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Möglichkeiten der Reduzierung des Risikos der Verschleppung von ZNS-Material durch den Bolzenschuss bei der Schlachtung von Rindern

Ingrid Schütt-Abraham, 25.08.2002

Gliederung


Risiko der Verschleppung von ZNS-Fragmenten bei der Bolzenschussbetäubung

Die Betäubung von Rindern mittels Bolzenschuss birgt - insbesondere bei gasinjizierenden Bolzenschussgeräten, welche gleichzeitig wie ein Rückenmarkzerstörer wirken - die Gefahr der Verbreitung von Zentralnervengewebsfragmenten über den Kreislauf im Körper des Tieres. Umfassende Literaturstudien hierzu finden sich in der Stellungnahme des SVCMP vom Februar 1998, dem Gutachten des BgVV vom Juli 1998 und bei Heynkes, 2000. Seither wurden erneut bis zu 3 cm große ZNS-Fragmente in den Gefäßen der Lunge, Leber, Niere und der rechten Herzkammer einer mit einem gasinjizierenden Bolzenschussgerät betäubten Kuh beschrieben (Roth, 2001). Der Versuch einer umfassenden TSE-Risikobewertung der Bolzenschussbetäubung wurde letztmalig im Report der TSE BSE Ad Hoc-Arbeitsgruppe des SSC vom 13. Dezember 2001 unternommen, dessen Entwurf zuvor im Internet zur Diskussion gestellt worden war.

Der Gebrauch des Rückenmarkzerstörers wurde durch die Entscheidung 2000/418/EG zum 1.1.2001 EU-weit bei Schlachttieren verboten, nachdem eine Verschleppung von Zentralnervengewebsfragmenten auch beim Einsatz munitionsangetriebener konventioneller Bolzenschussgeräte mit anschließender Rückenmarkszerstörung, jedoch nicht bei alleiniger Verwendung des Bolzenschusses beim Rind nachgewiesen werden konnte (Anil et al., 1999).

Diese Untersuchungen werden gelegentlich als Beleg dafür angeführt, dass beim Rind mit einer Verschleppung von ZNS-Fragmenten nur bei zusätzlicher Rückenmarkszerstörung zu rechnen sei. Die Ergebnisse schließen jedoch keineswegs aus, dass die beobachtete Verschleppung nicht erst durch den Rückenmarkzerstörer, sondern bereits durch den Bolzenschuss erfolgte. Weitere Untersuchungen der englischen Arbeitsgruppe an Schafen zeigten kurze Zeit später, dass auch die konventionelle Bolzenschussbetäubung ohne nachfolgenden Gebrauch des Rückenmarkzerstörers zu einer Verbreitung von ZNS-Fragmenten in die Blutbahn führen kann. Sowohl der druckluftangetriebene (nicht gasinjizierende!) Bolzenschussapparat (Marke Cash Ramrod, Accles and Shelvoke) als auch der munitionsangetriebene Bolzenschussapparat (Marke Temple Cox Mark X, Accles and Shelvoke) führten bei jeweils 2 der 15 mit diesen Geräten betäubten Schafen zur Verschleppung von ZNS-Gewebe (Anil et al., 2001). Es ist nicht erkennbar, welche anatomischen oder physiologischen Unterschiede zwischen Rind und Schaf dazu berechtigen würden, eine entsprechende Gefahr beim Rind lediglich aufgrund des bisher bei dieser Tierart noch ausstehenden Beweises zu ignorieren.

Darüber hinaus kann im Einzelfall offenbar schon eine bloße Druckerhöhung zur Versprengung von Zentralnervengewebsfragmenten führen. So sind in der Literatur zwischen 1956 und 1990 insgesamt 18 Fälle von Lungenembolien durch Hirngewebe bei Neugeborenen beschrieben. Diese Geburtstraumen wurden auf eine starke Erhöhung des Schädelinnendrucks, insbesondere bei Zangengeburten, zurückgeführt. In einem Fall waren die Verschleppungen so massiv, dass praktisch alle kleinen elastischen oder größeren muskulösen Lungenarterien blockiert waren (Hauck et al., 1990). Diese ZNS-Fragmente können über zerrissene Gehirngefäße, insbesondere die großlumigen dorsalen und basalen venösen Blutleiter, in die vom Kopf zum Herzen führenden Venen gelangen. Angesichts dieser Einzelfallberichte nach Geburtstraumen sowie veröffentlichter Autopsiebefunde von Menschen mit gedecktem Schädel-Hirn-Trauma (Collins u. Davis, 1994) kann auch bei der stumpfen Schuss-Schlag-Betäubung (nicht-penetrierender Bolzenschuss) eine Verschleppung von ZNS-Gewebsteilchen grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden. Zudem befinden sich TSE-Erreger nicht nur im Zellinneren von Gehirn- und Rückenmarksgewebe. Somit können nicht nur unzählige vom Bolzen aus ihrem natürlichen Zusammenhang gerissene mikroskopisch kleine Gehirngewebsteilchen, sondern auch im Extrazellulärraum befindliche oder in die Cerebrospinalflüssigkeit gelangte BSE-Erreger aufgrund ihrer geringen Größe über die Lunge hinaus in den Körperkreislauf und damit in Muskulatur und Organe des Schlachttieres verbreitet werden (Heynkes, 2000). Untersuchungen, in denen der Bolzen oder die Schusswunde mit Markerkeimen kontaminiert wurde, zeigten, dass diese später in nahezu allen untersuchten Organen wiedergefunden werden konnten (Daly et al., 2001; Mackey und Derrick, 1979).

Gehirngewebsteilchen und Indikatoren der ZNS-Schädigung wie Syntaxin 1B oder Annexin V passieren die Jugularvene innerhalb 10 - 40 Sekunden nach dem Schuss (Anil et al., 1999 und 2001). Welche Zeit diese Fragmente beim Rind benötigen, um von der Schädelhöhle über das Herz in die Lunge zu gelangen, diese bei entsprechender Kleinheit zu passieren und dann den großen Körperkreislauf zu erreichen, ist nicht bekannt, da bei allen diesbezüglichen Untersuchungen der Nachweis der ZNS-Fragmente erst am Ende der Tötung durch Blutentzug erfolgte. Das Herz kann nach Bolzenschussbetäubung noch minutenlang weiterschlagen, bis der durch den Entblutungsschnitt eingeleitete Blutentzug zum Kreislaufkollaps und Herzstillstand führt. Als Kreislaufzeit werden beim Rind für den Abschnitt Eutervene/Eutervene 52 sec angegeben, beim Pferd für den Abschnitt Jugularvene/Jugularvene sogar nur 31,5 sec (Altman, P. Handbook of Circulation, 1959, zitiert nach Scheunert/Trautmann: Lehrbuch der Veterinärphysiologie, 7. Aufl., 1987).

Während die konkrete Gefahr der Verbreitung von ZNS-Fragmenten durch die Bolzenschussbetäubung somit hinreichend belegt ist, lassen sich Ausmaß und Umfang einer solchen Verbreitung bislang nur unzureichend abschätzen. Die Menge des durch den penetrierenden Bolzen aus seinem natürlichen Zusammenhang gerissenen Gehirngewebes dürfte weitgehend dem Volumen des eingedrungenen Bolzens entsprechen. Sie wird von Anil et al. (2001c) auf etwa 10 g geschätzt. Die Häufigkeit der Nachweise von ZNS-Fragmenten im Jugularvenenblut und den Organen nach konventioneller Bolzenschussbetäubung war jedoch in den experimentellen Untersuchungen nicht zuletzt aufgrund des mit der histologischen Untersuchung verbundenen Aufwands, der die Menge des untersuchbaren Gewebes und damit die Zahl der eingesetzten Tiere begrenzt, bisher so gering (4 von 30 Schafen, Anil et al., 2001 bzw. 0 von 15 Rindern, Anil et al., 1999), dass hieraus mit 95%iger Sicherheit lediglich auf ein tatsächliches Vorkommen bei 4 bis 30% der Schafe sowie 0 - 31% der Rinder geschlossen werden kann (Snedecor und Cochran, 1967).

Praxisuntersuchungen von Lücker et al. (2002) zufolge wurden lediglich bei 48 von 726 bolzenschussbetäubten und teils mit dem Rückenmarkzerstörer behandelten Rindern Emboli-ähnliche Partikel in den bis hinunter zu einem Durchmesser von 3-5 mm untersuchten Lungenarterien gefunden. Nur bei 2 der 58 auf diese Weise gefundenen Emboli ließ sich mittels anti-NSE-Western Blot neuronenspezifische Enolase nachweisen. Diese beiden Emboli stammten von Tieren, die mit dem heute verbotenen Rückenmarkzerstörer behandelt worden waren. Allerdings wurden bei diesen Praxisuntersuchungen lediglich mit dem bloßen Auge sichtbare Emboli erfasst. Zudem war es mit dem verwendeten anti-NSE-Western Blot nicht möglich, Gehirnmaterial in experimentell mit Gehirnbrei perfundiertem Lungengewebe nachzuweisen, obwohl bei der histologischen Untersuchung Zentralnervengewebe in allen Bereichen der Lunge gefunden wurde. Die Untersuchungen machen keine Angaben zur Durchführung des Bolzenschusses oder des Blutentzuges. Sie können daher nur belegen, dass bei dem untersuchten, aber leider nicht näher beschriebenen Schlachtablauf offenbar keine größeren ZNS-Fragmente durch den Bolzenschuss freigesetzt und in der Lunge ausgefiltert wurden.

Horlacher et al. (2002) untersuchten am Schlachthof Gießen 323 Rinderlungen auf makroskopisch sichtbare Emboli in den arteriellen Gefäßen. In 194 dieser Lungen (60%) wurden insgesamt 358 Emboli gefunden. 355 dieser Emboli wurden zu Poolproben zusammengefasst, die - bis auf 2 Ausnahmen - aus jeweils 14 - 41 Lungen stammten, und immunochemisch auf neuronenspezifische Enolase (NSE) und saures Gliafaserprotein (GFAP) untersucht. Zwei Poolproben, in denen zum einen 40 zum anderen 28 Emboli aus jeweils 15 Lungen zusammengefasst waren, erbrachten mittels beider Nachweisverfahren ein schwach positives Ergebnis. Obwohl hierfür nicht der geringste Beweis vorliegt, gehen die Autoren davon aus, dass nur jeweils eine der 15 gepoolten Lungen Zentralnervengewebe enthielt. Zusätzlich wurden 3 ca. 1 cm große gelbliche Emboli einzeln immunochemisch und immunhistochemisch mit negativem Ergebnis auf ZNS untersucht. Von 3 weiteren ca. 3mm großen gelblichen Emboli, die wegen ihrer Kleinheit ausschließlich immunhistologisch untersucht wurden, erwiesen sich 2 als NSE- wie GFAP-positiv. Da im histologischen Präparat Hirnzellen nicht eindeutig differenziert werden konnten, wurden diese beiden Proben jedoch von den Autoren als fraglich beurteilt.

Auch in dieser Untersuchung wurde lediglich nach mit dem bloßen Auge sichtbaren Emboli in den Lungenarterien gesucht. Zudem lag auch hier die Nachweisgrenze der eingesetzten immunochemischen Verfahren bei 0.1% ZNS. In Anbetracht des durch das Poolen der Proben eingetretenen Verdünnungseffekts hätten die gefundenen Emboli daher ein Mehrfaches dieses Gehaltes an ZNS aufweisen bzw. ausschließlich aus ZNS-Gewebe bestehen müssen, um mittels NSE und GFAP entdeckt zu werden.

Eine minimale Infektionsdosis kann für den Menschen nicht angegeben werden. Nach der Priontheorie genügt ein einziges Prion, um die Umfaltung der körpereigenen Prionproteine in Gang zu setzen. Allerdings erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Prion tatsächlich an seinen Wirkort kommt, mit der aufgenommenen Erregermenge. Zudem muss nach Untersuchungsergebnissen an Hamstern von einer kumulativen Wirkung wiederholt aufgenommener geringer TSE-Erregermengen ausgegangen werden (Diringer et al., 1998). Noch kann daher nicht entschieden werden, ob lediglich die - anscheinend seltene - Verschleppung makroskopisch erkennbaren potentiell erregerhaltigen ZNS-Gewebes eine Gefahr für den Verbraucher darstellt, die jedoch derzeit mangels praktikabler Betäubungsalternativen in kleinen Schlachtbetrieben und bei Hausschlachtungen in Kauf genommen werden muss. Auch eine regelmäßige Verschleppung kleinster, makroskopisch nicht sichtbarer ZNS-Fragmente könnte ein nicht zu vernachlässigendes Infektionsrisiko darstellen, wenn die Erreger das ZNS bereits erreicht haben, jedoch im BSE-screening test noch nicht nachweisbar sind. Um eine verlässlichere Einschätzung des Risikos zu erlauben, müssen die Untersuchungen trotz des damit verbundenen Aufwands an einer größeren Anzahl Tiere auch experimentell wiederholt werden. Entsprechende Forschungsvorhaben zum quantitativen Nachweis der Verbreitung von ZNS-Fragmenten nach unterschiedlichen Betäubungsverfahren sollen in England an Gruppen von je 100 Tieren bereits projektiert sein (Anil, pers. Mitt.).

Aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes sollten daher bestehende Möglichkeiten zur Minimierung dieses derzeit nicht hinreichend einschätzbaren Risikos genutzt werden.

Reduzierung des Risikos durch Herbeiführen eines Kreislaufstillstands

Eine Alternative zur Bolzenschussbetäubung, bei der nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht mit einem Eintrag von ZNS-Gewebsteilchen in die Blutbahn zu rechnen ist, wäre die Elektrobetäubung. Anlage 3 Teil I der Tierschutz-Schlachtverordnung (TierSchlV) lässt die Elektrobetäubung von Rindern allgemein zu. Jedoch ist gemäß Anlage 3 Teil II Nr. 3.3 TierSchlV bei über 6 Wochen alten Tieren das gleichzeitige oder anschließende Auslösen von Herzkammerflimmern gefordert.

Das Einsetzen von Herzkammerflimmern bedeutet den Verlust der koordinierten Kontraktion der Herzmuskelzellen. Dies ist mit einem sofortigen Kreislaufstillstand verbunden. Selbst wenn es bei der Elektrobetäubung betäubungsbedingt zu einer vorübergehend höheren Durchlässigkeit der Gehirnkapillaren und infolgedessen zu einem Übertritt von BSE-Infektiosität in das venöse Blut kommen sollte, dürfte deren Verbreitung über den Blutkreislauf durch einen gleichzeitig oder unmittelbar im Anschluss an die elektrische Durchströmung des Kopfes ausgelösten Kreislaufstillstand wirksam verhindert werden können.

Kommerziell verfügbare automatische oder halbautomatische Anlagen zur Elektrobetäubung von Rindern sind in kleineren Schlachtbetrieben nicht einsetzbar, da sie nicht nur relativ viel Platz benötigen, sondern sich ihre hohen Anschaffungskosten bei geringen Schlachtzahlen nicht amortisieren. Wenn eine Konzentrierung der Rinderschlachtungen auf wenige dafür spezialisierte Großschlachtbetriebe vermieden werden soll, müssen für diese kleineren Betriebe praktikable, tierschutzgerechte und dennoch im Hinblick auf die Vermeidung einer inneren Kontamination des Tierkörpers und seiner Organe mit BSE-Erregern sichere Alternativen gefunden werden.

Solange aufgrund von Maßnahmen garantiert werden kann, dass sich die BSE-Erreger mit dem Blut höchstens bis in die rechte Herzhälfte und die Lunge verbreiten (eine Kontamination der linken Herzhälfte wäre erst nach einer Passage der Lunge möglich), wäre das Kontaminationsrisiko durch die Entsorgung von Herz und Lunge als spezifiziertes Risikomaterial (SRM) weitgehend zu begrenzen. Vollständig ausschließen kann man es jedoch nicht, da es kaum möglich ist, diese Organe bei der Schlachtung ohne Verletzung der Blutgefäße (potentiell erregerhaltige Venen und Lungenarterien) zu entnehmen und zu beseitigen. Beim Durchtrennen der Gefäße besteht daher in jedem Fall die theoretische Möglichkeit, in ihnen vorhandene BSE-Infektiosität mit nachfolgender Oberflächenkontamination des Schlachtkörpers freizusetzen.

Um eine Verbreitung von ZNS-Gewebsteilchen über die Lunge hinaus zu verhindern, müsste innerhalb des Zeitraums, den die Fragmente brauchen, um die Lunge zu erreichen, ein Kreislaufstillstand wirksam werden. Dieser ließe sich beispielsweise durch das Auslösen von Herzkammerflimmern unmittelbar nach dem Bolzenschuss erzielen. Der für die Durchführung dieser Maßnahme maximal zulässige Zeitraum müsste zunächst ermittelt werden, was mit Hilfe einfacher und ohne großen Aufwand nachweisbarer Markersubstanzen geschehen könnte.

Reduzierung des Risikos durch alternative Entblutungsverfahren

Eine zweite, voraussichtlich jedoch mit hygienischen Nachteilen verbundene Alternative für kleinere Schlachtbetriebe wäre die Beibehaltung der Bolzenschussbetäubung mit anschließender Durchtrennung aller Weichteile des Halses bis auf die Wirbelsäule (Halal- oder Schächtschnitt) noch am liegenden Tier, am besten mit gleichzeitigem Absetzen des Kopfes, um die zwischen Kopf und Herz bestehenden (venösen) Gefäßverbindungen so früh wie möglich vollständig zu unterbrechen.

Hierbei wäre erstens der Zeitbedarf für das Durchtrennen der Gefäße und das Absetzen des Kopfes zu ermitteln und mit dem Zeitgang der möglichen Verbreitung von ZNS-Fragmenten im Körper zu vergleichen (Praktikabilitätsprüfung). Zweitens würden Untersuchungen zur Ermittlung der bakteriellen Kontamination der freigelegten Fleischflächen und der inneren Organe erforderlich (Hygieneprüfung). Da eine umgehende vollständige Abtrennung des Kopfes (Dekapitation) ein Wiedererwachen des betäubten Tieres sicher verhindert, könnte zur weiteren Reduzierung des BSE-Kontaminationsrisikos in diesem Fall der penetrierende Bolzenschuss auch durch andere nur kurzfristig wirksame Betäubungsverfahren ersetzt werden. Der ersatzlose Fortfall der Betäubung - d.h., die routinemäße Vornahme betäubungslosen Schlachtens - ist aus Tierschutzgründen absolut unakzeptabel und selbst bei religiös motivierten rituellen Schlachtungen nur unter strengen Auflagen und mit Ausnahmegenehmigung zulässig.

Reduzierung des Risikos durch alternative Betäubungsverfahren

Eine denkbare Alternative zur penetrierenden Bolzenschussbetäubung stellt der Einsatz der nicht-penetrierenden stumpfen Schuss-Schlagbetäubung dar. Allerdings lassen die bereits eingangs erwähnten Beispiele von Lungenembolien durch ZNS-Fragmente beim Menschen nach Quetsch- und Schlagtraumen des Kopfes sowie jüngste Untersuchungsergebnisse der BAFF Kulmbach (Troeger, 2002) vermuten, dass auch bei der stumpfen Schuss-Schlagbetäubung ein gewisses Risiko einer Verschleppung von Zentralnervengewebsfragmenten über den Kreislauf besteht. Zudem muss die stumpfe Schuss-Schlagebetäubung noch sorgfältiger als der konventionelle Bolzenschuss ausgeführt werden, um eine tierschutzgerechte Betäubung zu erzielen, was eine sichere Fixation und gute Präsentation des Tierkopfes zur Betäubung voraussetzt.

Neben der stumpfen Schuss-Schlagbetäubung, die derzeit gemäß § 14 Nr. 1 Tierschutz-Schlachtverordnung nur befristet mit Ausnahmegenehmigung der zuständigen Behörde zur Erprobung eingesetzt werden darf, käme als weitere Alternative die Anwendung der Elektrobetäubung mit einer Betäubungszange bei Ansatz der Elektroden beidseits an der Schläfe des Tieres oder der Einsatz einer von oben auf Stirn und Nacken aufgesetzten Betäubungsgabel in Betracht. Um den nach Anlage 3 Teil II Nr. 3.3 der TierSchlV mittels elektrischer Herzdurchströmung zu erzielenden Herzstillstand bei über 6 Monate alten Rindern zu bewirken, müsste die Zange oder Gabel auf den Brustkorb des Tieres umgesetzt werden. Um dies ohne Gefahr für das Schlachtpersonal ausführen zu können, wäre nach der Betäubung zunächst eine Elektroimmobilisierung über Elektroden an Maul und Schwanzfalte bzw. After erforderlich (TVT 2001). Alternativ könnte jedoch Herzkammerflimmern auch über einen hohen Stromstoß durch die zur electroimmobilisation angelegten Elektroden ausgelöst werden. Hierfür würde sich aus Gründen des Arbeitsschutzes eine in den After einzuschiebende Elektrode mit lediglich leitender Spitze und eine im Maulwinkel anzubringende Krokodilklemme mit lediglich leitenden Klemmeninnenseiten anbieten (M. Boosen, Bezirksregierung Weser-Ems, pers. Mitt.). Stärke und Dauer des elektrischen Stromstoßes, mit dem unter diesen Bedingungen am betäubten Tier das Einsetzen von Herzkammerflimmern garantiert werden kann, wären noch zu ermitteln.

Zusammenfassung des bestehenden Forschungsbedarfs

Folgende Untersuchungen erscheinen aus meiner Sicht daher vordringlich:

Teilaspekte dieser von mir vorgeschlagenen Untersuchungen werden bereits von der Bundesanstalt für Fleischforschung (BAFF) Kulmbach im Rahmen eines gemeinsam mit dem BgVV beantragten BMVEL-Forschungsprojekts bearbeitet. Meine vorgesehene Mitwirkung an der Durchführung dieses Forschungsvorhabens liess sich leider wegen vordringlich wahrzunehmender Aufgaben im Bereich der EG-Kontrollen nicht ermöglichen.

Literatur

Copyright Dr. Ingrid Schütt-Abraham
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