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Landwirtschaftlich genutzte Vögel sollten nicht mit Produkten aus Vögeln oder Säugetieren gefüttert werden.

Roland Heynkes, 17. Oktober 2001 (zuletzt aktualisiert am 31.10.2001)

Ein am 18.10.2001 auf der Ostrich World Conference 2001 gehaltener Vortrag.

Gliederung

Vögel sind höchstwahrscheinlich resistent gegenüber BSE- und Scrapie-Infektionen.
Mit Kannibalismus wäre dennoch auch bei Vögeln ein hohes TSE-Risiko verbunden.
Auch resistente Spezies können Prionkrankheiten übertragen.
Tiermehl kann nicht BSE-sicher produziert werden.
Auch Tierfett kann wahrscheinlich nicht BSE-sicher produziert werden.
Die Sicherheit zugekauften Futters hängt auch von der Vermeidung von Kreuzkontaminationen ab.
Literaturliste

Vögel sind höchstwahrscheinlich resistent gegenüber BSE- und Scrapie-Infektionen.

Bei einem wegen zentralnervöser und Bewegungsstörungen notgetöteten weiblichen Strauß wurde histopathologisch eine spongiforme Encephalopathie im Stammhirn und in der Medulla oblongata festgestellt [AKOB]. Insgesamt wurden 3 Fälle von spongiformen Encephalopathien unbekannter Ursache bei nordafrikanischen Straußen (Struthio camellus) aus 2 nordwestdeutschen Zoos entdeckt [ANTX,CBF], welche 1986, 1988 bzw. 1989 untersucht wurden [ANTX]. Diese Tiere hatten neben vegetarischem auch kommerzielles Geflügelfutter und rohes Fleisch erhalten, welches teilweise von notgetöteten Tieren stammte [AKOB,ANTX]. Angeblich enthielt das Futter auch Wiederkäuerproteine CBF]. Vielleicht deshalb und auch wegen einer dem von Scrapie und BSE bekannten Bild ähnelnden Verteilung der Löcher [ANTX] folgerten und publizierten einige Autoren voreilig, man habe bei diesen Tieren eine TSE diagnostiziert [APRY,FVE,JLI]. Aber es wurden mikroskopisch keine Amyloide nachgewiesen [ANTX] und Prof. Diringer teilte mir schon vor Jahren telephonisch mit, daß er den Verdacht immunologisch nicht bestätigen konnte. Ihm standen dazu allerdings auch nur Jahre alte Schnitte mit einer winzigen Menge fixierten Materials zur Verfügung. Auch die Autoren der Studie hatten kein frisches Material und konnten daher weder Übertragungsexperimente durchführen, noch elektronenmikroskopisch nach Scrapie-assoziierten Fibrillen suchen [AKOB,ANTX]. Da es aber viele mögliche Ursachen für Löcher im Gehirn gibt und kein krankheitstypisches proteaseresistentes Prionprotein gefunden wurde, kann man diese Fälle daher nicht als Beweis für die Existenz von Prionkrankheiten bei Vögeln und schon gar nicht als Beweis für die Übertragbarkeit von BSE auf Vögel werten und die Autoren der Originalstudien taten dies auch nicht [AKOB,ANTX].

Tatsächlich ist es extrem unwahrscheinlich, daß Vögel mit BSE oder Scrapie infiziert werden können. Dazu sind einfach die Unterschiede zwischen den Prionproteinen von Vögeln und Säugetieren zu groß [AFDX,HEY1]. Vollkommen ausschließen kann man es aber auch nicht. Für eine alternative Ursache spricht auch, daß einer der 3 Strauße noch nicht erwachsen war. Dies wäre für eine TSE sehr ungewöhnlich und nach oraler Infektion insbesondere über eine Speziesbarriere hinweg nahezu ausgeschlossen [ANTX].

Mit Kannibalismus wäre dennoch auch bei Vögeln ein hohes TSE-Risiko verbunden.

Auch wenn Vögel höchstwahrscheinlich nicht mit BSE oder Scrapie infiziert werden können, so besitzen sie doch ein Prionprotein [AFDX]. So wie wir es von den erblichen Formen der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit kennen, so können daher sehr wahrscheinlich auch Vögel durch Mutationen im Prionproteingen eigene artspezifische TSE entwickeln. Dies geschieht sicher nur sehr selten. Wenn aber spontan bei einem von Millionen Vögeln eine TSE entsteht, dann wäre es sehr ungünstig, wenn dieser Vogel zu Vogelfutter verarbeitet würde. Die britische Food Standards Agency schließt sich daher in ihrem Review of BSE controls in Absatz 58 dem Standpunkt des SEAC an, daß das Verfüttern tierischer Produkte an Tiere der selben Art bei allen für die menschliche oder tierische Ernährung verwendeten Tierarten abzulehnen sei.

Auch resistente Spezies können Prionkrankheiten übertragen.

Normale Mäuse sind bekanntlich klinisch resistent gegen Infektionen mit dem meistbenutzten Hamster-Scrapie-Stamm 263K in dem Sinne, daß sie nicht erkranken [AUI,HSM]. Aber sie können offenbar latent infiziert werden, in sich die Hamsterinfektiosität vermehren und dadurch selber trotz bester Gesundheit hochinfektiös werden [HSM,JHF]. Interessanterweise blieb die Hamsterinfektiosität sogar in Mäusen ohne eigenes Prionprotein mehr als 200 Tage erhalten [HSM]. Heu-Milben von isländischen Schaffarmen, auf denen wenige Monate zuvor Schafe aufgrund von Scrapie getötet werden mußten, übertrugen Scrapie auf Mäuse [AMQV,JHZ]. Mit infektiösem Hamsterhirn gefütterte Fliegenmaden waren noch 2 Tage danach infektiös [JCN]. Starben die Maden jedoch in diesem Zeitraum, dann bleiben sie sogar wochenlang infektiös [JCN].

Dies zeigt, daß auch nur latent oder gar nicht infizierbare Tiere die Infektiosität aus kontaminierten Futtermitteln eine Weile speichern und auf diese Weise selber infektiös werden können. Das wird dann zum Problem, wenn solche trotz Gesundheit infektiösen Tiere von Menschen oder Tieren konsumiert werden, die ihrerseits empfänglich für diese zwischengespeicherte Infektiosität sind. In ihrem Review of BSE controls rät die britische Food Standards Agency deshalb in Absatz 59 dringend davon ab, aus Schweinen hergestelltes Tiermehl an Geflügel zu verfüttern. Da es bei keiner TSE einen Beweis für eine Resistenz des Menschen gibt, sollten landwirtschaftlich genutzte Tiere generell nicht mit Produkten aus Säugetieren oder Artgenossen gefüttert werden.

Tiermehl kann nicht BSE-sicher produziert werden.

Die britische Arbeitsgruppe Taylor publizierte 1995 eine Studie, welche die Effektivitäten von 12 Tiermehlproduktionsvefahren im Hinblick auf die Inaktivierung von BSE-Infektiosität verglich [FUL]. Nur beim in Deutschland schon seit Jahrzehnten für die Tiermehlproduktion üblichen und seit Juli 2000 auch für die Sterilisation normaler Schlachtabfälle vorgeschriebene Verfahren mit 133°C bei 3 bar Druck über mindestens 20 Minuten, konnte die Studie keine Restinfektiosität mehr nachweisen. Die Autoren wiesen jedoch in der Diskussion ihrer Daten darauf hin, daß sie aufgrund der relativ geringen Empfindlichkeit ihres Testverfahrens bereits ab einer Reduktion der Ausgangsinfektiosität um den Faktor 100 keine Restinfektiosität mehr nachweisen konnten. Sie erklären daher ausdrücklich, daß ihre Studie selbst für das deutsche Dampfdrucksterilisationsverfahren nicht die Fähigkeit zur totalen Inaktivierung des BSE-Erregers nachweisen konnte. Wer die Taylor-Studie selbst nicht gelesen hatte, konnte seit dem Frühjahr 1998 auch in einer Stellungnahme des wissenschaftlichen Lenkungsausschusses nachlesen, daß auch das deutsche Verfahren zur Tiermehlherstellung kein vollständig sicheres Produkt garantiert.

Eine Simulation des inzwischen auch in den beiden niederländischen Tiermehlfabriken verwendeten 133°C-Dampfdrucksterilisationsverfahrens im Labormaßstab, zeigte Reduktionen von BSE- und Scrapie-Infektiosität um 2-3 Größenordnungen [JHQ]. Dem entsprechend erwies sich mit dem deutschen Dampfdrucksterilisationsverfahren aus BSE-infektiösem Rohmaterial hergestelltes Tiermehl als tödlich für einige der damit infizierten Mäuse [JHQ].

Wir müssen daher damit rechnen, daß selbst korrekt nach deutschem Recht produziertes Tiermehl und Fleischknochenmehl noch BSE-Infektiosität aufwiese, wenn es aus BSE-infizierten Rindern produziert würde. Das gilt selbst dann, wenn wie in der EU die Gewebe mit der höchsten Infektiosität getrennt entsorgt werden. Von Scrapie-infizierten Schafen ist bekannt, daß nicht nur die spezifizierten Risikogewebe infektiös sind. Aber selbst bei BSE-infizierten Rindern muß das infektiöse Agens auf dem Weg vom Risikomaterial Dünndarm durch "Nichtrisikomaterial" hindurch in das Risikomaterial Rückenmark gelangen. Die Infektiosität könnte also auch in Rindern in Konzentrationen unterhalb der Nachweisgrenze durch Nerven oder Blut in jeden Teil des Tierkörpers transportiert werden. Und selbst wenn dem nicht so wäre, dann müßte man spätestens nach dem Bolzenschuß mit einer Kontamination des gesamten Körpers rechnen [HEY2].

Auch Tierfett kann wahrscheinlich nicht BSE-sicher produziert werden.

Auch die BSE-Sicherheit von Rindertalg wurde schon im September 1997 vom wissenschaftlichen Lenkungsausschuß der EU in Zweifel gezogen. Schon damals wurde empfohlen, selbst in Ländern mit geringem BSE-Risiko keine BSE-Risikogewebe für die Talgproduktion zu verwenden und den Rindertalg für mindestens 20 Minuten auf 133°C zu erhitzen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, daß auch nach dem Verbot des Rückenmarkzerstörers durch die Entscheidung der Kommission 2000/418/EG, allein durch den Bolzenschuß zerstörtes Hirngewebe ins Blut und innere Organe gelangen kann [HEY2]. Entscheidend aber ist die Tatsache, daß Prionen in Fett wesentlich hitzestabiler als in Wasser sind [JKN] In ihrem Review of BSE controls rät die britische Food Standards Agency in Absatz 66 dringend davon ab, Talg innerartlich zu verfüttern.

Die Sicherheit zugekauften Futters hängt auch von der Vermeidung von Kreuzkontaminationen ab.

Aufgrund der Entscheidung der EU-Komission 94/381/EC war das Verfüttern von Säugetierprotein an Wiederkäuer schon seit 1994 verboten. Zwar weichte die Entscheidung der EU-Komission 95/60/EC aufgrund einer Empfehlung des wissenschaftlichen Veterinärausschusses vom 12. Dezember 1994 dieses Verbot 1995 auf, aber wenigstens die Verfütterung von Tiermehl und Fleischknochenmehl an Rinder blieb verboten. Aber Rinderfutter konnte während der Mischfutterproduktion, des Transportes, oder auf dem Bauernhof durch noch an Metallwänden haftendes Fleischknochenmehl oder mit Fleischknochenmehl produziertes Schweinefutter verunreinigt werden. Die erst nach dem ersten deutschen BSE-Fall öffentlich zugegebenen Nachweise von Tiermehl in deutschem Rinderfutter machen deutlich, wie real diese Gefahr war. Aber auch gründliche Untersuchungen in der Schweiz und Großbritannien haben gezeigt, daß die sogenannte Kreuzkontamination ein ernstes Problem darstellt [AFOP]. Im September 1998 bezeichnete der wissenschaftliche Lenkungsausschuß der EU solche Kreuzkontaminationen wegen der Neigung von Fleischknochenmehlpartikeln zur Haftung an Metallwänden und wegen der in Europa üblichen Produktion von Futtermitteln für Rinder und Schweine in den selben Produktionsstätten als unvermeidlich. Die dem wissenschaftliche Lenkungsausschuß der EU vorliegenden Daten zeigten, daß 4 Produktionszyklen ohne Fleischknochenmehl erforderlich wären, um danach eine kontaminationsfreie Produktion von Rinderfutter zu gewährleisten. Wegen der Nachweisgrenzen für Tiermehl in Rinderfutter sowie wegen der Möglichkeit einer Verunreinigung rein pflanzlicher Futtermittel mit toten Nagetieren und Gewöllen, können Futtermittelkontrollen sowohl falsch negative (Kontamination unterhalb der Nachweisgrenze), als auch falsch positive (nicht vermeidbare Kontamination mit Resten heimischer Wildtiere) Untersuchungsergebnisse produzieren. Dies macht auch die Kontrolle eines selektiven Tiermehlverbotes nur für Rinderfutter praktisch unmöglich.

Literaturliste

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JHZ . Carp,R.I.; Meeker,H.C.; Rubenstein,R.; Sigurdarson,S.; Papini,M.; Kascsak,R.J.; Kozlowski,P.B.; Wisniewski,H.M. - Characteristics of scrapie isolates derived from hay mites - Journal of Neurovirology 2000 Apr; 6(2): 137-44

APRY . Davis,J. - It's a Mad, Mad, Mad, Maff World - The Vegetarian Society UK Autumn 1993 - http://www.veg.org/veg/Orgs/VegSocUK/Campaign/madmaff.html

JLI . Fatzer,R.; Vandevelde,M. - Transmissible spongiforme Enzephalopathien (TSE) bei Tieren - Wiener Medizinische Wochenschrift 1998; 148(4): 78-85

FVE . Greger,M. - Mad Cow Disease - "Much More Serious Than AIDS" - http://envirolink.org/arrs/AnimaLife/spring94/madcow.html

AFDX . Harris,D.A.; Falls,D.L.; Johnson,F.A.; Fischbach,G.D. - A prion-like protein from chicken brain copurifies with an acetylcholine receptor-inducing activity - Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 1991 Sep 1; 88(17): 7664-8

HEY1 . Heynkes,R. - Ein Aminosäuresequenzvergleich der Prionproteine von Mensch, Rind und Huhn - www.heynkes.de/huhn.htm

HEY2 . Heynkes,R. - Beim Schlachten BSE-infizierter Rinder kann hochinfektiöses Hirngewebe in Muskeln und Organe gelangen - www.heynkes.de/emboli.htm

JHF . Hill,A.F.; Joiner,S.; Linehan,J.; Desbruslais,M.; Lantos,P.L.; Collinge,J. - Species-barrier-independent prion replication in apparently resistant species - Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 2000 Aug 29; 97(18): 10248-53

AFOP . Hörnlimann,B.; Guidon,D.; Griot,C. - Risikoeinschätzung für die Einschleppung von BSE - Deutsche tierärztliche Wochenschrift. DTW 1994; 101(7): 295-8

AUI . Kimberlin,R.H.; Walker,C.A.; Fraser,H. - The genomic identity of different strains of mouse scrapie is expressed in hamsters and preserved on reisolation in mice - Journal of General Virology 1989 Aug; 70(8): 2017-25

CBF . Kirkwood,J.K.; Cunningham,A.A. - Epidemiologic observations on spongiform encephalopathies in captive wild animals in the british-isles - The Veterinary Record 1994 Sep 24; 135(13): 296-303

JCN . Post,K.; Riesner,D.; Walldorf,V. Mehlhorn,H. - Fly larvae and pupae as vectors for scrapie - Lancet 1999 Dec 4; 354(9194):1969-70

HSM . Race,R.; Chesebro,B. - Scrapie infectivity found in resistant species - Nature 1998 Apr 23; 392(6678): 770

AKOB . Schoon,H.A.; Brunckhorst,D.; Pohlenz,J. - Spongiforme Enzephalopathie beim Rothalsstrauss (Struthio camelus). Ein kasuistischer Beitrag. - Tierärztliche Praxis 1991 Jun; 19(3): 263-5 - http://www.bseinquiry.gov.uk/files/sc/Seac10/tab07.pdf

ANTX . Schoon,H.A.; Brunckhorst,D.; Pohlenz,J. - A contribution to the neuropathology of the red-necked ostrich (Struthio camelus) - spongiform encephalopathy - Verh. ber. Erkrg. Zootiere; 33: 309-14 - http://www.bseinquiry.gov.uk/files/sc/Seac10/tab06.pdf

JHQ . Schreuder,B.E.; Geertsma,R.E.; van Keulen,L.J.; van Asten,J.A.; Enthoven,P.; Oberthur,R.C.; de Koeijer,A.A.; Osterhaus,A.D. - Studies on the efficacy of hyperbaric rendering procedures in inactivating bovine spongiform encephalopathy (BSE) and scrapie agents - Veterinary Record 1998 May 2; 142(18): 474-80

FUL . Taylor,D.M.; Woodgate,S.L.; Atkinson,M.J. - Inactivation of the bovine spongiform encephalopathy agent by rendering procedures - The Veterinary Record 1995; 137(N24): 605-10

AMQV . Wisniewski,H.M.; Sigurdarson,S.; Rubenstein,R.; Kascsak,R.J.; Carp,R.I. - Mites as vectors for scrapie - Lancet 1996; 347(N9008): 1114

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