Dokumentation: "Die geheime Macht der Pilze - Wie sie uns helfen aber auch gefährden" (pdf)

Roland Heynkes, 27.9.2020

Zur selbständigen Erarbeitung meiner kritischen Zusammenfassung der Fernsehdokumentation Die geheime Macht der Pilze - Wie sie uns helfen aber auch gefährden gibt es ein Lernmodul mit klausurähnlichen Aufgaben (PDF)

In der Fernseh-Dokumentation behauptet Prof. Rob Dunn, dass vor 1 Miliarde Jahren auf unserem Planeten eine große Eiszeit endete und völlig unbelebte Kontinente hinterließ. Tatsächlich gab es Zeiten, in denen fast die gesamte Erde von Eis bedeckt war. Die letzte davon endete allerdings eher vor 580 Millionen Jahren.

Unabhängig von den genauen Zeiträumen scheint es aber so zu sein, dass völlig unfruchtbare Landmassen zuerst von Prokaryoten und Pilzen erobert wurden. Denn es gibt Pilze, die sich von Steinen ernähren und Steine in fruchtbare Erde verwandeln können. Ihre Sporen produzieren eine Säure, die Steine auflösen. Und ihre Hyphen dringen in die feinsten Risse der Steine ein. Dann sprengen sie die Steine mit dem hundertfachen Druck eines Autoreifens.

Unsinn sind die Aussagen des Films, dass Pilze zu den Pionieren des Lebens gehörten und seit Anbeginn des Lebens die Evolution vorantrieben. Denn Bakterien und Archäen entwickelten sich schon Milliarden Jahre vor ihnen. Falsch ist auch die Behauptung des Films, ohne die Pilze gäbe es kein Leben auf unserem Planeten. Ich finde es unglaublich, dass eine Mikrobiologin wie Dr. Anne A. Madden behauptet, ohne Pilze gäbe es auch sonst kein Leben. Aber die meisten Landpflanzen können kaum ohne Pilze leben. Und schon deshalb gäbe es ohne Pilze auch die Menschheit nicht. Aber Pflanzen und Tiere im Meer gäbe es auch ohne Pilze.

Es wurden versteinerte Pilze gefunden, die lange vor den ersten Landpflanzen lebten. Bis zu 8 Meter sollen frühe Pilze aus dem Boden geragt haben. Seitdem haben sich Pilze immer wieder an neue Umweltbedingungen angepasst. Sie hatten jede Menge Zeit dafür. Und sie haben erstaunliche Fähigkeiten entwickelt. Vor allem sind Pilze Meister der Biochemie. Es gibt nicht viel, was nicht von Pilzen verdaut werden kann. Und zu ihrer Verteidigung haben sie die giftigsten und nützlichsten Stoffe entwickelt. Dazu gehören auch die wichtigsten Medikamente des Menschen. Mit Hilfe von Pilzen oder ihrer Enzyme produzieren wir beispielsweise Käse, Salami, Zironensäure, alkoholische Getränke, Brot und viele andere unserer Lebensmittel.

Pilze sind weder Tiere noch Pflanzen, sondern die dritte Gruppe einzelliger oder vielzelliger Lebewesen. Forscher schätzen, dass es ungefähr 6 Millionen Pilz-Spezies gibt. Bekannt sind allerdings nicht einmal 60.000. Anders als Pflanzen und Tiere haben Pilze keine massiven Körper, sondern besehen aus Hyphen genannten Fäden.

Was wir im Herbst im Wald oder auf Rasen sehen, sind nur ihre Fortpflanzungsorgane, in denen sie mikroskopisch kleine Sporen bilden, die vom Wind über große Entfernungen transportiert werden und von denen wir ständig einige einatmen. Der weitaus größte Teil eines Pilzes steckt allerdings in der Erde oder in dem, was der Pilz gerade frisst. Im Waldboden können Pilze Quadratkilometer groß werden und unzählige Bäume miteinander verbinden. Allein unter einem menschlichen Fußabdruck können sich im Waldboden Hyphen mit einer Gesamtlänge von 500 Kilometern befinden. Viele Pilz-Spezies leben als eng mit den Wurzeln von Pflanzen verbundene Symbionten. Sie versorgen die Pflanzen mit Wasser und Mineralstoffen und erhalten dafür von den Pflanzen energiereiche Stoffe. Außerdem sollen diese Pilze den Pflanzen als eine Art Transportnetzwerk für Informationen ähnlich dem Internet dienen.

Die Destruenten unter den Pilzen fressen sogar tote Bäume und versorgen mit deren Mineralstoffen außer sich selbst auch die lebenden Pflanzen. Dadurch sind Pilze am großen Stoffkreislauf im Wald beteiligt.

Zwar ist die Aussage von Prof. Matthew Carrigan falsch, dass Gorillas und Schimpansen zu unseren Vorfahren gehören. Aber vor schätzungsweise 10 Millionen Jahren entwickelten frühe Menschenaffen die Fähigkeit Alkohol zu konsumieren, ohne betrunken und dadurch zu leichten Opfern von Raubtieren zu werden. Das war für die frühen Vorfahren von Gorillas, Schimpansen und Menschen ein großer Vorteil, weil sie sich dadurch von vergorenen Früchten ernähren konnten, die von Bäumen fielen und von Hefe-Pilzen teilweise zu Alkohol verdaut wurden. Wahrscheinlich bekämpfen die Pilze mit dem Alkohol Bakterien. Millionen Jahre später nutzten Menschen Hefe-Pilze, um aus Getreidekörnern zuerst Alkohol und später auch Brot herzustellen.

Im Jahr 1928 erkannte Alexander Flemming in seinem Londoner Labor, dass von ihm gezüchtete Bakterien durch einen von Pilzen mit dem Namen Penicillium produzierten Stoff getötet wurden. Viel später nutzten andere Forscher in den USA diese Erkenntnis für die massenhafte Produktion des ersten Antibiotikums Penicillin. Dieses Antibiotikum war mitentscheidend für den Ausgang des zweiten Weltkriegs, weil es unzähligen amerikanischen Soldaten das Leben rettete und sie wieder kampfbereit machte. Nach dem zweiten Weltkrieg ermöglichten aus verschiedenen Pilz-Arten gewonnene Antibiotika die enorme Vermehrung der Menschheit, die bis dahin immer wieder von Bakterien wie dem Pest-Bakterium massenhaft getötet wurden. Deshalb stellt es eine ernste Bedrohung für die Menschheit dar, dass aufgrund menschlicher Unvernunft und Profitgier immer mehr bakterielle Krankheitserreger unempfindlich gegen Antibiotika werden, während die Pharmakonzerne längst aufgehört haben, neue Antibiotika zu entwickeln.

Der Entdeckung des vor rund 5000 Jahren in den Alpen ermordeten Ötzi verdanken wir die Erkenntnis, dass Menschen schon seit Jahrtausenden Pilze zur Bekämpfung von Entzündungen, Krebs und Infektionskrankheiten nutzen, die durch Bakterien und sogar Viren verursacht werden. Heute stammt die Hälfte der 20 wertvollsten Medikamente aus Pilzen.

Heute suchen Biotechnologen wie die Professorin Very Meyer ganz neue Anwendungen der biochemischen Fähigkeiten von Pilzen. So entwickelte sie ein Verfahren zur Herstellung von Baustoffen aus Pilzen. Daraus kann man beispielsweise Pilzleder, Fahrradhelme und schwer brennbare Dämmstoffe für Häuser herstellen.

Ein großes Mißverständnis ist auch die Behauptung von Prof. Rob Dunn, Bakterien würden am liebsten ganze Ameisen-Kolonien töten. Denn glücklicherweise sind Bakterien überhaupt nicht daran interessiert, Menschen zu töten. Sie versuchen nur, zu überleben und sich zu vermehren. Aber manche Ameisen nutzen anscheinend Pilze zur Abfallbeseitigung und um sich vor krankmachenden Bakterien zu schützen.

Auch Pilze haben kein Interesse daran, Menschen zu töten. Unter unglücklichen Umständen kann das aber passieren. So tötete ein aus Australien eingeschleppter Pilz in den USA Menschen ohne Vorerkrankungen, während er in heißen Gebieten Australiens harmlos im Boden lebt. Dort hat er gelernt, sich gegen im Boden lebende Amöben zu verteidigen. Diese Fähigkeit schützt ihn aber auch vor weißen Blutkörperchen des menschlichen Immunsystems. Dadurch kann der Pilz sogar in die Gehirne der Patienten eindringen und diese durchlöchern. Wird die Pilz-Infektion rechtzeitig erkannt, dauert die Behandlung viele Monate. Aufgrund des Klimawandels ist zu befürchten, dass dieser Pilz weitere Gebiete außerhalb Australiens erobern wird. Besonders bei großer Trockenheit werden die Pilz-Sporen mit dem Staub aufgewirbelt und von Menschen eingeatmet.

Hitze-resistente Pilze stellen eine neue Gefahr für Menschen dar, denn bisher gibt es nur wenige Pilz-Spezies, die bei unserer Körpertemperatur von 37°C überleben können.

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Roland Heynkes, CC BY-NC-SA 4.0