Dokumentation ökologische Schädlingsbekämpfung

Roland Heynkes, 5.1.2017

Gliederung

zum Text Insekten - die besseren Schädlingsbekämpfer
zum Text biologische Schädlingsbekämpfung durch Bewahrung
zum Text Warum brauchen wir überhaupt aktive Schädlingsbekämpfung!
zum Text Verschiedene Kategorien von Nützlingen schützen uns vor Schädlingen.
zum Text Korrekturen
zum Text Anfänge und Flaute biologischer Schädlingsbekämpfung
zum Text Der Traum von der problemlosen chemischen Schädlingsbekämpfung ist geplatzt.
zum Text Auch biologische Schädlingsbekämpfung ist nicht völlig problemlos.
zum Text Erfolge der biologischen Schädlingsbekämpfung
zum Text biologische Schädlingsbekämpfung durch wissenschaftliche Unternehmer
zum Text biologische Schädlingsbekämpfung wird noch wichtiger.
zum Text neue Wege der biologischen Schädlingsbekämpfung
zum Text Auch Pflanzen können Schädlinge sein.
zum Text die Bedeutung ökologischer Landwirtschaft heute und morgen

Insekten - die besseren Schädlingsbekämpfer nach oben

Ich habe die aus dem Französischen übersetzte Dokumentation: "Insekten - die besseren Schädlingsbekämpfer" beim Fernsehsender Arte gesehen. Aktuell findet man sie aber auch bei YouTube. So können wir uns die Dokumentation via Internet jederzeit ansehen. Im Folgenden bemühe ich mich um eine vollständige Zusammenfassung mit ergänzenden Angaben wie genauen Spezies-Namen und mit einigen kritischen Anmerkungen.

biologische Schädlingsbekämpfung durch Bewahrung nach oben

Die Filmemacherin Claude-Julie Parisot behauptet in ihrer Dokumentation, der Mensch habe schon immer seit den ersten Anfängen menschlicher Landwirtschaft für uns schädliche Insekten (Schädlinge) bekämpfen müssen, die Felder verwüsten bzw. kahlfressen. Ich glaube das nicht, denn massenhafte Vermehrungen von Schädlingen sind selten, solange kleine Felder in eine relativ intakte Natur eingebettet sind. Was die Autorin biologische Schädlingsbekämpfung durch Bewahrung nennt, war noch vor wenigen Jahrhunderten der Normalfall. Genau wie die modernste ökologische bot auch schon die uralte traditionelle Landwirtschaft den Nützlingen im oder am Feld so gute Lebensbedingungen, dass ihre Zahl in fast jeder Situation ausreichte, um eine massenhafte Vermehrung jedes potentiellen Schädlings zu verhindern. Zu diesem Zweck belässt man möglichst viele Arten von Wildpflanzen auf und an den Äckern. Dazu erhält man zwischen Äckern naturbelassene Bereiche, in denen dann auch tierische Spezies natürliche Lebensgrundlagen finden, die bei Bedarf die übermäßige Vermehrung schädlicher Insekten auf den benachbarten Feldern verhindern können. Insbesondere Hecken bilden naturnahe Lebensräume und schützen gleichzeitig vor Wind, der den Humus von unbepflanzten Feldern weht. Bäume auf oder wenigstens an den Feldern bieten nicht nur vielen für uns nützlichen Lebewesen (Nützlingen) Lebensraum, sondern schützen den Boden vor zuviel Sonne und bringen außerdem zusätzlichen Ertrag. Je größer die biologische Vielfalt (Biodiversität) auch auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen ist, umso zuverlässiger schützen die Nützlinge jederzeit auch ohne menschliches Zutun unsere Nahrungspflanzen vor zuvielen Schädlingen.

Beispiel für Agroforstwirtschaft
Agroforstwirtschaft
Marco Schmidt, CC BY-SA 2.5

So macht es die kleine Minderheit ökologisch wirtschaftender europäischer und brasilianischer Bauern schon lange. In den ärmsten Ländern, in denen man sich weder Pestizide noch den Kauf von Nützlingen leisten konnte, haben es die Bauern nie anders gemacht. Aber es ist gut, dass unter anderem in Indien heute wieder mehr und mehr versucht wird, ganz ohne jegliche Art von künstlicher Schädlingsbekämpfung auszukommen, indem man die Monokulturen wieder aufgibt und die Nützlinge nicht mehr mit chemischen Pestiziden dezimiert. Kombiniert man die Erhaltung bzw. Schaffung biologischer Vielfalt mit den nachhaltigen unter den modernen landwirtschaftlichen Methoden, dann lassen sich nachhaltig auch relativ hohe Erträge realisieren.

Warum brauchen wir überhaupt aktive Schädlingsbekämpfung! nach oben

Zu Beginn des Frühjahrs sind die Erntekiller noch Eier, Larven oder Würmer. Aber manche wachsen schnell zu regelrechten Fressmaschinen heran, die ganze Ernten gefährden können, falls sie sich relativ ungestört vermehren dürfen. Früher konnten sie das nur selten, weil es meistens genügend Vögel, Fledermäuse, Spitzmäuse, Spinnen, Raubmilben und räuberische oder parasitoide Insekten gab, die massenhafte Vermehrungen von Schädlingen verhinderten. Seit einigen Jahrzehnten hat jedoch die moderne Landwirtschaft mit immer größeren Monokulturen, Überdüngung und übermäßigem Einsatz chemischer Pestizide die biologische Vielfalt und damit die Zahl dieser Nützlinge auf landwirtschaftlich genutzten Flächen dramatisch reduziert. Diese selbst verursachte Störung ökologischer Gleichgewichte zwingt Bauern weltweit dazu, sich selbst um die Bekämpfung der sogenannten Schädlinge zu kümmern, deren ungehemmte Vermehrung ansonsten die Ernten vernichtet oder zumindest stark reduziert.

Verschiedene Kategorien von Nützlingen schützen uns vor Schädlingen. nach oben

Besonders vorteilhaft für von Landwirtschaft lebende Menschen waren schon immer kleine Raubtiere. Katzen fraßen die Mäuse bereits in den Kornspeichern der alten Ägypter. Viele Singvögel und Fledermäuse fressen für uns schädliche Insekten. Und in dieses eigentlich lange bekannte Schema passen auch räuberische Insekten, die sich von pflanzenfressenden Insekten ernähren und sich dadurch für uns nützlich machen. Ebenfalls eine wichtige Gruppe von Nützlingen sind Parasitoide. Viele Parasitoide fressen Schädlinge nicht, sondern legen ihre Eier in die Eier oder Larven der Schädlinge. Der Schädling stirbt am Ende, weil sich die Larve des Parasitoids von ihm ernährt. Inzwischen verstehen wir sogar den Nutzen, den auf ganz ähnliche Weise viele Bakterien und sogar Viren (z.B.: Bakteriophagen) für uns haben, weil sie beispielsweise unsere Krankheitserreger angreifen. Das Prinzip biologischer Schädlingsbekämpfung ist die Bekämpfung von Schädlingen durch deren natürliche Fressfeinde, Parasitoide oder Krankheitserreger.

Parasitoid Trioxys complanatus
Trioxys complanatus
Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation, CC BY 3.0

Korrekturen nach oben

Im Film ist ständig von Feinden und Feindschaften die Rede. Der Fuchs ist aber nicht der Feind des Hasen. Füchse lieben Hasen. Sie haben Hasen zum Fressen gerne. Für den Hasen ist der Fuchs natürlich trotzdem ein Problem, aber ohne den Fuchs könnten kranke und behinderte Hasen ebenso gut wie die gesunden und starken überleben und würden zu deren Nahrungskonkurrenten. Für die Evolution der Spezies Hase ist die Spezies Fuchs sogar von Vorteil. Sie haben eine Jäger-Beute-Beziehung - keine Feindschaft.

Auch der im Film gebrauchte Begriff Ausrottung ist fehl am Platze, denn kein Parasitoid rottet seinen Wirt aus. Biologische Schädlingsbekämpfung rottet Schädlinge nicht aus, sondern verhindert nur deren massenhafte Vermehrung.

Australische Wollschildlaus (Icerya purchasi) mit einem Marienkäfer
Australische Wollschildlaus
United States Department of Agriculture, Public domain

Im Film wird behauptet, Charles Valentine Riley habe Ende des 19. Jahrhunderts eine australische Laus importiert, um einen nicht benannten Schädling in kalifornischen Zitrusplantagen zu bekämpfen. Das ist ein typisches Beispiel für Fehlinformationen, die leider auch in vielen Dokumentationen eigentlich seriöser Sender vorkommen. Deshalb sollte man immer jede interessierende Information mit Hilfe anderer Quellen kritisch überprüfen. Laut Wikipedia war die Australische Wollschildlaus (Icerya purchasi) um 1868 oder 1869 versehentlich mit importierten Akazien nach Kalifornien gekommen. Dort erwiesen sie sich als verheerende Schädlinge in Zitrus-Plantagen, weil in Kalifornien die natürlichen "Feinde" der Läuse fehlten. Zu den natürlichen "Feinden" zählt in Australien neben der Fliege Cryptochaetum iceryae insbesondere der Marienkäfer Rodolia cardinalis. Charles Valentine Riley importierte im Winter 1888 den Marienkäfer zur biologischen Schädlingsbekämpfung nach Kalifornien und stoppte damit schon im folgenden Herbst die Schildlausplage.

Parasitoid Cryptochaetum iceryae
Cryptochaetum iceryae
S.E. Thorpe, Public domain

Anfänge und Flaute biologischer Schädlingsbekämpfung nach oben

Es gibt noch Tausende für uns nützliche Spezies zu entdecken, falls sie nicht vorher versehentlich ausgerottet werden. Deshalb sind Naturschutz und ökologisches Wissen für die Menschheit heute nützlicher denn je. Diese Erkenntnis ist allerdings nicht neu. Chinesen haben schon vor über 2000 Jahren bestimmte Ameisen zum Schutz ihrer Mandarinenhaine gezüchtet. In der Moderne gilt der Insektenforscher (Entomologe) Charles Valentine Riley als Vater der biologischen Schädlingsbekämpfung. Als sich ein importiertes Insekt in seiner neuen Heimat massenhaft vermehrte und zum wirtschaftlich relevanten Schädling wurde, da studierte der Naturwissenschaftler die Ökologie des Schädlings in dessen ursprünglicher Heimat. Dort fand er eine Spezies, mit deren Hilfe sich der Schädling bekämpfen ließ. Damals probierte er es einfach aus und war damit erfolgreich. Damit begann das goldene Zeitalter der biologischen Schädlingsbekämpfung.

Bis heute sollen etwa 500 Millionen Marienkäfer dieser Art in Kalifornien gezüchtet und freigelassen worden sein. Mit der Markteinführung chemischer Pestizide in den 1940er Jahren ging aber das Interesse an biologischer Schädlingsbekämpfung massiv zurück. Denn die direkten finanziellen Kosten für die Anwender waren geringer, während die medizinischen und ökologischen Folgekosten lange nicht beachtet wurden. Für die chemischen Pestizide sprach außerdem, dass jeder Trottel sie anwenden konnte, auch wenn er damit sich selbst und seine Umgebung vergiftete. Erst in den 1960er Jahren soll die Erforschung biologischer Schädlingsbekämpfung wieder Fahrt aufgenommen haben. Wie schon seit Jahrzehnten werden trotzdem bis heute meistens chemische Pestizide eingesetzt, um für die Landwirtschaft schädliche Pilze und Insekten rechtzeitig zu vernichten.

Der Traum von der problemlosen chemischen Schädlingsbekämpfung ist geplatzt. nach oben

Schon länger wächst die Zahl der aus unserer Sicht schädlichen Spezies, die immer resistenter gegen die chemischen Pestizide werden. Außerdem sind chemische Pestizide auch für den Menschen und seine natürlichen Lebensgrundlagen nicht ungefährlich. Beispielsweise töten chemische Pestizide auch Bienen und viele andere nützliche Insekten und lassen Vögel sowie Fledermäuse verhungern. Auch der Biolandbau ist nicht ganz unproblematisch, denn das häufig zum Schutz vor Pilzbefall angewendete Kupfer steht im Verdacht, die Parkinson-Krankheit auszulösen. Deswegen interessieren sich zunehmend Forscher und Bauern wieder für die sehr viel älteren, von den in der Anwendung bequemeren chemischen Pestiziden aber lange Zeit weitgehend verdrängten Methoden biologischer Schädlingsbekämpfung.

Auch biologische Schädlingsbekämpfung ist nicht völlig problemlos. nach oben

Das Problem biologischer Schädlingsbekämpfung ist vor allem, dass sie sehr viel Wissen erfordert und dass viel von diesem Wissen verloren ging. Deshalb erforschen heute Biologen in aller Welt Spezies, die wie eine Art lebende Insektizide für uns Nahrungskonkurrenten des Menschen unschädlich und dadurch chemische Pestizide in der Landwirtschaft verzichtbar machen. Ein Beispiel ist der asiatische Marienkäfer, der sich von Blattläusen ernährt. Asiatische Marienkäfer sind allerdings auch ein Beispiel für Risiken der biologischen Schädlingsbekämpfung, denn sie fressen leider nicht nur Blattläuse. Es ist immer riskant, Spezies in Regionen freizusetzen, in denen sie nicht natürlich vorkommen und wo sie deshalb oft keine natürlichen Fressfeinde haben.

In den 1980er Jahren wurden asiatische Marienkäfer (Harmonia axyridis) aus China zur Bekämpfung von Blattläusen in Quebec, Frankreich und in den USA ausgesetzt und sind heute auch in Belgien, Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, England, Schweiz und Österreich zu finden. Ihre Larven fraßen wie gewünscht große Mengen von Blattläusen. Leider verschmähen sie aber auch andere weichschalige Insekten, Insekteneier und Larven nicht und drohen einheimische Arten zu verdrängen. Sie bilden Schwärme und dringen massiv in den menschlichen Lebensraum ein. Dieses Beispiel zeigt, dass auch die biologische Schädlingsbekämpfung erhebliche Risiken birgt, wenn sie nicht durch sehr gründliche ökologische Forschung vorbereitet wird. Für wild experimentierende Amateure ist das nichts, sondern wir brauchen in diesem Bereich sehr viel mehr seriöse Forschung. Andererseits erwiesen sich die in der Vergangenheit unternommenen Versuche biologischer Schädlingsbekämpfung zu 99% als im besten Fall wirksam und im schlimmsten Fall unschädlich für die Biodiversität. Demnach war lediglich 1% dieser Versuche biologischer Schädlingsbekämpfung ein Fehlschlag mit negativen Auswirkungen. Verglichen mit den Anwendung von Pestiziden sind das ausgezeichnete Ergebnisse, auch wenn sie natürlich durch mehr Forschung immer noch verbessert werden können.

Bei sehr großen Monokulturen muss die Freisetzung der Nützlinge immer wieder erfolgen, weil die Nützlinge aufgrund ihrer großen Überzahl nahezu aussterben, sobald sie die Zahl der Schädlinge extrem reduziert haben. Beim Zuckerrohrbohrer kommt das Problem hinzu, dass er auf der Suche nach neuen Nahrungsgründen sehr viel weiter fliegt als die winzigen Schlupfwespen. Darum müssen die Felder immer wieder gründlich nach Schädlingen abgesucht werden, um immer wieder rechtzeitig neue Nützlinge an die Stellen zu bringen, wo sie wieder benötigt werden.

Raupen des Apfelwickler-Schmetterlings in einem Apfel
Apfelwickler-Raupen
Joachim K. Löckener, CC BY-SA 3.0

Viren können sich an ihre Wirtsspezies anpassen, aber das muss im biologischen Pflanzenschutz nicht unbedingt vorteilhaft sein. So war das Apfelwickler-Granulosevirus anfangs sehr wirksam gegen die gefräßigen Larven des Apfelwickler-Schmetterlings. Dann aber mutierten das Virus und immer mehr Apfelwickler so, dass die Larven vom Virus nicht mehr getötet wurden und sich das Virus nicht mehr vermehrte. Natürlich konnte man neue, wieder binnen einer Woche tödliche Virus-Stämme züchten. Das Beispiel zeigt aber, dass man auch bei biologischem Pflanzenschutz mit der Entstehung von Resistenzen rechnen muss. Das gab es vorher auch schon bei der seit 1938 kommerziell angewendeten biologischen Schädlingsbekämpfung verschiedener Schadinsekten-Arten mit dem Bakterium Bacillus thuringensis (Bt). Inzwischen gibt es eine Vielzahl verschiedener Stämme, die spezifisch gegen Schädlinge der unterschiedlichen Insektenfamilien eingesetzt werden können. Aber es gibt auch immer wieder die Entwicklung von Resistenzen.

Erfolge der biologischen Schädlingsbekämpfung nach oben

Heute sollen im französischen Treibhausanbau vor allem bei Tomaten, aber zunehmend auch im Blumenanbau zum Großteil räuberische bzw. parasitoide Insekten für die biologische Schädlingsbekämpfung genutzt werden. Insgesamt sollen in Frankreich heute einige Dutzend Arten eingesetzt werden. Auf den größten Freiflächen, z.B. im Maisanbau, nutzt man vor allem Schlupfwespen aus der Trichogramma-Familie. Über 230 Arten von Nützlingen wie die Florfliege haben heute einen festen Platz im Anbau von Mais, Zuckerrohr, Manjok, Zitrusfrüchten, Reis und Baumwolle. Dazu gehören Schlupfwespen, die z.B. in Brasilien ihre Eier in die Eier des Zuckerrohrzünslers legen.

Trichogramma-Schlupfwespe auf einem Raupen-Ei
Trichogramma-Schlupfwespe auf einem Raupen-Ei
Dr Victor Fursov, CC BY-SA 4.0

Wennn sich in Weinbergen die für uns schädlichen Schmierläuse vermehren, setzt man extra gezüchtete australische Marienkäfer aus, die sich bevorzugt von Schmierläusen ernähren und anschließend in unseren Breiten keinen Schaden anzurichten scheinen. Schwebfliegen-Larven fressen selektiv Blattläuse, die Apfelbäume anzapfen.

eine Schmierlaus
Schmierlaus
Frank Vincentz, CC BY-SA 3.0

Weitgehend sicher ist die gezielte Züchtung und Aussetzung heimischer Insekten-Spezies auf stark von ihren Wirtstieren befallenen Agrarflächen. Werden bestimmte Raupen zum Problem, nutzt man von Unternehmen mit entsprechendem Fachwissen gezüchtete Schlupfwespen, deren Spezies sich als winzige Parasitoide darauf spezialisiert haben, ihre eigenen Eier in die Eier zu injizieren, aus denen ansonsten die Raupen geschlüpft wären. In Brasilien züchtet man brasilianische, in Europa europäische Schlupfwespen-Spezies der Familie Trichogramma. Teilweise sollen nur weibliche Tiere ausgesetzt werden, weil nur sie Eier legen. Mir scheint es aber fraglich, ob sich der Aufwand lohnt. Die wichtigere Herausforderung ist es, experimentell genau die Schlupfwespen-Art zu identifizieren, die ohne ökologische Nebenwirkungen den Schädling besonders selektiv und wirksam bekämpft. So fand man beispielsweise eine Trichogramma-Art, die speziell die Eier des Nachfalters mit dem Namen Bekreuzter Traubenwickler (Lobesia botrana) parasitiert, dessen Larven in Süd- und Mitteleuropa unter anderem die Blüten und Trauben von Weinreben schädigen. Die Schlupfwespen-Weibchen sind kleiner als die Nachtfalter-Eier, die sich aber nicht wehren können. In Brasilien werden heute 4 Millionen Hektar Zuckerrohrfelder durch die großflächige Verteilung von einheimischen Trichogramma-Eiern vor dem Zuckerrohrzünsler (Diatraea saccharalis) beschützt. Man nennt das biologische Schädlingsbekämpfung durch Vermehrung. Glücklicherweise können die Schlupfwespen Trichogramma galloi nicht nur in Eiern des Zuckerrohrbohrers gezüchtet werden. Sie vermehren sich auch in den Eiern der wesentlich leichter zu züchtenden gewöhnlichen Mehlmotte Anagaster kuehniella. So kann ein einziges Unternehmen wöchentlich Milliarden Schlupfwespen für die Bekämpfung des Zuckerrohrbohrers züchten.

Männchen des Zuckerrohrbohrers Diatraea saccharalis
Diatraea_saccharalis
Rebecca Graham, Department of Agriculture Western Australia, CC BY 3.0 AU

biologische Schädlingsbekämpfung durch wissenschaftliche Unternehmer nach oben

Forschungsinstitute und kleine, innovative Unternehmen erarbeiten sich immer mehr ökologisches Wissen über Räuber-Beute- und Parasitoid-Wirt-Beziehungen, die sich in der Landwirtschaft nutzen lassen. So hat ein französisches Unternehmen schon mehr als 700 verschiedene Trichogramma-Stämme gesammelt, die sich teilweise nur durch einzelne Mutationen unterscheiden. Diese Mutationen beeinflussen aber die Wirts-Spektren dieser Stämme und die Wirts-Spektren werden nun intensiv erforscht.

Biologische Schädlingsbekämpfung wird noch wichtiger. nach oben

Noch wichtiger wird die biologische Schädlingsbekämpfung in Zukunft wohl auch deshalb werden, weil ständig neue Felder und Plantagen auf gerodeten Urwaldflächen angelegt werden, deren Insekten dann verzweifelt nach neuer pflanzlicher Nahrung suchen und so zu neuen Schädlingen werden könnten. Das schaffen glücklicherweise nur wenige Arten. So befallen beispielsweise von 150 untersuchten Arten afrikanischer Bohrraupen nur 4 bestimmte Getreide-Arten. Aber so wurden die sich im Halm einnistenden Bohrraupen des in Ostafrika viel lieber auf Wildpflanzen bleibenden Eulenfalters Sesamia nonagrioides in südeuropäischen Mittelmeeranrainerstaaten neben dem Maiszünsler (Ostrinia nubilalis) zum zweiten wichtigen Schädling im Maisanbau, während sie in Afrika den Hirseanbau beeinträchtigen. Sesamia nonagrioides kommt im Mittelmeergebiet, auf den Kanaren und Madeira, in subtropischen Teilen Afrikas und des südlichen Asiens vor. Jetzt versuchen französische Naturwissenschaftler zu ermitteln, ob vielleicht Mutationen etwas mit der Umstellung auf eine Ernährung mit bisher nicht genutzten Pflanzen-Spezies zu tun haben. Ein mutmaßlicher Kandidat ist das sogenannte Foraging-Gen, welches je nach Gen-Variante Insekten mehr oder weniger anpassungsfähig an eine Ernährung mit bisher nicht genutzten Pflanzen-Spezies machen soll.

Leider werden neue Arten von Schädlingen aufgrund der unzähligen Transporte oft schnell weltweit verbreitet. Jährlich sollen es etwa 30 zufällig nach Europa eingeschleppte Exoten schaffen, sich dauerhaft in Europa anzusiedeln. Schätzungsweise 1-3 davon könnten langfristig unsere Ernten oder unsere Biodiversität bedrohen.

neue Wege der biologischen Schädlingsbekämpfung nach oben

Inzwischen werden sogar schon Fadenwürmer, Pilze, Bakterien und Viren als sogenannte Biopestizide eingesetzt, um für uns schädliche Spezies zu bekämpfen. Dabei zeigt sich wieder einmal, wie wichtig die biologische Vielfalt auch für uns Menschen ist. Wir müssen nur lernen, welche nützlichen Spezies die Natur längst für uns bereit hält.

Es gibt schon im Raupenstadium Eier legende Schlupfwespen (Cotesia sesamiae), die selektiv Larven des Mais-Schädlings Sesamia nonagrioides befallen. Diese Schlupfwespen übertragen zusammen mit ihren Eiern ein Virus, welches anscheinend ausschließlich Sesamia nonagrioides infiziert. Dieses Virus blockiert das Immunsystem der Falter-Raupe. So bleibt die Raupe noch zwei Wochen am Leben, während sich die Schlupfwespen-Larven in aller Ruhe in ihr entwickeln und die Raupe von innen auffressen können. Nun möchten Forscher herausfinden, wie man Viren konstruieren kann, die selektiv nur den Mais-Schädling befallen und sich daher als Biopestizid eigenen würden.

Auch Pflanzen können Schädlinge sein. nach oben

Auch Pflanzen-Arten können in der Landwirtschaft erhebliche Probleme verursachen, wenn sie in Länder außerhalb ihres normalen Verbreitungsgebietes verschleppt werden. Der Zweifelhafte Grannenhafer (Ventenata dubia) machte in den 1950er und 1960er Jahre in den USA noch keine Probleme. Mittlerweile hat er sich aber im gesamten Westen der USA ausgebreitet, bedeckt Millionen Hektar Prärielandschaft und ist für Rinder giftig. Deshalb sucht man jetzt in den europäischen Herkunftsländern nach Insekten, Milben oder Krankheitserregern wie Viren, Pilzen, Bakterien und vielleicht noch anderen Mikroorganismen, mit denen sich die Pflanze in den USA bekämpfen lassen könnte. Das Problem bei dieser Akklimatisierung genannten Methode der Bekämpfung invasiver Arten ist, dass zur Bekämpfung importierte Spezies im neuen Lebensraum selbst zum Problem werden könnten. Das macht umfangreiche Forschung erforderlich. Erschwerend kommt in diesem Fall hinzu, dass der Zweifelhafte Grannenhafer in Europa sehr selten ist. Nur Spezialisten können ihn identifizieren und wissen, wo er noch zu finden ist.

die Bedeutung ökologischer Landwirtschaft heute und morgen nach oben

Aktuell sollen nur 5% der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzflächen ökologisch bewirtschaftet werden. Die von der modernen Landwirtschaft mit Monokulturen, chemischen Pestiziden, Kunstdünger und Verlust genetischer Vielfalt durch gentechnisch verändertes Hybrid-Saatgut verursachten Schäden sind aber derart gravierend, dass auf die Dauer nur die ökologische Landwirtschaft eine Zukunft hat.

Nachdem auch staatlich geförderte Forschung schon sehr viel Vorarbeit geleistet hat, versuchen nun auch die an nichts anderem als ihrem eigenen maximalen Profit interessierten Unternehmen der Agrochemie-Branche auf den fahrenden Zug aufzuspringen und das von Anderen erarbeitete Wissen für ihre Zwecke zu nutzen. Meiner Meinung nach werden sie wie bei der grünen Gentechnik auch hier wieder versuchen, mit Hilfe korrupter Politiker, Beamter und Forscher eigentlich der Allgemeinheit gehörendes Wissen zu patentieren, unabhängige Forschung zu behindern und die Bauern gnadenlos auszubeuten. Pestizide und die Abhängigkeit von Konzernen können aber durch die Kombination aus althergebrachtem Wissen und modernem ökologischem Verständnis ersetzt werden. Der trotzdem etwas geringere Ertrag ökologischer Landwirtschaft wird dadurch ausgeglichen, dass man das Geld für Pestizide einspart und außerdem langfristig die Bodenfruchtbarkeit erhält.

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Roland Heynkes, CC BY-NC-SA 4.0