Dokumentationen mit neueren Erkenntnissen über Neandertaler (pdf)

Roland Heynkes, 15.11.2017

Gliederung

zum Text Quellen
zum Text Die Neandertaler - Überlebenskampf der Clans
zum Text Apokalypse der Neandertaler 1 Die Ankunft des Homo Sapiens
zum Text Apokalypse der Neandertaler 2 Der tödliche Supervulkan
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Bei YouTube kann man sich die Sendungen ansehen:

Die Neandertaler - Überlebenskampf der Clans nach oben

Super RTL sendete seine Übersetzung dieses ersten Teils einer zweiteiligen britischen Sendung. Arte sendete eine etwas andere Version der selben Vorlage. Ich habe mir die Version von Super RTL angesehen und fasse sie hier mit einigen Kommentaren zusammen.

Schon vor anderthalb Millionen Jahren scheinen Gruppen von Homo erectus aus Afrika nach Asien und später auch Europa ausgewandert zu sein. Später sollen Wüstenbildungen und ähnliche Barrieren menschliche Populationen für längere Zeiten isoliert haben, sodass sich aus den ausgewanderten Homo erectus in verschiedenen Klimazonen unterschiedlich neue Formen entwickelten. (Es waren Rassen, die bis heute fälschlich als verschiedene Spezies bezeichnet werden, weil man sie früher für nicht fruchtbar kreuzbar hielt.) In Europa war das der Neandertaler, während sich in Afrika ebenfalls aus Homo erectus an warmes Klima angepasste Menschen entwickelten. Vor etwa 100.000 Jahren scheinen Gruppen dieses Homo sapiens nach Vorder- und Mittelasien ausgewandert zu sein. In einer wärmeren Periode vor rund 45.000 Jahren scheint sich Homo sapiens dann auch nach Europa ausgebreitet zu haben. Etwa 10.000 Jahre danach sollen die ersten im heutigen Südfrankreich aufgetaucht sein. Die zuerst 1868 in einer südfranzösischen Höhle gefundenen Cro-Magnon-Menschen werden als die ersten modernen Menschen Europas bezeichnet. (Diese ersten gefundenen lebten vor 27.680 +/- 270 Jahren.) Damals lebten schon seit mindestens 250.000 Jahren Neandertaler in Europa.

Der Film behauptet, Homo sapiens habe erfinderischer und wendiger denken können und neue Arten des Zusammenlebens erfunden. Die Angaben des Films zur Rangfolge in Neandertaler-Gruppen sind meines Erachtens rein spekulativ, denn das kann man nicht wissen. Für wahrscheinlich halte ich aber die Vermutung der Autoren, Neandertaler hätten wohl viel Zeit in die gegenseitige Körperpflege investiert und damit ihre Gemeinschaften gestärkt. Sicherlich konnte man nur so in einer derart schwierigen Umgebung überleben. Wahrscheinlich stimmt auch die Mutmaßung des Films, Neandertaler hätten sich aufgrund ihrer kleinen Gruppen und relativ dünnen Besiedlung des Landes trotz bester Anpassung an das Klima schlecht gegen durchziehende Einwanderer verteidigen können. (Denn durchziehende Einwanderer müssen ihre Gruppengröße nicht an das Nahrungsangebot eines Lebensraumes anpassen. Sie konnten die Lebensräume der Neandertaler rücksichtslos ausbeuten und dann weiterziehen. Damit und vielleicht auch mit eingeschleppten Krankheiten hätten sie die Neandertaler in große Schwierigkeiten gebracht. Außerdem hätten sie als größere Gruppen und mit ihren Distanzwaffen die Neandertaler direkt angreifen können.)

Vor 35.000 Jahren war Südfrankreich ein karges Land mit rauem Klima, ähnlich wie heute in Nordkanada. Teile des Landes waren von gigantischen Gletschern bedeckt. Nicht selten fällt die Temperatur im Winter unter -25°C. Mammutherden ziehen über windgepeitschte Grasebenen. Es sollen Wisente und Rothirsche in Wäldern gelebt haben. In Kalksteinhöhlen lebten an das Klima gut angepasste Neandertaler in kleinen Gruppen. Sie sollen das Land so dünn besiedelt haben, dass sie es kaum beeinflussten. (Das wäre allerdings sehr ungewöhnlich für einen Spitzenpredator und damit für mich unglaubwürdig.) Aus Fellen sollen sie sich Kleindung gefertigt haben. Sie scheinen Abfälle in hinteren Teilen ihrer Höhlen zerlegt und vergraben zu haben, wo diese versteinerten. So können Naturwissenschaftler heute durch Untersuchungen an versteinertem Kot auf die Essgewohnheiten der Neandertaler schließen.

Neandertaler-Zähne verraten, was sie aßen und wie sie ihre Kleidung herstellten. Manche Neandertaler-Knochen erlauben heute noch die Diagnose bestimmter Krankheiten oder Todesursachen. Fast die Hälfte aller bisher gefundenen Neandertaler-Knochen stammen von Kindern unter 11 Jahren. Demnach war die Kindheit wohl das für Neandertaler gefährlichste Alter. Das harte Leben und Krankheiten sollen Neandertaler schon mit Mitte 40 zu schwachen Greisen gemacht haben. (Seltsam, denn bei uns verlangsamt Training das Altern.) Anscheinend starben 4 von 5 Neandertalern vor ihrem 40sten Lebensjahr(, aber ich vermute eher Jagdunfälle und Krankheiten als Ursache und nicht vorzeitige Alterung). Ein im Irak gefundenes Neandertaler-Skelett weist neben mehreren Brüchen in einem infolgedessen stark verkümmerten Oberarmknochen und einem vermutlich unfallbedingt fehlenden Unterarm auch Spuren schwerer Arthritis an den Fußknöcheln und einem Knie auf. Der Schädel zeigt Spuren eines schweren Schlages auf die linke Kopfseite, die möglicherweise zu einer Lähmung des rechten Armes führte. Eine Augenhöhle war gebrochen und das Auge wahrscheinlich durch die Quetschung erblindet. Die Filmautoren nehmen an, dass auch die Kräfte der Neandertalerfrauen bereits mit Mitte 20 zu schwinden begannen. Fast jeder Fossilfund weist schwere Verletzungen auf. Offenbar war ihr Leben extrem gefährlich. Es war wohl auch sehr anstrengend. Experten meinen, Neandertaler hätten täglich etwa 4500 Kilokalorien verbraucht, im Winter sogar über 7000. Das wäre etwa das Dreifache des Verbrauches eines modernen Menschen(, der kein Leistungssportler ist).

Neandertaler hatten einen stärkeren Körperbau mit kürzeren Beinen und Unterarmen als heutige Menschen. Sie sollen viel mächtigere Nasenhöhlen mit sehr gut durchbluteten und besonders großen Schleimhäuten gehabt haben, sodass sie die Atemluft gut anwärmen konnten. Wahrscheinlich waren das Anpassungen an die Kälte. Heute empfinden wir die Neandertaler als hässlich (und das könnte etwas mit seinem Aussterben zu tun haben, weil es ein entscheidender Nachteil bei der sexuellen Selektion gewesen sein könnte).

Der Lebensraum der Neandertaler soll im Norden durch die arktisch Tundra und im Süden durch das Mittelmeer auf Europa und Vorderasien begrenzt gewesen sein. Zu keiner Zeit sollen mehr als 100.000 Neandertaler gelebt haben. Die südlichsten Knochen wurden in Israel, die östlichsten in Usbekistan gefunden. Es gab Neandertaler an der Eisgrenze in Wales und in Spanien, aber am dichtesten soll ihre Population im heutigen Südfrankreich gewesen sein. Trotzdem wird ihre Zahl dort auf nur 3000 geschätzt. Feuer soll Neandertaler vor Höhlenbären, Höhlenlöwen, Leoparden und Wölfen geschützt haben.

Im Film wird die Vermutung geäußert, dass die Männer in ihren kleinen Clans blieben, während junge Frauen zur Vermeidung von Inzucht in andere Clans wechseln mussten. Die Autoren halten es zwar nicht für ausgeschlossen, dass die Frauen gelegentlich auf eigenen Wunsch oder nach Vereinbarungen wechselten, aber Entführungen halten sie für wahrscheinlicher. (Mich überzeugt das nicht, weil gerade für kleine Clans meines Erachtens Ärger mit den Nachbargruppen zu gefährlich gewesen wäre.) Das Problem sehen die Autoren nicht, denn (anders als ich) meinen sie, die Neandertaler-Gruppen hätten (im Gegensatz zu anderen in Rudeln lebenden Spitzenraubtieren) weitgehend isoliert voneinander gelebt, anstatt im Laufe der Zeit jedes Revier zu besetzen. Die Autoren meinen, die einzelnen Neandertaler-Gruppen hätten sich in Kleidung, Haaren, Aussehen, Geruch, Gestik und Sprache unterschieden und seien sich völlig fremd gewesen, sodass jeder Wechsel einer jungen Frau ein furchtbares Erlebnis gewesen sei. (Ich halte das für sehr unwahrscheinlich.)

Der Film erwähnt die seltsame Einschätzung vieler früherer Urmenschenforscher, Neandertaler hätten sich wie Menschenaffen nur mit Mimik, Gebärden und Rufen verständigt. Bis Anfang der 1980er Jahre meinten Paläoanthropologen aufgrund von Schädelmerkmalen den Neandertalern die anatomischen Voraussetzungen für Sprache absprechen zu müssen. Doch dann fanden Naturwissenschaftler 1983 in Israel ein Neandertalerskelett mit drei kleinen Knochen, die zusammen das Zungenbein bilden, welches Menschen zum Sprechen benötigen. Es sitzt im Rachen und stützt die Zunge bei der Wortbildung. Beim Neandertaler unterschied es sich von unserem heutigen praktisch überhaupt nicht, sodass man heute davon ausgeht, dass Neandertaler ähnlich wie wir sprechen konnten. Vielleicht war ihre Sprache etwas schwerfälliger, weil ihr Rachen kürzer war und ihr Kehlkopf höher lag.

Als einzige bekannte Jagdwaffen hat man bei Neandertalern nur Stoßspeere gefunden, während Homo sapiens Wurfspeere besaß und damit wesentlich sicherer jagen konnte. Für das Öffnen und Zerteilen der Beute hatten sie rasiermesserscharfe Flintsteine (meisterhaft hergestellt Steinwerkzeuge).

Bei modernen Menschen beträgt der Fleischanteil der Nahrung durchschnitllich 12%. In Gibraltar gefundener versteinerter Neandertaler-Kot weist auf eine hauptsächlich aus Fleisch bestehende Nahrung hin. Analysen verschiedener Skelette kamen zum selben Ergebnis, denn nur eine extrem Eiweiß- und Fett-reiche Ernährung kann die gefundenen hohen Anteile an Kohlenstoff und Stickstoff erklären. Neandertaler scheinen sich wie Wölfe zu fast 90% von erjagten Tieren ernährt zu haben. Weil heute nur noch Inuit eine derart fleischreiche Ernährung unbeschadet ertragen, besaßen Neandertaler wahrscheinlich besondere Genvarianten für einen Raubtier-Stoffwechsel.

Apokalypse der Neandertaler 1 Die Ankunft des Homo Sapiens nach oben

In Afrika fand man bis zu 600.000 Jahre alte Fossilien des Homo heidelbergensis. Er gilt als der erste Mensch, der Feuer nutzte und mit Holzspeeren auf die Jagd ging. Dieser Frühmensch erhielt seinen Namen nach der Stadt Heidelberg, wo man 1907 die ersten Fossilien dieser Spezies fand. Er hat also Afrika verlassen und ist unter anderem bis ins heutige Deutschland gekommen. Aus dieser menschlichen Spezies soll sich nach aktuellem Forschungsstand in Afrika der Homo sapiens und in Europa oder Asien der Neandertaler entwickelt haben. Die ältesten zum Zeitpunkt der Filmproduktion bekannten Funde von Homo sapiens in Afrika waren nur 200.000 Jahre alt. Die ältesten Neandertaler-Knochen scheinen mindestens 340.000 Jahre alt zu sein. In Europa könnte der Übergang vom Homo heidelbergensis zum Neandertaler durch die Abkühlung des Klimas vor 400-300 Tausend Jahren gefördert worden sein. Als Anpassung an das kältere Klima und das spärliche Sonnenlicht besaßen Neandertaler einer hellere Haut, glatte Haare, große Nasen und eine kompakte Gestalt mit relativ kurzen Armen und Beinen. Mitten in der Eiszeit breiteten sich die Neandertaler in ganz Europa, dem Nahen Osten und Zentralasien bis nach Sibirien aus. Weil es in dieser eisigen Welt nur wenig Vegetation gab, lebten sie hauptsächlich vom Fleisch kleiner und großer Tiere, die sie mit Stoßlanzen jagten. Aus Feuersteinen fertigten Neandertaler extrem scharfe Keilmesser, mit denen sie die Beute sehr gut zerlegen konnten. Das Fleisch wurde durch Hitze verdaulicher gemacht und aus den Tier-Häuten machten sie Leder und Kleidungsstücke.

Wohl aufgrund des rauhen Klimas und der gefährlichen Lebensweise wurden Neandertaler offenbar meistens nicht sehr alt. Sie mussten in Gruppen eng zusammenleben, um sich um Verletzte, Behinderte und verwaiste Kinder kümmern zu können. Das zeigt unter anderem das schon 1857 in Mettmann als allererstes gefundene Skelett eines Neandertalers, der schon als Jugendlicher schwer verletzt wurde und trotz seiner Behinderung relativ alt wurde. Neandertaler beerdigten außerdem ihre Toten. Man kennt inzwischen verschiedene Bestattungs-Traditionen der Neandertaler.

Das Aussterben der Neandertaler ist bis heute ein Rätsel. Bis vor etwa 39.000 Jahren lebten Neandertaler in ganz Europa und Zentralasien. Dann verschwanden sie plötzlich aus dem größten Teil ihres damaligen Verbreitungsgebietes. Es gab zwar noch lange danach Neandertaler, aber die lebten wohl in zu kleinen und zu weit voneinander entfernten Gruppen, um dauerhaft zu überleben. Die heute bekannten Fundstücke sprechen dafür, dass die letzten Neandertaler in der heute teilweise unter dem Meeresspiegel liegenden Umgebung von Gibraltar lebten. In den dortigen Höhlen lebten über Jahrtausende viele Neandertaler. Heute sind etliche der Höhlen vom Meer überflutet, aber in den höher gelegenen haben Archäologen schon zahlreiche Überreste von Neandertalern, ihren Werkzeugen, abstrakten Zeichnungen, Lagerfeuern und Beutetieren gefunden. Funde deuten darauf hin, dass sich Neandertaler bemalten und beispielsweise mit Federn schmückten.

Vor 80.000 bis 60.000 Jahren sollen die ersten Homo sapiens aus Afrika in Richtung Naher Osten und Asien ausgewandert sein. Es wird in der Dokumentation nicht erwähnt, aber offenbar wurden schon hier Mischlings-Kinder geboren, von denen einige die besten Eigenschaften von Neandertaler und Homo sapiens in sich vereinten. Ein Teil der Homo sapiens und der Mischlinge zogen auch nach Westen und drangen vor rund 40.000 Jahren in die Heimat des Neandertalers ein. Diese Homo sapiens waren größer und schlanker als die Neandertaler, aber längst nicht so muskulös. In kalter Umgebung kühlten sie daher wesentlich schneller aus als Neandertaler und brauchten länger, um sich wieder aufzuwärmen. Dafür waren sie aber Ausdauerläufer. Ihre Gehirne war im Durchschnitt kleiner als die der Neandertaler. Beweise für eine geistige Überlegenheit des Homo sapiens fand man nicht. Im Nahkampf hätte Homo sapiens gegen Neandertaler keine Chance gehabt, aber sie konnten aus der Distanz mit ihren Wurfspeeren töten. Da Neandertaler und Homo sapiens beide Jäger waren, sollte es zu Konflikten zwischen beiden Gruppen gekommen sein. Funde zeigen aber, dass beide über Jahrtausende in den selben Gebieten lebten.

Lange dachte man, der moderne Mensch habe den Neandertaler verdrängt, weil der Neandertaler vergleichsweise primitiv gewesen sei. Man hat im Irak das 40-50 Tausend Jahre alte Skelett eines Neandertalers gefunden, der anscheinend durch den Wurfspeer eines Homo sapiens getötet wurde. Heute wissen wir aber, dass der extrem muskulöse Neandertaler nicht nur fast doppelt so stark und besser an große Kälte angepasst war. Trotz der stark abweichenden Schädelform waren die Gehirne der Neandertaler den Gehirnen der Homo sapiens sehr ähnlich. Neandertaler waren genauso intelligent wie die damaligen Homo sapiens. Allerdings war bei Neandertalern der Teil des Gehirns größer, in welchem Seheindrücke verarbeitet werden. Dadurch konnten sie vermutlich Entfernungen und Richtungen genauer einschätzen, was für Jäger sehr wichtig ist. Ihre Stoßspeere waren mächtigere Waffen für die Jagd auf große und gefährliche Beutetiere als die Wurfspeere der Homo sapiens. Ihre Steinwerkzeuge waren noch besser als die die der Homo sapiens. Nur für Laien sehen die Werkzeuge der Neandertaler primitiver als die des Homo sapiens aus. Welche Kunst ihre Herstellung erfordert, erkannten experimentelle Archeologen, als sie mehr als ein Jahr brauchten, um die Herzustellung der Neandertaler-Werkzeuge zu erlernen. Man braucht dafür ein ausgezeichnetes räumliches Vorstellungsvermögen und großes Wissen über die Eigenschaften der Steine.

Neandertaler jagten nicht nur Großwild, sondern fingen auch Fische. Vor mehr als 200.000 Jahren erfanden sie sogar einen komplizierten Prozess zur Herstellung des ersten synthetischen Materials der Menschheit. Um die Steinklingen ihrer Speere fest mit dem Holz zu verbinden, erzeugten sie bei 300-400 Grad Celsius unter Ausschluss von Sauerstoff durch sogenannte trockene Destillation aus Birkenrinde den Klebstoff Birkenpech. Auch einfache Kunstwerke konnte man Neandertalern zuordnen.

Was dieser erste Teil der Dokumentation noch nicht sagt, ist die Tatsache, dass in Europa und überall außerhalb Afrikas nicht nur der Neandertaler, sondern auch der Homo sapiens ausstarb. Sehr wahrscheinlich waren es nicht nur Homo sapiens, sondern vor allem auch Mischlinge, die nach Europa einwanderten und Jahrtausende neben den Neandertalern lebten. Und nur die Mischlinge blieben schließlich nach dem Aussterben der Neandertaler übrig bzw. wanderten wieder ein. Homo sapiens hätte massiv unter einem Vitamin-D-Mangel gelitten und sein Immunsystem wäre kaum mit den europäischen Krankheiten fertiggeworden. Neandertaler-Homo-sapiens-Mischlinge hatten bereits viele nützliche Eigenschaften von den Neandertalern geerbt. Das sieht man noch heute in unseren Bauplänen. Unerwähnt bleibt leider auch die naheliegende Hypothese, dass neben einer größeren Fruchtbarkeit auch sexuelle Selektion zu einer Bevorzugung der hochgewachsenen Mischlinge gegenüber den gedrungeneren Neandertalern geführt haben könnte.

Apokalypse der Neandertaler 2 Der tödliche Supervulkan nach oben

Im Jahr 2003 fanden Höhlenforscher in den rumänischen Karpaten 40 Bruchstücke eines 40.000 Jahre alten menschlichen Schädels, der nach dem mühsamen Zusammensetzen wie der Schädel eines modernen Menschen mit den Zügen eines Neandertalers wirkt. Er hat ein längeres Gesicht und viel größere Zähne als ein Homo sapiens und am Hinterkopf sieht man die für Neandertaler typische Vorwölbung für den Teil des Gehirns, der Seheindrücke verarbeitet. Heute finden Genetiker überall außerhalb von Afrika in den Bauplänen (Genomen) moderner Menschen Gen-Varianten (Allele), die man nur vom Neandertaler und nicht von afrikanischen Homo sapiens kennt. Die meisten nichtafrikanischen modernen Menschen haben 1,9-2,1% Neandertaler-Allele. Insgesamt kann man heute noch etwa 30% der Neandertaler-Allele in modernen menschlichen Populationen finden. Die ersten gemeinsamen Kinder von Neandertalern und Homo sapiens sollen vor rund 60.000 Jahren geboren worden sein. Vom Nahen Osten aus haben sich diese Mischlinge über den gesamten Globus ausgebreitet. Nur nach Afrika haben sie es nicht geschafft. Besonders häufig handelt es sich bei den Neandertaler-Allelen um Gene für glatte Haare und helle Haut sowie für das Immunsystem. Vielleicht haben wir von den Neandertalern auch Gen-Varianten geerbt, die uns für schlechte Zeiten Fettreserven anlegen lassen, wenn wir mehr als genug essen. Offenbar brachten Neandertaler-Allele den Mischlingen gegenüber den ursprünglichen Homo sapiens Vorteile im Hinblick auf das Leben in dunkleren und kälteren Regionen außerhalb Afrikas. Das scheint das Aussterben der reinen Homo sapiens außerhalb Afrikas zu erklären.

In der en Selektion durch die harten Umweltbedingungen müssten die perfekt angepassten Neandertaler trotzdem immer noch besser als die Mischlinge angepasste gewesen sein. Vielleicht sahen aber die Mischlinge besser aus und vielleicht bevorzugten auch schon die Neandertalerfrauen die größeren Mischlinge mit den weniger vorstehenden Augenbrauen. Männliche Neandertaler könnten schlanke Homo-sapiens-Frauen bevorzugt haben. Für eine derartige sexuelle Selektion gegen die stämmigere Neandertalerfigur spricht, dass die modernen Menschen innerhalb und außerhalb Afrikas alle relativ ähnlich und viel mehr wie Homo sapiens aussehen. Deshalb werden wir auch in dieser Dokumentation immer alle als Homo sapiens bezeichnet, obwohl das eigentlich nur auf die Afrikaner zutrifft.

Auf jeden Fall besaß die Population der Mischlinge eine viel größere genetische Vielfalt als die Population der Neandertaler. Das ist im Kampf gegen das Aussterben immer ein großer Vorteil. Außerdem breiteten sich die Mischlinge bis nach Australien in weite Gebiete aus, in denen es keine Neandertaler gab. Ein großes Verbreitungsgebiet ist ebenfalls ein wichtiger Vorteil im Falle lokaler Umweltkatastrophen. Ein weiterer Vorteil der Mischlinge scheint ihre größere Vermehrungsrate gewesen zu sein. Denn je weniger Individuen eine Rasse oder Spezies besitzt, desto leichter kann sie Krankheiten oder Umweltkatastrophen zum Opfer fallen.

Aus den meterdicken, über zig Jahrtausende Jahr für Jahr aufgeschichteten Sedimenten auf den Böden der Eifel-Maare lässt sich ablesen, wie wechselhaft das Klima in Westeuropa war. Ein Meter Sediment entspricht 1000 Jahren Klimageschichte. So fand man heraus, dass es in der Eifel vor fast 45.000 Jahren Wald gab, vorher und nachher jedoch über Jahrhunderte nur Steppe oder gar keine Vegetation. Es gab sehr schnelle extreme Klimawechsel. Vor etwa 40.000 Jahren verwandelte sich die Landschaft plötzlich in eine Eiswüste. Viele Menschen erfroren oder verhungerten damals im nördlichen Europa. Andere dürften nach Süden gewandert sein. Insgesamt scheint damals die Zahl der Neandertaler von etwa 100.000 auf nur noch 20.000 zurück gegangen zu sein. Wie bei den heutigen Menschenaffen stieg damit das Risiko von Inzucht, Epidemien, katastrophalen Auswirkungen von Umweltereignissen und Aussterben.

Ein auch noch für die heutige Menschheit nicht ungefährlicher Umwelteinfluss ist der Ausbruch eines Supervulkans. Denn dessen Asche und Gase töten nicht nur fast alle Pflanzen und Tiere in seiner Umgebung. Sie können weltweit die Sonneneinstrahlung so sehr reduzieren, dass ganze Sommer ausfallen und Menschen massenhaft verhungern. Im kilometerdicken Eisschild Grönlands fanden Forscher die Spuren eines gewaltigen Vulkanausbruchs vor etwa 39.000 Jahren. Dieser Supervulkan ist heute wieder zunehmend aktiv und liegt nahe dem Vesuv bei Neapel in den sogenannten Phlegräischen Feldern. Als er vor 39.000 Jahren das letzte Mal ausbrach und aus einem 12 Kilometer breiten Krater wahrscheinlich 2-4 Tage lang Material in die Atmosphäre schleuderte, hinterließ er in großen Teilen Süd- und Osteuropas, im gesamten östlichen Mittelmeerraum, dem Nahen Osten und bis nach Russland sowie Zentralssien dicke Ascheschichten. Bei Neapel sind sie 60 Meter dick. Mehr als 1100 Kilometer von Neapel entfernt fand man in Rumänien eine Ascheschicht, die immerhin noch über einen Meter dick ist. Schätzungsweise 4 Millionen Quadratkilometer und damit der größte Teil des Neandertaler-Lebensraumes wurden mit einer mindestens 5 Millimeter dicken, giftigen Ascheschicht bedeckt. Es war die stärkste Eruption in Europa in den letzten 200.000 Jahren. Wolken voller Staub und Schwefel verdunkelten die Sonne und ließen die Temperaturen in einem riesigen Gebiet bis nach Grönland abstürzen. Fluorid und andere Stoffe vergifteten Böden und Trinkwasser. Deshalb starben Pflanzen, Menschen und andere Tiere. Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, folgte dem giftigen Ascheregen auch noch ein vulkanischer Winter.

Wenn dieses Supervulkan-Monster das nächste Mal ausbricht, sollten wir in der Lage sein, schnell große Mengen nahrhafter Pflanzen mit künstlichem Licht in schützenden Gebäuden anzubauen. Die Neandertaler und auch die Mischlinge in Europa und weiten Teilen Asiens konnten das nicht und starben damals großflächig aus. Und leider überlebten fast nur die Homo sapiens in Afrika und die Mischlinge in ausreichend weit entfernten Gebieten. Anscheinend weil der Wind während des Ausbruchs von Westen wehte, überlebten außerdem einige Neandertaler ganz im Südwesten Europas. In den Höhlen von Gibraltar lebten immerhin noch bis etwa 15.000 Jahre nach dem Ausbruch des Supervulkans Neandertaler mit den typischen Merkmalen des Skeletts. Danach konnte man ihre Nachkommen nicht mehr als Neandertaler erkennen. Das heißt aber nicht, dass sie keine Nachkommen hatten und nicht nur als Art, sondern auch als Familien ausstarben.

In riesigen Gebieten dauerte es wahrscheinlich ein Jahrhundert, bis sie wieder bewohnbar wurden. Als die menschenleeren Gebiete wieder besiedelt werden konnten, standen sehr wenige Neandertaler einer sehr viel größeren Anzahl von Mischlingen gegenüber. Wären sie rassistisch gewesen und hätten nur untereinander geheiratet, dann wären die Neandertaler durch Inzucht ausgestorben. Wahrscheinlich waren sie aber nicht rassistisch und bekamen immer häufiger Kinder mit den Mischlingen. Dadurch gab es irgendwann nur noch Mischlinge und keine reinrassigen Neandertaler mehr. So gesehen ist aber das Aussterben der Neandertaler im Grunde gar kein Verlust, sondern ein ganz normaler Prozess in der Evolution des Menschen, der bis heute anhält. Auch die Schädel der mittelalterlichen Menschen sahen deutlich anders aus als unsere heutigen. Auch sie sind quasi eine ausgestorbene Rasse, obwohl ihre Nachkommen immer noch leben. Auch die Nachkommen der Neandertaler leben bis heute und haben sich auf dem gesamten Globus ausgebreitet. Nur in Afrika ist die Bevölkerung bis heute mehrheitlich Homo sapiens ohne Neandertaler-Ahnen.

Weltweit kennt man 23 Supervulkane. Der größte befindet sich unter dem Yellowstone-Nationalpark. Einen Ausbruch dieses Supervulkans würde die Supermacht USA wahrscheinlich nicht überleben. Es könnte auch global die gesamte Landwirtschaft auf Feldern und Weiden zusammenbrechen. Das würde weltweit die menschlichen Populationen und einen großen Teil unserer modernen Zivilisation zusammenbrechen lassen.

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Roland Heynkes, CC BY-NC-SA 4.0

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