmale, die zur Beschreibung von Intelligenz dazu gehören. Oder denken Sie an was man wahrscheinlich zuerst denkt - logisches Denken. Wer intelligent ist, kann Probleme lösen, und kann logisch denken."

Das ist mir zu undifferenziert. So sind beispielsweise Schimpansen uns Menschen hinsichtlich der Verarbeitungsgeschwindigkeit beim Sehen und Erfassen optischer Informationen sowie des Kurzzeitgedächtnisses haushoch überlegen. Trotzdem wird kaum jemand Schimpansen für intelligenter als Menschen halten. Es muss also wohl wichtigere Grundlagen der Intelligenz geben.

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Die meisten Menschen, erklärt er, sind eher durchschnittlich begabt. 68 Prozent liegen in der Nähe des Mittelwertes. Etwa 14 Prozent sind überdurchschnittlich intelligent und ebenso viele unterdurchschnittlich. Die Ergebnisse werden immer ins Verhältnis gesetzt zum Alter der Testperson. Deshalb spricht die Wissenschaft vom Intelligenz-Quotienten. Intelligenz-Tests messen im Wesentlichen drei Bereiche: logisch-mathematisches Denken, räumliches Vorstellungsvermögen und den individuellen Wortschatz. Mehr nicht. Zu etwa 30 Prozent lässt sich die Leistung in Schule oder Beruf durch diese messbare Intelligenz erklären oder vorhersagen, meinen die Experten. Für eine Wettervorhersage wäre eine Treffsicherheit von 30 Prozent nicht gut genug. Aber auch ein überdurchschnittlicher IQ ist eben kein Garant für schulischen und sozialen Erfolg. Dazu gehören Motivation, Selbstdisziplin und Fleiß. Also die Leistungsbereitschaft.

Was der Journalist da über die Berechnung des Intelligenz-Quotienten erzählt, ist schlecht recherchiert. Nach der beschriebenen und im Film gezeigten Formel von 1916 arbeitet längst niemand mehr. Schon seit den 1930er Jahren wird der Intelligenz-Quotient nicht mehr mittels Division durch das Lebensalter ermittelt, sondern im Nenner steht seitdem der Faktor der Standardabweichung. Im Zähler steht auch nicht mehr der gemessene Intelligenz-Wert, sondern dessen Abweichung vom Mittelwert. Seit den 50er Jahren wird der von Prof. Petermann erwähnte Wechsler-IQ-Test auch in Deutschland so ermittelt.

IQ = 100 + 15 x (a-b)/c
wobei:
a = ermittelter Skalenwert im verwendeten Test
b = Mittelwert der verwendeten Skala
c = Standardabweichung der verwendeten Skala

Prof. Franz Petermann:

"Die Leistung in einem Intelligenztest hängt von der Tagesform, vor allem von der Motiviertheit der Versuchsperson ab. Man darf nicht an die Intelligenzpunkte Eins zu Eins glauben. Ich glaub, das ist der allergrößte Fehler. Ich kann auch mit einer durchschnittlichen Intelligenz von 100 Meisterleistungen, auch im Schulischen, auch im Akademischen bringen, ich muss nur gut adapatiert sein an die Aufgaben, die mir Tag für Tag gestellt werden. Es ist sehr, sehr naiv der Zahl zu glauben, die ein Intelligenztest produziert."

"Intelligenz per se ist für mich weder gesellschaftlich noch moralisch noch individuell ein Wert an sich. Sondern der verantwortungsvolle Umgang mit der Intelligenz und das Leben, was die Rahmenbedingungen setzt, die Potentiale, die man hat, auch zu erschließen. Intelligenz ist ein Potential. Die Leistung, die nachher raus kommt, die hängt von vielen, vielen anderen Dingen ab."

Der Mann kennt sich aus mit Intelligenztests. Allerdings meint er hier mit Potential etwas anderes als das Intelligenz-Potential, das die Gene vorgeben.

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Zürich - an der eidgenössischen technischen Hochschule erforscht Elsbeth Stern, wie wir Menschen lernen, unsere Intelligenz-Potentiale zu entwickeln. Ich weiß nun, Intelligenz ist zum Teil eine Lotterie der Gene. Aber was braucht es noch, damit sich das individuelle Intelligenz-Potential eines Menschen entwickeln kann? Kein Lernforscher kommt ohne IQ-Tests aus. Sie bilden die empirische Grundlage, um intellektuelle Leistungen unterschiedlicher Menschen überhaupt vergleichen zu können. Doch die Sache hat einen Haken: Intelligenztests beziehen sich immer nur auf eine homogene Gruppe. Das leuchtet mir ein, ein afrikanischer Buschmann braucht in der Kalahari eine andere Intelligenz als ein Wall-Street-Banker. Das bedeutet: Jede Kultur bräuchte ihre eigenen Intelligenz-Tests."

Prof. Elsbeth Stern:

"Intelligenz, die kann ich nur entfalten, wenn ich vor Probleme gestellt werde, die Intelligenz erfordern, wenn ich lesen und schreiben gelernt habe, wenn ich gelernt habe mit abstrakten Symbolen umzugehen, wenn mir die überhaupt präsentiert wurden. Man kann die allerbesten Gene für Intelligenz mitbringen, wenn man in eine Kultur kommt, wo weder lesen noch schreiben üblich ist, dann wird man nicht die Intelligenz, so wie wir sie verstehen, entwickeln können."

Wie kann man nur solch schrecklichen Unsinn erzählen. Analphabeten sollen unintelligent sein, nur weil sie nicht Lesen und Schreiben gelernt haben? Alle Völker ohne Schrift konnten und können keine Intelligenz entwickeln? Dann war Sokrates wohl ganz besonders unintelligent, weil er die Kulturtechnik des Schreibens als schädlich für das Gedächtnis vehement ablehnte. Man weiß gar nicht, ob man lachen oder weinen soll, wenn jemand aus Gedankenlosigkeit und Unwissenheit derart diskriminierende Aussagen von sich gibt.

Eine umfassende, eindeutige und allgemein anerkannte Definition der Intelligenz gibt es nicht. Aber nicht das Lesen und Schreiben sind unverzichtbare Voraussetzungen für die Entwicklung von Intelligenz, sondern die Fähigkeiten, Wissen strukturiert im Gedächtnis zu halten, es sinnvoll verknüpfen und anwenden zu können und sich in irgendeiner Form von Sprache präzise und differenziert verständigen zu können.

Man kann unter Intelligenz die Fähigkeit verstehen, ungewohnte Probleme auf weder angeborene noch antrainierte Weise zu lösen. Es gibt aber auch völlig auf Messbarkeit fixierte Experten wie Prof. Stern, für die Intelligenz ganz simpel das und nur das ist, was Intelligenztests messen. Dabei gibt es von Intelligenztests überhaupt nicht erfasste soziale, emotionale, fußballerische und viele andere Arten von Intelligenz. Und es gibt zwar beispielsweise für Gehörlose spezielle sprachfreie Intelligenztests, aber normalerweise errechnen Intelligenztests den Intelligenz-Quotienten zu einem erheblichen Teil aufgrund des Wortschatzes eines Menschen, obwohl dieser eher wenig mit dessen Intelligenz zu tun hat. Dadurch werden außerdem Menschen diskriminiert, deren Wortschatz in der Sprache des angewandten Intelligenztests beispielsweise aufgrund eines Migrationshintergrundes, ungebildeter Eltern, Legastenie oder auditiver Wahrnehmungsstörungen eingeschränkt ist.

Intelligenz ist zudem eine überschätzte Eigenschaft. Hochintelligente Menschen müssen weder gut noch erfolgreich sein. Wesentlicher sind ein guter Charakter und die Fähigkeit (Klugheit, Weisheit), Intelligenz sinnvoll einzusetzen. Unser in nahezu jeder Hinsicht unintelligentes Schulsystem mit seinem zielgleichen Unterrichten lässt sogar viele Hochbegabte scheitern, weil sie anfangs auch ohne Fleiß ausreichend gute Noten schaffen und zu spät oder garnicht lernen, sich anzustrengen.

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Intelligenztests produzieren nur Näherungswerte, keine absoluten Werte. Die gibt es einfach nicht. Trotzdem gelten IQ-Tests immer noch als das aussagekräftigste Hilfsmittel der Psychologie."

"Ich bin heute zwar Professor, aber wie werde ich bei einem IQ-Test abschneiden?"

"Der Intelligenztest - kryptische Symbole unter Zeitdruck logisch ordnen, Klötzchen nach Mustern sortieren. Oje, hätte ich vielleicht besser vorher üben sollen? Doch die echten, aussagekräftigen Tests sind streng geheim und werden nur von Psychologen durchgeführt."

Ist Intelligenz erblich? nach oben

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

Die Mendelschen Vererbungsregeln, die ich als Kind im Biologie-Unterricht gelernt habe, beschreiben den dominant-rezessiven Erbgang von Merkmalen, die durch ein einziges Gen bestimmt werden. Die Wissenschaft weiß heute, dass bestimmte Eigenschaften, wie Körpergröße, Gewicht und Pigmentierung, durch eine Vielzahl von Genen bestimmt werden. Gilt das auch für die Intelligenz?

Prof. Diethard Tautz:

"Tatsache ist, dass Eigenschaften grundsätzlich voneinander unabhängig vererbt werden, so eine Kopplung, wie man das genetisch sagen würde, ist zumindest zwischen Intelligenz und Hautfarbe nicht nachweisbar."

"Intelligenz ist mit Sicherheit durch viele Gene mitbestimmt, also es hat eine genetische Komponente, da gibt es gar keinen Zweifel. In unserem Fachjargon heißt das dann polygenes Merkmal. Und die Regeln der Vererbung polygener Merkmale wiederum sind eigentlich Gegenstand aktiver Forschung, mit der wir uns auch beschäftigen. Die haben wir noch nicht wirklich vollständig verstanden."

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

Bei jedem Kind würfelt die Natur die Gen-Kombinationen neu zusammen. Intelligenz lässt sich nicht dominant vererben, wie etwa die Augenfarbe. Das kann die Wissenschaft heute definitiv sagen. Thilo Sarrazins Verdummungsthese lässt sich durch die Populationsgenetik jedenfalls nicht belegen.

Hier haben wir den nächsten journalistischen Trick. Was der Experte Prof. Tautz nicht sagt, dass interpretiert der Journalist einfach in dessen Aussagen hinein, indem er die Experten-Aussage falsch zusammenfasst.

In Wirklichkeit kann die Natur nicht einfach bei jedem Kind die Gen-Kombinationen neu zusammenwürfeln. Die beiden Baupläne des Kindes können nur aus den insgesamt vier Bauplänen seiner Eltern zusammen gewürfelt werden. Besitzen also die Eltern von einem Gen keine vorteilhafte Variante, dann kann das Kind diese auch nicht erben. Darum ist es nicht egal, wer die Eltern sind.

Auch die Augenfarbe wird nicht durch nur ein Gen vererbt. Sie ist ein oligogenes Merkmal und trotzdem folgen die einzelnen beteiligten Gene der erwähnten Mendelschen Regel einer dominant-rezessiven Vererbung. Genauso ist das bei den vielen Genen, deren unterschiedliche Varianten (Allele) die Intelligenz mehr oder weniger fördern. Jedes einzelne Allel kann dominant, rezessiv oder intermediär vererbt werden. Dadurch wird das Ergebnis zwar komplex, aber keineswegs völlig zufällig. Mit Würfeln hat das nichts zu tun und von der Vererbung der Augenfarbe unterscheidet es sich nur graduell. Insofern gibt Prof. Kantara den Stand der Forschung falsch wieder.

Die Wissenschaft kann uns gar nichts definitiv sagen. Denn die Wissenschaft ist erstens keine Person und liefert zweitens keine definitiven Antworten auf nichttriviale Fragen. Letzteres unterscheidet sie von den Religionen. Wer das nicht weiß, der weckt bei mir erhebliche Zweifel, ob er wirklich die Mendelschen Regeln schon als Kind gelernt hat.

Thilo Sarrazins Verdummungsthese lässt sich sehr wohl durch die Populationsgenetik belegen, sofern man sie nur auf die genetischen und epigenetischen Grundlagen der Intelligenz (und nicht auf die aus Anlagen und Förderung resultierende Intelligenz) bezieht. Die Sache ist zwar sehr viel komplizierter als Sarrazin und Kantara glauben, aber im Prinzip hat Sarrazin recht. Es gibt genetisch und epigenetisch vererbbare biologische Grundlagen für die Intelligenz, die ein Gehirn bei optimaler Förderung erreichen kann. Und würden sich die Träger überwiegend positiv wirkender Gen-Varianten dauerhaft weniger vermehren als die Träger überwiegend negativ wirkender Allele, dann würde sich das auf die Dauer negativ auf das durchschnittliche Intelligenz-Potential auswirken.

Das Intelligenz auch etwas mit unserem Erbgut zu tun hat, lässt sich nicht bestreiten. Mutationen und Rekombinationen schaffen immer neue Kombinationen unterschiedlich gut funktionierender Allele der vielen Gene, welche die maximal erreichbaren Leistungsfähigkeiten der Gehirne bestimmen. Diese Kombinationen unterliegen der natürlichen und sexuellen Selektion.

Andernfalls könnten Schimpansen bei guter Förderung so intelligent wie Menschen werden. Klar ist außerdem, dass jede auch von Genen beeinflusste Eigenschaft einer evolutionären Entwicklung unterliegt, bei der die natürliche (Survival of the fittest) und/oder die sexuelle Selektion eine Rolle spielt. Wenn die Eltern aufgrund unvorteilhafter Gene unterdurchschnittlich intelligent sind, dann ist es weniger wahrscheinlich als bei intelligenteren Eltern, dass sie trotzdem überdurchschnittlich intelligente Kinder bekommen. Es ist nicht unmöglich und kommt immer wieder vor, dass Kinder mindestens normalintelligent werden, obwohl beide Eltern aufgrund bestimmter Gen-Mutationen mangelhaft durchblutete, vernetzte, ernährte, reparaturfähige oder trainierbare Gehirne haben. Dazu muss allerdings bei jedem dieser Gene die schlechte Variante (Allel) des einen Elternteils durch ein gutes Allel des anderen Elternteils vollständig ausgeglichen werden. Und weil die Intelligenz eines Menschen von sehr vielen Genen beeinflusst wird, sind hinsichtlich des genetisch bedingten Anteils des Intelligenz-Potentials große Unterschiede zwischen Eltern und ihren Kindern unwahrscheinlich. Man mag diese Erkenntnis der Genetik und Evolutionsforschung politisch unkorrekt finden, aber biologisch bleibt es eine Tatsache.

Anstatt solche Fakten zu leugnen und sie aussprechende Leute zu diffamieren, sollte man herausarbeiten, welche Mechanismen es noch gibt und ob bzw. unter welchen Umständen das worst-case-Szenario denn wirklich wahr wird.

Es gäbe sicher noch weitere Reformmöglichkeiten, mit denen man dafür sorgen könnte, dass möglichst viele Menschen ihre Bildungs- und Leistungspotentiale optimal ausschöpfen und damit auch die Gesellschaft wettbewerbsfähiger machen könnten. Es spielt gar keine Rolle, dass bei optimaler Förderung Minderbegabte nicht genauso weit kommen wie Hochbegabte. Das beste Ergebnis für das Individuum und die Gesellschaft erreichen wir dann, wenn wir es jedem Menschen ermöglichen und ihn notfalls auch dazu drängen, möglichst viel aus seinen Talenten zu machen sowie den Frauen stressfreie Schwangerschaften und den Kindern ein gewaltfreies und ermutigendes Aufwachsen in geregelten Verhältnissen zu garantieren.

Prof. Elsbeth Stern:

"Eltern und Kinder zeigen nur eine mittelhohe Übereinstimmung im Intelligenz-Quotienten. Unterdurchschnittlich intelligente Eltern können überdurchschnittlich intelligente Kinder haben und umgekehrt."

Gibt es bei Menschen Gruppen mit genetisch bedingten Intelligenz-Unterschieden? nach oben

Jede zumindest auch genetisch bedingte Eigenschaft entwickelt sich auch innerhalb einer Spezies unterschiedlich, wenn es in ihr Gruppen (Subpopulationen) gibt, zwischen denen es selten zu genetischem Austausch kommt. Auch bei der Spezies Mensch gibt es Subpopulationen, die sich aufgrund geographischer, ethnischer oder religiöser Isolation unterschiedlich entwickelt haben. Bei der Hautfarbe sieht man das, bei der Intelligenz nicht. Die Hautfarbe ist nicht genetisch mit der Intelligenz gekoppelt, aber beide entwickeln sich aufgrund der selben evolutionären Mechanismen.

Weil unterschiedliche Umwelten auch unterschiedliche Intelligenzen erfordern, hat sich bei isolierten Völkern wahrscheinlich auch die Intelligenz etwas unterschiedlich entwickelt. Wissenschaftlich nachweisbar oder widerlegbar ist das allerdings höchstens qualitativ, denn es kann keinen Intelligenztest geben, der unterschiedliche Arten von Intelligenz wirklich fair vergleicht.

Es wäre auch nicht sinnvoll, verschiedene Arten von Intelligenz bewertend zu vergleichen.

Jede Form von Intelligenz darf nur an den Anforderungen ihrer jeweilgen Umwelt gemessen werden.

Und diese Anforderungen können heute schon innerhalb eines Volkes bei Fußballern völlig andere sein als bei Landwirten oder Börsenmaklern. Es ist durchaus denkbar, das die Intelligenz von Migranten in einer für sie völlig fremden Umwelt weniger gut angepasst ist als die der Einheimischen. Aber dazu müssten die Migranten aus einer ganz andersartigen Umwelt stammen und es dürfte seit vielen Generationen keinen nennenswerten genetischen Austausch zwischen beiden Gruppen (z.B.: die südafrikanischen Buschleute und die arktischen Inuit) gegeben haben. Außerdem ist vor allem folgendes unbedingt zu beachten:

Innerhalb jeder menschlichen Subpopulation ist das Spektrum unterschiedlicher Intelligenzen so breit gestreut, dass man von der Zugehörigkeit zu einer Gruppe niemals auf die Intelligenz eines einzelnen Menschen schließen darf.

das Verhältnis der Einflüsse von Genen und Umwelt auf den IQ nach oben

Anlass für die Bildungsreise des Autors Kantara in Sachen Intelligenz-Forschung waren Aussagen des ehemaligen Bundesbahn-Managers, Berliner Finanzsenators und Mitglieds des Vorstands der deutschen Bundesbank Thilo Sarrazin wie folgende mit Interview-Szenen belegte:

"Intelligenz ist erblich. Darum ist es nicht egal, wer die Kinder bekommt."

"Das ist die Formel, die 98 % aller wissenschaftlichen Meinungen abbildet, dass die gemessene Intelligenz zu 50 bis 80 % erblich ist - ich persönlich tendiere eher zu 80 Prozent. Und wenn die Gruppen unterschiedlicher Intelligenz unterschiedliche Geburtenraten haben, wirkt sich dies irgendwann aus auf die Durchschnittsintelligenz der Bevölkerung."

"Intelligenz ist erblich. Darum ist es nicht egal wer die Kinder bekommt. Bildung ist wichtig, darum ist es nicht egal, was man für ein Bildungssystem hat. Eins gilt aber auch: Man kann durch mehr Bildung mindere Intelligenz nur zu einem gewissen Teil ausgleichen."

"Man wird es nie schaffen, nun das wenig begabte Kind durch noch soviele Bildungsanstrengungen auf das Niveau des begabten zu heben."

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Umgekehrt bedeutet dies aber auch, wenn die Entwicklungschancen für alle Kinder gleich wären, würde sich besonders deutlich zeigen, wer von Natur aus begabt ist. Der ZDF-Dokumentarfilm: "Halb und halb" thematisierte 1971 die Situation der sogenannten Mischlingskinder in Westdeutschland, Kinder wie ich."

Originalton 1971:

"Die Gesellschaft entledigt sich des Problems schon in der Schule auf bequeme Art. Wie alle Kinder, die ihrer sozialen Herkunft nach ohne gleiche Bildungschancen sind, werden auch die Mischlinge in das Ghetto der Sondeschulen abgeschoben. Untersuchungen über Mischlingskinder in Deutschland haben gezeigt, dass sie nicht dümmer und nicht intelligenter, nicht besser und nicht schlechter als ihre weißen Altersgenossen sind."

"Herr Prof. Dr. Eyferth, Sie haben in einer Untersuchung über die Situation der Mischlingskinder in Deutschland durchgeführt. Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?" "Die Umwelt der Kinder hat ihre Entwicklung ausgesprochen erschwert. Wenn man sich ansieht, in welche Schulen sie gegangen sind, wie häufig Kinder von den Müttern getrennt worden sind, oder wenn man sich anschaut, wie schwer ihre Schulwege, ihre Schuldurchläufe gewesen sind, so kann man nur sagen, dass diese Kinder im Schnitt eine sehr viel schlechtere Chance gehabt haben, sich zu entwickeln.

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Trotzdem hält sich bis heute hartnäckig die These, dass die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen weitgehend unter genetischer Kontrolle stehen. Eine These, die auch im Bestseller: "The Bell Curve" von Charles Murray und Richard Herrnstein vertreten wird."

Prof. Elsbeth Stern:

"Die Intelligenz-Forschung wurde oft missbraucht. Und sie wurde insbesondere in den USA missbraucht. Man hat eben einfach gedacht man - also vor 30 40 Jahren noch hat man gedacht, man hat da einen konstanten Wert. Und wenn man eben gesehen hat, dass Menschen mit dunkler Haut schlechter abgeschnitten haben, dann hat man gesagt, das kann man direkt auf die Gene zurückführen."

Nicht MAN hat das gedacht, sondern einige in den USA. Schon die 1976 veröffentlichte Minnesota Transracial Adoption Study (S.Scarr und R.A.Weinberg - IQ test performance of black children adopted by White families - American Psychologist 1976, 31, 726-739) wurde zu dem Zweck durchgeführt, die Einflüsse von Genen und Umwelt abschätzen zu können. Und obwohl in dieser Studie selbst von überdurchschnittlich intelligenten Weißen adoptierte farbige Kinder beim IQ-Test im Durchschnitt deutlich schlechter als adoptierte weiße Kinder abschnitten, haben die Autoren der Studie dies keineswegs mit einer genetisch bedingten geistigen Unterlegenheit einer schwarzen Rasse begründet, sondern die Ergebnisse für nicht eindeutig auswertbar erklärt.

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Hier wird es für mich persönlich. Ich fliege nach Detroit. Murray und Herrnstein glaubten, dass viele soziale Probleme durch einen unveränderbar niedrigen IQ schwarzer Amerikaner und Latinos zu erklären seien. Es ist Thilo Sarrazins Vorstellung von einer Art genetischem Ghetto, aus dem es kein Entrinnen gibt. Förderprogramme und Sozialleistungen wären dann sinnlos."

"Und was genau hat Sarrazin tatsächlich gesagt?"

Thilo Sarrazin, ehemaliger Bundesbahn-Manager, Berliner Finanzsenator und Bundesbank-Direktor:

"Nun kann es nicht Aufgabe des Staates sein, jeden der nicht will und jeden, der von seiner Kultur her lahmt, über alle Hürden zu heben, sondern praktisch in unserem System etwas leisten zu wollen, im Wettbewerb mitmachen zu wollen, geistig offen zu sein, ist eine Bringschuld derer, die bei uns einwandern."

"Also der Staat kann folgendes leisten: Er hat einen Lehrer oder eine Lehrerin, der wird ordentlich bezahlt und ist vernünftig ausgebildet und trifft morgens in seiner Klasse 20 Kinder, um die er sich redlich bemüht. Wenn dort jetzt 10 türkische oder arabische Kinder sitzen - von denen trägt die Hälfte mit 12 Jahren bereits Kopftuch, denkt dass es mit 15 einem Vetter aus Anatolien verheiratet wird, hat schon längst geistig von der Schule Abschied genommen, wird darin auch von zuhause ermutigt, da kommt nichts und die 3 4 türkischen Knaben machen den Macho und haben schon (von) da aus, weil sie nicht aufnahmefähig sind, sondern ihre Männlichkeit darstellen müssen, eben ein Problem mit dem Lernen, dann kann dieses von einem noch so guten Lehrer oder einer Lehrerin, woher er auch komme, nicht aufgebrochen werden. Er hat 6 Stunden mit denen am Tag, die einen lernens, die anderen lernens nicht und am Ende fallen sie zurück."

Es gibt Schüler und manchmal sogar ganze Klassen, die nicht aufnahmefähig und lernwillig sind. Und nicht immer können Lehrer das Problem lösen. Aber Sarrazin beschreibt ja selbst sehr richtig ganz andere Ursachen als einen Mangel an Intelligenz. Und an seinen Überlegungen zur Erblichkeit von Intelligenz ist eines falsch (Andere Dummheiten werden Sarrazin in der Dokumentation zwar unterstellt, aber nicht belegt.). Die Intelligenz wird zwar hauptsächlich von den Genen bestimmt, aber das gilt nur für die absolute Größe der Intelligenz bzw. für die Unterschiede zwischen den Spezies. Der gemessene oder genauer gesagt berechnete Intelligenz-Quotient setzt aber den durch Intelligenztests messbaren Teil der Intelligenz eines Menschen lediglich ins Verhältnis zum durchschnittlichen Testergebnis aller untersuchten Altersgenossen. Hätten alle Vergleichspersonen während ihrer Entwicklung exakt gleiche Umweltbedingungen, dann hinge die Abweichung des IQ eines Menschen vom Mittelwert sogar praktisch ausschließlich von den Genen ab. Das ist aber in großen menschlichen Gesellschaften nicht einmal annähernd der Fall. Und je unterschiedlicher die Umwelteinflüsse sind, umso größer ist ihr Einfluss auf die ermittelten IQ-Unterschiede. In einer extrem heterogenen Gesellschaft wie der deutschen sind die Einfüsse der Umwelt auf die Entwicklung der Intelligenz so groß, dass der Einfluss der Gene nur eine untergeordnete Rolle spielt. Ein Einfluss der Gene auf den IQ ist zwar vorhanden, aber eindeutig über Messfehler hinausgehend wäre er nur, wenn ein Intelligenztest ausschließlich auf eine homogene gesellschaftliche Gruppe angewendet würde.

Das zu verstehen ist sehr wichtig, weil sich schädliche Umweltfaktoren leichter korrigieren lassen als schlechte Gene. Epigenetisch kann gute Förderung sogar die Genaktivitäten optimieren. Hinzu kommt noch die Trainierbarkeit (Plastizität) des menschlichen Gehirns. Deshalb sind Förderung und eigene Anstrengungen fast nie aussichtslos.

Die Forschung zur Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hat gezeigt, dass die Ernährung und körperliche Aktivitäten ebenso eine Rolle bei der geistigen Entwicklung eines Menschen spielen, wie die Liebe, Zuwendung, Wertschätzung, Lob, Ermutigung, Anregung, Herausforderung und Diskussionen, die ein Mensch genossen hat. Diese Umweltbedingungen sind umso wichtiger für die Entwicklung von Gesundheit und Intelligenz eines Menschen, je jünger er ist. Deshalb sind die Eltern auch in dieser Hinsicht wesentlich entscheidendere Umweltfaktoren als die Schule. Aber die Elternhäuser in Deutschland sind alles andere als gleich. Es gibt zwar gute und schlechte Eltern in jeder Schicht und gesellschaftlichen Gruppe, aber im Durchschnitt werden Kinder bei uns von gebildeten oder wenigstens an Bildung interessierten Eltern und Großeltern erheblich besser gefördert als von ungebildeten und an Bildung nicht interessierten. Prof. Marek Fuchs und seine ehemalige Doktorandin Dr. Michaela Sixt nannten das "soziale Vererbung" (Soziale Vererbung von Bildungsgewinnen aus der Bildungsexpansion). Und die förderlicheren Eltern findet man in Deutschland deutlich häufiger in den sozial besser gestellten Schichten und in den Migrantengruppen, deren Kinder im Durchschnitt bei PISA-Tests gut abschneiden. Während beispielsweise aus der Türkei hauptsächlich wenig gebildete Menschen als Gastarbeiter und deren Angehörige nach Deutschland kamen und sich hier wenig integrierten, kamen aus anderen Ländern viele gut ausgebildete Menschen, die mehr Kontakt zur deutschsprachigen Bevölkerung suchten. Wie sehr die Herkunftsländer der Migrantenkinder über deren Bildungserfolge im deutschen Schulsystem entscheiden, zeigt beispielsweise ein Vergleich des Statistischen Bundesamtes (Bildung und Kultur - Allgemeinbildende Schulen, Seiten 268-269) von Lernenden aus Finnland und der Türkei. In Deutschland besuchten im Schuljahr 2012/13 von den Lernenden finnischer Herkunft 29 eine Hauptschule, 42 eine Realschule, 190 ein Gymnasium und 31 eine integrierte Gesamtschule. Von den Lernenden türkischer Herkunft besuchten 41.441 eine Hauptschule, 33.630 eine Realschule, 26.094 ein Gymnasium und 30.139 eine integrierte Gesamtschule. Das Schulsystem ist für beide Migrantengruppen das selbe, was den Einfluss der Elternhäuser auf den schulischen Erfolg deutlich macht.

Es ist schade, dass die Komplexität des Zusammenspiels von Genen und Umwelteinflüssen auf die Entwicklung der Intelligenz und anderer für den Erfolg in unserer Gesellschaft wichtiger Eigenschaften nicht nur Herrn Sarrazin überfordert, sondern auch Prof. Kantara und den leider nicht genannten Autor oder die Autorin der zur Sendung gehörenden 3Sat-Internetseiten. Sarrazin führt den Einfluss der Elternhäuser viel zu sehr auf deren Gene zurück und übersieht dabei den Einfluss der weniger langfristig wirkenden sozialen Vererbung. Prof. Kantara will überhaupt nichts von Vererbung wissen und sieht daher die Verantwortung für den Bildungserfolg viel zu sehr bei den Schulen und zu wenig bei den Familien. Eine große Enttäuschung sind für mich auch manche Behauptungen der von Prof. Kantara befragten Experten, aber es gibt in dieser Dokumentation auch einige richtige und sehr wichtige Aussagen.

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Ich treffe den Sozialpsychologen Richard Nisbett. Er studiert seit Jahrzehnten die Folgen von sozialer Vernachlässigung auf die Entwicklung von Intelligenz. Dies geht nirgendwo besser als in den USA. Nisbett ist zu Hunderten Familien gegangen, hat Beobachtungen gemacht und Fragen gestellt und so Unterschiede bemerkt. Ein typisches Beispiel: Ein dreijähriges Kind einer Mittelklassefamilie wird sechsmal gelobt, bevor es einmal getadelt wird. In einer Arbeiterfamilie ist das Verhältnis schon auf zwei Belobigungen pro Tadel gesunken. In einer schwarzen Unterschichtfamilie hat sich das Verhältnis umgedreht. Pro Belobigung gibt es zwei Tadel. "

Prof. Richard Nisbett:

"Es gibt große Unterschiede in Bezug auf den Wortschatz, dem Kinder - je nach sozialer Schicht und ethnischer Zugehörigkeit ausgesetzt sind. Ein Kind der Mittelschicht hört bis zu seinem dritten Geburtstag ungefähr 30 Millionen Wörter. Ein Arbeiterkind rund 20 Millionen und ein schwarzes Ghettokind rund 10 Millionen Wörter. Über soziale Schichtgrenzen hinweg gilt: Je mehr Wörter man hört, desto mehr Konzepten ist man ausgesetzt. In Mittelklassefamilien ist es wie bei einem Tennisspiel. Das Kind schlägt den Ball zu den Eltern und die retournieren. Es ist ein hin- und her. In Arbeiterfamilien ist es oft eine Einbahnstraße: Eltern zum Kind oder umgekehrt. Und das war's. Dort gibt es diesen Schlagabtausch nicht."

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Ist das Lernverhalten in Familien angeboren oder haben kulturelle und soziale Unterschiede den größeren Einfluss auf die intellektuellen Potentiale der Kinder? Die neuen Befunde der Intelligenz-Forschug deuten alle in eine Richtung: Die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen ein Spiegel seiner Umwelt."

Das ist so nicht richtig. Erstens führen in Biologie und Medizin niemals alle neuen Befunde in eine Richtung. Zweitens kennt kein Journalist alle Studien einer Forschungsrichtung. Und drittens sind die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen ein Spiegel seiner Gene und seiner Umwelt. Man muss den Experten schon genau zuhören und sie sorgfältig wiedergeben.

Prof. Richard Nisbett:

"Für die obere Mittelschicht lässt sich der IQ in sehr starkem Maß durch die Gene erklären. Warum? Nun, dort sind die Umweltbedingungen sehr gleichförmig. Dr. Schmidts Familienverhältnisse sind wahrscheinlich nicht viel anders als die von Anwalt Meier. Beide bieten exzellente, gleichförmige Umweltbedingungen. Das einzige was hier noch Unterschiede hervorbringen kann, sind die Gene. Auf der anderen Seite des sozialen Spektrums, in der Unterschicht in den USA und in Europa, ist der Zusammenhang zwischen Genen und IQ geradezu trivial, fast nicht existent. Warum? Nun, in der Unterschicht rangieren die Verhältnisse von so gut wie man es in der oberen Mittelklasse findet bis zu in jeder Hinsicht chaotisch und zerstörerisch. Wenn es so riesige Unterschiede gibt, ist die Umwelt der treibende Faktor. Gene zählen dann so gut wie überhaupt nicht."

So differenziert wird die Sache leider nur selten dargestellt. Aber wer das verstanden hat, versucht nicht mehr, dass Verhältnis der Einflüsse von Genen und Umwelt mit einer Zahl auszudrücken.

Folgen frühkindlicher Vernachlässigung nach oben

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Die Entwicklung unseres intellektuellen Potentials wird direkt durch unsere Umwelt gesteuert. Eine Studie die dies besonders eindrücklich beweist, führt mich nach Rumänien. Es ist der schwierigste Abschnitt meiner Recherchen. In den Jahren der Ceausescu-Diktatur sollten hier möglichst viele Kinder geboren werden. Die Stärksten wurden für den Staat rekrutiert, die Schwächsten - Kinder mit Behinderung, chronisch Kranke, oder einfach nur unterernährte Kinder - wurden in Waisenhäuser abgeschoben. Erst das Ende des Regimes 1989 beendete die menschenverachtende Vernachlässigung der Kinder. Private oder kirchliche Hilfsorganisationen haben sich der vielen elternlosen Kinder angenommen. Bis heute gibt es in Rumänien kein flächendeckendes Netz von Pflegefamilien, die bereit wären, elternlose oder vernachlässigte Kinder aufzunehmen. Das Pro-Vita-Kinderheim von Pater Nicolae Tanase hat in den letzten zwanzig Jahren 3000 Kindern Zuflucht geboten. Von Spenden aus dem Ausland unterstützt, leben heute noch über 400 Kinder unter seiner Aufsicht. Pater Tanase hat die verheerenden Auswirkungen von Verwahrlosung immer wieder deutlich vor Augen geführt bekommen."

Pater Nicolae Tanase:

"Es gibt mehrere Faktoren, die für eine gesunde Entwicklung nötig sind. Einmal das genetische Potential des Kindes und dann natürlich die Bildung und welchen Leidensweg es hatte. Denn wenn ein Teller bricht, ist es sehr schwer, ihn wieder zusammenzufügen. Selbst wenn man es schafft, wird es nicht mehr der Selbe sein. Es gibt keine 100-prozentige Erholung."

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Die Kinder, die heute im Pro-Vita-Heim leben, erfahren Zuwendung, werden menschenwürdig versorgt und betreut, das sehe ich mit eigenen Augen. Doch welche Folgen hat die systematische Vernachlässigung von Kindern? Eine Frage, die Wissenschaftler brennend interessiert. Isolations-Experimente an Menschen, gar an Kindern, sind ethisch nicht vertretbar. Wer wissen will, wie sich die Trennung von der Mutter, Isolation und Vernachlässigung auf Neugeborene oder Kleinkinder auswirken, experimentiert normalerweise mit Mäusen und Ratten. Das "Bucharest Early Intervention Project" ist deshalb eine weltweit einmalige Studie. Unter Aufsicht einer Ethikkommission entwickelten Wissenschaftler der amerikanischen Harvard University ein außergewöhnliches Experiment. Das Ziel der Forscher - die Entwicklung von Kindern vergleichen, die gleich schlechte Startbedingungen in ihrem Leben hatten. Ein Teil von ihnen wurde in Pflegefamilien vermittelt. Die anderen mussten in Waisenhäusern zurückbleiben. Welches Kind eine neue Familie bekam, entschied das Los. Wie grausam, denke ich - eine Lotterie des Lebens. Die war ethisch nur deshalb akzeptabel, weil es für die über 150.000 Kinder in rumänischen Heimen 1990 einfach nicht genug Pflegefamilien gab. Die Studie brachte bahnbrechende Erkenntnisse."

Dr. Anca Radulescu: - Effects of early intervention and the moderating effects of brain activity on institutionalized children's social skills at age 8

"Je früher die Vernachlässigung eines Kindes beginnt, und je länger sie dauert, desto mehr wird die Hirnentwicklung und dadurch die Intelligenz beeinträchtigt. Diese Ergebnisse haben wir durch die Erforschung zweier Gruppen bestätigen können. Die Heimkinder bekamen, verursacht durch zu wenig Betreuung und emotionale Zuneigung, weiterhin eine sehr geringe Stimulation, während die Pflegekinder durch die enge familiäre Betreuung eine viel größere emotionale Stabilität aufbauen konnten. Die Pflegekinder hatten einfach mehr emotionale Sicherheit, Verlässlichkeit und Lernerlebnisse. Denn Intelligenz entwickelt sich proportional zu der Qualität, Quantität und Regelmäßigkeit der Stimulation durch die Umwelt. Besonders dann, wenn die Pflegeeltern die Kinder ermutigen, die eigene Umwelt zu erforschen."

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Die ersten der 136 Waisen, die im Alter zwischen 6 und 31 Monaten für die Studie ausgewählt wurden, sind heute bereits 15 Jahre alt. Ihre Pflegefamilien wurden über die gesamte Zeit intensiv betreut und beobachtet. Dabei lautete die Kernfrage immer wieder: Welche Auswirkung hatte die Vernachlässigung in frühester Kindheit auf ihre Intelligenz? Schon die ersten Messungen der Hirnströme zeigten bei den Kindern, die im Heim verbleiben mussten, eine deutlich geringere elektrische Aktivität, die auch mit einem sehr geringen IQ von knapp 70 korrespondierte. Kinder, die in Pflegefamilien aufwuchsen, hatten dagegen einen IQ von 80 bis 90. Das Aufwachsen in Pflegefamilien steigerte offensichtlich die Intelligenz. Doch Hirnscans brachten auch ein deprimierendes Ergebnis: Alle Kinder der Studie zeigten im Vergleich zu normal aufwachsenden Kindern eine deutliche Reduzierung von grauen Zellen und weißer Materie im Gehirn."

Dr. Anca Radulescu:

"Wenn die Vernachlässigung eines Kindes schon früh beginnt und lange anhält, ist eine Erholung fast unmöglich, denn die neuronalen Verbindungen im Gehirn eines Kindes, das Missbrauch oder Vernachlässigung erfährt, entwickeln sich nicht richtig. Wenn diese neuronalen Verbindungen gestört sind, können sie ihre Intelligenz nicht entwickeln."

Frühkindliche Traumatisierung oder Vernachlässigung kann die Hirnentwicklung derart dramatisch stören, dass die Schäden durch intensive Förderung immerhin gemildert, aber nicht ganz ausgeglichen werden.

Wir können Genaktivitäten beeinflussen. nach oben

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Ich bin zurück in Bremen und frage mich: Wie kann es sein, dass die Umwelt einen direkten Einfluss auf die Entwicklung unseres Gehirns hat? Von den neuronalen Verbindungen im Gehirn, den Synapsen, hat jeder schon einmal gehört. Lässt sich aus ihrer Zahl unsere Intelligenz ablesen? Im "cognium", dem Labor des Zentrums für Kognitionswissenschaften der Uni Bremen möchte ich mehr erfahren über den Zusammenhang zwischen Umwelt und Vererbung. Die biologischen Grundlagen der Intelligenz sind heute noch ziemlich unklar. Vielleicht hilft ja ein Blick in mein Denkorgan. Magnetresonanztomografen erlauben heute die mühelose Vermessung tiefster Gehirnschichten. Gewebeveränderungen lassen sich damit sehr schnell aufklären. So zeigt ein Scan Verletzungen des Gehirns oder macht Plaque-Ablagerungen bei Alzheimer-Patienten sichtbar. Gibt es auch bi mir bedeutende Abweichungen von der Norm? Ich hoffe doch nicht. Nein, ich habe offenbar ein völlig normales, gesundes Gehirn. Die graue Masse, also die Hirnzellen sitzen dort, wo sie sein sollen. Meinen IQ können die Forscher daraus allerdings nicht ableiten. Die für die Intelligenz bedeutsamen Arreale sind weit verstreut. Sie bilden ein Netzwerk, das sich über die gesamte Großhirnrinde verteilt. Die einzelnen Hirnarreale werden durch Nervenbahnen, das ist die weiße Materie, vernetzt. Neurologen glauben, dass die Intelligenz auch davon beeinflusst wird, wie die Informationen durch das Gehirn strömen und wie effizient die Nervenbahnen mit einander verschaltet sind. Die untersuchten rumänischen Heimkinder hatten deutlich weniger graue und weiße Hirnmasse. Das dieser Befund zu verminderter intellektueller Leistungsfähigkeit führt, leuchtet mir ein. Aber erklärt noch nicht, welche Rolle die Umwelt dabei spielt. Antworten darauf erhoffe ich mir von Wissenschaftlern der Universität Göttingen. Meine eigenen Hirnscans habe ich mit im Gepäck. Lars Penke untersucht die Qualität neuronaler Verbindungswege. Kernspintomografische Verfahren belegen, dass das Leben nicht spurlos an unserem Gehirn vorüber geht. Es ist plastisch, also formbar. Studien haben gezeigt, dass gerade Jugendliche noch große IQ-Sprünge machen können. Und die Wissenschaftler sehen, je intakter die neuronalen Verbindungswege, desto höher die Intelligenz."

Prof. Lars Penke:

"Das Gehirn kann sich erfahrungsbedingt verändern. Das ist natürlich am stärksten ausgeprägt in der frühen Kindheit und auch über die Pubertät noch hinweg - manche Teile des Gehirns reifen erst über die Pubertät hinweg - es ist auch so dass Nervenverbindungen erst mal im Überfluss angelegt werden im Gehirn und dann erfahrungsbedingt so abgebaut, aber auch wieder aufgebaut werden - wie es notwendig ist für ein gut funktionierendes Gehirn, für ein Gehirn das Alltagsleistungen vernünftig erbringen kann, dass also gelernt hat, mit der Welt umzugehen, und diese Plastizität bleibt über das Leben hinweg zu einem gewissen Grad vorhanden. Lernerfahrungen über das ganze Leben hinweg bilden sich im Gehirn durch plastische Veränderungen ab."

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"An meinen Nervenverbindungen hat Penke nichts auszusetzen. Man lernt ein Leben lang. Aber was in der frühesten Kindheit versäumt wird an Zuwendung und emotionaler Stabilität, lässt sich unabhängig vom ererbten, individuellen Intelligenz-Potential nur ganz schwer ausgleichen."

"Wie wirken sich Umwelteinflüsse auf die Intelligenz aus? Andre Fischer soll es mir erklären. Er forscht in einem Spezialgebiet der Biologie - der Epigenetik - und untersucht, welche Bedingungen notwendig sind, um die Aktivität von Genen zu steuern. Die Epigenetik beweist inzwischen, dass Erbe und Umwelt auf komplizierte Weise miteinander agieren. Einzelne DNA-Abschnitte werden je nach Umweltbedingungen an- oder abgeschaltet. So erklärt es mir Fischer. Chemische Markierungen an der Erbsubstanz entscheiden dann darüber, ob die Gene lesbar sind oder nicht. Stress, Einsamkeit, Angst oder Unterernährung können die Art und Weise verändern, wie die Gene arbeiten."

Prof. Andre Fischer:

Für die Kognition bedeutet das nichts anderes als dass unsere kognitiven Leistungsfähigkeiten natürlich davon abhängen, was für Gene wir haben. Aber viel wichtiger ist wahrscheinlich doch, wie diese Gene reguliert werden. Das heißt wann, wo und wie stark werden sie angeschaltet.

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Ein gutes Gedächtnis ist ein Hinweis auf Intelligenz. Also macht Andre Fischer Versuche mit Mäusen zur Gedächtnisleistung - Ich nennes es "IQ-Test für Nager". Können sich die Mäuse an verschiedene Objekte erinnern? Das Besondere: Die Mäuse sind Klone - genetisch sind sie völlig identisch, wie eineiige Zwillinge. Die Wissenschaftler haben zudem dafür gesorgt, dass die Tiere unter völlig gleichen Bedingungen aufwachsen. Unterschiede in der Lernleistung dürfte es somit eigentlich nicht geben. Dann verändern die Forscher die Umweltbedingungen der Mäuse. Einer Mäusegruppe wird ein Sportangebot gemacht. Während die einen trainieren, bleiben die anderen faul. Das Ergebnis ist eindeutig: Durch das Fitnesstraining zeigen sich die sportlichen Mäuse bei den Gedächtnistests leistungsfähiger als die untrainierten Nager. Ein tiefer Blick in den Hippocampus der Mäuse - das ist der Teil im Gehirn mit den evolutionär ältesten Strukturen - erklärt warum."

Der Hippocampus ist nicht der Teil im Gehirn mit den evolutionär ältesten Strukturen. Evolutionär viel älter ist der Hirnstamm aus verlängertem "Rückenmark" (Medulla oblongata), Brücke (Pons) und Mittelhirn (Mesencephalon). Der Hippocampus gehört nur zu den ältesten Strukturen im Vorderhirn (Prosencephalon), genauer im auch Großhirn genannten Endhirn (Telencephalon). Aber das ist nur eines von unzähligen Beispielen dafür, dass Biologie und Medizin Minenfelder für Journalisten ohne biomedizinische Ausbildung sind.

Prof. Andre Fischer:

"Hier dargestellt sind ungeähr 700 Gene. Die unterscheiden sich. Und was man sieht, ist das dieses Muster von 700 Genen korreliert mit der kognitiven Leistungsfähigkeit. Das heißt die Aktivität der Gene in den Nervenzellen in dieser Hirnregion, die wichtig ist für Gedächtnisabspeicherung, korreliert. Es gibt halt Gene, die sind blau, und die werden rot, je besser die Maus den Test lernt."

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Das heißt: Wie sich Gene auf die geistigen Funktionen und das Verhalten auswirken, ist höchst flexibel und veränderbar! Doch Mäuse sind keine Menschen. Trotzdem ist klar: Intelligenz braucht eine stimulierende Umwelt, sonst kann sie sich nicht entwickeln."

Prof. Elsbeth Stern:

"Ich bin auch ganz sicher, dass in Migranten-Populationen in Deutschland, dass dort sehr viel IQ-Potential schlummert, was sich bisher nicht entfalten konnte. Wahrscheinlich bei Mädchen und Jungen gleich viel, weil die Kinder nicht früh sprachlich gefördert wurden und weil sie vielleicht auch - weil die Schulbildung wegen Sprachproblemen an ihnen vorbei gegangen ist. Also da ist sicherlich mehr zu holen, als wir bisher rausholen, und das ist ein schlimmes Versäumnis."

"Was man aus der Intelligenz macht, wie gut man Lesen und Schreiben und Rechnen lernt, wie gut man dann wirklich - wieviel Freude man dann daran hat, sich mit naturwissenschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen, darauf haben die Lehrer einen wirklich Rieseneinfluss. Und das finden wir immer wieder, dass eben gute Lehrer - und wir haben viele Daten, wo wir IQ und Lerngewinn uns anschauen, und wir finden dass in guten Klassen, das dort weniger intelligente Kinder mehr in Naturwissenschaften lernen als bei schlechten Lehrern hochintelligente Schüler."

Naturwissenschaftler sollten sich nie ganz sicher sein, sondern ihre Hypothesen experimentell überprüfen. Also raus aus dem Elfenbeinturm und wenigstens für wenige Stunden pro Wochen rein in eine deutsche Grund- oder Hauptschule mit hohem Migrantenanteil, um deren IQ-Potential zu heben! Wer den dort arbeitenden Lehrern und vor allem Lehrerinnen schlimme Versäumnisse vorwirft, sollte es einmal selbst versucht haben und von daher wissen, wovon er/sie spricht. IQ-Tests machen reicht nicht, denn offensichtlich gibt es ja keinen direkten Zusammenhang zwischen dem IQ und dem Lernerfolg.

die Rolle unserer Schulen nach oben

Thilo Sarrazin, ehemaliger Bundesbahn-Manager, Berliner Finanzsenator und Bundesbank-Direktor:

"Nun kann es nicht Aufgabe des Staates sein, jeden der nicht will und jeden, der von seiner Kultur her lahmt, über alle Hürden zu heben, sondern praktisch in unserem System etwas leisten zu wollen, im Wettbewerb mitmachen zu wollen, geistig offen zu sein, ist eine Bringschuld derer, die bei uns einwandern."

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Bravo, Herr Sarrazin! Zum genetischen Ghetto kommt dann das soziale Ghetto. Was können Kinder dafür, in welcher Kultur sie aufwachsen oder wieviel Wert ihre Eltern auf Bildung legen?"

Bravo, Herr Kantara! Ist das Ihr Verständnis von Journalismus? Wo fordert denn Sarrazin ein genetisches oder soziales Ghetto? Tatsächlich fordert Sarrazin gerade das Gegenteil, indem er von Einwanderern in eine Leistungsgesellschaft Integrations- und Leistungsbereitschaft fordert. Und ohne geistige Offenheit geht es auch nicht in einer modernen und bunten Gesellschaft. Was genau stört Sie an geistiger Offenheit? Wollen Sie für Einwanderer Sonderrechte, westliche Bildung und Werte abzulehnen, Christen, Ungläubige, Homosexuelle oder nicht korrekt bekleidete Frauen zu verfolgen, ihre Frauen und Kinder zu verprügeln und höhere Bildung insbesondere für Mädchen abzulehnen? Warum soll unsere auf Bildung angewiesene Gesellschaft nicht von Einwanderern fordern dürfen, dass sie wenigstens an Elternabenden teilnehmen, ihre Kinder regelmäßig zur Schule schicken und ihnen zuhause Ort und Gelegenheit geben, ihre Hausaufgaben zu machen. Selbstverständlich können Kinder nichts für ihre Eltern. Aber die deutsche Gesellschaft ist auch nicht verantwortlich für Einwanderer, die ihre Kinder zu Schulversagern erziehen, denen wir dann keine Ausbildungs- und Arbeitsplätze anbieten können.

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"In Bremen Osterholz mit seinem Ortsteil Tenever leben besonders viele Kinder. 25% der Bewohner sind Aussiedler, 45% Ausländer. Türken, Kurden, Libanesen, Tamilen, Afrikaner. Sind ihre Kinder der Grund, warum Deutschland Angst haben muss, zu verdummen?"

Thilo Sarrazin, ehemaliger Bundesbahn-Manager, Berliner Finanzsenator und Bundesbank-Direktor:

"Also der Staat kann folgendes leisten: Er hat einen Lehrer oder eine Lehrerin, der wird ordentlich bezahlt und ist vernünftig ausgebildet und trifft morgens in seiner Klasse 20 Kinder, um die er sich redlich bemüht. Wenn dort jetzt 10 türkische oder arabische Kinder sitzen - von denen trägt die Hälfte mit 12 Jahren bereits Kopftuch, denkt dass es mit 15 einem Vetter aus Anatolien verheiratet wird, hat schon längst geistig von der Schule Abschied genommen, wird darin auch von zuhause ermutigt, da kommt nichts und die 3 4 türkischen Knaben machen den Macho und haben schon (von) da aus, weil sie nicht aufnahmefähig sind, sondern ihre Männlichkeit darstellen müssen, eben ein Problem mit dem Lernen, dann kann dieses von einem noch so guten Lehrer oder einer Lehrerin, woher er auch komme, nicht aufgebrochen werden. Er hat 6 Stunden mit denen am Tag, die einen lernens, die anderen lernens nicht und am Ende fallen sie zurück."

Prof. Richard Nisbett:

Auf dem Schrottplatz wird ein Genie niemals zu Einstein. Die Gene können nicht wirken. Deshalb ist eine ausgleichende Sozialpolitik unglaublich wichtig. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen. All diese reichen Pinkel aus New York, die versuchen, ihre Kinder in die besten Kitas zu bringen, am IQ ihrer Kinder ändert das rein gar nichts. Doch am anderen Ende des sozialen Spektrums, in der Unterschicht, verbessern gute Lernbedingungen direkt den IQ des Individuums und der gesamten Gruppe.

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"An der Gesamtschue Ost in Bremen stemmen sich Lehrer seit Jahren erfolgreich gegen Stigmatisierung. Gerade weil fast die Hälfte der über 1300 Schüler und Schülerinnen einen Migrationshintergrund haben. Mehr als 80 verschiedene Nationen sind hier vertreten. Damit das funktioniert, hat sich die Schule einen strengen Verhaltenskodex gegeben. Fleiß und Disziplin werden mit Lernangeboten und individueller Förderung gekoppelt. Denn wie sehr ein Mensch sein vererbtes Intelligenz-Potential ausschöpft, dass kann er in der Tat selbst beeinflussen. Erst recht, wenn er gefördert wird und sich fördern lässt. Viele Jugendliche erleben erst durch die zahlreichen Schulprojekte, dass sich ihr Einsatz lohnt und dass sie leistungsfähig sind. Die Gesamtschule Ost war die erste Ganztagsschule in Bremen. Sie investiert viel Zeit in ihre Schüler und diese Investitionen machen sich mittlerweile bezahlt."

Weniger als 50% der über 1300 Schüler und Schülerinnen haben einen Migrationshintergrund und das auch noch verteilt auf über 80 Nationen? Davon können viele Schulen nur träumen. Die Berliner Schulen, über die Herr Sarrazin sich so ärgert, haben Migrantenanteile von über 90% und das sind fast nur Kinder, die sich selbst als Türken oder Araber bezeichnen und es als Zumutung weit von sich weisen, Deutsche zu sein. Trotzdem bravo, Herr Kantara! Ein strenger Verhaltenskodex, Fleiß und Disziplin, selbst beeinflussen und sich fördern lassen - was unterscheidet jetzt noch diese Erfolgsrezepte von den Forderungen des bösen Herrn Sarrazin, der ja auch nichts gegen Lernangebote, individuelle Förderung und Schulprojekte sagt? Sie beide sind gar nicht so weit von einander entfernt, auch nicht was unglücklich pauschalisierende Formulierungen angeht. Der Unterschied besteht nur darin, dass er alles frei in die Kamera spricht, während Sie sich Ihren Text in aller Ruhe zurechtlegen und notfalls beliebig oft rausschneiden konnten.

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Ohne engagiertes Lehrerkollegium geht das nicht. Direktor Franz Jentschke leitet die Schule seit 30 Jahren. Ich frage ihn nach seinem Erfolgsgeheimnis."

Franz Jentschke, Schulleiter der Gesamtschule Bremen-Ost:

"Das Geheimnis (seines Erfolgs) ist gar nicht groß. Wir holen die Schüler da ab, wo sie stehen. Und wir mögen unsere Schüler. Und unsere Lehrkräfte wenden sich genau den Schwachstellen zu. Die erkennen sehr schnell, wo unsere Schülerinnen und Schüler Hilfe brauchen und da setzen sie an."

Das klingt wunderbar und ist es auch. Aber unsere normalen Gymnasien dürfen Schüler nicht da abholen, wo sie stehen, denn sie müssen zielgleich unterrichten. Bei 30 Schülern pro Lehrer und einem übervollen Lehrplan können Lehrer auch nicht individuell auf jedes Problem jedes Schülers eingehen. Und diese Probleme müsste die Schulpolitik angehen. Schulpolitiker müssten die Pflicht abschaffen, alle Lernenden einer Klasse am selben Tag die selbe Klausur schreiben lassen zu müssen. Erst dann ist es möglich, Lernende in ihren jeweiligen Lerntempi lernen zu lassen und sie da abzuholen, wo sie stehen. Auch Eltern können zum Gelingen einer Schule beitragen, indem sie beispielsweise ihren Kindern keine Respektlosigkeit gegenüber Lehrern und vor allem Lehrerinnen vorleben. Denn es fällt selbst Lehrern schwer, Kinder zu mögen, die sich ihnen gegenüber massiv respektlos verhalten. Aber zum größten Teil werden die auf allen Seiten vorhandenen Aggressionen am Arbeitsplatz Schule durch die vielen Zwänge unseres Schulsystems erzeugt. Es hetzt Eltern, Kinder und Lehrer gegeneinander auf, weil leider die wenigsten verstehen, dass sie alle Opfer eines nicht am einzelnen Menschen orientierten Systems sind.

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Am Anfang haben viele Schwachstellen, Defizite, Probleme. Aber individuelle Förderung und Teamgeist haben dazu geführt, dass in den letzten zwei Jahren jeder Schüler und jede Schülerin einen Abschluss geschafft hat - oft das Abitur. Schulen müssen sich also ebenso anstrengen wie die Schüler. Denn Kinder haben genauso wenig Einfluss auf das genetische Potential, dass ihnen ihre Eltern mitgeben, wie auf das Milieu, in das sie hinein geboren werden. Integration bedeutet, Anreize zur Entwicklung zu schaffen und jedem Kind ungeachtet seiner Herkunft die besten Entfaltungsmöglichkeiten zu geben. Es ist nämlich leider nicht so, dass sich ein Genie auch unter widrigsten Umständen durchsetzt. Geschichten von denen die es trotzdem geschafft haben, werden deshalb so gerne erzählt, weil sie die Ausnahmen bleiben."

Ja natürlich müssen sich auch die Schulen anstrengen! Aber tun sie das etwa nicht? Aufgrund welcher Erfahrung oder Recherche glaubt denn der Herr Professor die Schulen ermahnen zu müssen, dass auch sie sich anstrengen müssen? Die meisten Lehrer sind keine faulen Säcke und können auch nichts dafür, dass sie in einer Klasse junge Genies und gleichzeitig im selben Lerntempo Schüler unterrichten müssen, denen es an der nötigen Lernfähigkeit und/oder Lernbereitschaft fehlt und die eigentlich nur zur Schule kommen, um dort Freunde zu treffen.

Prof. Elsbeth Stern:

"Was man aus der Intelligenz macht, wie gut man Lesen und Schreiben und Rechnen lernt, wie gut man dann wirklich - wieviel Freude man dann daran hat, sich mit naturwissenschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen, darauf haben die Lehrer einen wirklich Rieseneinfluss. Und das finden wir immer wieder, dass eben gute Lehrer - und wir haben viele Daten, wo wir IQ und Lerngewinn uns anschauen, und wir finden dass in guten Klassen, das dort weniger intelligente Kinder mehr in Naturwissenschaften lernen als bei schlechten Lehrern hochintelligente Schüler."

Ja gehen Sie mal mit guten Beispiel voran und zeigen sie den schlechten Lehrern wie es geht!

Professor für Journalismus John Amoateng-Kantara:

"Die Qualität der Lehrer ist so wichtig, weil sie die größten Chancen haben, zwischen bildungsfernen und bildungsnahen Bevölkerungsschichten zu vermitteln. Erst wenn alle gleich gute Bedingungen haben, zeigt sich, wem die Natur ein bischen mehr mitgegeben hat."

"Ob mir die Natur ein bischen mehr an Intelligenz mitgegeben hat oder ob ich einfach nur das Glück hatte, gute Lehrer und Förderer zu haben - aus meinem Intelligenz-Quotienten werde ich dies nicht ablesen können. Die Testergebnisse spiegeln meine Begabungen und Vorlieben, mehr nicht. Und sie sind unabhängig von meiner Hautfarbe. Das wenigstens habe ich jetzt schriftlich."

Ach ja? Wie kann denn ein IQ-Testergebnis nachweisen, dass die Intelligenz unabhängig von einer Hautfarbe ist? Aber vor allem sollte man doch aus seinem eigenen Film mehr lernen. Wann und wo werden die entscheidenden Weichen für die Entwicklung der Intelligenz durch Umweltfaktoren gestellt? In der Schule? Nein, das passiert in der frühen Kindheit lange vor der Schule. Und leider gilt das auch für noch viel wichtigere Eigenschaften wie Fleiß und Disziplin sowie die Bereitschaft, sich fördern zu lassen und auch selbst Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen. Man kann auch Kinder fördern, die diese eigentlich notwendigen Fähigkeiten nicht mitbringen. Aber in einer Schule gemeinsam mit den Lernfähigen und Lernbereiten geht das nur, wenn nicht allen das gleiche Lerntempo aufgezwungen wird. Dazu brauchen wir eine Individualisierung des Lernens in der Schule. Und das kann nur funktionieren, wenn die meisten Lernenden selbstständig lernen, anstatt sich eher passiv unterrichten zu lassen. Dazu aber brauchen wir auch in den weiterführenden Schulen Selbstlernmaterial, viele kleine, ungestörte Arbeitsplätze für kleine Lerngruppen und ein von den Schulen unabhängiges Prüfungssystem, welches bundeseinheitlich prüft, was die Lernenden nach unterschiedlichen Lerndauern tatsächlich können.

Schulen könnten die von den Eltern schon in früher Kindheit verursachten Unterschiede nur ausgleichen, wenn es ihnen gelänge, die seitens ihrer Eltern benachteilgten Kinder stärker zu fördern als die anderen. Das wäre aber ungerecht gegenüber den leistungsstarken Kindern und würde deren Eltern noch stärker in die Privatschulen treiben. Es ist außerdem unmöglich, denn die durch ihre Eltern benachteiligten Kinder sind schon bei ihrer Einschulung im Durchschnitt weniger intelligent, konzentrationsfähig, wissbegierig, anstrengungsbereit, organisiert und frustrationstolerant und daher weniger in der Lage, vom Unterricht zu profitieren. Darum können die Unterschiede während der Schulzeit nur immer noch größer werden. Sie wären sogar noch größer, wenn unsere Bildungspolitik nicht durch die Vorschrift des zielgleichen Unterrichtens die Schulen zwänge, die besten Schüler massiv zu unterfordern. Würde man allerdings zulassen und ermöglichen, dass alle Lernenden so schnell bzw. langsam lernen könnten, wie es ihren Fähigkeiten und Lernständen entspricht, dann würden nicht nur die Besten noch besser, sondern man könnte die Totalfrustration der leistungsschwächsten weitgehend vermeiden und würde dadurch die Quote der Schulversager und -abbrecher dramatisch senken. Weil es die besten und die schwächsten Schüler benachteiligt, ist unser Schulsystem aber offensichtlich weder rassistisch noch diskriminiert es Ausländer im Allgemeinen. Es ist einfach nur veraltet, weil es in seiner Starrheit, Überregulierung und Notenfixiertheit der heutigen Heterogenität unserer Gesellschaft noch weniger gerecht wird als früher. Außerdem sparen unsere Finanz- und Bildungspolitiker an der falschen Stelle, wenn sie Kinder mit mangelhaften Deutschkenntnissen in unseren Schulen weit unter ihren Möglichkeiten bleiben lassen, anstatt sie vor jedem normalen Fachunterricht erst einmal konzentriert und intensiv in Extraklassen die deutsche Sprache erlernen zu lassen.

Auch diese Dokumentation liefert wieder viele interesante Erklärungen, macht aber den leider üblichen Fehler. Wo auch immer etwas nicht funktioniert, werden Schuldige gesucht, die Verantwortung hin und her geschoben, aber die eigentlichen Problemursachen bleiben dabei unerkannt. Selbst Professoren sind es leider nicht gewöhnt, Problemursachen in Systemen zu suchen und deren Regeln zu verbessern. Anstatt innerhalb eines Systems nicht umsetzbare Forderungen an Menschen zu richten, sollte man gemeinsam überlegen, welche vom System auferlegte Beschränkungen an dem hindern, was man als notwendig erkannt hat. Wir sollten lernen, falsche Regeln zu brechen, anstatt Menschen an ihnen zerbrechen zu lassen oder sie gegeneinander aufhetzen zu lassen.

meine kritischen Zusammenfassungen von Fernsehdokumentationen

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Roland Heynkes, CC BY-SA-3.0 DE

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