Lerntext Antibiotika und Phagen-Therapie

Roland Heynkes 3.9.2025, CC BY-SA-4.0 DE

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Verbunden mit meinem Glossar soll dieser Selbstlern-Hypertext helfen, sich selbst im eigenen Tempo zu erarbeiten, was Lernende am Ende der Unterrichtsreihe zum Thema Gesundheit im Gedächtnis behalten sollten.

Der selbständigen Erarbeitung dieses Selbstlern-Hypertextes dient das Übungsmodul Gesundheit mit klausurähnlichen Aufgaben.

Gliederung

Die Entdeckung der Antibiotika
Antibiotika-Probleme
Phagen vermehren sich auf Kosten von Bakterien.
Phagen-Therapie als Alternative zu Antibiotika

Die Entdeckung der Antibiotika nach oben

Antibiotikum heißt ein Medikament oder Wirkstoff, wenn er Mikroorganismen tötet (z.B.: bakterizide Antibiotika) oder zumindest ihre Vermehrung verhindert (z.B.: bakteriostatische Antibiotika). Ärzte verwenden den Begriff meistens in einem engeren Sinne als Medikament gegen Bakterien. Antibiotika werden von Pilzen produziert, aber auch von Bakterien und durch viele, wenn nicht alle andere Lebensformen (z.B.: die Phytoalexine und Defensine aus Zellen aller Tiere und höheren Pflanzen sowie ganz besonders effektiv die Antibiotika aus Schwämmen). Sie können auch chemisch synthetisiert oder modifiziert werden.

Der Entdeckung des vor rund 5000 Jahren in den Alpen ermordeten Ötzi verdanken wir die Erkenntnis, dass Menschen schon seit Jahrtausenden Pilze zur Bekämpfung von Entzündungen, Krebs und Infektionskrankheiten nutzen, die durch Bakterien und sogar Viren verursacht werden. Vor allem in der traditionellen ostasiatischen Medizin werden auch heute noch häufig getrocknete Heilpilze und ihre Zubereitungen als Arzneimittel verwendet [Pharma Wiki]. Laut der ZDF-Dokumentation: "Die geheime Macht der Pilze - Wie sie uns helfen aber auch gefährden" stammt heute die Hälfte der 20 wertvollsten Medikamente aus Pilzen.

Schon 1893 isolierte und kristallisierte Bartolomeo Gosio die Mycophenolsäure aus einem Schimmelpilz der Gattung Penicillium. Gosio beobachtete und veröffentlichte, dass er damit das Wachstum des Milzbrand-Erregers behindern konnte. Seine Veröffentlichung blieb aber lange unbeachtet. [Gian Cesare Tron, Alberto Minassi, Giovanni Sorba, Mara Fausone, Giovanni Appendino - Icilio Guareschi and his amazing "1897 reaction" - Beilstein Journal of Organic Chemistry 2021 May 25; 17: 1335–1351]

Auch schon 1897 reichte der französische Militärarzt Ernest Duchesne seine Doktorarbeit mit der durch systematische Experimente mit Meerschweinchen und Bakterien-Kulturen bestätigten Beobachtung ein, dass bestimmte Schimmelpilze über antibiotische Eigenschaften verfügen. Er selbst lernte das im Grunde von arabischen Stallknechten, die absichtlich das Wachstum von Schimmelpilzen auf Sätteln förderten, weil dadurch Scheuerwunden schneller abheilten. Seine Doktorarbeit war die erste wissenschaftliche Arbeit zur Erforschung der medizinischen Nutzbarkeit von Antibiotika produzierenden Schimmelpilzen, aber das Institut Pasteur verweigerte dieser Doktorarbeit des damals erst 23-Jährigen Mediziners die Anerkennung. Er starb an Tuberkulose, bevor die französische Akademie für Medizin erst aufgrund des Nobelpreises für Flemming begriff, wie unrecht man dem jungen Franzosen getan und wie sehr man durch die eigene Ignoranz den medizinischen Fortschritt auf Kosten unzähliger Menschenleben verzögert hatte. [Serge Duckett - Ernest Duchesne and the concept of fungal antibiotic therapy - Lancet 1999 Dec 11; 354(9195): 2068-71]

Das dritte von Menschen erforschte Antibiotikum war Arsphenamin. Es wurde durch den Chemiker Alfred Bertheim im Labor von Paul Ehrlich synthetisiert sowie 1909 von Paul Ehrlich und Hata Sahachiro positiv getestet. Es wurde von Hoechst produziert und kam als wirksames und relativ ungefährliches Medikament gegen die damals weit verbreiteten Geschlechtskrankheit Syphilis unter dem Namen Salvarsan 1910 als erstes Antibiotikum in den Handel.

Das vierte von Menschen entdeckte und das dritte auf den Markt gebrachte Antibiotikum war Penicillin. Alexander Flemming hatte seine antibiotische Wirksamkeit zwar schon 1928 in seinem Londoner Labor entdeckt und auch schon seine Ungefährlichkeit für menschliche Zellen nachgewiesen, aber es gelang ihm nicht, Penicillin in ausreichender Menge und Reinheit zu isolieren. Erst 1938 untersuchten Howard Florey, Ernst Boris Chain und Norman George Heatley systematisch alle von Mikroorganismen gebildeten Stoffe mit veröffentlichter antibakterieller Wirkung und Ernst Boris Chain stieß dabei auch auf die 10 Jahre alte Veröffentlichung von Alexander Flemming. Vor allem Norman George Heatley isolierte Penicillin aus Schimmelpilz-Kulturen, während die Kollegen seine therapeutische Wirkung zunächst an Mäusen und 1941 auch an einer ersten Patientin untersuchten. Nachdem sie keine Unterstützung britischer Pharma-Unternehmen erhalten hatten, gingen Howard Florey und Ernst Boris Chain in die nicht von deutschen Raketen bedrohten USA, wo das Militär ein für den Ausgang des zweiten Weltkriegs sehr wichtiges Programm mit Tausenden Mitarbeitern für die Zucht und Kultivierung des Pilzes sowie die Testung und Produktion von Penicillin organisierte. 1945 erhielten Alexander Flemming, Ernst Boris Chain und Howard Florey für ihre Entdeckung den Nobelpreis, während man Norman George Heatley überging. [Wikipedia und Dokumentation: "Die geheime Macht der Pilze - Wie sie uns helfen aber auch gefährden"]

Das fünfte von Menschen entdeckte und das zweite chemisch synthetisierte sowie auf den Markt gebrachte Antibiotikum war 1935 ein Sulfonamid. Nach dem Vorbild von Paul Ehrlichs Salvarsan hatte der große deutsche Chemiekonzern I.G. Farben ein Forschungsprogramm zur systematischen Entwicklung von antibakteriell wirksamen Verbindungen aus der Gruppe der Farbstoffe aus der Steinkohlenteer begonnen. In dessen Verlauf synthetisierten Fritz Mietzsch und Josef Klarer 1932 ein Sulfonamid und Gerhard Domagk veröffentlichte im Februar 1935 den Nachweis, dass es in Versuchstieren zu einem antibakteriell wirksamen Stoff verarbeitet wird. I.G. Farben verkaufte es unter dem Markennamen Prontosil und Gerhard Domagk wurde 1939 der Nobelpreis verliehen.

Das sechste von Menschen entdeckte Antibiotikum war das 1939 von René Jules Dubos aus menschlichen Tränen isolierte und chemisch sowie klinisch analysierte Tyrothricin, das aus den Polypeptiden Tyrocidin und Gramicidin besteht und auch schon Jahre vor Penicillin kommerziell verfügbar war.

Alexander Flemming war also nicht der erste Entdecker eines Antibiotikums und das Pilze Antibiotika produzieren können. Die besondere Leistung von Alexander Flemming bestand darin, über die Ursache einer Beobachtung nachgedacht zu haben, die zuvor er selber und viele andere Forscher schon häufig gemacht hatten. Die Antwort auf die Frage zu finden, war einfach. Aber sich über eine Beobachtung überhaupt zu wundern und die Frage nach der Ursache zu stellen, das ist die ebenso entscheidende wie schwierige Leistung, die zu großen Fortschritten in Medizin und Naturwissenschaften führt, falls die Entdecker die richtigen Menschen von der Bedeutung ihrer Entdeckungen überzeugen können.

Fast alle Bakterien-Kulturen verschimmeln nach einer Weile und genau wie unzählige andere Forscher hatte Alexander Flemming das sicher schon unzählige Male gesehen. Genau wie fast alle Kollegen hatte er aber vorher nicht genau hingesehen, nicht darauf geachtet oder zumindest nicht darüber nachgedacht. Aber irgendwann machte er die bewusste Beobachtung und verstand ihre Bedeutung. Ihm fiel auf, dass sich rund um einen Pilz ein Saum (ein Streifen oder Grenzbereich) gebildet hatte, auf dessen Fläche keine Bakterien bzw. Bakterien-Kolonien wuchsen. Er schloss daraus, dass höchstwahrscheinlich der Pilz einen Stoff produzierte und an das ihn umgebende Nährmedium abgab, der die Bakterien tötete oder zumindest an Wachstum und/oder Vermehrung hinderte. Tatsächlich töten Penicilline sich teilende Bakterien, indem sie deren Bildung neuer Zellwände sabotieren.

Im Nachhinein wundert man sich, dass es nicht viel früher und öfter zu dieser bewussten Beobachtung (dem ersten Schritt der Naturwissenschaftlichen Methode) kam. Aber es existiert offensichtlich eine sehr hohe Hürde, die uns Menschen meistens daran hindert, genau hinzusehen und über Beobachtungen nachzudenken. Wir würden wohl auch ständig zu spät kommen und unsere alltäglichen Aufgaben vergessen, wenn wir über alles nachdächten, was wir sehen. Genau diese Aufmerksamkeit, Nachdenklichkeit und Neugier unterscheidet jedoch große Forscher (und Autisten) von Menschen ohne besondere wissenschaftliche Begabung.

Antibiotika-Probleme nach oben

Einige Antibiotika hemmen den Aufbau bakterieller Zellwände. Andere blockieren den bakteriellen Stoffwechsel.

Antibiotika retten sehr viele Leben von Menschen und Haustieren, aber sie können unwirksam sein und wie jedes wirksame Medikament haben sie auch Nebenwirkungen. Im Umgang mit Antibiotika gibt es allerdings schon lange einige gefährliche Fehlentwicklungen:

Phagen vermehren sich auf Kosten von Bakterien. nach oben

Bakteriophagen (kurz: Phagen) sind Viren, die sich sehr spezifisch nur in bestimmten Bakterien vermehren. Bakteriophagen besitzen Hüllen aus Proteinen, die bei verschiedenen Phagen-Stämmen sehr unterschiedlich geformt sind. Die Hülle umschließt den Virus-Bauplan, der aus RNA oder DNA besteht. Letztere kann einzel- oder doppelsträngig sein. Man unterscheidet außerdem aufgrund unterschiedlicher Vermehrungs-Strategien Lytische- (virulente Phagen) und Lysogene Phagen (Temperente Phagen). Die Lytischen- oder virulente Phagen vermehren sich immer durch den Lytischen Zyklus. Die Lysogenen oder Temperenten Phagen vermehren sich im Gegensatz zu Lytischen Viren erstmal nicht durch den Lytischen Zyklus, sondern zusammen mit dem bakteriellen Genom vor jeder Zellteilung. Dieses Temperenz genannte Phänomen gibt es nicht nur bei Phagen, sondern auch bei anderen Viren.

Schema der Vermehrung lytischer und lysogener Bakteriophagen
Diffusion
Links veranschaulichen die Stadien 1-6 den lytischen Weg der Phagen Vermehrung.:
  1. Ein Bakteriophage dockt nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip mit einem Rezeptor spezifisch an ein Membranprotein eines Bakteriums an und bringt seinen Bauplan in das Bakterium.
  2. Der Phagen-Bauplan verwandelt das Bakterium in ein neues Lebewesen, in welchem sich die Baupläne von Bakterium und Virus zu etwas ganz Neuem ergänzen. Allerdings geht diese Vereinigung ganz auf Kosten des Bakteriums, das mißbraucht wird, um den Virus-Bauplan zu einem vollständigem Lebewesen zu ergänzen.
  3. Der Phagen-Bauplan wird vom Bakterium kopiert und als Anleitung für die Produktion der Phagen-Proteine genutzt.
  4. Aus den Bauplan-Kopien und den Bakteriophagen-Proteinen entstehen im Bakterium neue Phagen.
  5. Das Bakterium platzt auf - es wird lysiert.
  6. Das tote Bakterium entlässt viele Bakteriophagen, die weitere Bakterien infizieren können.
Rechts sieht man, wie sich lysogene Phagen vermehren:
  1. Ein DNA-Doppelstrang eines lysogenen Bakteriophagen wird in das Bakterien-Chromosom integriert. Es gibt aber auch Phagen, deren Bauplan außerhalb des Bakterien-Chromosoms bleibt und trotzdem bei jeder DNA-Replikation mit verdoppelt wird. In beiden Fällen nennt man den inaktiven Bakteriophagen Prophage und infizierte Bakterien heißen Lysogene Bakterien.
  2. Die DNA-Replikation des Bakterien-Chromosoms verdoppelt auch die Phagen-DNA.
  3. Mit jeder Zellteilung verdoppelt sich die Zahl infizierter Bakterien.
  4. Gelegentlich kommt es zur Aktivierung eines lysogenen Phagen. Dann verlässt er das Bakterien-Chromosom und geht in den lytischen Zyklus über.

Phagen-Therapie als Alternative zu Antibiotika nach oben

In einer kritischen Zusammenfassung habe ich 2019 erklärt und kommentiert, was ich in der französischen Fernseh-Dokumentation: "Mysteriöse Bakterienkiller - Mit Viren aus der Antibiotika-Krise" zum Thema Bakteriophagen-Therapie gesehen habe. Leider nur noch bei YouTube kann man: "Mysteriöse Bakterienkiller - Mit Viren aus der Antibiotika-Krise" sehen. Viel weiter sind wir auch Mitte 2025 nicht und darum übernehme ich hier die Informationen von damals. Auf eigene Kosten kann man aber wohl inzwischen auch in Deutschland eine Phagen-Therapie bekommen. Informationen dazu findet man bei phage-germany.de.

Antibiotika sind Moleküle, die Bakterien relativ unspezifisch töten. Wesentlich spezifischer werden Bakterien durch Bakteriophagen getötet. Phagen sind Viren, die sich nur in Bakterien vermehren und deshalb völlig ungefährlich für unsere Zellen sind. Jede Bakteriophagen-Spezies kann nur in Zellen mit Rezeptoren eindringen, die (nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip) zu einem Oberflächen-Protein des Virus passen und die Zelle veranlassen, das Virus durch Endozytose aktiv aufzunehmen. Deshalb wirken Phagen sehr viel spezifischer als Antibiotika. Es lassen sich relativ leicht Bakteriophagen finden, die nur einen bestimmten Krankheitserreger töten, nicht aber all die anderen Bakterien-Spezies, die ein Mensch braucht, um gesund zu bleiben.

Ein weiterer großer Vorteil der Phagen ist, dass sie mutieren und sich dadurch im Gegensatz zu Antibiotika schnell anpassen können, wenn ein Bakterium resistent wird. Und setzt man zwei verschiedene Bakteriophagenstämme mit unterschiedlichen "Schlüsseln" gleichzeitig ein, dann haben Bakterien praktisch keine Chance mehr, sich anzupassen. Diese von Anderen erst beim schwierigen Kampf gegen den besonders oft mutierenden AIDS-Erreger wieder entdeckte Idee hatte schon der geniale Phagen-Entdecker Félix d'Herelle.

Wie bei den Antibiotika wurde auch die Bakterien tötende Eigenschaft der Bakteriophagen anscheinend bereits Ende des 19. Jahrhundert entdeckt [Stephen T. Abedon, Cameron Thomas-Abedon, Anne Thomas, Hubert Mazure - Bacteriophage prehistory - Is or is not Hankin, 1896, a phage reference? - Bacteriophage. 2011 May 1; 1(3): 174–178]. Die Dokumentation schreibt Félix d'Herelle die Entdeckung der Bakteriophagen zu und nennt dafür das Jahr 1914. Die Wikipedia nennt als ersten Entdecker der Bakteriophagen den britischen Bakteriologen Frederick Twort, der seine Entdeckung 1915 in "The Lancet" veröffentlichte [Frederick William Twort - Further Investigations on the Nature of Ultra-Microscopic Viruses and their Cultivation - The Journal of hygiene (Lond). 1936 Jun; 36(2): 204–235]. Unabhängig von dieser lange ignorierten Publikation fielen auch Félix d'Herelle bei der Zucht von Bakterien auf Nährmedien Löcher im Bakterienrasen auf. Er publizierte seine Entdeckung aber erst im September 1917. Diese Löcher entstanden, weil dort die Bakterien durch Bakteriophagen getötet wurden. Diese sind allerdings so klein, dass sie mit Lichtmikroskopen nicht entdeckt werden konnten. Laut Wikipedia bestätigte Helmut Ruska 1939 mit seinem Elektronenmikroskop die Existenz von Bakteriophagen.

Schon bald nach ihrer Entdeckung wurden trinkbare Phagen-Suspensionen zur Behandlung bakterieller Infektionskrankheiten benutzt. Anfang 1919 isolierte Félix d'Herelle Bakteriophagen aus Hühnerkot und bekämpfte damit erfolgreich Hühner-Typhus. Schon im August des selben Jahres behandelte er den ersten Menschen mit einer Phagen-Therapie. Dieser war an der Bakterienruhr (Dysenterie) erkrankt. Genau wie zuvor Frederick Twort wusste auch Félix d'Herelle damals noch nicht genau, was er entdeckt hatte. Aber er ging schon davon aus, dass er Organismen entdeckt hatte, die sich irgendwie von Bakterien ernähren. Andere bezweifelten das und kritisierten ihn auch wegen seiner Anwendung bei Menschen. Aber bevor er die ersten kranken Kinder damit behandelte, trank er zum Beweis der Ungefährlichkeit selbst die Phagen-Lösung. Nachdem er in Paris die ersten schwer an Bakterienruhr erkrankten Kinder erfolgreich behandelt hatte, rettete Félix d'Herelle mit seiner Phagen-Therapie 1925 Pest-Patienten in Ägypten sowie 1926 Cholera-Patienten in Indien.

Die Bakteriophagen-Therapie boomte vor allem beim Militär während des zweiten Weltkriegs, bis ein gewaltiges Projekt in den USA zur ersten massenhaften Produktion von Penicillin führte und die Phagen-Therapie scheinbar überflüssig machte. Denn Penicillin konnte in großen Mengen produziert und problemlos transportiert werden, war chemisch stabil und wirkte bei vielen verschiedenen Bakterienstämmen. Es hindert Bakterien daran, ihre Zellwände zu bilden und lässt sie platzen, sobald sie sich zu vermehren versuchen. Penicillin kann von jedem leicht angewendet werden, während man für die Phagen-Therapie ein Labor und das Wissen erfahrener Experten brauchte, um für jeden Patienten passende Bakteriophagen zu suchen. Darum verdrängte Penicillin die Phagen-Therapie. Seitdem wurde die Bakteriophagen-Therapie im sogenannten Westen nicht mehr angewendet. Doch inzwischen haben wir mit den Antibiotika das zunehmende Problem der multiresistenten pathogenen Bakterien. Problem der multiresistenten Bakterien. Das macht die Bakteriophagen-Therapie auch für westliche Ärzte wieder interessant.

Pathogene Bakterien und die uns davor schützenden Bakteriophagen können aus Patienten oder aus Abwasser isoliert werden. So lassen sich mit der Zeit Phagen-Banken mit mindestens einer Bakteriophagen-Spezies gegen fast jeden bakteriellen Krankheitserreger aufbauen. Die Bundesregierung und viele andere Regierungen machen sich aber nicht die Mühe, in der EU den rechtlichen Rahmen für die Anwendung der Phagen-Therapie zu schaffen. Dabei verzichten die selben Regierungen nahezu völlig auf die Qualitätskontrolle bei Implantaten und Heilpraktikern. In der Dokumentation erklärt die Geschäftsführerin der nationalen französischen Agentur für die Sicherheit von Arzneimitteln die Untätigkeit damit, dass intensive Diskussionen nur dazu geführt haben, die Phagen als Arzneimittel einzustufen, obwohl die für Arzneimittel geltenden Zulassungsbestimmungen für Phagen völlig ungeeignet sind. Da drängt sich die Frage auf, wie ignorant Wissenschaftler und Politiker und Behördenmitarbeiter eigentlich sein dürfen.

Immerhin erlauben die belgische und die französische Regierung im Gegensatz zur Bundesregierung bei austherapierten Patienten das Experimentieren mit der Bakteriophagen-Therapie in ausgewählten Kliniken. Aber selbst da behauptete einer der behandelnden französischen Ärzte in einem Interview, es gebe noch zu wenig Erfahrung mit der Phagen-Therapie [Dokumentation: Mysteriöse Bakterienkiller - Mit Viren aus der Antibiotika-Krise]. Was für eine Arroganz und Ignoranz angesicht der jahrzehntelangen Erfolge und Erfahrungen, die Wissenschaftler und Ärzte damit in Osteuropa gemacht haben! Wenn wir unsere Leben retten oder eine Amputation vermeiden wollen, dann fliegen wir daher besser gleich zu den wahren Experten nach Tiflis in Georgien, wo man seit Jahrzehnten über große Erfahrung mit der Phagen-Therapie und eine umfangreiche Bakteriophagen-Sammlung verfügt. Denn bis unsere westeuropäischen Ärzte das Rad neu erfunden haben, wird es wohl noch dauern.

Mit Bakteriophagen lassen sich nicht nur menschliche Patienten heilen, sondern auch unsere Tiere. Das wäre auch für die menschliche Gesundheit extrem wichtig, weil wir dadurch auf Antibiotika selbst in der Massentierhaltung verzichten könnten. Denn heute züchtet die Massentierhaltung durch den massenhaften Einsatz von Antibiotika in Tierställen immer mehr Antibiotika-resistente Bakterienstämme, die das Leben von Millionen Menschen bedrohen und in Zukunft gigantische Kosten im Gesundheitssektor und in der Wirtschaft verursachen werden.

Übrigens könnte man nach dem Vorbild der Bakteriophagen auch Viren gentechnisch herstellen und züchten, die ganz spezifisch nur bestimmte Krebszellen töten.

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