Dieser Hypertext soll möglichst verständlich erklären, was man zum Verständnis der Biologie über das Lymphsystem wissen sollte. Zu diesem Selbstlern-Hypertext habe ich ein Übungsmodul mit klausurähnlichen Aufgaben erstellt.
Lymphsystem oder lymphoretikuläres Gewebe nennt man ein aus Lymphkapillaren, Lymphgefäßen, Lymphknoten (lymph nodes), Milz (Spleen), Thymus und Mandeln bestehendes Netzwerk. Es entwässert den Körper und ist ein wichtiger Bestandteil des Immunsystems. Lymphkapillare unterscheiden sich von Lymphgefäßen dadurch, dass sie erstens extrem dünn sind und zweitens statt stabiler Gefäßwände nur ein lockeres (lückenhaftes) Endothel besitzen. Dadurch können Wasser und darin gelöste Stoffe relativ leicht in die Lymphkapillare eindringen. Gewebe nennt man in Biologie und Medizin Ansammlungen gleichartiger oder unterschiedlicher Zellen mit gleichen oder ähnlichen Funktionen, die gemeinsam bestimmte Aufgaben erfüllen. Die haarfeinen Lymphkapillare durchziehen die Gewebe und nehmen mit der zwischen den Zellen befindlichen Gewebsflüssigkeit auch Moleküle auf, die zu groß für den Übertritt in die ebenfalls die Gewebe durchziehenden Blutkapillare sind. In den Lymphkapillaren entsteht aus dem Gewebswasser die Lymphe. Sie ist eine wässrige, hellgelbe Flüssigkeit. Aus den Lymphkapillaren werden etwas dickere Lymphgefäße, welche die Lymphe langsam aus den Geweben durch die Lymphknoten in den oberen Brustraum nahe den Schlüsselbeinen transportieren. Dort fließt die Lymphe in eine der großen, zum Herzen führenden Venen.
Lymphknoten und große Lymphgefäße des Menschen |
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Blausen Medical Communications, CC BY 3.0 |
Lymphgefäße ähneln den Venen. Beide Arten von Gefäßen benötigen für den Transport einer Flüssigkeit die Unterstützung arbeitender Skelettmuskeln. Und wie die Venen besitzen auch die Lymphgefäße so etwas wie Rückschlagventile, die den Rückfluss der Lymphe in die falsche Richtung verhindern. In Lymphgefäßen heißen die Rückschlagventile Lymphklappen, in den Venen heißen sie Venenklappen. Zwar besitzen die größeren Lymphgefäße auch eine eigene Muskulatur, aber insgesamt benötigen Venen und Lymphgefäße die Unterstützung arbeitender Skelettmuskeln. Wenn sich Skelettmuskeln anspannen, dann drücken sie auf benachbarte Venen und Lymphgefäße. Durch die Verengung der Gefäße werden an diesen Stellen Blut und Lymphe weggedrückt. Dabei bewirken die Klappen, dass die Entleerung der Gefäße nur in eine Richtung erfolgen kann.
Transport der Lymphe in einem Lymphgefäß |
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Unsere Venen und Lymphgefäße funktionieren nur und bleiben nur gesund, wenn ihre Klappen intakt sind und wenn in ihren Umgebungen Skelettmuskeln arbeiten. |
Lymphknoten sind 5-20 mm große, bohnenförmige Organe des Lymphsystems, die aus den zuführenden Lymphgefäßen Lymphe aufnehmen und diese gereinigt an abführende Lymphgefäße weiterleiten. In den Lymphknoten befinden sich in großer Zahl Lymphozyten und Makrophagen, die in der Lymphe befindliche Krankheitserreger unschädlich machen und Antikörper gegen sie produzieren.
Schema eines Lymphknoten |
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U.S. National Cancer Institute's Surveillance, public domain |
Wie schon der Name andeutet, sind Lymphozyten ein wichtiger Bestandteil des Lymphsystems. Sie entstehen durch einen Lymphopoese genannten Reifungsprozess (Differenzierung) aus zur Differenzierung gezwungenen Tochterzellen hämopoetischer Stammzellen (HSC). HSC können nur hämopoetische Stammzellen bleiben, wenn sie sich höchstens für kurze Zeit aus ihren Stammzell-Nischen im Knochenmark entfernen. Nach jeder Zellteilung kann nur eine der beiden Tochterzellen in der Nische und Stammzelle bleiben. Die andere ist zur Differenzierung gezwungen, wenn sie nicht bald eine freie Nische findet. Die folgende Animation soll das veranschaulichen. Mehr über Stammzellen erklärt der Lerntext Stammzellen.
Nach dem Verlust ihrer Stammzell-Nischen differenzieren Tochterzellen hämopoetischer Stammzellen im Verlauf der Lymphopoese zu Lymphozyten. Lymphozyten differenzieren weiter zu B-Lymphozyten (B-Lymphopoese), T-Lymphozyten (T-Lymphopoese) oder natürlichen Killerzellen. Und die T-Lymphozyten differenzieren weiter zu cytotoxischen T-Lymphozyten (T-Killerzellen) oder T-Helferzellen.
Das alles passiert im Knochenmark der platten Knochen (Becken, Brustbein, zum Teil Schädelknochen) und bei Kindern zusätzlich in den großen Röhrenknochen (Arme, Beine). Im Knochenmark findet man nur 10% der Lymphozyten. Sie verlassen das Knochenmark mit dem Blut, welches durch das Knochenmark fließt. Im Blut findet man aber auch nur etwa 4% der Lymphozyten. Trotzdem stellen sie bei Erwachsenen etwa 25 bis 40 Prozent der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) im peripheren Blut, also außerhalb der blutbildenden Organe Knochenmark und Milz.
Im Thymus entwickeln die T-Lymphozyten ihre individuellen T-Zell-Rezeptoren. Dort werden außerdem alle T-Lymphozyten getötet (Selektion), die für den Organismus nutzlos oder sogar gefährlich sind (siehe Lerntext Immunsystem). Weil in ihnen die Entwicklung und Selektion der Lymphozyten erfolgt, bezeichnet man das Knochenmark und den Thymus als primäre lymphatische Organe.
In ihrer weiteren, im Lerntext Immunsystem genauer beschriebenen Entwicklung wandern die Lymphozyten in die sekundär-lymphatischen Gewebe. Dazu zählen Lymphknoten, Teile der Milz, Mandeln (Tonsillen), der umgangssprachlich Blinddarm oder Wurmfortsatz genannte Appendix vermiformis, die Peyer-Platten im hinteren Teil des Dünndarms und die Lymphfollikel der Schleimhäute. In den sekundären lymphatischen Geweben befinden sich 70% der Lymphozyten. Hier warten die Lymphozyten auf ihren Einsatz für den Fall, dass gerade sie gebraucht werden. Dann werden sie aktiviert, vermehren sich und differenzieren dabei zu am Ende nicht mehr vermehrungsfähigen, aber auf ihre Aufgaben hochspezialisierten Zellen.
Die Milz liegt hinter und über der linken Niere und ist Teil des Lymphsystems. Ihr schwammförmiges Gewebe wird besiedelt von Makrophagen, Lymphozyten und vor allem Plasmazellen. Makrophagen in der Milz fressen nicht mehr intakte Erythrozyten und Mikroorganismen. Auf Infektionen reagieren in der Milz Vorläuferzellen mit Vermehrung und Reifung zu Lymphozyten. Bei Kindern und in besonderen Situationen auch bei Erwachsenen bildet die Milz auch Erythrozyten.
Wer sich diesen Lerntext mit all seinen Fachbegriffen erarbeitet hat, sollte das vorläufig Erlernte vertiefen und den Lernerfolg überprüfen. Dazu dienen Aufgaben im Stil der Oberstufenklausuren.
Kommentare und Kritik von Fachleuten, Lernenden und deren Eltern sind jederzeit willkommen.
Roland Heynkes, CC BY-NC-SA 4.0