Lerntext Endosymbionten-Theorie

Roland Heynkes, 10.12.2018, zuletzt bearbeitet am 6.8.2022

Diese Internetseite soll die Endosymbiontentheorie erklären.

Gliederung

zum Text Es gab eine Evolution vor dem ersten Eukaryoten.
zum Text die Endosymbionten-Theorie
zum Text Die Endosymbionten-Theorie unterstützende Spezies-Beziehungen
zum Text weiterführende Quellen

Es gab eine Evolution vor dem ersten Eukaryoten. nach oben

Vor der Entstehung der ersten eukaryotischen Zellen scheinen sich in der Evolution auf der Erde nur Bakterien und Archaeen durchgesetzt zu haben. Über beide informieren der Lerntext Bakterien und der Lerntext Archaeen. Es hat aber noch niemand ein Archaeon des Typs gesehen und untersuchen können, das zusammen mit einem Bakterium eine eukaryotische Zelle mit einem Zellkern hätte ergeben können. Man nennt diesen hypothetischen Vorfahren Urkaryot.

die Endosymbionten-Theorie nach oben

Die ältesten mutmaßlich eukaryotischen Fossilien sind erst 1,5 Milliarden Jahre alt. Das lässt viel Spielraum für Spekulationen hinsichtlich des Zeitraums für die mehrstufige Entwicklung der Eukaryoten. Manche vermuten eine Entstehung der ersten Eukaryotischen Zelle bereits vor 3,2 Milliarden Jahren. Aber niemand weiß, wann und wie sie entstanden. Nachdem man allerdings etliche Bakterien, Archäen und Eukaryoten elektronenmikroskopisch, biochemisch und genetisch verglichen hatte, fielen neben vielen Unterschieden auch Ähnlichkeiten zwischen Bakterien und Mitochondrien sowie zwischen Archäen und dem Rest einer eukaryotischen Zelle auf. So entstand zunächst eine Endosymbionten-Hypothese, nach welcher der erste Eukaryot als Symbiose aus einem Archaeon und in ihm lebenden Bakterien entstanden sein könnte. Aus den Bakterien entwickelten sich demnach unsere Mitochondrien, indem die Bakterien im Laufe ihrer Evolution nach und nach immer mehr Gene verloren, die sie innerhalb der eukaryotischen Zelle nicht mehr brauchten. Deshalb besitzen Mitochondrien heute nur noch ein sehr kleines eigenes Genom.

Inzwischen sprechen dafür so viele die große Mehrheit der Biologen überzeugende Indizien, dass man sie Theorie nennen kann. Die Endosymbiontentheorie wird als im Prinzip richtig akzeptiert, obwohl sie im Detail noch sehr lückenhaft ist und immer wieder durch neue Befunde modifiziert wird. Wir nehmen also an, dass jede einzelne eukaryotische Zelle eigentlich eine Symbiose aus mindestens zwei Spezies aus unterschiedlichen Domänen der Lebewesen ist. Das eröffnet ein völlig neues Verständnis von der Natur eines Lebewesens und wirft die Frage auf, ob nicht auch die menschlichen Zellen und die mit ihnen in Symbiose lebenden Mikroorganismen ein gemeinsames Lebewesen bilden.

Im Mai 2015 erfuhr die Endosymbionten-Theorie eine weitere Bestätigung, als man in Proben vom arktischen Meeresboden die DNA von Archäen fand, die bereits ein Zytoskelett und andere bisher nur von Eukaryoten bekannte Strukturen zu enthalten scheinen.

Endosymbionten-Theorie

Die Mitochondrien liefern der Zelle soviel Energie, dass sie sehr viel größer werden konnte als Prokaryoten. Man sieht den Größenunterschied in einem kleinen Film, den ich einmal mit meinem Mikroskop aufgenommen habe. Darin sieht man winzige Bakterien in der Umgebung eines tierischen Einzellers.

Meistens wird die Entstehung des ersten Eukaryoten als ein plötzlich eintretendes, zufälliges Ereignis dargestellt. Die Entstehung der Eukaryotennzellen könnte aber auch eine unzählige Generationen dauernde Entwicklung gewesen sein. Möglicherweise begann alles mit einem krankheitserregenden Bakterium, das in Archäen eindrang, um sich von ihnen zu ernähren. Weil sich aber Krankheitserreger ständig neue Beute suchen müssen, könnten diejenigen einen Selektionsvorteil gehabt haben, welche ihren Wirt nicht töteten, sondern dauerhaft in ihm leben konnten. So könnte sich eine krankheitserregerende langsam zu einer parasitischen Bakterienspezies weiterentwickelt haben. Für diese wäre es noch günstiger gewesen, die eigenen Wirte nicht nur nicht zu töten, sondern ihnen sogar zu nutzen. Denn je besser es dem Wirt geht, desto besser geht es auch dem Parasit. So hätte sich ein Endoparasit langsam zum Endosymbionten weiterentwickeln können.

Alternativ könnten die Bakterien auch die Beute der Archäen gewesen sein, bis eines Tages eine Archäe seine Beute nicht verdaute, sondern in sich leben ließ. Beide Hypothesen sind nicht unvernünftig, aber nicht überprüfbar. Klar ist allerdings, dass die Mitochondrien nicht der einzige Fall einer Endosymbiose blieben. Denn auch die Chloroplasten der Pflanzen stammen von Bakterien ab, und zwar höchstwahrscheinlich von Cyanobakterien, den eigentlichen Erfindern der Fotosynthese.

Die Endosymbionten-Theorie unterstützende Spezies-Beziehungen nach oben

In menschlichen Zellen können sich Krankheitserreger wie Plasmodium falciparum (Malaria), Mycobacterium tuberculosis (Tuberkulose), Rickettsien (z.B. Fleckfieber), Mykoplasma pneumoniae (atypische Lungenentzündung) oder Chlamydia trachomatis (häufige Geschlechtskrankheit) vermehren. Generell haben aber Krankheitserreger das Problem, häufig ihre Wirte zu töten und dann mit ihnen zu sterben. Tuberkulose tötet Menschen meistens nur sehr langsam, sodass Mycobacterium tuberculosis viel Zeit hat, andere Menschen anzustecken. Weil aber weltweit mehr als 1 Million Menschen jährlich an Tuberkulose sterben, werden diese Krankheitserreger zumindest in Staaten mit funktionierenden Gesundheitssystemen massiv bekämpft. Deshalb ist es vorteilhaft für den Krankheitserreger Chlamydia trachomatis, dass die meisten mit ihm infizierte Menschen die Infektion gar nicht bemerken. So bleiben die Infizierten leichtsinnig und helfen dem Krankheitserreger durch ungeschützten Geschlechtsverkehr bei seiner Vermehrung und Ausbreitung. Aufgrund ihrer Unauffälligkeit könnte man Chlamydien schon fast zu den nicht krankmachenden Parasiten zählen, aber oft machen sie unbemerkt eben doch krank und führen besonders bei Frauen zu Unfruchtbarkeit. Manch relativ harmloser Krankheitserreger wie die Kuhpocken kann sogar vor gefährlichen Keimen wie den schwarzen Pocken schützen.

Parasiten sind Spezies, die ohne Gegenleistung auf Kosten eines Wirts oder mehrerer Wirtsspezies leben. Parasiten wie Rickettsien (Fleckfieber), Plasmodium falciparum, Plasmodium vivax und Plasmodium malariae (Malaria) sind nicht nur intrazelluläre Parasiten, sondern gleichzeitig auch Krankheitserreger. Parasiten wie Mücken, Flöhe und Zecken machen nicht selten krank, in dem sie Krankheitserreger übertragen. Viele Parasiten leben aber normalerweise von ihren Wirten, ohne diese krank zu machen. Manche Parasiten haben sich bei näherem Hinsehen sogar als durchaus nützlich erwiesen. Bestimmte im menschlichen Verdauungstrakt lebende Würmer beruhigen unser Immunsystem und verhindern oder unterdrücken damit Allergien. Für Parasiten ist es nützlich, wenn sie sich nützlich machen, weil das ihr Risiko senkt, vom Wirt bekämpft zu werden.

Im Falle von Symbiosen haben es zwei Spezies geschafft, eine partnerschaftliche, beiden Seiten nutzende Beziehung zu entwickeln. Das ist eine sogenannte win-win-Situation und das ist für beide Seiten nützlicher, als wenn nur der Eine profitiert, bis der Andere sich erfolgreich wehrt. Eine besondere Form der Symbiose ist die Endosymbiose, bei der ein Symbiont im Inneren eines anderen lebt. Natürlich ist auch die Abgrenzung der Endosymbiose zur normalen Symbiose, zu den Organellen und zum Lebewesen unscharf.

Das man Chlamydien früher für Viren hielt, zeigt schon, dass man Viren als extreme Beispiele der für Parasiten und Endosymbionten typischen Reduktion des eigenen Genoms als Anpassung an die Wirtszellen betrachten kann. Es gibt ja sogar eine Überschneidung zwischen den Genomen der größten Viren und der kleinsten Archäen oder Bakterien. Es kann sein, dass Viren weder von Bakterien noch von Archäen abstammen, aber sehr wahrscheinlich haben sie sich aus zellulären Endoparasiten entwickelt.

weiterführende Quellen nach oben

Wer es genauer wissen möchte und mit mehr Komplexität umgehen kann, findet sie beispielsweise in folgenden Quellen:

Entwicklungsgeschichte der Eukaryoten in de.Wikipedia.org

Endosymbiontenhypothese im Lexikon der Biologie von Spektrum.de

Entstehung der Eukaryoten aus Prokaryoten (Endosymbiontentheorie) auf Lernhelfer.de

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Roland Heynkes, CC BY-SA-3.0 DE