Dokumentation: "Der menschliche Körper"

Roland Heynkes, 6.11.2018

Die im Folgenden kritisch zusammengefasste dreiteilige Dokumentation: "The Human Body: Secrets of Your Life Revealed" enthält zahlreiche Fehler, die typisch für BBC-Dokumentationen und für Übersetzungen von Übersetzern sind, denen für eine sinnvolle Übersetzung das Fachwissen fehlt. Trotzdem halte ich es für sinnvoll, sich mit den Inhalten, Sichtweisen und modernen Darstellungen dieser Dokumentation zu beschäftigen, um den menschlichen Organismus besser zu verstehen.

Mediziner, Naturwissenschaftler, Ingenieure, Mathematiker und Programmierer erzielen vor allem gemeinsam immer unglaublichere Erfolge und bereichern unsere Welt mit vor wenigen Jahrzehnten noch unvorstellbarem Wissen. Aber anders als im Film behauptet leben wir leider dennoch nicht wirklich in einem Zeitalter der Wissenschaft. Denn neben der Welt der Wissenschaft gibt es sehr verbreitet Creationismus und anderen wissenschaftsfeindlichen religiösen Fundamentalismus, Esoterik, Homöopathie, Voodoo und Menschen, die neugeborene Zwillinge (Akha) oder vermeintliche Hexen töten oder aus Körperteilen von Albinos angeblich reich machende Zaubertränke kochen. Einem großen Teil der Menschheit fehlt die Bildung, die Prinzipien und Ergebnisse von Wissenschaften zu verstehen. Aber es gab und gibt auch zu viele Naturwissenschaftler, die den Geist der Wissenschaft verraten und damit dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit der Wissenschaften schwer geschadet haben. Außerdem leiden die Wissenschaften unter ihrem eigenen Erfolg, denn inzwischen hat die Menschheit um Größenordnungen mehr Wissen angesammelt, als selbst die klügsten Menschen in Tausend Jahren Schule und Studium lernen und verstehen könnten. Deshalb gibt es schon lange nur noch Spezialisten und keine Universalgelehrten mehr. Trotzdem verdanken wir fast alle Annehmlichkeiten unserer modernen globalisierten Zivilisation den Errungenschaften der Wissenschaften. Darunter sind auch faszinierende Fortschritte biomedizinischer Forschung, die bald zur Allgemeinbildung moderner Menschen gehören sollten und von denen einige deshalb in der BBC-Dokumentation erklärt werden. Bei Youtube habe ich leider nur die zweite Folge gefunden.

Gliederung

Folge 1 Heranwachsen
zum Text Wachstum und Erneuerung
zum Text aus Stammzellen in Bindegewebe gezüchtete Organe
zum Text Wachstumspausen
zum Text Die Entwicklung des Gehirns
zum Text Bakterien sind Teil des menschlichen Körpers
zum Text Probleme mit der Pubertät
zum Text hormonelle Steuerung der Pubertät
zum Text Partnersuche
zum Text sexuelle Fortpflanzung
zum Text Kernspintomographen in der Sexualforschung
zum Text Das Darmgehirn ermittelt den Nährstoffgehalt des Darminhalts.
Folge 2 Wie wir überleben
zum Text lebensnotwendige Homöostase
zum Text das menschliche Immunsystem
zum Text Schutzfaktor Ekel
zum Text Schutzfaktor Schmerz
zum Text Schutzfaktor Angst
Folge 3 Lernen
zum Text Menschen lernen, ihre Körper zu kontrollieren
zum Text Sprache als Gegenstand und Mittel des Lernens
zum Text Fluoreszenz-Mikroskopie ermöglicht die Erforschung von Lernprozessen
zum Text der schwierige Umgang mit anderen Menschen
zum Text Auch unser Körper lernt.
zum Text Lernen auf der Ebene der Gene
zum Text

Wachstum und Erneuerung nach oben

Ich halte die im Film gebrauchten Begriffe Transformation und Metamorphose für dafür unangemessen. Typisch für lebende Lebewesen ist aber, dass sie sich entwickeln. Vielzeller wachsen durch Zellteilungen und entwickeln sich dabei aus einer Ei- oder Stammzelle kontinuierlich und teilweise in von Zoologen Metamorphose genannten Sprüngen zum erwachsenen Vielzeller, der dann meistens altert und irgendwann stirbt. Wenige Vielzeller (wie die Hydra) und alle Bakterien altern nicht und sind daher potentiell unsterblich. Aber auch Bakterien entwickeln sich. Sie sind alle mindestens dreieinhalb Milliarden Jahre alt und haben sich im Verlauf ihrer langen Leben immer wieder zu neuen Bakterien-Spezies entwickelt. Vermehrungsfähige Vielzeller-Spezies entwickeln sich evolutionär von Generation zu Generation immer weiter, bis sie durch Umweltkatastrophen wie Asteroide oder Menschen ausgerottet werden.

Für uns besonders interessant ist natürlich die menschliche Individualentwicklung von der befruchteten Eizelle zum vergreisten Menschen, der stirbt, weil sein Organismus seine komplex koordinierten Lebensprozesse nicht mehr aufrecht erhalten kann. Typisch für BBC-Dokumentationen ist, dass die Zahl der Zellen in einem Menschen mit 37 Billionen angegeben wird. Wäre dem so, dann müssten die 37 Billionen Zellen eines Erwachsenen sehr viel größer sein als die 37 Billionen Zellen eines Kindes. Das ist aber nicht der Fall. In Wirklichkeit unterscheidet sich die Zahl der menschlichen Zellen von Mensch zu Mensch sehr stark. Deshalb ist diese absurd genaue Zahlenangabe nicht nur unwissenschaftlich, sondern sie ist auch irreführend. Aufgrund einer genaueren Untersuchung entspricht dem Stand der Forschung die grobe Schätzung, dass 70 kg schwere Männer aus rund 30 Billionen (1012) menschlichen Zellen und ungefähr 38 Billionen Bakterien bestehen.

Ähnlich absurd genau und damit unseriös sind die Angaben zur Gesamtdauer menschlichen Lachens und zu den Zahlen von Atemzügen, Herzschlägen und Schritten während eines Menschenlebens sowie die Behauptung, menschliche Kinder würden bis zu 1,27 cm pro Jahr wachsen. Eine auf den Zehntel Millimeter genaue Angabe wäre höchstens dann gerechtfertigt, wenn das bei den mindestens 1000 schnellwüchsigsten Kindern der Welt untersucht worden wäre. Niemand kann ernsthaft glauben, dass solch eine systematische Untersuchung jemals durchgeführt wurde. Das wäre auch ziemlich sinnlos, weil maximale menschliche Wachstumsraten irrelevant sind und sich die Wachstumsraten verschiedener Generationen und Populationen stark unterscheiden. Richtig ist aber, dass vielzellige Lebewesen enorm stark und schnell wachsen und sich auch noch im hohen Alter regenerieren können. Aus diesen Beobachtungen folgt die wichtige biologische Frage, wie Wachstum und Erneuerung so genau reguliert werden können, dass alle Teile eines Organismus im richtigen Verhältnis zueinander wachsen und ausgetauscht werden können, ohne dass dabei die Kontrolle verloren geht und beispielsweise Tumore entstehen oder das Wachstum der Blutgefäße mit dem Wachstum der Muskeln nicht schritthalten kann. Der Film erklärt das erstmal ziemlich nebulös mit einer Kaskade versteckter biologischer Prozesse. Dabei ist der Begriff Kaskade wohl so zu verstehen, dass diese Prozesse in einer bestimmten Reihenfolge nacheinander ablaufen.

Die BBC-Dokumentation nennt das wirklich wichtige Prinzip: "Use it or lose it.", "Nutz es oder Du verlierst es." oder: "Wer rastet der rostet.". Während sich ein sportlicher 87-Jähriger noch seiner intakten Knie erfreut, haben viele wesentlich jüngere Menschen schon künstliche Knie-Gelenke. Heute weiß man, dass Knie normalerweise nicht durch jahrzehntelangen Gebrauch verschleißen, wie wir das von Geräten kennen. Vielmehr nehmen sie Schaden, wenn sie zu wenig bewegt werden und wenn die Oberschenkel-Muskulatur zu schwach ist.

Der Film plädiert für die Sichtweise, das Wachstum unserer Haare und Fingernägel als äußerlich sichtbare Beispiele für auch im Alter niemals aufhörende Wachstumsprozesse anzusehen. Ob man es Wachstum oder Erneuerung nennt, ist nicht wirklich wichtig. Aber was bedeutet es eigentlich für die Identität eines Menschen, dass innerhalb seines Lebens mehrfach alle Atome und fast alle seine Zellen ausgetauscht werden? Wenn nicht seine Materie einen Menschen ausmacht, dann können es nur die in ihm steckenden Informationen sein, die sich in ihm immer wieder neu materialisieren. Und warum altern wir eigentlich, obwohl durchschnittlich rund 1 Milliarde Zellen unserer Haut alle 4 Wochen, die Magenschleimhaut alle 2-9 Tage, die Schleimhäute unserer Lungenbläschen etwa alle 2 Wochen, die Zellen unserer Leber binnen eines Jahres und unser Skelett alle 10 Jahre praktisch komplett ausgetauscht werden? Ist der trotzdem erkennbare Verschleiß unvermeidlich oder eine nützliche "Erfindung" der Evolution? Immerhin altern die meisten Lebewesen auf unserem Planeten nicht und sind potentiell unsterblich.

Wichtig finde ich auch den Hinweis der Dokumentation, dass viele Zellen unseres Körpers aufgrund hoher Belastungen abgenutzt werden und deshalb ausgetauscht werden müssen. Daraus ergibt sich unter anderem die Frage, welche Konsequenzen es hat, wenn die Schleimhäute unserer Lungenbläschen bei Rauchern deutlich stärker belastet werden. Beschleunigt das die Erneuerung oder reduziert es die Qualität der Lungenbläschen und ist vielleicht eine gesteigerte Teilungsrate eine Ursache für das erhöhte Lungenkrebsrisiko?

Nach einer aktuellen Schätzung besteht ein 20-30 Jahre alter, 70 kg schwerer und 170 cm großer "Referenzmann" aus durchschnittlich ungefähr 30 Billionen (30x1012) menschlichen Zellen und grob geschätzt 38 Billionen Bakterien (38x1012). Von den menschlichen n stellen die roten Blutkörperchen mit rund 25 Billionen etwa 84%. Die nur rund 5 Liter Blut im Körper eines durchschnittlichen Erwachsenen können nur deshalb etwa 84% aller menschlichen Zellen enthalten, weil unsere roten Blutkörperchen (Erythrozyten) so klein sind. Streng genommen sind rote Blutkörperchen gar keine lebendigen Zellen mehr, denn sie besitzen keinen Zellkern und damit keinen Bauplan mehr. Im Gegensatz zu unseren anderen Körperzellen produzieren Erythrozyten deshalb auch keine MHC-1-Präsentierteller.

Unsere Erythrozyten sind einem großen Abnutzungsstress ausgesetzt, denn sie werden täglich schätzungsweise anderthalb Tausend mal durch den Lungen- und anschließend durch den Körperkreislauf mit ihren engen Kapillaren gepresst. Da sie keinen Zellkern mehr besitzen, können sie sich nicht reparieren. Die Dokumentation nennt als durchschnittliche "Lebensdauer" nur 3 Monate, nach anderen Quellen sind es 4 Monate. Bei einer angenommenen "Lebensdauer" von nur 3 Monaten müsste ein 70-kg-Mann jeden Monat 25/3=8,33 Billionen, jeden Tag etwa 274 Milliarden, pro Stunde gut 11,4 Milliarden, pro Minute rund 190 Millionen und pro Sekunde fast 3,2 Millionen neue rote Blutkörperchen produzieren muss. Wenn die Erythrozyten 4 Monate durchhalten, dann müssen immer noch fast 2,4 Millionen rote Blutkörperchen pro Sekunde ersetzt werden.

Die BBC-Dokumentation behauptet, die Blutbildung finde im Knochenmark der Röhrenknochen statt. Das stimmt aber für Erwachsene eher nicht, denn während der Pubertät wird in den Röhrenknochen durch Verfettung immer mehr rotes in gelbes Knochenmark umgewandelt, in dem keine Blutbildung mehr stattfindet. Rotes Knochenmark gibt es bei Erwachsenen nur noch in den rumpfnahen Enden der Oberarm- und Oberschenkelknochen. Deshalb entwickeln sich reife Blutkörperchen aus den Blutstammzellen bei Erwachsenen fast nur noch im Knochenmark von Schädelknochen, Wirbelknochen, Schlüsselbeinen, Schulterblatt, Rippen, Brustbein und Beckenknochen. Trotz dieser bedauerlichen Ungenauigkeit ist aber der Hinweis der Dokumentation wichtig, dass der Sauerstoffbedarf die Zahl der neu gebildeten roten Blutkörperchen beeinflusst. Es ist ein biologisches Prinzip, dass der menschliche Organismus von jedem seiner Bestandteile nur soviel produziert, wie aktuell tatsächlich gebraucht wird.

Im Film sagen einige ältere Menschen, wie jung sie sich noch fühlen. Würden ihre Körper nicht immer schwächer, dann würden sie wohl kaum freiwillig ihre Berufe und Wohnungen aufgeben. Man müsste die Alten wohl totschlagen oder vergiften, um Platz für die Jungen zu schaffen. Es könnte aber auch sein, dass wie bei verschiedenen Tierarten die überlegenen Alten die Jungen töten würden, bevor diese den Alten im Konkurrenzkampf gewachsen wären. Allerdings würde das die ständige evolutionäre Anpassung der Menschheit behindern. Der Film zeigt einen immer noch durchtrainierten 87-jährigen Mann, der noch einen Triathlon besteht, in welchem er fast 2,5 km durch die Bucht von San Franzisko schwimmt, knapp 29 km radfährt und knapp 13 Kilometer läuft. Das ist sehr beeindruckend für sein Alter. Aber man sieht Jüngere sehr schnell an ihm vorbei fahren, und auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit schafft ein Athlet beim Ironman- Triathlon 3,86 km Schwimmen, 180,2 km Radfahren und einem kompletten Marathonlauf über 42,195 km mit erheblich höherem Tempo. Wir können zwar die Alterung durch Training erheblich verlangsamen und durch ungesunde Lebensführung deutlich beschleunigen, aber letztlich altern wir alle, weil das für den Fortbestand der Menschheit notwendig und deshalb in unseren Genen so programmiert ist. Der 87-Jährige meint, richtig alt sei man erst, wenn man aufhöre zu träumen. Vielleicht beeinflusst ja wirklich auch unser Denken und Empfinden die Geschwindigkeit unserer Alterung. Von einem entsprechenden Nachweis habe ich allerdings noch nichts gehört.

Für mich erstaunlicherweise behauptet zumindest der deutsche Sprecher der BBC-Dokumentation, das Wachstum unserer Knochen sei bereits bis ins kleinste Detail verstanden. Ich weiß es nicht, aber meine jahrezehntelange Erfahrung mit biomedizinischer Forschung lässt mich daran zweifeln. Schon zu oft hat man geglaubt, alles sei geklärt. Und dann stellte sich das als großer Irrtum heraus. Man kann nie wissen, was man alles noch nicht weiß. Und es behindert den naturwissenschaftlichen Fortschritt, wenn man sich einbildet, bereits alles zu wissen. Das gilt sogar für die Behauptung des Films, das größte Paar Großbritanniens zu kennen. Hat man wirklich alle Paare daraufhin untersucht? Richtig ist aber immerhin, dass große Eltern tendenziell große Kinder haben. Bis jetzt sind 4 Gene mit einem Einfluss auf die Körpergröße bekannt. Und wichtig ist auch der Hinweis, dass Muskeln, Sehnen und Knochen koordiniert wachsen müssen. Vor allem jugendliche Gelenke könnten sonst bleibende Verletzungen erleiden. Gesteuert wird das Wachstum nicht durch die Knochen, sondern durch die in der Mitte an der Hirnunterseite hängende, erbsengroße Hirnanhangdrüse (Hypophyse), die (neben vielen anderen Hormonen) lebenslang auch Wachstums-Hormone (HGH) ausschüttet. Bei Erwachsenen beeinflussen die auch den Stoffwechsel. Bei Kindern stimulieren sie in der Leber die Produktion des auch Insulin-like-growth-factor-I (IGF1) genannten Hormons Somatomedin C. Es fördert die Vermehrung von Muskel- und Knorpelzellen. Es ist entscheidend für kindliches Größenwachstum, weil es in den Wachstumsfugen (Epiphysenfugen) der langen Röhrenknochen die Vermehrung der Knorpel-Stammzellen anregt. Der im Film verwendet Begriff Epiphysenscheibe ist im Deutschen unüblich. Obwohl die Stammzellen immer neue Knorpelzellen produzieren, wird die Wachstumsfuge nicht breiter, sondern die älteren Knorpelzellen verwandeln sich langsam in Knochenzellen und umgeben sich mit harter Knochen-Substanz. Dadurch werden die Knochen immer länger.

Zumindest die deutsche Übersetzung liegt falsch mit ihrer Aussage, nur Stammzellen könnten sich replizieren (durch Zellteilung vermehren). Wahr und wichtig ist aber, dass sich nur Stammzellen praktisch unendlich oft replizieren können, ohne sich dabei zu verändern. Ihre Vermehrung wird nur im Alter etwas langsamer. Das macht Stammzellen unverzichtbar für unsere ständige Erneuerung und gleichzeitig gefährlich, weil unkontrollierte Vermehrung zu Tumoren oder ungezügeltem Körper-Wachstum führen würde. Verhindert wird das dadurch, dass die Stammzell-Eigenschaft verloren geht, sobald eine Stammzelle ihre sogenannte Stammzell-Nische verlassen muss. Und das muss die Hälfte der Stammzell-Tochterzellen aufgrund des begrenzten Platzangebotes. Sie haben dann nur noch die Chance, schnell eine unterbesetzte andere Stammzell-Nische zu finden, die ihre Stammzell-Eigenschaft wieder stabilisiert. Näheres erklärt der Lerntext Stammzellen.

aus Stammzellen in Bindegewebe gezüchtete Organe nach oben

Faszien durchziehen den gesamten menschlichen Organismus und unsere Organe. Entfernt man mit speziellen Detergentien alle Zellen eines Organs, dann sieht man, wie die Faszien ein formgebendes Grundgerüst des Organs bilden. Anscheinend stecken in diesem Grundgerüst auch Informationen, welche den darin befindlichen Zellen mitteilen, auf welche Weise sie sich differenzieren sollen. Denn legt man das Fasziengerüst eines Organs in eine Nährlösung und gibt man Stammzellen dazu, dann besiedeln die Stammzellen das Grundgerüst und ihre sich differenzierenden Tochterzellen sollen das Organ mit allen dazu notwendigen Zelltypen wieder aufbauen. Die Stammzellen werden durch Umprogrammierung von Hautzellen gewonnen. Dazu werden die Hautzellen zunächst in sehr undifferenzierte Stammzellen verwandelt, die dann unter dem Einfluss verschiedener Wachstumsfaktoren im Labor zu Stammzellen für Muskelzellen, Adern oder Nervenzellen differenzieren. Diese besiedeln schließlich das Bindegewebe des Organs. Beim relativ komplexen menschlichen Herzen ist in der Harvard Medical School die Arbeitsgruppe von Dr. Harald Ott noch nicht ganz so weit, aber Luftröhren wurden schon mehrfach im Labor gezüchtet und Patienten erfolgreich implantiert. Inzwischen haben die Forscher dabei das natürliche formgebende Bindegewebe sogar durch Kunstfasern ersetzt. Bei Ratten funktioniert das auch schon mit gezüchteten Speiseröhrenabschnitten. Der große Vorteil im Labor aus Stammzellen in Fasziengerüsten gezüchteter Organen ist, dass sie vom Empfänger-Körper nicht abgestoßen werden, weil die Stammzellen von ihm selbst stammen.

Wachstumspausen nach oben

Es gibt in der Kindheit Phasen, in denen sich das Wachstum verlangsamt. Etwa im Alter von 4 Jahren verlangsamt sich das Wachstum, während gleichzeitig der Energie-"Verbrauch" des Gehirns enorm ansteigt. Anscheinend müssen Kinder ihr Größenwachstum reduzieren, wenn ihre Gehirne besonders viel Energie benötigen. Bei Erwachsenen macht das Gehirn durchschnittlich ungefähr 2% der Körper-Masse aus und "verbraucht" (schon im Ruhezustand) rund 20% der Energie-Menge, die wir mit der Nahrung aufnehmen. Bei Kindern soll das sich noch rasch entwickelnde Gehirn mehr als die Hälfte ihrer chemischen Energie umwandeln. Ein Grund dafür scheint die Bildung unzähliger Synapsen zu sein, die sich beim Erlernen neuer Fähigkeiten zwischen Nervenzellen bilden. So entstehen im Gehirn zahlreiche Nervenzell-Netzwerke, denen wir unsere geistigen und viele körperlichen Fähigkeiten verdanken. Es hängt von den kindlichen Aktivitäten ab, welche Strukturen sich im Gehirn bilden. Weil Synapsen die energiehungrigsten Komponenten des Gehirns sein sollen, erklärt man sich damit das unerfreuliche Phänomen, dass wir ungenutzte Synapsen und damit auch viele potentielle Fähigkeiten verlieren. Veranwortlich dafür sollen Mikroglia-Zellen sein, die man in einer Animation Synapsen und Dendriten auffressen sieht. Dieser besonders in der Kindheit aktive Prozess sorgt dafür, dass sich sogar die Gehirne eineiiger Zwillinge unterscheiden.

Der mit der Pubertät bei Jugendlichen eintretende Wachstumsschub spricht dafür, dass die Synapsenbildung eine Pause einlegt. Nicht nachvollziehbar finde ich die Behauptung der Dokumentation, menschliche Gehirne seien mehr oder weniger vollständig entwickelt, wenn wir unsere Jugendjahre erreichen. Denn dann beginnt ein gewaltiger Umbau des jugendlichen Gehirns, das oft mit einer Baustelle verglichen wird.

Die Entwicklung des Gehirns nach oben

Im Film sieht man zwar nicht die Geburt selbst, aber dass sie unter Wasser stattfinden kann.

Bei Säuglingen "verbrauchen" das Wachstum und die Teilungen der Zellen einen großen Teil der aufgenommenen Energie (und Baustoffe). Denn der größte Wachstumsschub soll mit der Geburt beginnen. Dann sollen Neugeborene um etwa 1,3 cm pro Wochen wachsen und ihre Gehirne sollen sich während der ersten drei Monate um 60% vergrößern.

Typisch für BBC-Dokumentationen ist auch die Betonung der vermeintlichen Einzigartigkeit des Menschen. Immerhin verzichten sie diesmal auf die völlig unwissenschaftliche Behauptung, das menschliche Gehirn sei das komplexeste Stück Materie im gesamten Universum. Tatsächlich sind die Gehirne von Pottwalen um ein mehrfaches größer als die menschlichen und es gibt keine Beweise für eine geringere Komplexität oder Leistungsfähigkeit. Wichtig und noch längst nicht beantwortet ist aber die Frage, wie sich menschliche Gehirne entwickeln und was die beteiligten Mechanismen positiv oder negativ beeinflussen kann.

Bakterien sind Teil des menschlichen Körpers nach oben

Muttermilch enthält nicht nur alles, was ein Baby in den ersten Monaten braucht. Sie enthält auch große Mengen von Oligosacchariden, die der Verdauungstrakt des Babys nicht verwerten kann. Auch die meisten Bakterien-Spezies können das nicht. Die Dokumentation zeigt, wie Forscher herausfanden, dass die Muttermilch damit selektiv die Vermehrung von Bakterien (Bifido-Bakterium infantis) fördert, die besonders gut für das Baby sind. Denn wenn sie den gesamten Verdauungstrakt des Babys besiedeln, trainieren sie das Immunsystem und lassen außerdem keinen Platz mehr für krankmachende (human-pathogene) Bakterien. Während die Magensäure viele mit der Nahrung aufgenommene Bakterien tötet, könnten durch den Darmausgang relativ leicht pathogene Bakterien in den Dickdarm aufsteigen und uns krank machen. Da trifft es sich gut, dass gerade im menschlichen Dickdarm besonders viele nützliche Bakterien leben und unter anderem eine Art zusätzliches Immunsystem bilden.

Probleme mit der Pubertät nach oben

Im Film erinnern sich Erwachsene an Probleme, die sie mit der Pubertät hatten. Manchen war das Wachstum von Achselhaaren oder Brüsten unangenehm, andere waren ständig hungrig oder besorgt, ob sie ausreichend groß würden. Für viele Frauen beginnen mit der ersten Periode Jahrzehnte mit periodisch auftretenden Menstruationsproblemen.

hormonelle Steuerung der Pubertät nach oben

Wenn ein Kind (ein Gewicht von etwa 40 kg und/oder) einen ausreichenden Körperfettanteil erreicht hat, setzt im Zwischenhirn der Hypothalamus ein Hormon namens Gonadotropin-releasing-Hormon (GnRH) frei. Durch das Blut gelangt es in die unter dem Hypothalamus wie ein Tropfen an der Gehirnunterseite hängende Hypophyse. Diese schüttet daraufhin bei Jungen und Mädchen gleich die beiden Hormone FSH (follikelstimulierendes Hormon) und LH (luteinisierendes Hormon) aus, die man mit dem Begriff Gonadotropine zusammenfassen kann. Zumindest die Übersetzug der BBC-Dokumentation stellt das leider falsch dar, indem sie behauptet, der Hypothalamus schütte ein Hormon namens Gonadotropin aus.

Zur Unterschiedlichkeit der Entwicklungen von Mädchen und Jungen kommt es nur, wenn diese beiden Hormone (FSH und LH) bei Mädchen hauptsächlich in den Eierstöcken wirken und bei Jungen in den Hoden. In den Eierstöcken regen sie die Produktion von Testosteron an, welches anschließend sofort zu Östrogen weiterverarbeitet wird. In den Hoden fördert LH die Produktion von Testosteron. Diese sogenannten Geschlechtshormone Östrogen und Testosteron bewirken dann an verschiedenen Stellen des Körpers die Entwicklung der typischen sekundären Geschlechtsmerkmale. Außerdem lösen sie einen enormen Wachstumsschub insbesondere in den Röhrenknochen aus. Wahrscheinlich essen viele Jugendliche deshalb so viel und so gerne kalorienreich. Bei Mädchen soll Östrogen in der Hypophyse die Produktion von Wachstumshormonen verdoppeln, welche dann die Zellen zu beschleunigter Zellteilung anregen. In den Wachstumsfugen (Epiphysenfugen) vermehren sie in der Mitte die Stammzellen immer wieder durch Zellteilung. Aber nur eine der beiden Tochterzellen kann Stammzelle bleiben. Die andere wird aus der Mitte in Richtung Rand der Epiphysenfuge gedrängt und verwandelt (differenziert) sich langsam in eine Knochen-Zelle. Dann sondert sie harte Knochen-Substanz aus, umgibt sich damit und mauert sich quasi selbst ein. Dadurch wird der Röhrenknochen immer länger. Im Gegensatz zur Aussage der übersetzten Dokumentation bleibt dabei die Wachstumsfuge etwa gleich breit. Insgesamt soll die Phase der Pubertät bei Mädchen bis zu 4 Jahre dauern. Bei Jungen beginnt die Pubertät später und dauert länger. Näheres erklärt der Lerntext Sexualkunde.

Partnersuche nach oben

Laut Film erst am Ende, tatsächlich aber schon während der Pubertät beginnen Menschen mit der Partnersuche. Denn außer Verwandten, Freunden und später Kindern braucht der Mensch eine besonders enge und intime Zweierbeziehung, die das Leben erleichtert und glücklich macht. Stabile Lebens(abschnitts)partnerschaften sind auch eine wichtige Voraussetzung für die Versorgung und Förderung eigener Kinder.

Der Anbahnung und Stabilisierung von Lebenspartnerschaften dienen verschiedene Mechanismen, die (potentielle) Partner(innen) attraktiv machen. Oft sind das der individuelle Geruch und die Körperformen eines Menschen, es können aber auch Kopfhaare oder ein Bart sein. Sensitive Rezeptoren besonders in Lippen und Fingerspitzen melden beispielsweise beim Streicheln und Küssen Berührungsreize an das Gehirn und lösen dort angenehme Empfindungen aus. Aber auch schon der Anblick eines geliebten Menschen kann chemische Reaktionen auslösen, welche die Bindung stärken. Das Gehirn sendet Signale an die Nebenniere, die daraufhin ihrerseits Adrenalin ausschüttet und damit den Herzschlag beschleunigt. Nervenzellen im Gehirn schütten auch Dopamin aus, welches dann als Glückshormon wirkt. Als Neurotransmitter steigert es Antrieb und Motivation sowie das Verlangen, sich ganz auf den geliebten Menschen zu konzentrieren.

sexuelle Fortpflanzung nach oben

Im Gegensatz zu den meisten anderen Lebewesen können sich Menschen nur fortpflanzen und vermehren, indem der Kopf eines Spermiums in eine Eizelle eindringt und die Zellkerne beider Zellen sich zu einem einzigartigen Bauplan für einen neuen Menschen vereinigen. Vor dieser Befruchtung steigt in der wachsenden Eizelle die Konzentration von Zink. Im Film wird gesagt, Zink sei wichtig für das Zell-Wachstum, störe aber die Reifung der Eizelle. Gezeigt wird dann aber, dass erst ein Spermien-Enzym den schlagartigen Ausstoß von Zink aus der Eizelle bewirkt. Also geht es gar nicht um die Reifung der Eizelle, sondern um die Entwicklung des Embryos. Und die Forscher vermuten, dass der Erfolg einer Befruchtung umso wahrscheinlicher ist, je heftiger der Ausstoß von Zink erfolgt. Aber anders als im Film behauptet, entwickelt sich dann nicht ein Fötus, sondern ein Embryo. Von einem Fötus spricht man erst ab der 9. Schwangerschaftswoche.

Kernspintomographen in der Sexualforschung nach oben

Interessante Details der menschlichen Paarung wurden erst durch den Einsatz der Kernspintomographie entdeckt. Die Erfindung dieser neuen Untersuchungsmethode hat es möglich gemacht, während des Geschlechtsverkehrs in die Körper hinein zu sehen. Vorher wusste man beispielsweise gar nicht, wie stark sich der menschliche Penis dabei krümmt.

Das Darmgehirn ermittelt den Nährstoffgehalt des Darminhalts. nach oben

Naturwissenschaftler der Harvard University haben Neuronen entdeckt, die am Ende der Darmzotten die Nährstoff-Konzentrationen (Zuckerarten, Fette und Proteine) des Darminhalts kontrollieren. Es wird im Film nicht erwähnt, aber dadurch lernen wir unbewußt beim Essen und Verdauen, in welchen Konzentrationen die Nährstoffe in unseren Nahrungsmitteln enthalten sind. Den Sinn der Sache erklärt ausführlich der Lerntext Ernährung.

lebensnotwendige Homöostase nach oben

Der lebende (nicht eingefrorene) menschliche Körper ist von der Zeugung bis zum Tod einer ständigen Entwicklung unterworfen. Dabei verändert sich der Körper teilweise dramatisch, aber die vielen Veränderungen müssen genau koordiniert ablaufen. Unter anderem zu diesem Zweck gibt es in jedem Lebewesen unzählige Regulations-Mechanismen. Oft werden dabei im menschlichen Körper Istwerte von Sensoren gemessen und dem Gehirn gemeldet. Dort werden Istwerte mit Sollwerten verglichen und bei Abweichungen geeignete Gegenmaßnahmen eingeleitet. Manchmal (z.B. bei Fieber) werden aber auch Sollwerte verändert, was das ganze komplex extrem dynamisch und flexibel macht.

Trotz aller Flexibilität und Entwicklung ist es für Lebewesen überlebenswichtig, dass dabei ihre innere Ordnung und Organisation erhalten bleibt. Darum müssen bestimmte innere Zustände wie die Körpertemperatur, der pH-Wert oder die Konzentrationen bestimmter Stoffe (z.B.: Wasser, Sauerstoff, Kohlenstoffdioxid, Glucose, Fettsäuren, Aminosäuren, Vitamine und Mineralstoffe) konstant bleiben oder dürfen zumindest bestimmte Extremwerte nicht überschreiten. Man nennt diese Konstanz der inneren Verhältnisse Homöostase. Im Verlauf ihrer Evolution hat daher jede Spezies Mechanismen entwickelt, die dazu dienen, die Homöostase aufrecht zu erhalten. Von Art zu Art kann es allerdings diesbezüglich große Unterschiede geben. So darf die Körpertemperatur beim Menschen nur um wenige Grad vom Normalwert abweichen, während wechselwarme Tiere kein Problem mit großen Schwankungen der Körpertemperatur haben.

Es ist zwar übertrieben, dass schon Abweichungen der Körpertemperatur um 3°C nach oben oder unten verheerend wirken können, aber etwa ab 42°C wird es für Menschen kritisch. Zu starke Abkühlung lähmt die meisten Menschen und kann zum Herzstillstand führen. Andererseits verlangsamen extrem niedrige Körpertemperaturen den Sterbeprozess und verhindern insbesondere bei Herzstillstand die Selbstzerstörung von Hirnzellen.

In eiskaltem Wasser senden Kältesensoren in der Haut ein Warnsignal an das Gehirn. Daraufhin setzt das Gehirn Hormone frei, die verschiedene Gegenmaßnahmen einleiten. So verengen sich schnell die Blutgefäße in Armen und Beinen, damit das Blut nicht zuviel Wärme in die Extremitäten transportiert und die Kerntemperatur in den kälteempfindlicheren Organen von Kopf und Rumpf länger stabil gehalten werden kann. Etwas später beginnen wir zu zittern, damit unsere Muskeln zusätzlich Wärme produzieren. Allerdings können sich unsere Muskeln nicht selber aktiv ausdehnen, sondern nur zusamenziehen. Wieder gedehnt werden sie durch Gegenspieler-Muskeln, die Schwerkraft oder gespannte Sehnen. Falsch ist auch die Behauptung zumindest der deutschen Übersetzung, beim Muskelzittern entstehe Energie. Denn Energie kann weder geschaffen, noch vernichtet, sondern immer nur umgewandelt werden. Und bei jeder Energie-Umwandlung entsteht auch Wärmeenergie.

Bei hohen Umgebungs-Temperaturen oder großer Muskelaktivität verhindern wir automatisch einen übermäßigen Anstieg der Körpertemperatur, indem geweitete Blutgefäße mehr Blut in die Haut transportieren, wo die Verdunstung von Schweiß viel Wärme an die Luft abgibt.

Wird unser Immunsystem durch Krankheitserreger herausgefordert, dann erhöhen wir unbewußt den Sollwert und steigern die Körpertemperatur bis an die Schmerzgrenze, um die Keime zu schwächen und das Immunsystem maximal zu aktivieren.

Wenn unsere Muskeln arbeiten, vervielfacht sich in ihnen der Stoffwechsel und es entsteht bei der Verbrennung von Glucose oder Fettsäuren durch Sauerstoff neben Wasser auch Kohlenstoffdioxid. Mit Wasser reagiert Kohlenstoffdioxid zu Kohlensäure, die den pH-Wert senkt. Aber auch der pH-Wert darf in unseren Zellen und im Blut nur in sehr engen Grenzen schwanken. Wird das Blut zu sauer, führt das zu Müdigkeit, Verwirrung und Übelkeit. Außerdem kann der Blutdruck dramatisch absinken. Das kann zu Schock, Koma und sogar zum Tod führen. Deshalb messen spezielle Zellen ständig den pH-Wert im Blut und melden ihn an das Gehirn. Und wir regulieren unbewußt auch die Kohlenstoffdioxid-Konzentration im Blut, indem wir es durch tieferes und schnelleres Atmen verstärkt ausatmen, wenn der pH-Wert im Blut absinkt.

das menschliche Immunsystem nach oben

Unsere Haut und die auf ihr lebenden Bakterien grenzen uns von unserer Umwelt ab und bilden die ersten beiden Verteidigungslinien unseres Immunsystems. Selbst kleinste Verletzungen können Krankheitserregern das Eindringen in einen Organismus ermöglichen. Auch die Magensäure kann man als Teil unseres Immunsystems betrachten, denn sie hindert die meisten Krankheitserreger daran, mit unserer Nahrung in den Körper einzudringen.

Im menschlichen Körper bekämpft das Immunsystem normalerweise erfolgreich alle täglich in uns entstehenden Krebszellen sowie pathogene Viren, Bakterien, Pilze und Parasiten. Es gibt allerdings für uns gefährliche Orte wie uralte Grabkammern oder Höhlen mit riesiegen Fledermaus-Kolonien über manchmal meterdicken Kotschichten. Dort kann die Konzentration krankmachender Keime in der Atemluft so groß ist, dass sie unser Immunsystem überfordert. Dann sollte man sich mit Schutzanzug und Atemmaske schützen. Einige an Fledermäuse gut angepasste und von diesen verbreitete Krankheitserreger sind für Menschen meistens tödlich. Außerhalb solch extrem gefährlicher Orte ist die Keimbelastung um Größenordnungen geringer und ein gesundes Immunsystem wird fast immer damit fertig.

Unsere Tränenflüssigkeit enthält antimikrobielle Substanzen. Die Schleimhäute in Nase, Luftröhre und Bronchien produzieren einen klebrigen Schleim, der viele eingeatmete Keime festhält und mit Hilfe der Flimmerhärchen wieder nach draußen befördert. In den Ohren dienen Härchen als Schmutzfilter und im Ohrenschmalz enthaltene Enzyme zerstören Bakterien.

Gelangen Krankheitserreger beispielsweise durch Wunden trotzdem in den Organismus ein, dann werden sie von verschiedenen Sorten weißer Blutkörperchen (Leukozyten) bekämpft. Laut BBC-Dokumentation bildet unsere Lunge mit ihrer Gesamtoberfläche von der Größe eines Tennisplatzes das Hauptschlachtfeld im Kampf gegen Krankheitserreger. Andere Quellen nennen als Hauptschlachtfeld den Darm, dessen Umgebung deshalb die Peyerplatten und die meisten unserer weißen Blutkörperchen enthält.

Ein wichtiger Teil unseres Immunsystems ist das auch für die Entwässerung des Körpers verantwortliche lymphatische komplex. Es besteht aus Venen ähnelnden Lymphgefäßen und Lymphknoten, in denen sich zahlreiche B- und T-Lymphozyten befinden. Details erklärt der Lerntext Lymphsystem.

Wenn sich Krankheitserreger beispielsweise im Brustfell (Pleura) vermehren, fressen dendritische Zellen einige Erreger und machen sich durch Lymphgefäße auf den Weg zum jeweils nächsten Lymphknoten. Der Lerntext Immunsystem erklärt im Detail, wie es in den Lymphknoten zur Bildung von Antikörpern gegen den Erreger kommt und wie die Antikörper bei der Bekämpfung von Krankheitserregern helfen.

Schutzfaktor Ekel nach oben

Damit Krankheitserreger und ihre Gifte möglichst gar nicht erst in unseren Körper hinein kommen, vermeiden wir instinktiv den Kontakt mit hochinfektiösen Lebewesen und Gegenständen. Dabei hilft uns der Ekel, den wir beispielsweise beim Anblick oder dem Geruch von Leichen, Erbrochenem, hustenden oder niesenden Kranken oder verdorbenen Lebensmitteln empfinden.

Schutzfaktor Schmerz nach oben

Bewegung und Anstrengung sind für den menschlichen Körper lebenswichtig. Hochleistungssport ist jedoch nicht gesund und kann zu Verletzungen und Verschleiß führen. Verletzungen und Ermüdungsbrüche kann der Organismus zwar reparieren, aber er braucht dafür Zeit, in der man die verletzten Körperteile schont. Damit wir Verletzungen möglichst vermeiden oder sie wenigstens in Ruhe heilen lassen, warnt uns das Gehirn mit Schmerzen vor Übertreibungen.

Es gibt in menschlichen Geweben sogenannte Mastzellen, die im Falle einer Verletzung Histamin ausschütten. Histamin bewirkt eine Erweiterung der Blutgefäße und macht sie durchlässiger. Ddurch fließt Blutplasma in das verletzte Gewebe. Wir können das als Schwellung spüren und als Rötung sehen. Dabei kriechen auch Fresszellen in das verletzte Gewebe. Sie fressen tote Zellen und geben unter anderem Botenstoffe ab, welche die Zellteilung unverletzter Zellen anregen.

Es gibt aber auch Situationen, in denen sich Menschen trotz erheblicher Verletzungen und Schmerzen in Sicherheit bringen oder aus anderen Gründen große Leistungen vollbringen müssen. In solchen Fällen ist das Gehirn fähig, Schmerzen auszublenden oder ihre Weiterleitung im Rückenmark zu blockieren. So kann es sich trotzdem ganz auf eine Tätigkeit konzentrieren. Zu diesem Zweck kann das Gehirn die Schmerzschwelle flexibel einstellen. Interessant erscheint auch, dass ein Schmerz die Wahrnehmung eines anderen Schmerzes reduzieren kann.

Schutzfaktor Angst nach oben

Ein weiterer die Gesundheit fördernder Schutzfaktor des Menschen ist die Angst. Sie lässt uns gefährliche Situationen vermeiden oder zumindest überdenken. Aber die Angst ist dem Menschen nicht angeboren. Sie muss erst von erwachsenen Vorbildern erlernt werden. Bis zum Alter von etwa 4 Monaten sollen Säuglinge daher beinahe völlig furchtlos sein. Weil wir Ängste als Kinder erlernen, fürchten Menschen ganz unterschiedliches. Und es ist schwer, einmal erlernte Ängste zu überwinden.

Erkennt beispielsweise die Sehrinde im hinteren Großhirn eine lebensgefährliche Giftschlange, dann wird innerhalb einer Zehntel Sekunde in der Gehirnmitte die Amygdala aktiviert. Sie leitet eine blitzschnelle Angstreaktion ein, noch bevor uns bewusst ist, was wir sehen. Die Haut rötet sich und Schweißperlen treten aus. Die Pupillen weiten sich und man bekommt einen Tunnelblick. Das Gehör und andere Sinne werden geschärft. Die Schrittmacherzellen im Herzen werden aktiviert und das Herz schlägt schneller. In den Nebennieren wird das Hormon Adrenalin ausgeschüttet. Dadurch weiten sich unter anderem die Blutgefäße in der Leber sowie die Bronchien in der Lunge, die dadurch mehr Sauerstof aufnehmen. Leberzellen setzen aus der Speicherform Glykogen das Monosaccharid Glucose frei und geben es ins Blut ab. All das soll uns flucht- oder kampfbereit machen, denn innerhalb weniger Sekunden wird durch eine Vielzahl gleichzeitig eingeleiteter Reaktionen die Leistungsfähigkeit des Körpers gesteigert.

Es kann einen aber auch panisch machen und gefährliche Schreckreaktionen verursachen. Zu einer Panik-Reaktion kommt es allerdings nicht, wenn Menschen eine Giftschlange nur auf einem Monitor sehen. Denn dann schaltet sich der für Logik, Beurteilung, strategisches Denken und die Regulation emotionaler Prozesse zuständige Präfrontale Cortex ganz vorne im Großhirn ein. Er stellt fest, dass die Gefahr nicht real sein kann und sorgt für eine Beruhigung. Manchmal allerdings gelingt es dem präfrontalen Cortex nicht, die Angstreaktion der Amygdala zu bändigen. Dann kommt es zu einer Panik-Attacke oder einer Angsstörung.

Entschließt man sich jedoch, etwas gefährliches zu tun, dann kann und muss man diese unmittelbaren Angstreaktionen überwinden, um keine gefährlichen Fehler zu machen. Dabei hilft es, wenn man positive Erfahrungen macht und der präfrontale Cortex lernt, dass man die gefährliche Situation bewältigen kann. So wird der Einfluss des präfrontalen Cortex im Verhältnis zur Amygdala gestärkt. Förderlich für einen professionellen Umgang mit gefährlichen Situationen scheinen auch Interesse an der Sache und eine positive Einstellung zum gefährlichen Gegenstand zu sein.

Menschen lernen, ihre Körper zu kontrollieren nach oben

Weil das menschliche Gehirn zu groß für den Geburtskanal ist, müssen Menschen viel zu früh mit einem noch sehr unreifen Gehirn geboren werden. Darum können die Gehirne menschlicher Neugeborener ihre Körper noch kaum kontrollieren. Ihre Wahrnehmung der Umwelt ist noch eingeschränkt und muss erst erlernt werden. Sie können kaum kommunizieren, obwohl sie sofort anfangen, die Äußerungen ihrer Eltern zu analysieren. Es dauert sehr lange, bis sie gezielt greifen, laufen und sprechen können. Aber Kleinkinder sind beim Erlernen all dieser Basisfähigkeiten extrem konzentriert, beharrlich und frustrationstolerant. Dabei sollen Säuglinge und Kleinkinder in jeder Sekunde Millionen neuer neuronaler Verknüpfungen ausbilden. Scheinbar einfache Tätigkeiten wie das Gehen sind in Wirklichkeit sehr kompliziert. Da wir sie aber normalerweise lebenslänglich ständig anwenden, vergessen oder verlernen wir sie nicht mehr.

Auch das Fahrradfahren ist nicht einfach und es gehört nicht zu den Fähigkeiten, die sich im Verlauf der menschlichen Evolution über Millionen Jahre entwickeln konnten. Aber wir lernen es nicht nur, sondern wir automatisieren es. Das bedeutet, dass wir nicht mehr darüber nachdenken müssen und gleichzeitig andere bewusste Tätigkeiten ausführen können. Mit Hilfe des Kleinhirns tun wir es so unbewusst, dass wir nicht einmal genau wissen, wie wir es machen. Das ist nur ein Beispiel von vielen für die charakteristische Fähigkeit des menschlichen Gehirns, sich extrem flexibel neuen Herausforderungen anzupassen.

Menschliche Gehirne machen Geräte wie ein Fahrrad quasi zu einem Teil des eigenen Körpers. Wie weit das gehen kann, zeigen beispielsweise die unglaublichen Kunststücke der Besten ihrer Sportarten. Dabei perfektionieren sie eigentlich nur Fähigkeiten wie gute Balance, schnelle Reaktionsfähigkeit und Körper-Koordination, die im Prinzip jeder Mensch besitzt. Das funktioniert durch ständiges Üben, wobei das Zentralnervensystem mit den Augen, dem Gleichgewichts- und Beschleunigungs-Sinnesorgan im Innenohr, mit Muskelspindeln in jedem Muskel, mit Sensoren in den Gelenken und mit Zehntausenden Rezeptoren für Drücke und Vibrationen in der Haut bei jeder Bewegung Informationen sammelt und verarbeitet. Unbewusst kennt das trainierte Gehirn deshalb jederzeit die Gelenkwinkel, Positionen, Lagen und Beschleunigungen des Körpers und seiner Glieder im Raum. Deshalb kann es lernen, wann und wie stark es welche Muskeln anspannen muss, um die gewünschten Ergebnisse zu erreichen. Das Training optimiert auch Reflexe und sogenannte Feedbach-Schleifen, mit deren Hilfe das Zentralnervensystem ständig die gewünschten mit den tatsächlichen Effekten vergleicht und mit genau dosierten Eingriffen korrigiert.

Wenn Spitzensportler oder auch Musiker neue Bewegungsabläufe trainieren, müssen sie die Bewegungen nicht unbedingt ausführen. Man kann sie sich auch "einfach" vorstellen. Denn aufgrund unzähliger im Gedächtnis gespeicherter Erfahrungen weiß das Gehirn ziemlich genau, wie es zahlreiche Muskeln koordiniert ansteuern muss, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Es muss die Vorgänge nur zunächst langsam und dann immer schneller simulieren. So kann es schon ziemlich geübt sein, wenn es komplizierte Bewegungsabläufe zum ersten Mal in der Realität ausprobiert.

Sprache als Gegenstand und Mittel des Lernens nach oben

Typisch für die zwanghafte Überhöhung des Menschen in BBC-Dokumentationen ist die falsche Behauptung, Sprache sei eine exklusiv menschliche Fähigkeit. Allerdings haben Menschen ihre Sprachen zu extremer Differenziertheit sowie zu einem kaum verzichtbaren Werkeug der Kommunikation, des Denkens und des Lernens gemacht. Weltweit sollen mehr 6000 Sprachen gesprochen werden und Erwachsene sollen es auf einen Wortschatz von mehr als 75.000 Wörtern bringen. Bei Siebenjährigen soll der aktive Wortschatz etwa 8000 Begriff umfassen. Gesunde Kinder lernen gerne ständig neue Wörter. Man darf wohl den Konkurrenzkampf zwischen Siebenjährigen bei den in angelsächsischen Ländern beliebten Buchstabier-Wettbewerben kritisch betrachten. Die Gesichter der ausgeschiedenen Kinder sind für mitfühlende Menschen kaum zu ertragen. Es zeigt aber zu was Kinder bei engagiertem Üben fähig sind, wenn dadurch Siebenjährige schon mehr als 20.000 Wörter kennen und 1.150 teils sehr schwierige Wörter buchstabieren können.

Für das Aussprechen unserer Wörter sollen wir Dutzende von Muskeln benötigen. Beim zunächst sehr mühsamen Erlernen der ersten Wörter scheinen Kleinkinder zunächst den Rhythmus eines Wortes zu imitieren. Sie bewegen sich in diesem Alter auch schon rhythmisch zu Musik. Rhythmusgefühl scheint angeboren und eine Voraussetzung für das Erlernen einer Sprache zu sein. Dazu passt, dass Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen oft auch Probleme mit dem Rhythmusgefühl haben. Musik- und Bewegungsunterricht können dann helfen. Bekannt ist auch, das Singen beim Wiedererwerb der Sprache nach einem Schlaganfall helfen kann.

Neue Begriffe lernen wir besonders gut, wenn das Gehirn optische und akustische Sinneseindrücke mit Emotionen und der Wortbedeutung kombiniert. Dabei werden der visuelle Cortex im hinteren Großhirn, der auditive Cortex an den Seiten, das für Emotionen zuständige limbische komplex und die Bedeutungen abspeichernden vorderen Schläfenlappen aktiviert. So entstehen für jedes Wort typische Aktivierungsmuster, die anscheinend beim Erinnern helfen.

Fluoreszenz-Mikroskopie ermöglicht die Erforschung von Lernprozessen nach oben

Wenn man einzelne Botenstoffe im Inneren lebender Zellen mit fluoreszierenden Farbstoffen markiert, dann kann man unter einem Fluoreszenz-Mikroskop beobachten, wie bestimmte Botenstoffe vom Zellkörper zu den Synapsen wandern. Und diese Wanderung von Botenstoffen soll etwas mit Lernprozessen zu tun haben. In den Synapsen warten die Botenstoffe, bis sie durch einen wiederholten Impuls aktiviert werden. Dadurch scheint es zu Bildung neuer Proteine zu kommen, welche die neuronalen Verknüpfungen verstärken. Je öfter die Botenstoffe aktiviert werden, umso stärker wird die Verknüpfung. So sollen sich Erinnerungen fest etablieren. Das scheint nicht nur in den aktiven Lernphasen zu geschehen. Besonders im Schlaf scheint das Gehirn wichtige Verknüpfungen zu verstärken und dadurch der Lernerfolg zu verbessern. Im Schlaf kommt es auch zur Synapsen-Eliminierung.

der schwierige Umgang mit anderen Menschen nach oben

Besonders schwierig zu erlernen sind der richtige Umgang und die Kooperation mit anderen Menschen. Denn dazu muss man sich nicht nur sprachlich exakt und differenziert ausdrücken können. Man muss auch richtig die Gefühle Anderer erkennen, erklären und darauf reagieren. Man muss verstehen, was Andere wissen, wollen und können und manchmal muss man sie belügen. Deshalb muss man eigene Gefühle nicht nur ausdrücken, sondern gelegentlich auch vortäuschen können. Kinder brauchen etliche Jahre, bis sie das alles gelernt haben. Und ein Vergleich mit dem Tierreich zeigt, das ein komplexes Sozialleben die intelligentesten Tierarten auszeichnet. Unsere Standard-Intelligenztests testen diese wichtigen sozialen Fähigkeiten jedoch nicht und ignorieren damit einen wichtigen Teil der menschenlichen Intelligenz.

Man unterscheidet die sechs grundsätzlichen Gesichtsausdrücke Freude, Wut, Überraschung, Ekel, Angst und Traurigkeit. Außerdem gibt es noch Zehntausende sogenannte Mikroexpressionen. Das sind unbewusste, nur für Sekundenbruchteile sichtbare Gesichtsausdrücke. Sie treten auf, wenn man versucht, seine Gefühle zu verbergen.

Eine Art sozialer Kit ist das Lachen. Unwillkürliches Lachen beherrschen Menschen von Anfang an. Es ist uns genau wie verschiedenen Tierarten offensichtlich angeboren und geht anscheinend auf Aktivitäten im auditiven Cortex zurück. Willkürliches oder soziales Lachen müssen wir erst lernen und üben. Man überspielt damit Nervosität oder sorgt für gute Stimmung und es dient im Gegensatz zum anders klingenden unwillkürlichen Lachen der Konversation. Dabei sind Hirnbereiche aktiv, die zu erkennen versuchen, was Andere denken und fühlen.

Untersuchungen an Sechsjährigen haben gezeigt, dass sie wohl noch nicht zwischen willkürlichem und unwillkürlichem Lachen unterscheiden können. Jugendliche und Erwachsene erkennen soziales Lachen unbewusst wohl daran, dass bei ihm die Augen nicht mitlachen. Denn die dafür nötigen Muskeln können wir nicht bewusst steuern.

Gespeichert werden unsere Erinnerungen wohl in der Hirnrinde. Aber der Hippocampus kombiniert optische und akkustische Eindrücke mit der Bedeutung eines Begriffes und bringt sie ins Bewustsein.

Auch unser Körper lernt. nach oben

Zumindest kann man es als ein Lernen in einem erweiterten Sinne verstehen, dass sich der menschliche Körper an die Anforderungen anpasst, die wir an ihn stellen. Dazu gehören bei Sportlern nicht nur die Verstärkung von Knochen und Muskeln, sondern auch die Automatisierung von Bewegungsabläufen, die Beschleunigung von Reflexen und eine Steigerung der Körperbeherrschung durch ein geübtes Zentralnervensystem. Hinzu kommt noch zunehmende Erfahrung.

Skelettmuskeln sollen das anpassungsfähigste Gewebe unseres Körpers. Ich halte wenig von solchen Superlativen in der Biologie. Denn wir wissen alle noch viel zu wenig, um solche Aussagen seriös machen zu können. Und wieso sollten Muskeln anpassungsfähiger sein als unser Gehirn? Wahr ist aber, dass Muskelfasern mehr als einen Zellkern haben. Bei besonderer Belastung werden spezielle Satellitenzellen aktiviert, die sich teilen und von denen eine danach mit der Muskelfaser verschmilzt. Dadurch nimmt in trainierten Muskelzellen die Zahl der Zellkern und damit auch ihre Fähigkeit zur Proteinbiosynthese zu. Falsch ist allerdings die Behauptung der BBC-Dokumentation, dadurch nehme auch die Zahl der Myozyten zu. Denn Myozyt ist nur ein Fachbegriff für Muskelzelle oder Muskelfaser und deren Zahl nimmt durch durch die Verschmelzung ja gerade nicht zu. Verschiedene Quellen behaupten, die Zahl der Muskelfasern nur vor der Geburt oder durch Training nur bei Kindern oder Jugendlichen oder aber auch noch bei Erwachsenen zunehmen.

Lernen auf der Ebene der Gene nach oben

Man könnte sich darüber streiten, ob man es wie die BBC-Dokumentation Lernen oder nur Anpassung nennen will. Aber so groß ist der Unterschied ja nicht. Jedenfalls passt sich der menschliche Körper an seine Umwelt und sein eigenes Verhalten an, indem er über Generationen hinweg bestimmte Gene dauerhaft an oder ausschaltet. Man nennt dieses Phänomen Epigenetik und es funktioniert unter anderem so, dass Gene inaktiviert werden, indem Histonproteine ihre Form verändern, was dann zu einer dichteren Packung der um sie gewickelten DNA führt und diese unzugänglicher macht.

Zu den für Menschen bedeutenden Umwelteinflüssen gehört die Höhe, in der wir leben. Denn mit zunehmender Höhe nimmt die UV-Strahlung zu, während Luftdruck und Sauerstoffgehalt abnehmen. An das Leben in großen Höhen muss sich deshalb der menschliche Organismus anpassen. Nicht in den Bergen geborenen Menschen fällt in der Höhe anfangs das Treppensteigen schwer und sie sind abends früh erschöpft. Das liegt daran, dass in 3000 Metern über dem Meeresspiegel der Sauerstoffgehalt der Luft um 30% und bei 4000 Metern Höhe um 50% niedriger als auf Meereshöhe ist.

In einer Druckkammer lässt sich der Effekt des Sauerstoffmangels naturwissenschaftlich kontrolliert untersuchen. In ihr kann man beispielsweise simulieren, wie man von Meereshöhe auf einen Berggipfel radelt. Dabei nimmt die Sauerstoff-Konzentration kontinuierlich ab. So wurde festgestellt, dass der Organismus als schnelle Gegenmaßnahmen mit gesteigerten Frequenzen von Puls und Atmung auf den zunehmenden Sauerstoffmangel reagiert. Körperliche Aktivität ist trotz dieser Reaktionen nicht ratsam, wenn man schnell auf 3000 Meter aufsteigt. Denn sinkt die Sauerstoff-Konzentration im Blut unter 70%, reagieren viele Menschen erst verwirrt und können sogar das Bewustsein verlieren. Das sind Symptome der sogenannten Höhenkrankheit (Hypoxie).

In den Nieren messen spezielle Zellen ständig die Sauerstoff-Konzentration im Blut. Auf Sauerstoff-Mangel reagieren sie mit einer gesteigerten Produktion des Hormons Erythropoetin. Im Knochenmark und im Extremfall auch in der Milz steigert Erythropoetin die Vermehrung roter Blutkörperchen (Erythrozyten). Diese Art der Anpassung dauert etwa 3 Wochen und wird von Sportlern benutzt, um sich in Höhen zwischen 1200 und 3000 Metern auf Wettkämpfe in Ausdauersportarten im Flachland vorzubereiten. Dieser Anpassungseffekt geht allerdings ähnlich schnell auch wieder verloren, weil ja die über den normalen Bedarf hinaus entstandenen Erythrozyten nach 3-4 Monaten wieder verschwinden.

Bleibt man aber mehrere Monate in größeren Höhen, dann kommt es zu einer anhaltenden, sogenannten epigenetischen Aktivierung des Gens für Erythropoetin. Anders als im Film behauptet, ändert sich aber dabei nicht die Codierung der DNA. Es wird nur ein blockierendes Molekül entfernt, wodurch das Gen häufiger abgelesen wird. Epigenetisch wirksame Markierungen durch Methylgruppen oder andere kleine funktionelle Gruppen müssen nicht unbedingt direkt an der DNA erfolgen. Ähnlich wirken auch Markierungen an den Histonproteinen, um welche die DNA gewickelt und je nach Markierung mehr oder weniger dicht verpackt wird.

Bergsteiger erreichen Höhen von fast 9000 Metern, indem sie ihren Körpern noch mehr Zeit für eine gründlichere Anpassung lassen. Dazu steigen sie langsam von Basislager zu Basislager auf. Unterhalb von 2500 Metern Schlafhöhe leidet fast niemand unter akuter Höhenkrankheit, in einem Basiscamp in 3000 Metern Höhe sind es aber schon 20% der Menschen. Gibt man seinem Körper aber einige Monate Zeit, dann können sich Menschen an Höhen bis zu ungefähr 5300 Metern vollständig anpassen. Darüber beginnt die sogenannte Todeszone, in der sich auch gut akklimatisierte Menschen nur für kurze Zeit aufhalten sollten, da sie nur mit massiver Hyperventilation überleben.

meine kritischen Zusammenfassungen von Fernsehdokumentationen

buchunabhängige Lerntexte

meine Biologieseite

Kommentare und Kritik von Fachleuten, Lernenden und deren Eltern sind jederzeit willkommen.

Roland Heynkes, CC BY-NC-SA 4.0