Dieser Hypertext soll möglichst verständlich erklären, was jeder Mensch über die Faktoren wissen sollte, die unsere Gehirne krank machen oder gesund erhalten (pdf).
Der selbständigen Erarbeitung dieses Selbstlern-Hypertextes dient das Übungsmodul Hirngesundheit mit klausurähnlichen Aufgaben. |
Wie wirkt negativer Stress im menschlichen Körper? |
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Fühlen wir uns überfordert oder empfinden anderen negativen Stress, dann veranlasst das Zwischenhirn die Hormon-Drüse (genauer den Hypophysenvorderlappen) zur Ausschüttung von Stoffen (das adrenocorticotrope Hormon (ACTH)), welche die Nebennieren zur Ausschüttung der Stress-Hormone Cortisol und Noradrenalin veranlassen. Das kann zu Schädigungen an verschiedenen Geweben führen. Betroffen ist auch unsere Gedächtniszentrale, der Hippocampus (Eigentlich haben wir einen in jeder Hirnhälfte.). Auf die Dauer fördern Stress, Angst und Überforderung die Entwicklung von Alzheimer und anderen psychiatrischen Erkrankungen. Lebenslang fördert Lernen die Bildung neuer Synapsen, aber Stress lässt sie und schießlich sogar ganze Nervenzellen absterben.
Demenz |
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Natürlich kann nicht nur Stress zu einer Demenz führen, sondern auch Depressionen, Bluthochdruck, Diabetes oder Störungen im Fett-Stoffwechsel, die alle zu den sogenannten Zivilisationskrankheiten gehören. Die durch mangelhafte Durchblutung verursachte vaskuläre Demenz erzeugt neue Löcher im Gehirn. Die Alzheimer-Erkrankung lässt die Hirnmasse derart schrumpfen, dass die Falten und Hohlräume des Gehirns erkennbar größer werden.
Wie haben alte Menschen mit gesunden Gehirnen gelebt? |
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Jeder vierte Deutsche über 85 und sogar jeder dritte über 90 leidet an Alzheimer. In den meisten Ländern der Erde ist es ganz ähnlich, aber es gibt auch Ausnahmen. In den Bergen der Mittelmeerinsel Sardinien liegt die Demenzrate der Überneunzigjährigen unter 10% und auch auffällig viele Männer errreichen bei guter körperlicher und geistiger Gesundheit ein hohes Alter. Man nennt solche Regionen blaue Zonen und es gibt noch mehr davon (z.B.: die griechische Insel Ikaria, eine Halbinsel von Costa Rica und Berlin). Zunächst vermutete man genetische Ursachen. Es stellte sich aber heraus, das es wesentlich stärker durch unsere Erfahrungen und unsere Lebensweise beeinflusst wird, ob wir ein langes Leben mit klarem Verstand und gutem Gedächtnis genießen können. Den Einfluss erblicher (genetischer) Faktoren auf die Lebenserwartung schätzt man heute nur noch auf 20-25%. Der Hirnforscher Prof. Joachim Bauer in Freiburg hält ein traumafreies Leben in guten sozialen Beziehungen für den am stärksten auf die Lebensdauer durchschlagenden Einzelfaktor. Marinesoldaten, die im Krieg in ihren U-Booten wochenlang in Todesangst leben mussten, erkrankten später auffällig oft an Demenz. Der Alzheimer-Forscher Prof. Konrad Beyreuther hält sogar Beleidigungen und Sorgen für gefährlich und rät dazu, darüber zu sprechen. Der Soziologe und Demenzforscher Prof. Reimer Gronemeyer in Gießen nennt auch das Alleinsein eine Gefährdung der geistigen Gesundheit. Vielleicht spielt aber auch die frische Seeluft auf Inseln und Halbinseln eine Rolle.
Wenn sehr alte Menschen mit immer noch wachem Verstand und ausgezeichnetem Gedächtnis über ihr Leben berichten, dann erfährt man immer wieder von sehr ähnlichen Besonderheiten. Trotz teilweise schwieriger Bedingungen lebten diese Menschen über viele Jahrzehnte voller Lebensfreude glücklich in ihren Familien sowie mit guten Freunden und fühlten sich auch im Alter anerkannt. Früher waren das Wissen und die Erfahrung alter Menschen wertvoll. Heute veraltet Wissen in vielen Gebieten rasend schnell und oft müssen die Alten von den Jungen lernen. Deshalb wird heute oft unterschätzt, dass man trotzdem auch heute noch alt werden muss, um umfassendes Wissen und vielfältige Erfahrungen sammeln und diese zu vertieftem Verständnis verknüpfen zu können. Gesund alt gewordene Menschen waren immer und blieben solange wie möglich körperlich und geistig aktiv. Sie ernährten sich ausgewogen, fühlten sich selten gehetzt oder überfordert und nahmen sich regelmäßig Zeit für schöne Aktivitäten mit anderen Menschen in stabilen sozialen Gemeinschaften. Sie liebten ihre Arbeit und gaben sie nicht für ein bequemes Rentnerleben auf. Der Hirnforscher und Nobelpreisträger Prof. Eric Kandel hält es für katastrophal, das Menschen in Europa auch gegen ihren Willen viel zu früh pensioniert werden. Wird ein menschliches Gehirn nicht gefordert, dann baut es sich ab und verkümmert. Gesunde Gehirne wollen und müssen arbeiten und Probleme lösen.
Was können wir selbst tun? |
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Traumatische Erfahrungen lassen sich nicht immer vermeiden, aber für positive Erfahrungen können wir selbst sorgen. Und es liegt weitgehend an uns, ob wir einsam oder mit Familie und Freunden, sportlich oder unsportlich, einseitig oder vielseitig ernährt, ausgeschlafen oder mit chronischem Schlafmangel und angetrieben von positivem oder negativem Stress leben. Schwierige Aufgaben erzeugen Stress. Es liegt aber an unserer Einstellung, ob wir Aufgaben als Probleme oder als Herausforderungen empfinden. Fühlen wir uns anhaltend von Problemen belastet, dann schwächt negativer Stress unser Immunsystem und neben anderen Teilen des Körpers wird auch das Gehirn geschädigt. Ganz anders wirkt auf uns die gleiche schwierige Aufgabe, wenn wir sie ausgeruht, mit dem empfundenen Rückhalt durch Familie und Freunde, in der Erwartung von Anerkennung, im Vertrauen auf unsere Fähigkeiten und mit dem Gefühl der Lösbarkeit in Angriff nehmen. Dann wird im Gehirn unser Belohnungzentrum schon durch die Entscheidung aktiviert, die Herausforderung anzunehmen.
Man kann schädliche Stress-Hormone im Körper auch aktiv abbauen, indem man Ausdauersport treibt, Waldluft einatmet, beruhigende Musik hört oder meditiert.
An der University of Rochester entdeckte die Professorin Maiken Nedergaard das Glymphatische System. Seitdem ist bekannt, dass wir ausreichend Schlaf auch deshalb für die Hirngesundheit brauchen, weil im Schlaf durch das Glymphatische System Abfallstoffe aus dem Gehirn entfernt werden. Sie erklärt das unter anderem in der Fernsehdokumentation: "Schlafen um jeden Preis".
Das Glymphatische System |
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Jeffery J. Iliff, gemeinfrei |
Was können wir von der biologisch-medizinischen Forschung erwarten? |
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Die Arbeitsgruppe von Prof. Kandel fand das Protein RbAp48 in besonders hohen Konzentrationen in den Gehirnen von Menschen, die auch im Alter nicht vergesslich wurden. Dieser Stoff heilte schon die Vergesslichkeit alter Mäuse, die allerdings nicht an Alzheimer litten. Vielleicht lässt sich damit ein Medikament gegen Altersvergesslichkeit entwickeln. Vielleicht lässt sich die Konzentration dieses Stoffes aber auch durch gesunde Ernährung beeinflussen. Die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Alex Richardson im englischen Oxford hält Docosahexaensäure (eine Omega-3-Fettsäure) für wichtige Nervennahrung, weil sie die Zellmembranen flexibel hält. Sie fand einen klaren Zusammenhang zwischen der Lesefähigkeit und dem Gedächtnis englischer Schulkinder und ihren Konzentrationen von Omega-3-Fettsäuren im Blut. Gab man den leseschwachen Schülern Omega-3-Fettsäuren zu essen, verbesserte sich ihre Lesefähigkeit und sie benahmen sich besser. Deshalb empfehlen die Naturwissenschaftler Eltern für deren Kinder eine gesunde Ernährung mit Fisch. Deutsche Forscher empfehlen Mandeln und Nüsse. Sie fanden bei ihren Versuchspersonen eine Verdichtung der Hirnstruktur sowie verbesserte Reaktionsgeschwindigkeiten und bessere sprachliche Fähigkeiten durch Omega-3-Fettsäuren.
Nervenzellen brauchen Botenstoffe, die bei Stress und Anspannung blockiert werden. Eine Tiefenentspannung erzeugt Moleküle, welche diese Blockade aufheben. Während die Konzentrationsfähigkeit der meisten Menschen mit zunehmendem Alter abnimmt, bleibt sie bei regelmäßig meditierenden Menschen gleich. Gedächtnisleistungen lassen sich auch trainieren.
An sich sinnlose Denksportaufgaben brachten bei alten Menschen weniger Erfolg als ein spannendes und Konzentration erforderndes Computerspiel, das bei jungen Menschen zu messbaren Vergrößerungen des Hippocampus und des Stirnhirns führte. Die Gedächtnisse alter Menschen wurden auch durch eine Verbesserung ihres Tiefschlafes mit Hilfe einer Hirnstimulation durch nicht spürbare Stromimpulse verbessert.
Prof. André Fischer in Göttingen konnte zeigen, dass Fahrradfahren die Gedächtnisleistung verbessert. Seine Arbeitsgruppe fand eine Zunahme der Verbindungen zwischen Nervenzellen in den Gehirnen von Mäusen, die in Laufrädern rannten. Man vermutet, dass Sport in den Nervenzellen inaktiv gewordene Gene wieder aktiviert.
Was lernen wir daraus für das Lernen? |
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Ermahnungen der Eltern und eigene Zukunftsängste können Kinder fleißig und bis zu einem gewissen Grad erfolgreich machen. Noch stärker, dauerhafter und ohne schädliche Nebenwirkungen motivieren aber eigenes Interesse und das wiederholte Erfolgserlebnis, schwierige Aufgaben erfolgreich gemeistert zu haben. Als belastend empfundener Leistungsdruck und Versagensängste behindern das Lernen, trennen im Gehirn Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen und lassen sogar Nervenzellen absterben. Darum macht Angst tatsächlich dumm, wenn sie häufig und nicht nur in seltenen Ausnahmesituationen empfunden wird. Lehrer, Eltern und Lernende sollten deshalb darauf achten, dass Lernen zwar mit echten Herausforderungen, aber nicht mit Ängsten und Enttäuschungen verbunden ist. Auch deshalb sollte es beim Lernen möglichst nicht um Noten, sondern um die Inhalte gehen. Wer nur für Noten und nicht wenigstens auch aus Interesse lernt, der lernt nicht effektiv, der wird das Gelernte rasch wieder vergessen und den hätte man besser mit einer einfachen Tätigkeit Geld verdienen lassen sollen. Und gerade daraus wäre vielleicht ein echtes Interesse am Lernen erwachsen.
für die Hirngesundheit relevante Faktoren im Überblick |
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Die Hirngesundheit schädigende Faktoren:
Die Hirngesundheit schützende Faktoren:
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Apostel-Lernmodule der Jahrgangsstufe 9
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Roland Heynkes, CC BY-SA-3.0 DE